Leichte Sprache - ein Mittel der Inklusion?

  • Hallo allerseits,


    schon seit einiger Zeit geistert der Begriff "Leichte Sprache" durch das Internet. Hier habe ich mal was dazu gefunden. Dort wird es auch als geeignet für die Inklusion beschrieben.



    Was haltet ihr von der "Leichten Sprache" in der Schule?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Das kommt immer darauf an. Leichte Sprache ist ein implizierter Zwischenschritt, der im allgemeinen Leben den Zugang zu den gesellschaftsrelevanten Diskursen eröffnen soll und der im schulischen Bereich einen sprachdidaktisch erleichterten Einstieg in komplexere Sprachsituationen geben soll.


    Letzlich ist "leichte Sprache" nichts anderes als didaktisiertes Sprachmaterial. Was sollte daran schlecht sein, sofern man es nur als Zwischenschritt zur vollen Teilhabe am sprachlichen Austausch betrachtet?

  • Ich muss sagen, einerseits ist mir die "Leichte Sprache" sympathisch. Ich wünsche sie mir insbesondere für die Behörden oder für Bedienungsanleitungen u.dgl. mehr. Deutsch mit Englisch zu vermischen, kann ja auch keine "Leichte Sprache" sein. ;-)


    Andererseits wirkt sie auf mich auch ein wenig wie eine "Verflachung" der Sprache. Muss wirklich jeder Satz in einer neuen Zeile beginnen? Ich hatte einmal einen Schüler, der das in einem Aufsatz gemacht hat. Das habe ich alles rot angestrichen. (Ich kannte noch nicht dieses Detail der "Leichten Sprache", aber ich vermute, er auch nicht.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Was haltet ihr von der "Leichten Sprache" in der Schule?

    Gar nix! Kommt bei mir so rüber, als sollten wir jetzt in einer Sprache mit den Schülern kommunizieren, wie man das in diversen Comics liest.
    Es gibt in den diversen Fächern eine entsprechende Fachsprache, die im jeweiligen Kontext notwendig für eine sinnvolle Kommunikation ist und die ist zu lernen und zu verwenden.
    Ich persönlich bin schon etwas angenervt, wenn mir Schüler etwas von tun- und Ding-Wörtern (ich glaube so hießen die) erzählen, als von Verben und Substantiven....
    Oden wenn mir angehende Elektriker was von Stromspannung erzählen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Gerade für juristische (Behörden) und technische (Bedienungsanleitungen) Texte ist leichte Sprache überhaupt nicht geeignet, da geht es um sprachliche Präzision. Für manche Schüler wäre es in Geschichte sicherlich nett, weil sie dann den Sinn vieler Texte schneller verstehen könnten, aber eigentlich auch nur wenn man zieldifferent unterrichtet, zum Abitur kommt man damit bestimmt nicht (außer da müssen auch alle Texte in leichter Sprache vorliegen aka Untergang des Abendlandes :P )...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Gar nix! Kommt bei mir so rüber, als sollten wir jetzt in einer Sprache mit den Schülern kommunizieren, wie man das in diversen Comics liest.

    Ach du Scheiße. Wenn du nicht mit einer künstlerischen Ausdrucksform vertraut bist, benutze die einfach nicht als Metpher. Paraphrasiert wäre das nämlich: "Kommt so rüber, als sollten wir jetzt in einer sprache kommunizieren, wie man die aus Opern kennt."

  • Die Leichte Sprache ist vorwiegend für Menschen mit Behinderungen gedacht, steht in dem Artikel.
    Was ist jetzt daran schlimm? Ist doch gut, wenn man Erkenntnisse darüber hat, wie ihnen das Lesen und Verstehen leichter fällt, und darauf zurückgreifen kann, wenn man Inklusionskinder in der Klasse hat. Förderschullehrer schreiben Arbeitsanweisungen vermutlich sowieso seit jeher in Leichter Sprache - nun hat das ganze eben einen Namen bekommen.
    Gebärdensprache gibt es ja auch für Hörgeschädigte, das ist selbstverständlich.


    Dass die Leichte Sprache unsere normale Schriftsprache nicht verdrängen, sondern nur im Notfall ergänzen soll, ist doch eigentlich logisch.

  • Leichte Sprache per se - unabhängig von Schule - ist evt. für manche Menschen hilfreich und eine gute Suche. Ob das in der Sonderschule sinnvoll ist, können die Kollegen dort besser beurteilen als ich.


    Sog. "Nachteilsausgleich" halte ich prinzipiell für absolut verkehrt weil er in sich widersprüchlich ist.


    Verordnung B.-W.:
    "Der Nachteilsausgleich für Schüler mit besonderem Förderbedarf oder für behinderte Schüler lässt daher das Anforderungsprofil unberührt und bezieht sich auf Hilfen, mit denen die Schüler in die Lage versetzt werden, diesem zu entsprechen."


    Das geht nicht.


    Man kann nicht das Anforderungsprofil ändern und es gleichzeitig nicht ändern.
    Schon gar nicht, wenn das Ziel der Änderung ist, dass jemand, der sonst nicht bestehen würde, nun bestehen kann.

  • Ja, da hast du recht.
    Wenn das Kind allerdings lernzieldifferent unterrichtet wird und in bestimmten Fächern keine Noten bekommt, dann kann man durchaus die Leichte Sprache nutzen, auch in Lernzielkontrollen. Dann profitiert das Kind. Vergleichbar ist es sowieso nicht mehr.

  • Um was geht es hier - Ich glaube, hier sollte sinnvoll differenziert werden. - Soll Leichte Sprache allgemein für alle SchülerInnen eingesetzt werden? Nein, da bin ich dagegen.


    Als sinnvolles Werkzeug für Kinder mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung und Förderschwerpunkt Lernen? Bin ich voll dafür. Sie dient in ihrem ursprünglichen Sinn der Barrierefreiheit und ist für Menschen mit kognitiven Einschränkungen gedacht.


    Als Beispiel habe ich in meinem Unterricht für die Kinder mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung das Material von pro familia zu Liebe und Sexualität in einfacher Sprache nutzen können und war sehr froh, dass es das gab. Wer möchte, kann da mal reinschauen und sieht, dass auch sehr komplexe Sachverhalte angemessen dargestellt werden können, so dass auch meiner Förderkinder damit arbeiten und später mit reden konnten in der Gruppe.
    Platt ausgedrückt: Leichte Sprache hat nichts damit zu tun, Menschen noch "dümmer" zu machen oder dumm zu halten, sondern überhaupt erst einmal eine Teilhabe zu ermöglichen.

  • Es gibt in den diversen Fächern eine entsprechende Fachsprache,

    Oden wenn mir angehende Elektriker was von Stromspannung erzählen.

    Ich halte "leichte Sprache" für ein wichtiges Mittel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Dies gilt nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern auch für viele andere Menschen in diesem Land, die Schwierigkeiten mit komplexen Texten haben. Gesellschaftliche Teilhabe umfasst z.B. politische und wirtschaftliche Bildung, Umgang mit Behörden und anderen notwendigen Stellen, auf die man angewiesen ist. Ein durchaus großer Teil der Bevölkerung ist eben nicht in der Lage, anspruchsvolle und längere Texte zu lesen. Für diese Menschen muss auch an ein Angebot geschaffen werden.


    Warum ich SteffdA zitiert habe: Davon zu unterscheiden ist eine wissenschaftliche/fachliche Ausbildung mit Vertiefung in einem bestimmten Bereich (nennen wir es den berufsbezogenen Bereich - dazu im Gegensatz der allgemeinbildende Teil an Schulen). Mir ziehen sich beim Begriff "Stromspannung" oder fließenden "Spannungen" regelmäßig die Zehennägel hoch. Ein Biologe kann auch nicht von "den Dingern, die im Körper schwimmen" sprechen, ein Chemiker von (... hier hört das Fachwissen bei mir auf). Ich kann und sollte also bei der Ausbildung von Fachleuten/Experten auf die Fachsprache achten. Hier ist sie wichtig. Wer diese Sprache nicht beherrscht, muss sich halt etwas anderes suchen, bei dem einfachere oder weniger Fachsprache benötigt wird. Im gesellschaftlichen Raum finde ich "leichte Sprache" sehr gelungen. Die TAZ veröffentlich regelmäßig Artikel in leichter Sprache, in die ich gelegentlich auch mal reingucke. Die Artikel bieten ausreichend grundlegendes Wissen ohne dabei von oben herab zu wirken. Leichte Sprache aus mehreren gesellschaftlichen Richtungen bietet übrigens auch eine gelungene Alternative gegen rechts- oder linkspopulistische Dummschwätzer, die sonst die Meinungshoheit in bestimmten Bereichen an sich ziehen.

  • Ja, da hast du recht.
    Wenn das Kind allerdings lernzieldifferent unterrichtet wird und in bestimmten Fächern keine Noten bekommt, dann kann man durchaus die Leichte Sprache nutzen, auch in Lernzielkontrollen. Dann profitiert das Kind. Vergleichbar ist es sowieso nicht mehr.

    Meines Erachtens sind Schüler, die das Klassenziel oder den Abschluss nicht erreichen können, auf der falschen Schule - und das gilt für alle gleich, ganz unabhängig von Behinderungen.


    Wenn für einzelne Schüler ein komplettes Sonderprogramm gefahren wird, frage ich mich schon, inwiefern man das noch "Inklusion" nennen kann. Ja gut, sie befinden sich im selben Raum oder Gebäude...

  • Ich verstehe, auf was du hinaus willst, aber ich selbst wollte jetzt gar nicht über Sinn oder Unsinn von Inklusion mit lernzieldifferentem Unterricht diskutieren, sondern nur sagen, dass ich die Leichte Sprache für solche Fälle einfach als gutes Mittel, den betroffenen Schülern doch noch möglichst viel Inhalte vermitteln zu können, sehe.


    In etwa das, was mad-eye-moody oben sagte. ;-)

  • „Leichte Sprache“, wenn man es denn so nennen möchte, ist m.E. doch nichts anderes als das, was die allermeisten Grundschullehrer und Sonderpädagogen schon seit vielen Jahren im Rahmen der Differenzierung machen. Ein komplexer und vom Satzbau anspruchsvoller Text, der für den Großteil der Klasse absolut geeignet ist, wird für lese- oder sprachschwache sowie lernbehinderte Kinder vereinfacht, so dass sie am Thema auf ihrem Niveau mitarbeiten können. Halte ich für absolut legitim und unverzichtbar.

  • Leichte Sprache: Doppelplusgut.


    Fast alles ist sowieso schon von irgendjemandem irgendwann irgendwo gesagt worden.


    Wir sollten nicht alles in immer komplizierter werdenden Schleifen wiederholen.


    Kümmern wir uns um das Vereinfachen des bereits Gesagten!


    Außerdem sind Nebensätze, Fremdwörter, Konjunktive usw. nur ein Mittel des "alten weißen Mannes" zur Unterdrückung anderer.


    Die Meisten kommen mit vielleicht 1000 Wörtern durchs Leben.


    Daran sollten wir uns orientieren!


    Gruß !

    Ich verstehe, auf was du hinaus willst, aber ich selbst wollte jetzt gar nicht über Sinn oder Unsinn von Inklusion mit lernzieldifferentem Unterricht diskutieren, sondern nur sagen, dass ich die Leichte Sprache für solche Fälle einfach als gutes Mittel, den betroffenen Schülern doch noch möglichst viel Inhalte vermitteln zu können, sehe.

    ??? Kannst du das auch noch einmal in Leichter Sprache ausdrücken? Damit wir es auch verstehen ???

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Beachten sollte man, dass es sowohl die Leichte Sprache als auch die Einfache Sprache gibt. In manchen Situationen haben beide ihre Berechtigung.



    Zum Beispiel sollte die Vorstellung des Förderangebots Deutsch als Fremdsprache wohl besser in leichter oder zumindest einfacher Sprache verfasst sein: Kinder, die zu wenig Deutsch sprechen, haben zumeist auch Eltern, die noch weniger Deutsch sprechen. Damit die Information ankommt (und die Fördermaßnahme regelmäßig besucht & unterstützt wird), sollten Eltern verstehen, was da angeboten wird / die Eltern sollten da nicht abhängig sein von der Übersetzung durch ihre Kinder (die dann vielleicht dazu raten, das Kind davon abzumelden / nicht anzumelden...)

  • Das geht auch umgekehrt: "Ballistische Experimente mit kristallinem H2O auf dem Areal der pädagogischen Institutionen unterliegen striktester Prohibition!"


    Wenn ich nicht will, dass Schüler mit Schbeebällen werfen, sage ich es ihnen aber in allerleichtester Sprache.


    Dass schöne Texte und sprachliche Entwicklung ihren eigenen Wert haben ist wohl klar. Wenn ich aber will, dass meine Förderschüler wissen, wovon wir reden, schreibe ich in leichter Sprache.

  • Nachteilsausgleich ist übrigens was anderes. Da darf inhaltlich nichts geändert werden. Wenn einer aber nix sieht, bekommt er halt eine Brille- Nachteil ausgeglichen.

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