Eltern- oder vielmehr der Umgang mit sozialem Abstieg

  • ..Du schreibst von der Situation vor der Schule. Ist da nicht die Lehrerkonferenz und die Schulleitung gefragt? Das wäre doch einmal ein Thema, das alle anginge. Da müsste man sich absprechen, wie man das handhabt. Man könnte auch die Hausordnung erweitern, wenn sie für solche Fälle noch nichts vorsieht.

    Danke @Caro07, achja, es gibt ja immer Kollegen, die die Hausordnung durchsetzen und welche, die das nicht tun. Zu letzteren gehört die Schulleitung, daher verlaufen solche Diskussionen oft fruchtlos. Wer nicht will, dass geraucht wird, sagt was, wer das nicht will, verweist darauf, dass der Bereich ganzganz offiziell ja eigentlich nicht mehr zum Schulgelände gehört. Oder die Eltern die Verantwortung haben, wenn einer beim Klettern abstürzen sollte...



    Danke auch @Susi Sonnenschein, ich versuche es zu beherzigen!!

  • ... Ich verstehe das einfach nicht und frage mich - ist das wirklich ein neuzeitliches Phänomen oder ist es mir früher nur nicht aufgefallen?

    Das ist nicht neu, denke ich. Wir sind aber (ich zumindest) in anderen Stadtvierteln aufgewachsen. Am Frankfurter Hauptbahnhof wars vermutlich noch nie besonders illuster...


    Es ist bei mir nur geballt, weil die Klientel sich so zusammensetzt.

  • Wenn ich sowas lese, auch den Grundschul-Thread, der gerade parallel dazu läuft, dann hab ich das Gefühl, ich wohne auf einem anderen Planeten. Ich mach den Job jetzt auch schon in der 6. Runde und finde meine Jugendlichen ein ums andere mal bemerkenswert anständig und selbständig. Ich hab grad die erste Schulwoche rum und die ersten Eindrücke meiner beiden neuen Klassen sind wirklich so gut wie noch nie. Und da frage ich mich eben ... warum ist das so? Also das ist eine völlig ernst gemeinte Frage und ich hoffe, ihr könnt mir das mal irgendwie erklären, warum bei euch anscheinend diese Art der Verrohung und Verwahrlosung stetig zunimmt und ich hier von alledem nichts mitbekomme?

    Das liegt definitiv zu einem großen Teil an der Schulform, an der du unterrichtest.
    Wenn ich das soziale Miteinander so vergleiche, geht man Gym deutlich freundlicher miteinander um. R ist meistens nett und in den H-Klassen herrscht häufig schon ein rauerer Ton. Beim Förderschwerpunkt Lernen ist das noch deutlicher zu spüren. Auch ganz aktuell merke ich das. Aus zwei 6ern wurde eine H7 und meine R7 zusammengestellt. Sozial ist meine die deutlich einfachere, während in der Parallelklasse in den ersten beiden Wochen direkt zwei Klopper gelaufen sind. Das muss nicht immer so sein, ist aber eher so als andersherum. Wie es in der Grundschule ist, hängt vom Einzugsgebiet ab mit manchen Ausreißern - da kann schon mal ein wilderer Jahrgang zusammenkommen, wenn die "Richtigen" gleichzeitig ihr Kind in die Schule geben.
    Ich hatte auch mal eine Klasse Förderschwerpunkt Lernen geleitet und so einen Bollerkopp an Vater dabei. Wegen Kleinigkeiten wurden da andere Leute angepöbelt - am Telefon oder auf dem Schulhof. Ich wurde einmal um 21:45 Uhr von ihm angerufen. Ich habe aufgelegt, nachdem klar war, dass es keinesfalls um einen Notfall ging. Der musste erst einmal entweder bei mir oder im Sekretariat mit seinem Verhalten auflaufen, um dann etwas zurechtgestutzt zu einem gescheiten Gespräch in der Lage zu sein. So einen hatte ich danach zum Glück nie wieder. Generell waren die Elternhäuser dieser Klasse schwierig oder belastet. Die Eltern in meinen Regelklassen (H/R noch zusammen) waren nie so schlimm.


    Dann hast du vielleicht eine Altersstufe, die schon durch das Schlimmste durch ist. In Klasse 9 finde ich unsere Schüler schon deutlich ruhiger als jetzt z.B. in Klasse 6 oder 7. Da gibt es dann eher die großen Ausreißer wie Psychiatrie oder ein Schulwechsel wegen einer größeren Sache (was Sexualles oder wegen Drogen).



    @Krabappel
    Mir hat geholfen, dass ich immerhin in der Schule gezeigt habe, wie man sich auch anders verhalten kann. Mehr kann ich zum Teil nicht tun, wenn die Familie einfach entsetzlich ist. Ich erinnere mich daran, wie ich einen Hausbesuch bei einem meiner Problemschüler machte. Der Vater öffnete mir die Tür und er hatte einen Zahn im Mund, der noch weiß war und die normale Länge hatte. Die anderen waren alle schwarze Stummelchen. Mehr musste ich eigentlich nicht wissen. Wer nicht einmal auf sich selbst achten kann, schafft das garantiert nicht bei seinem schwierigen Sohn. Als die Mutter dann erzählte, sie trinke nicht, war mir klar, dass sie während der Schwangerschaft gesoffen hatte. Das passte auch zum Behinderungsbild (Gaumenspalte, Kleinwuchs) des Jungen.
    Da die großen Fässer aufzumachen, bringt oft nichts. Die Eltern winden sich häufig raus oder es verläuft im Sande.

  • Naja... Aber auch Du wirst da ja einen Trend beobachten. Ist es wirklich Deine Eltern-Klientel, die schlimmer wird? Klingt ja so, als könnte auch Inkonsequenz seitens der SL mit ne Ursache sein. War das an Deiner Schule immer schon die gleiche SL oder gab es da Veränderungen die sich negativ bemerkbar machen?

  • Auf jeden Fall sind auch hausgemachte Probleme dabei, das stimmt schon. Aber Trends kann ich nicht feststellen, dafür bin ich vielleicht noch nicht lang genug dabei?


    Schon interessant, dass „meine“ Kurden oder Tschetschenen sich zu verhalten wissen. Da werden die Kinder auch diszipliniert und respektvoll behandelt. Ob der eine oder andere manchmal Dresche kriegt weiß ich nicht, auf jeden Fall in Kombination mit Herzlichkeit und liebevollem Umgang.


    Weiß der Himmel, wie man diesem Abwärtstrend begegnen kann, an mangelnder Disziplin in unseren Klassen liegt’s jedenfalls nicht. Scheint bloß generationenübergreifend nix hängenzubleiben :weissnicht:


    Naja, ich versuch’s die kommende Woche mal mit nicht-so-ernst-nehmen und waszulachenfinden :pfeif:

    • Offizieller Beitrag

    Eltern wie von Krabappel beschrieben sind bei uns (GY) eher die Ausnahme. Wider Erwarten sind sie sogar halbwegs kooperativ, wenn man vernünftig mit ihnen redet.
    Was wir bei uns beobachten, ist eine Wohlstandsverwahrlosung. Materiell sind die Schüler in der Regel gut versorgt. Zeit, Liebe und Verständnis fehlen jedoch oft seitens der Eltern.


    Letztlich können wir es aber auf den guten alten Sokrates reduzieren:


    Sokrates Ausspruch über die Jugend hat ja nun annähernd 2.500 Jahre auf dem Buckel. Was ich daran faszinierend finde, ist, dass der unmittelbaren Logik dieses Ausspruchs nach die Menschheit immer weiter den Bach runtergegangen sein müsste, wenn jede neue Generation noch weniger Anstand, Moral und Sittlichkeit an den Tag gelegt hätte. Trotz oder wegen dieses Generationenkonflikts hat sich die Menschheit doch stets weiterentwickelt.
    Daher verstehe ich das Sokrates'sche Zitat eher als Sarkasmus, da letztlich jede ältere Generation sich über die jüngere beschwert und es offenbar zum guten Ton gehört.


    Ich kann mir vorstellen, dass es als Jugendlicher heutzutage auch nicht ganz so leicht ist, weil man seinen Platz in der Leistungsgesellschaft finden muss, alles auf (Selbst-)Optimierung getrimmt ist und die Selbstdarstellung und -vermarktung in den sozialen Medien einen wahnsinnigen Druck ausüben muss. Ich kann mir ferner vorstellen, dass es womölglich leichter, weil weniger breit gefächert, war gegen Werte in den 50er bis 70er Jahren zu rebellieren als gegen das, was heute so passiert. Das fühlt sich wie ein ungesunder Mix aus Individualismus, Beliebigkeit, Unverbindlichkeit und Anarchie an. Schaut man sich dann die "Vorbilder" an, an denen sich die Jugendlichen orientieren sollen oder können, dann kommt man nicht umhin festzustellen, dass man scheinbar (oder sogar anscheinend) mit gewissen Anti-Werten im Leben weiterkommt als mit Fleiß, Anstand und Ehrlichkeit.
    Da müssten wir uns als die Älteren wohl auch an die eigene Nase packen und uns fragen, welche Werte wir unseren Kindern mit auf den Weg geben, oder ob wir uns nicht in Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit ergehen.

  • Magst Du noch eine Antwort dazu schreiben? Ich glaube das könnte hilfreich sein um für Dich selber rauszufinden, wie Du am besten mit Deinen negativen Gefühlen umgehst.


    Edit: Ah ... sorry ... unsere Beiträge haben sich überschnitten. Ich bin gespannt. :)

    • Offizieller Beitrag

    Danke @Wollsocken80 gute Frage! ich Schlaf erstmal drüber :)


    @Bolzbold, mich stören nicht die Schüler, sondern das Verhalten ihrer immerhin altersmäßig erwachsenen Eltern.

    Die "Werte", über die ich schrieb, sind in der Generation bis 35 auch schon angekommen... das sehe ich auch hier zum Teil in der Nachbarschaft.

  • Sokrates Ausspruch über die Jugend hat ja nun annähernd 2.500 Jahre auf dem Buckel. Was ich daran faszinierend finde, ist, dass der unmittelbaren Logik dieses Ausspruchs nach die Menschheit immer weiter den Bach runtergegangen sein müsste, wenn jede neue Generation noch weniger Anstand, Moral und Sittlichkeit an den Tag gelegt hätte.

    1. Das mit Sokrates ist ein Gerücht, es gibt keinen Nachweis, dass Sokrates oder Platon das je gesagt hätten.
    2. Könnten ja auch Wellenbewegungen sein: Immer ein paar gute und ein paar schlechte Generationen abwechselnd.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

    • Offizieller Beitrag

    Es finden sich ähnliche Aussprüche in verschiedensten Epochen der Geschichte - letztlich ist es unerheblich, ob Sokrates das so gesagt hat oder nicht. Interessant ist, dass einige Schulbuchautoren dies tatsächlich Sokrates zuschreiben.
    Es geht ja letztlich um die Logik, die hinter dem Ausspruch steht.

  • ...


    Was stört Dich eigentlich mehr: dass diese Leute aka Eltern so sind wie sie sind, oder dass sie sich auf dem Schulgelände so benehmen wie sie es tun?

    Jeder kann ja so sein, wie er will. Tangiert einen ja eher selten. In dem Moment, wo jemand sich an meinem Arbeitsplatz nicht an die gängigen sozialen Regeln hält, habe aber ich ein Problem. Ich kann mich dem ja nicht entziehen. Morgens 7.15h: auf meinem Schulhof ziehen soundsoviel Leute soooo ne Fresse. Ich kann jetzt extra freundlich grüßen (macht noch schlechtere Laune, weil die anderen ihr Verhalten nicht ändern) oder ignorieren (hilft auch nix, schon probiert) schon gar nicht zurechtweisen (Entschuldigung, könnten Sie bitte ab und an mal gute Laune haben und dazu zumindest mit dem Kopf nicken als Zeichen des Wiedererkennens? Macht man so in unserer Gesellschaft. Ich weiß, sie leben eher am Rand derselben und möchten daran nichts ändern, aber ich möchte gern an dem Ort, an dem ich einen großen Teil meiner Lebenszeit verbringe nicht täglich auf leeren Magen mit schlechter Laune umfangen werden.)


    So in etwa. Aber den Witz hab ich dabei leider noch nicht gefunden, ich buche mal ein Blockseminar bei Frau S. Sonnenschein Thema „nimm’s mit Humor“ :D

  • Du kannst sie nach Hause schicken. Immerhin habt ihr - Lehrpersonal - Hausrecht. Und bei uns haben "Anstaltsfremde Personen" - also alle, die weder Schüler noch Personal sind - ohne Termin dort nichts verloren.
    Also so im Sinne von "haben sie einen Termin bei einem Kollegen? Nein? Dann möchte ich sie auffordern, das Gelände zu verlassen, das ist hier schließlich keine Wartehalle."

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Hausrecht hat zwar der SL aber das könnte man mal bedenken. So generell: warten bei euch morgens Eltern mit den Kindern auf dem Hof? Also v.a. an Grund- und Förderschulen.

  • Jeder kann ja so sein, wie er will. Tangiert einen ja eher selten. In dem Moment, wo jemand sich an meinem Arbeitsplatz nicht an die gängigen sozialen Regeln hält, habe aber ich ein Problem.


    Aha, das dachte ich mir fast. Unser Schulgelände wird an den Wochenenden häufig von Jugendlichen heimgesucht, die gar nichts mit unserer Schule zu tun haben. Bestenfalls lassen sie nur ihren Müll liegen, schlimmstenfalls verheizen sie mal wieder eine unserer Holzbänke oder sprayen einen Penis an die Hauswand. Wenn ich welche sehe, scheuche ich sie weg und drohe ihnen nötigenfalls auch mit der Polizei. Dann verschwinden sie wenigstens. In dem Moment habe ich das gleiche Problem wie Du: das ist *mein* Nest und das wird nicht beschmutzt. Dass die Blagen keinen Anstand haben ärgert mich zwar kurzfristig, ist mir dann aber so lange wieder wurscht, wie die nicht zu uns an die Schule kommen.


    Versuch doch mal im Kollegium eine einheitliche Vorgehensweise anzustimmen. Ich würde mich @Miss Jones Empfehlung anschliessen: Ihr könnt jederzeit Hausrecht geltend machen. Bei Sachbeschädigung sollte unbedingt auch die Polizei dazu geholt werden. Das wichtigste an der Stelle ist eigentlich, dass ihr euch da als Kollegium einig werdet. Wenn ihr das ein paar Wochen lang konsequent durchzieht, sollte eigentlich Besserung eintreten, da es den Leuten irgendwann zu mühsam wird, sich ständig Diskussionen einzufangen. Ich würde das ganze aber bemüht unaufgeregt abhandeln und auf keinen Fall irgendwelche Grundsatzdiskussionen mit diesen Leuten führen. Ich glaube, es könnte auch helfen wenn die merken, dass sie Dir eigentlich wurscht sind und Du sie da nur nicht haben willst.

  • Schon interessant, dass „meine“ Kurden oder Tschetschenen sich zu verhalten wissen. Da werden die Kinder auch diszipliniert und respektvoll behandelt. Ob der eine oder andere manchmal Dresche kriegt weiß ich nicht, auf jeden Fall in Kombination mit Herzlichkeit und liebevollem Umgang.

    Das ist interessant. Wir haben mal festgestellt, dass die albanischen Kinder (fast) die einzigen sind, die uns morgens auf dem Schulhof (von sich aus) grüßen.

  • Wir haben mal festgestellt, dass die albanischen Kinder (fast) die einzigen sind, die uns morgens auf dem Schulhof (von sich aus) grüßen.

    Das finde ich eben auch interessant. Ich habe hier im Forum ja schön häufiger darüber sinniert, dass mir ökonomischer Wohlstand ein ganz wichtiger Faktor für ein einigermassen friedliches Zusammenleben zu sein scheint und sobald dieser gegeben ist, kulturelle oder religiöse Unterschiede auch relativ irrelevant werden. Ganz so kann es dann aber eben auch nicht sein, wenn immer wieder Leute hier berichten, dass sich bestimmte ethnische Gruppen zu benehmen wissen und andere offenbar nicht. Solange nun die deutschstämmigen Kinder in der Mehrheit sind und die sich laut euren Aussagen zunehmend schlechter benehmen, prägen die nun mal die allgemeine Stimmung. Also ist doch was dran am Trend der allgemeinen Verrohung der *deutschen* Gesellschaft?

  • das Wichtigste und vielleicht oft Schwierigste

    Das würde ich in dem Fall sofort unterschreiben. Nur wenn der eine die Leute wegscheucht und der andere macht es nicht, weil es im zu anstrengend ist, dann wird es sehr wahrscheinlich nicht funktionieren.

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