Aus der Serie "Doktorarbeiten mit methodischen Mängeln": Max und Murat

  • Aufsätze kann ich nicht sagen, da ich kein Deutsch mehr unterrichte. In meiner Schule werden im Jahrgang gleiche Arbeiten geschrieben. In Ma/ SU z.B. legen wir genau fest wofür es Punkte gibt, was ein Fehler ist und bei wieviel Prozent man welche Note kriegt. Sollte mal Unklarheit herrschen (weil ein Kind mit seinem Fehler sehr kreativ war) besprechen wir uns.

  • ...
    "Das Team des Lehrstuhls Pädagogische Psychologie um Oliver Dickhäuser wollte wissen, ob angehende Lehrer die Leistungen von Schülern mit ausländischen Wurzeln anders beurteilen als jene mit deutschem Hintergrund."


    Das ist korrekt. Die Fragestellung zielte nämlich *nicht* darauf ab, ob das Diktat von einer erfahrenen Lehrperson in der Realität und nach einem festgelegten Notenschlüssel ebenso mangelhaft beurteilt worden wäre. Ziel der Studie war es, genau das zu zeigen: ein festgelegtes Beurteilungsraster sollte es bei *jeder* Leistungskontrolle geben um genau das zu vermeiden, worauf die Probanden eben reingefallen sind. ...

    Nenne mir bitte einen schlüssigen Grund, warum man Lehramtsstudenten nachweisen muss, dass sie noch nicht wissen, wie man Diktate ordentlich auswertet. Hätten sie die Diktate angehenden Metzgern vorgelegt, wäre es mir recht gewesen. Nur so wird suggeriert, Lehrer seien halt prinzipiell unreflektiert.


    Wenn dann noch die "gute Nachricht" verkündet wird, dass Lehrer was gegen ungerechte Noten tun können, nämlich nicht aus dem Bauch heraus Noten zu verteilen, dann kann ich mich schon ärgern. Studien, die nur aus dem Selbstzweck geschmiedet werden, damit irgendwer Forschungsgelder bekommt sind doch ärgerlich. Unklar, was man daran gut finden kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • Nenne mir bitte einen schlüssigen Grund, warum man Lehramtsstudenten nachweisen muss, dass sie noch nicht wissen, wie man Diktate ordentlich auswertet.

    Darum ging es nicht in der Studie. Mehr ist dazu jetzt auch nicht mehr zu schreiben.



    In Ma/ SU z.B. legen wir genau fest wofür es Punkte gibt, was ein Fehler ist und bei wieviel Prozent man welche Note kriegt.

    Ja, fein. In Chemie benote ich auch zu 90 % nach festgelegten Bewertungsrastern. Es gibt aber einige Formate der Leistungskontrolle, bei denen das nur bedingt möglich ist. Vorträge z. B., die ich aus genau diesem Grund auch gar nicht gerne bewerte. Da soll ich dann auf meinem schönen Raster Punkte für so lustige Dinge wie "Ausdruck" und "Präsenz" geben. Hurra. Wer als Lehrer behauptet, Subjektivität würde bei der Notenfindung keine Rolle spielen, der belügt sich selbst.

  • Ich versuche es. Ich kenne wie gesagt jemanden aus dem Umfeld der Gruppe, nicht aber die Autorin selbst. Kann aber nen Moment dauern.

  • Ich versuche es. Ich kenne wie gesagt jemanden aus dem Umfeld der Gruppe, nicht aber die Autorin selbst. Kann aber nen Moment dauern.

    Ich bin gespannt.
    Die Forschungsfrage an sich ist interessant. Und ich habe genug Kolleg(inn)en vor Augen, die (aus welchen Gründen auch immer) äusserst subjektiv bewerten. Ich kann auch die Forschenden verstehen. Da hat man eine schöne Forschungsfrage, 609 € ausgezahlt plus die Schokolade, vielversprechende Vorstudien durchgeführt - und dann kommt doch nicht das Gesuchte dabei raus. Damit die Arbeit nicht umsonst war, sucht man weiter. Dazu noch die Situation der Lehrstuhlinhaber mit den W(eniger)-Stellen, die oft nur dann einen Aufschlag bekommen, wenn die Zahl der Publikationen über dem Schnitt der Hochschule/Fakultät/wasauchimmer liegt.
    Das die Zeitungen daraus eine tolle Schlagzeile machen, die den Inhalt der Studie entstellt, liegt nicht bei den Autoren - da können die nichts zu. Aber das Paper wirft bei mir eben doch ein paar Fragen auf.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Darum ging es nicht in der Studie. Mehr ist dazu jetzt auch nicht mehr zu schreiben.

    Das ist allen bewusst, die Frage ist aber, was mit den Ergebnissen passiert, die in der Öffentlichkeit breitgetreten werden. Und sinnlos bleibt sie allemal, denn Lehrer wissen nunmal, welche Kriterien zur Bewertung herangezogen werden müssen.


    ... Wer als Lehrer behauptet, Subjektivität würde bei der Notenfindung keine Rolle spielen, der belügt sich selbst.

    Auch das bezweifle ich als Allerletzte. Lustig, bei der Diskussion um die Unabhängigkeit und Objektivität von Bildungsempfehlungen wollten mir alle weismachen, wie neutral und unabhängig vom Sozialstatus der Kinder doch bewertet würde...


    Ich finde die Frage, die hinter der Studie steht durchaus interessant. Noch viel interessanter wären aber neue Erkenntnisse und Lösungsansätze jenseits von Binsenweisheiten, die zur Grundausbildung gehören.

  • Auch das bezweifle ich als Allerletzte. Lustig, bei der Diskussion um die Unabhängigkeit und Objektivität von Bildungsempfehlungen wollten mir alle weismachen, wie neutral und unabhängig vom Sozialstatus der Kinder doch bewertet würde...

    Nein ... so war das nicht. Ich habe die fragliche Diskussion gerade noch mal rausgesucht und zitiere exemplarisch mich selbst:



    Es bestreitet eigentlich keiner nachgewiesene Zusammenhänge. Das jeweilige Fazit ist nur ein anderes. Du sagst, das dreigliedrige Schulsystem ist für die Füchse, ich sage, es ist gut. Du siehst ein systemisches Problem, ich sehe ein Problem bei den Eltern. Ich nenne auch keine Einzelfälle sondern sage, ich unterrichte an zwei Schulstufen und sehe keine "falsch einsortierten" SuS (und wenn dann eher zu hoch, als zu tief im Niveau). Das Phänomen müsste bei uns ja noch viel ausgeprägter sein, da die Übertrittsquote ans Gymnasium so viel kleiner ist. Meinst Du denn alle SuS bekommen automatisch bessere Noten nur weil noch mehr ans Gymnasium gehen? Das Problem mangelnder häuslicher Unterstützung bleibt doch, egal an welcher Schulstufe.

    Und sinnlos bleibt sie allemal, denn Lehrer wissen nunmal, welche Kriterien zur Bewertung herangezogen werden müssen.

    Das wage ich zu bezweifeln. Selbst wenn theoretisch das alle wissen sollten, gibt es genug, die sich nicht dran halten. Und wie bereits erwähnt gibt es Formate der Leistungskontrolle, die für Subjektivität erheblich anfälliger sind, als andere.

  • Bei meiner Tochter in der weiterführenden Schule zählen schriftliche Arbeiten nur noch 40 Prozent. Man sollte sich lieber über die übrigen 60 Gedanken machen, denn mündlich Bewertungen finde ich noch viel subjektiver.

  • Anfrage ist nach Mannheim geschickt und ist in Arbeit. Man äusserte sich zumindest schon mal wohlwollend ob des Interesses an der Auswertung und versprach sich später ausführlich zu melden. :)

  • Man äusserte sich zumindest schon mal wohlwollend ob des Interesses an der Auswertung und versprach sich später ausführlich zu melden. :)

    Na dann, sind wir doch mal gespannt.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Der gute Fußumhüllende - schon lieb, wie du diese Studie verteidigst bzw. versuchst, ihre Vorteile im Forum verständlich zu machen. Löblich. Vielleicht bist du da auch von Sympathien und Empathie mit den Verfassern geprägt? Wir sind nie ganz sachlich und objektiv - wissen wir aber doch auch so.
    Aber ich erkenne nach wie vor keinen Mehrwert - und die Teile, die ich gelesen habe, haben mich nicht angeregt, mehr zu lesen, da das Ergebnis eben so banal ist. Und das, was damit gemacht wird ärgert mich nunmal auch, wurde aber auch schon kommentiert. Und damit reiht es sich (sicher unfreiwillig) ein in die Reihe von Studien und Umfragen, die seltsame oder gut nutzbare Ergebnisse bringen (wie diese lustige Studie, die angeblich bestätigte, dass kleinere Lerngruppen keinen Vorteil brächten - als Testgruppe wurden, wenn ich mich recht entsinne, zwei Schüler aus einer großen Lerngruppe entzogen...und aha, keine Veränderung feststellbar).


  • wie diese lustige Studie, die angeblich bestätigte, dass kleinere Lerngruppen keinen Vorteil brächten - als Testgruppe wurden, wenn ich mich recht entsinne, zwei Schüler aus einer großen Lerngruppe entzogen...und aha, keine Veränderung feststellbar).

    Das interessiert mich - hast du dafür einen Quellenverweis?

  • Anfrage ist nach Mannheim geschickt und ist in Arbeit. Man äusserte sich zumindest schon mal wohlwollend ob des Interesses an der Auswertung und versprach sich später ausführlich zu melden. :)

    Danke, das würde mich interessieren.


    Insgesamt finde ich ja diese Tabelle aufschlussreich:
    https://www.frontiersin.org/fi…m/fpsyg-09-00481-t001.jpg


    Das Cohen's d für den Zusammenhang "Namen"-"Note" dabei ist ja durchaus als "schwach" (weil zwischen 0.2-0,5)zu bezeichnen.


    Kombiniert mal mit dieser Abbildung:
    https://www.frontiersin.org/fi…m/fpsyg-09-00481-g001.jpg


    Da stellt sich heraus, dass Leute mit einer positiven Einstellung zu Migranten offenbar für die krassen Abweichungen relevant sind. Die Forscher bemerken ja auch:


    "One reason could be that the teachers with a positive implicit attitude toward students with a migrant background who had to assess a student with a migrant background who performed poorly had high expectations because of their positive attitude toward students with a migrant background, and these expectations were disappointed by the dictation. Thus, they may have graded the dictation more severely because it did not fulfill their expectation. However, before putting forward alternative explanations, the unexpected direction of the interaction between performance level, migrant background, and implicit attitude should be replicated in future studies."



    Darf man das mit dem "Harter Boden der Realität"-Effekt vergleichen? Ich finde persönlich, dass dieser Effekt der interessanteste Effekt der gesamten Studie ist... Denn der würde uns deutlich mehr Aufschluss über die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung an Universitäten geben.

  • Ohne die Studie im Detail zu kennen, sollten man beim Glauben an "statistische Signifikanz" sehr vorsichtig sein:


    https://www.spektrum.de/news/s…fikanztest-fallen/1224727


    Gruß !


    Ich will hier keine Klischees auffahren. Aber es kommt doch häufiger vor als man denkt, dass Hypothesen und Nullhypothesen nach den Untersuchungen den Ergebnissen angepasst werden - eben damit „Signifikanz“ entsteht...


  • Darf man das mit dem "Harter Boden der Realität"-Effekt vergleichen? Ich finde persönlich, dass dieser Effekt der interessanteste Effekt der gesamten Studie ist... Denn der würde uns deutlich mehr Aufschluss über die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung an Universitäten geben.

    :top:

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Hm, habe ich den Abschnitt richtig verstanden? Bei den "schlechteren Diktaten" geben die Personen mit einer gemessenen positiven Einstellung zu Murat ihm schlechtere Noten, weil sie (nach Interpretation der Forscher) enttäuscht von der Leistung von Murat sind und ihn das "spüren lassen wollen". Und die mit eine gemessenen negativen Einstellung zu Murat geben ihm tendenziell noch die bessere Note (alle so im Bereich der 4+).


    Richtig? (Mein Englisch ist leider manchmal etwas wackelig - besonders bei Forschungsstudien. ;)


    kl. gr. frosch

  • Fassen wir einmal zusammen:


    - hochemotionales Thema auf das sich die MSM begeistert stürzen
    - "signikantes" Ergebnis
    - viele offene Frage und "weiterer Forschungsbedarf"


    Ist doch optimal gelaufen für die Forscher...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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