Seiteneinstieg Grundschule - Erste Erfahrungen

  • Weil du Kinder früher einschulen müsstest. Wenn du behauptest, Erzieher könnten deine Arbeit genauso adäquat erledigen, machst du definitiv was falsch.

    Ich spreche mal aus meiner Sicht bzw. so wie ich es erlebe und auch gelernt habe.


    Hier(fast schweizweit) werden Kinder mit ca. 4 Jahren (Stichtag 15.Juli in ZH) eingeschult. Da tauchen dann noch ganz andere Probleme auf. Und ja ich bin der Meinung im Kindergarten geht es primär um die Vorläuferfähigkeiten. Was nützt es dem Kind, wenn es alle Zahlen schreiben kann, die Zahlwortreihe aber nicht als soche begriffen hat, wenn es keine Einszueins Zurodnung kann, Mengen nicht nach weniger/mehr/gleichviel unterscheiden? Phonologische Bewusstheit...worin liegt der Sinn möglichst früh Buchstaben und Zahlen schreiben zu können?


    Es geht doch auch darum sich als Teil der Gruppe zu begreifen, sich zurücknehmen zu könne, Bedürfnisse zurückstellen, zuhören, mitmachen....willst du das dann alles in der 1. Klasse üben?


    Hier ist der 1. Kontakt mit dem Schulsystem, das 1. Mal in einer Gruppe von 20 oder mehr Kindern. Das 1. Mal, dass man nicht imemr gleich rennt, wenn das Kind ruft. Das ist schwer für viele Kinder. Dazu kommt der Geräuschpegel. Sich an Regeln halten zu müssen. Selbstständigkeit erfharen.

  • ...
    Ich habe 1000x lieber disziplinierte Schüler, denn wenn diese Grundlagen stimmen, kann ich mit meinen tollen Experimenten in Chemie usw. locker Motivation wecken.

    :klatsch: :rofl:


    ich hoffe, du merkst es selbst


  • Ich stelle mal die steile These auf, dass diese Dinge gar nicht trainiert werden, und auch von den darauf folgenden Grundschulen nicht.
    Wie sehen eure speziellen Übungen dafür aus?

    das übe ich jeden Tag mit meiner Klasse......und doch können es einige nach 2 Jahren immer noch nicht 100%. Es ist anspruchsvoll von 4,5jährigen zu verlangen ruhig zu sitzen. Geübt wird das spielerisch.....da gibt es einige Spiele und Signale. Auch Rituale helfen.

  • Vor einigen Jahren gab es an unserer Schule unserer Erwachsenenbildung noch eigens eingerichtete Lerngruppen für Russlanddeutsche, in denen ich unterrichtet habe. Die waren auf eine Art und Weise schulisch sozialisiert, die völlig mit meinen pädagogischen Vorstellungen von der Bildungsarbeit mit Erwachsenen kollidierte. Diese Lerner brachten nämlich eine antagonistische Vorstellung von Unterricht mit, mit einer Vorstellung von Zwang und Kontrolle und einem Rollenverständnis, bei dem es die Aufgabe des Lehrers war, mit militärischer Disziplin zu agieren, und die Aufgabe der Lerngruppe, diese Disziplin und Aufsicht möglichst geschickt zu unterwandern. Dieser Haltung habe ich mich aus guten Gründen immer verweigert, was seitens der Lerner regelmäßig als Schwäche fehlinterpretiert wurde. Viele gute Lerngelegenheiten gingen so verloren, die aber genau so wenig möglich gewesen wären, hätte ich die Erwartungen an die Schule nach "russischem Modell" erfüllt.
    Nein. Weder finde ich das russische System gut, noch kann ich erkennen, dass es funktioniert. Zumindest nicht, was meine Vorstellungen von Bildung und Persönlichkeitsentwicklung angeht. Die jetzige russische Gesellschaft mit ihrer kultischen Verehrung des Machismo und ihrem Bedürfnis nach dem "starken Mann an der Spitze" kommt ja nicht von irgendwoher.

    Jeder Lehrer hat seinen eigenen Stil, aber ich glaube, daß wir zwei Vertreter ganz unterschiedlicher Unterrichtsstile sind. Wenn du sagst, du kannst nicht erkennen, daß das russische System funktioniert, meinst du dann, daß es in deinem Unterricht nicht funktioniert, oder hast du mal in Rußland gearbeitet? Du solltest einem System nicht die Funktionalität absprechen, nur weil du es nicht magst.


    Ich persönlich finde, daß die russische Art und Weise zu unterrichten (antagonistisch, wie du es nennst), Kinder wesentlich besser auf das erwachsene Leben vorbereitet. Man muß sich meistens im Berufsleben unterordnen (und ich merke das in Deutschland gerade wesentlich stärker als in Rußland) und ganz besonders als Berufsanfänger hat man wenig bis gar nichts zu melden. Meines Erachtens ist Disziplin im Unterricht einer der wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches Lernen. Manch einer mag das nicht so sehen, aber ich möchte darauf hinweisen, daß es die Generation der "Millenials" mit all ihnen anhaftenden Stereotypen und Vorurteilen (z.B. überzogene Erwartungen bezüglich der Wertschätzung der eigenen Person durch andere, sich berufen fühlen alles moralische Unrecht dieser Welt zu tilgen etc.) in dieser Form in Rußland nicht gibt, und das erachte ich als durchaus positiv.
    Ein Lehrer sollte meiner Meinung nach nicht ein Freund der Schüler sein, sondern eher ein Lehrmeister und Mentor.


    Und zu deinen Lerngruppen für Rußlanddeutsche:
    Die Schüler wurden vermutlich noch in der Sowjetunion sozialisiert, denke ich mal? In der Sowjetunion und in der unmittelbaren postsowjetischen Zeit glich diese Art des Unterrichts einem Rollenspiel. Der Lehrer spielte den allmächtigen Staat und der Schüler mußte einen Weg finden zu überleben. Das hatte und hat sehr viel mit der Lebensrealität dieser Menschen zu tun, und ich finde das noch nicht einmal schlecht. In Deutschland wird man viel eher (nur auf anderem Wege) zur Obrigkeitshörigkeit erzogen. Einem Russen würde es im Traum nicht einfallen nachts auf einer leeren Straße vor einer roten Ampel stehenzubleiben, nur mal so als Beispiel. Wenn ein Deutscher mir sagt, Russen seien autoritär und obrigkeitshörig konditioniert, lächle ich meistens sanft und denke mir meinen Teil. ;)

  • ...aber ich möchte darauf hinweisen, daß es die Generation der "Millenials" mit all ihnen anhaftenden Stereotypen und Vorurteilen (z.B. überzogene Erwartungen bezüglich der Wertschätzung der eigenen Person durch andere, sich berufen fühlen alles moralische Unrecht dieser Welt zu tilgen etc.) in dieser Form in Rußland nicht gibt, und das erachte ich als durchaus positiv.


    ...das erklärt ein anderes Phänomen, und das finde ich absolut nicht positiv: Die "nächste Generation", denn diese Russen haben hier ja auch Kinder, wirdumso aufsässiger, weil sie sehen, was geht, und sich ihre Eltern aufgrund ihrer "Ich bin ja nichts wert"-Haltung dagegen nicht durchsetzen können... das findest du also "gut"? Vielleicht, wenn man brave, "billige und willige" Untertanen möchte... Politikern mag das recht sein...



    Zitat


    Ein Lehrer sollte meiner Meinung nach nicht ein Freund der Schüler sein, sondern eher ein Lehrmeister und Mentor.

    ...und wieso sollte sich das gegenseitig ausschließen?
    Ich möchte SuS, die gerne in meinen Unterricht kommen - als "Gegnerin" empfinden die mich (hoffentlich) nur ab und an im Sportunterricht, wenn es eben genau darum geht. Ansonsten halte ich diese Haltung für kontraproduktiv. Ich lasse mir doch lieber helfen und etwas erklären von jemandem, den ich mag, oder etwa nicht?

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • In Ordnung, aber kannst du auch begründen, warum das der Grundschule vorbehalten sein sollte? Ich habe ja nun einmal gesehen, daß es in einem anderen Land klappt, und ich denke nicht, daß deutsche Kinder dümmer sind als russische. Wo liegt also der Sinn?

    Weil die Grundschule in Deutschland die erste verpflichtende Institution ist, da der Kindergarten freiwillig ist. Weil Erzieher eine andere Ausbildung und andere Aufgaben genossen haben.


    Wenn du die Zuständigkeit der Institutionen und die dazugehörigen Ausbildungen ändern willst, kann man das auch gerne vorverlegen. Aber warum sollte man?
    Natürlich gibt es Kinder, die gerne schon vorher etwas lernen und denen das leicht fällt (meine 4jährige Tochter liebt derzeit alles was mit Buchstaben&Zahlen zu tun hat), aber es gibt eben noch massig Kinder, die noch wanhsinnig mit ihrern motorischen und sozialen Entwicklung zu tun haben und dafür mit 5 z.B. noch gar keine "Ressourcen" übrig haben. Das hat auch was mit kindlichen Entwicklungsphasen zu tun.


    Es geht nicht darum, den Unterricht an den BESTEN auszurichten, sondern darum, den Unterricht so zu gestalten, dass ALLE Kinder Lernfortschritte machen um die Lernziele zu erreichen.


    Vielleicht gibt es bei dir in der Nähe ja eine Uni, bei der du als Gaststudent einige Vorlesungen anhören kannst. Fachliteratur wäre eine andere Möglichkeit.
    Seiteneinstieg ist eben mehr als "nur bei Kollegen schauen" und nen Schnellabriss an Pädagogik mitzunehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Conni () aus folgendem Grund: Zur besseren Lesbarkeit das doppelte Zitat entfernt. Conni

  • Wenn ich bei Wikipedia Mentor eingebe, werde ich zu Lernbegleiter weitergeleitet:

    „Lernbegleiter sind professionell geschulte Personen, die Menschen in individuellen Lernprozessen unterstützen. Das Arbeitsfeld beschränkt sich dabei nicht nur auf formale Lernprozesse (z. B. Unterricht, Seminare etc.), sondern vor allem in der beruflichen Bildungsollen Lernbegleiter auch informelle Lernprozesse strukturieren (Lernen aus Erfahrung). Ausgangspunkt der Lernbegleitung ist Menschen individuell in ihrer Entwicklung zu fördern und dafür spezifische Lernprozesse zu gestalten. Ziel der Methode Lernbegleitung ist es den Lerner im Aufbau und der Entwicklung seiner Selbstlernkompetenz zu unterstützen. Dadurch soll die selbstständige berufliche Handlungsfähigkeit (Employability) gestärkt werden. Damit grenzt sich die Aufgabe der Lernbegleiter von der traditionellen Lehrerrolle ab: nicht mehr die Wissensvermittlung von einem Wissenden (dem Lehrer) an einen Unwissenden steht im Mittelpunkt, sondern die Frage: „Wie kann der Lernende selbst Lösungen, Wissen etc. auf eine für seinen Lerntyp passende Weise erlangen?“


    Du hast selber zu Beginn dieses Fadens ausgeführt, dass eine Zielsetzung deines Wechsels nach Deutschland war, dich beruflich weiter zu entwickeln. Ziehst du das ernsthaft in Betracht?
    Ich habe gemeinsam mit einer russischstämmigen Frau studiert, die mir mal flugs ihr Bild von der Lehrerrolle skizzierte. Sie zeichnete einen Tempel mit den Schülern als Basis, Fachwissen, Fachdidaktik und Methoden als Säulen und sich selbst als Lehrerin an die Spitze.
    Das was du hier äußerst erinnert mich sehr daran, entspricht aber nicht den Vorstellungen von Schule, die sich auch in, ich denke mal allen, Lehrplänen nachlesen lassen. Hier würde ich mal ansetzen.

    Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

  • Es gibt ja nicht nur "offen" oder "frontal". Ne gute Mischung an verschiedenen Lernformen, angepasst an die Klasse, den Lehrer und das Unterrichtsziel macht's.In meiner Klasse haben sie zwischen August und April nur stur in Einzelarbeit in ihren Arbeitsbuechern eine Seite nach der anderen abgearbeitet. Das nannte man dann "offenen Unterricht". Das Ergebnis? Einige hatten nicht mal die Haelfte des Buches geschafft, zwei von 8 Klassenarbeiten geschrieben (weil, die machten sie ja, wann sie wollten), staendig zwischen Heften gewechselt (mach ich mal zwei Aufgaben bei Addition/Subtraktion und hol mir dann mein Geometrieheft zum ein bissl malen...Multiplikation/Division mag ich nicht...). Nun habe ich mit einer Klasse zu kaempfen, der es schwer faellt Erklaerungen zu folgen, Klassenkameraden zuzuhoeren, eigene Gedankengaenge zu erklaeren, mit anderen gemeinsam etwas zu erarbeiten und generell Lernfortschritt damit gleich setzt, ob sie ueber drei Seiten den gleichen Aufgabentyp 50 Mal gemacht haben. Heftfuehrung ist miserabel, weil sie vorher nie in einem Matheheft gearbeitet haben (nur in ihren Arbeitsbuechern) und wenn wir etwas gemeinsam oder praktisch erarbeiten, kommt staendig: "Koennen wir jetzt in unseren Buechern arbeiten?" Dann soll man sich einzeln zu jedem Schueler setzen und die Aufgabenstellungen erklaeren, wenn man das in zwei Minuten abgehandelt haette, wenn sie denn mal zuhoeren wuerden.
    Aufgabenstellungen mit Zeit finden sie ganz schwierig, weil das ist ja stressig. Bei Arbeiten hatten sie es bisher, dass ihre alte KL sich dazu gesetzt und jede Aufgabe erklaert hat, bis sie die Antwort richtig hatten. Ich bin fast vom Stuhl gefallen.
    Gluecklicherweise gewoehne ich meinen 1ern das gar nicht erst so an.


    Gibt es da nicht so eine nette Anekdote von Kindern, die ihre Lehrerin am Stundenbeginn fragen:


    Müssen wir heute wieder machen, was wir wollen?



    Meiner Meinung nach ist "offener Unterricht" u.dgl. eine Mode der (1980)/90-er Jahre, vielleicht noch 2000-er (hier haben wir ja vor allem Kollegen, die in dieser Zeit ausgebildet wurden), die allmählich doch mehr und mehr ihre Nachteile und Grenzen aufzeigt und selber veraltet. So besinnt man sich - vor allem auch aufgrund der Ergebnisse dieses Arbeitens - auch wieder auf ältere, erfolgreichere Konzepte oder erfindet neue. Die Realität ist dann der vielbenannte Methodenmix. Der kompetente Lehrer nutzt situations-, alters-, stoffbezogen und klassenspezifisch das, was passt.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • @Miss Jones:
    In Rußland hat sich bezüglich der Mentalität in den letzten 40 Jahren nicht viel verändert. Das ist mein persönlicher Eindruck, wenn du darauf bestehst, suche ich soziologische Studien heraus, aber ich denke daß man dies allein am politischen Verhalten und Selbstverständnis der russischen Bürger beobachten kann. Dies widerspräche deiner These, daß die nächste Generation aufmüpfiger wird.
    Zu deinem zweiten Statement kann ich nur meine persönliche Erfahrung einbringen. Ich persönlich habe am meisten von den Lehrern gelernt, die ich respektierte (und diese waren eher der strenge Typ), nicht von denen, die ich am liebsten mochte. Das liegt daran, daß ich von Natur aus faul bin, und somit eher der Typ, der einen Arschtritt braucht.


    Schmeili:
    Dir ist schon klar, daß ich Lehrer bin, nur kein deutscher Lehrer? Dieses "Seiteneinsteiger brauchen mehr als einen pädagogischen Schnellabriß" hättest du dir sparen können. Ich mache das schon ein paar Jahre. Und nein, der Unterricht sollte sich nicht an den besten ausrichten, das ist auch in Rußland nicht der Fall, denn dort lernen alle Kinder rechnen, lesen und schreiben schon vor der 1. Klasse. Die besten sind dann halt etwas besser, aber jeder hat ein gewisses Grundwissen. Aber wer weiß, vielleicht sind russische Kinder ja genetisch manipulierte Supermenschen? Wahrscheinlicher ist es jedoch, daß diese Weichspülpädagogik, welche sehr populär zu sein scheint, das Leistungsniveau von kleinen Kindern künstlich niedrig hält.


    ninale:
    Natürlich will ich mich weiterentwickeln und dazulernen, das heißt aber nicht, daß ich gewisse Grundprizipien meines Berufsverständnisses über Bord werfe. Ich habe auch kein Problem mit Kollegen, die das völlig anders sehen und ihren Unterricht so gestalten, wie sie es für richtig halten. Ich teile das Bild deiner russischen Kollegin, das ist es, was ich während meines Studiums gelernt habe, und ich finde das auch richtig so. Du kannst das anders sehen und handhaben, der Unterschied zwischen uns beiden ist, das ich nicht auf dich herabblicke, weil du ein anderes Selbstverständnis eines Lehrers hast. Ich lasse mich auch manchmal hinreißen etwas emotionaler zu kommentieren (s.o. "Weichspülpädagogik"), aber das passiert eher, wenn man persönlich wird und mir Fähigkeiten absprechen will, die ich meiner Meinung nach besitze (s.o.).
    Mich stört es, daß scheinbar viele denken, "Wir hier im Westen praktizieren die einzig wahre und richtige Pädagogik, und ihr im Osten seid zurückgeblieben und schadet den Kindern."

  • Es gibt ja nicht nur "offen" oder "frontal". Ne gute Mischung an verschiedenen Lernformen, angepasst an die Klasse, den Lehrer und das Unterrichtsziel macht's.In meiner Klasse haben sie zwischen August und April nur stur in Einzelarbeit in ihren Arbeitsbuechern eine Seite nach der anderen abgearbeitet. Das nannte man dann "offenen Unterricht". Das Ergebnis? Einige hatten nicht mal die Haelfte des Buches geschafft, zwei von 8 Klassenarbeiten geschrieben (weil, die machten sie ja, wann sie wollten), staendig zwischen Heften gewechselt (mach ich mal zwei Aufgaben bei Addition/Subtraktion und hol mir dann mein Geometrieheft zum ein bissl malen...Multiplikation/Division mag ich nicht...). Nun habe ich mit einer Klasse zu kaempfen, der es schwer faellt Erklaerungen zu folgen, Klassenkameraden zuzuhoeren, eigene Gedankengaenge zu erklaeren, mit anderen gemeinsam etwas zu erarbeiten und generell Lernfortschritt damit gleich setzt, ob sie ueber drei Seiten den gleichen Aufgabentyp 50 Mal gemacht haben. Heftfuehrung ist miserabel, weil sie vorher nie in einem Matheheft gearbeitet haben (nur in ihren Arbeitsbuechern) und wenn wir etwas gemeinsam oder praktisch erarbeiten, kommt staendig: "Koennen wir jetzt in unseren Buechern arbeiten?" Dann soll man sich einzeln zu jedem Schueler setzen und die Aufgabenstellungen erklaeren, wenn man das in zwei Minuten abgehandelt haette, wenn sie denn mal zuhoeren wuerden.
    Aufgabenstellungen mit Zeit finden sie ganz schwierig, weil das ist ja stressig. Bei Arbeiten hatten sie es bisher, dass ihre alte KL sich dazu gesetzt und jede Aufgabe erklaert hat, bis sie die Antwort richtig hatten. Ich bin fast vom Stuhl gefallen.
    Gluecklicherweise gewoehne ich meinen 1ern das gar nicht erst so an.

    In meinen Augen ist das kein offener Unterricht. Das mit den Arbeiten geht gar nicht.


    Schade nur, dass jetzt wieder alle denken, offener Unterricht würde so ablaufen.

  • In Ordnung, aber kannst du auch begründen, warum das der Grundschule vorbehalten sein sollte? Ich habe ja nun einmal gesehen, daß es in einem anderen Land klappt, und ich denke nicht, daß deutsche Kinder dümmer sind als russische. Wo liegt also der Sinn?


    Erstens meine ich, die Kinder sollen in der dieser Zeit Kinder sein und einfach nur spielen dürfen (wobei sie ja auch einiges lernen). Es ist nicht notwendig, dass alles andere so früh wie möglich kommt. Zweitens meine ich, dass sie möglichst auf gleichem Niveau anfangen sollen. Dabei soll der Kindergarten helfen, sie auf ein möglichst gleiches Anfangsniveau zu bringen, mit dem der Schulstart gelingt. Die Profis für das Beibringen des Lesens, Schreibens und Rechnens sind dann eben die Grundschullehrer. Das sollte man den Profis überlassen.


    Eigentlich kann ich noch drittens anfügen, das aber mit zweitens korreliert: Da ja nicht alle Kinder in den Kindergarten gehen, würden sofort in Klasse 1 die unterfordert sein, die im Kindergarten waren und sich langweilen, weil sie "das alles" schon können.


    (Klar, ich weiß, Unterschiede gibt es trotzdem noch genug, vor allem in Zeiten der Inklusion, die ich aber eher ablehne.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • @Miss Jones:
    In Rußland hat sich bezüglich der Mentalität in den letzten 40 Jahren nicht viel verändert. Das ist mein persönlicher Eindruck, wenn du darauf bestehst, suche ich soziologische Studien heraus, aber ich denke daß man dies allein am politischen Verhalten und Selbstverständnis der russischen Bürger beobachten kann. Dies widerspräche deiner These, daß die nächste Generation aufmüpfiger wird.
    Zu deinem zweiten Statement kann ich nur meine persönliche Erfahrung einbringen. Ich persönlich habe am meisten von den Lehrern gelernt, die ich respektierte (und diese waren eher der strenge Typ), nicht von denen, die ich am liebsten mochte. Das liegt daran, daß ich von Natur aus faul bin, und somit eher der Typ, der einen Arschtritt braucht.

    Da hast du mich missverstanden, Mashkin... ich meine nicht die Kinder in Russland, sondern die hier - gibt nämlich eine ganze Menge "Exsowjets" hier, gerade in meiner Nachbarschaft... und die "junge Generation" derer macht manchmal reichlich Stress, und deren Eltern sind nicht in der Lage, sich dagegen durchzusetzen (mangelndes Selbstbewußtsein dürfte einer der Hauptgrümnde sein).


    Und - keine Sorge, ich kann durchaus auch Arschtritte verteilen, nur kommen die mit einem Augenzwinkern daher, und dienen eher dazu, den Arsch hochzubekommen als zu verletzen...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

    Einmal editiert, zuletzt von Miss Jones ()

  • :klatsch: :rofl:
    ich hoffe, du merkst es selbst

    Nein, Du merkst es nicht. Ich habe den Eindruck in der Grundschule würde man sich auf die Fahne schreiben ach so viel Motivation und Interesse an z.B. Naturwissenschaften zu wecken. Das ist doch aber ein Schritt zu weit und sollte doch gar nicht im Fokus stehen. Du kannst jemandem, der noch nicht auf zwei Beinen stehen kann auch nicht das Tanzen beibringen.
    Meine Aufgabe am Gymnasium ist die Vermittlung weiterführender Kompetenzen und Fachinhalte. Anstatt so viel auf die Vermittlung der Fähigkeit mit offenen Methoden selber zu lernen, demokratisches Denken, naturwissenschaftliches Denken, was ja alles erstrebenswert ist, zu setzen, sollte man doch einfach mal an den Basics arbeiten. Ich weiß, das steht vermutlich so nicht im Bildungsplan für Grundschulen, es ist auch eher eine Kritik an deren Theoretikern als an den Praktikern.


    Man kann doch dann erst spannende Dinge, tolle Experimente etc. mit einer Klasse machen, wenn diese ordentlich arbeitet. Und das Vermitteln dieser Grundvoraussetzungen ist doch wohl Aufgabe der Grundschule. Wieso versucht sich die Grundschule daran so viele Fachinhalte der weiterführenden Schulen einzubauen und vernachlässigt so sehr basics?

  • In der Grundschule macht man im Sachunterricht schon seit den 80iger Jahren Experimente. Ich erinnere an die berühmten CVK- Kästen, die jetzt Cornelsen übernommen hat.


    Der Stromkreis, Thema Feuer, Thema Wasser, das Auge waren z.B. schon immer in den Lehrplänen drin, seitdem das Fach nicht nur Heimatkunde, sondern auch Sachkunde heißt.


    Damit die Schüler kapieren, arbeitet man eben, da wo es geht in der Grundschule praxisorientiert und lebensnah. Was ist daran auszusetzen?
    Und: Warum soll man bei den Schülern nicht ein technisches Verständnis anbahnen, das nun auch in den Lehrplänen zu finden ist und zu dem es Experimente gibt, wenn nun eine Smartphonegeneration heranwächst?


    In den letzten Jahren hat man verfeinert, wie man mit Experimenten systematisch umgeht. Finde ich nicht schlecht, diese Basis zu schaffen.


    Ich begreife den Grundschullehrplan in vielen Teilen als Beginn eines spiralförmigen Curriculums, das sich in der Sekundarstufe fortsetzt.


    Natürlich müssen wir verstärkt in allen Fächern und grundsätzlich einführen, wie man sich in welchen Unterrichtssituationen verhält bzw. wie man agiert, wie man welche Methoden als Schüler sinnvoll anwendet - das geht quer durch alle Fächer vom Sportunterricht bis zum Deutschunterricht.
    In der Grundschule musst du den Schülern alles, was Schule betrifft, erstmal beibringen.


    Nicht umsonst haben viele Grundschulen ein aufbauendes Methodencurriculum entwickelt, das sich zum Ziel gemacht hat, diese Methoden einzuführen und möglichst zu beherrschen.

  • Das Problem ist m.E. nicht, dass irgendjemand denkt, er mache etwas besser. Das Problem ist, dass In allen Schulen ein anderes Menschenbild vorausgesetzt wird.
    Aber was soll’s! Du schreibst ja von deinen Erfahrungen nach erst einer Woche und wolltest dich hier austauschen. Es sind viele hier, die länger in Schland dabei und dementsprechend anders geprägt sind und deshalb zu anderen Einschätzungen kommen.


    Dass deine Kollegen dich bestärken, finde ich im Übrigen super. Schließlich bist du noch am Anfang. Zum Kritisieren ist ja noch Zeit genug und auch dafür deine ersten Eindrücke bei Bedarf zu revidieren.

    Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

  • Ich lese hier und schleckere mit den Ohren.


    Zuerst, Firelilly: Die Grundschule führt die Kinder ans selbstständige und ordentliche Arbeiten heran, und zwar von der 1. Klasse an.


    Dann, Mashkin:
    Bist du jemals selbst und Russland zur Schule gegangen? Ich meine nicht.
    Hast du jemals in Russland unterrichtet? Ich habe deinen Werdegang nicht ganz im Kopf, aber ich meine nicht.
    Dann frage ich mich, wie du dazu kommst, uns allen hier die Vorzüge des russischen Unterrichts zu erläutern, die du ja gar nicht aus eigener Erfahrung, zumindest nicht aus Schülersicht, kennst.


    Ich sehe es auch als ungut an, dass du, wo du ja den Seiteneinstieg ins deutsche System machen möchtest bzw. hier als Seiteneinsteiger arbeitest, so lauthals Kritik daran übst.
    Ich habe selbst längere Zeit im Ausland gelebt und nie im Traum wäre es mir eingefallen, das dortige System nach so kurzer Zeit so vehement zu kritisieren. Natürlich darf man Kritik üben und eine Meinung haben - du möchtest aber hier unterrichten, und ich empfehle dir, erst einmal längere Zeit (damit meine ich Jahre, nicht Wochen), den Lehrplan so zu erfüllen, wie er gemeint ist, und nicht von Anfang an deinen russischen Stempel aufdrücken zu wollen. Wenn du dann, nach Jahren, immer noch das russische System viel besser findest, dann reden wir nochmal ;-).


    Noch eine Frage: Wenn die Schüler nun tatsächlich so viel schwächer sind als vor einiger zeit, wie kommt es dann, dass du nicht bruchrechnen kannst, wie du in deinem anderen Thread freimütig berichtet hast? Wo warst du denn in der Schule? Ich dachte, hier? Das war schon immer Stoff in Deutschland. Also wenn du es tatsächlich nicht kannst, dann stelle ich die These auf, dass sich die Schüler gar nicht so sehr verschlechtert haben.


    Ich klinge etwas harsch, aber ich finde es etwas überheblich, was du hier so von dir gibst.

  • Ich habe den Eindruck in der Grundschule würde man sich auf die Fahne schreiben ach so viel Motivation und Interesse an z.B. Naturwissenschaften zu wecken.

    Darum geht es in diesem Thread überhaupt nicht.



    (Ja, Wollsocken, bei Dir erzählen die das ja auch so trotz fachlicher Tiefe, wir wissen es!)

    Stimmt. Ich mache gerade mit Schülern aus zwei Klassen neben dem regulären Unterricht Vorbereitungsstunden auf die Chemieolympiade. 14 SuS wollen (freiwillig!) bei der 1. Runde teilnehmen und ich bin mir ziemlich sicher, dass wenigstens 2 es sehr weit schaffen werden. Was hast Du so vorzuweisen?



    Ich persönlich finde, daß die russische Art und Weise zu unterrichten (antagonistisch, wie du es nennst), Kinder wesentlich besser auf das erwachsene Leben vorbereitet. Man muß sich meistens im Berufsleben unterordnen (und ich merke das in Deutschland gerade wesentlich stärker als in Rußland) und ganz besonders als Berufsanfänger hat man wenig bis gar nichts zu melden.

    Aha. Nein, das finde ich überhaupt nicht. Ich will auch keine "dispziplinierten" SuS, ich will selbständige und höfliche SuS und die bekomme ich auch zu allermeist. Ich hatte schon Hospitanten aus Deutschland in meinem Unterricht, ich habe eine gute Freundin, die 2 Jahre lang für einen Dienstleister elektronische Prüfungssysteme an schweizer Unis eingerichtet hat und ich habe mich im Urlaub recht ausführlich mit einer Deutschen unterhalten, die an einer Gesamtschule in Brandenburg arbeitet und letztes Schuljahr im Rahmen einer Fortbildung Besuch von Kollegen aus der Schweiz hatte. Allen diesen Personen ist genau das gleiche aufgefallen wie mir selbst, als ich hier zum ersten mal Schule von Innen gesehen habe:


    Wir kommunizieren hier sehr viel mehr auf Augenhöhe mit den Kindern und Jugendlichen und tun dies einer bestimmten, aber stets freundschaftlichen Art und Weise. Bereits Kindern in der Primarschule wird hier sehr früh sehr viel Selbständigkeit abverlangt.


    Ich erwähnte es schon mal ... wir haben bei uns am Gymnasium direkt gegenüber ein Primarschulhaus und in der Strasse, in der ich wohne, gibt es auch eines. Beides sind neue Gebäude mit bodentiefen Fenstern, man kann also sehr viel beobachten, was drinnen vor sich geht. Es fängt alleine damit schon an, dass die grosse Mehrheit der Kinder nicht zur Schule gebracht wird sondern in kleinen Gruppen mit dem Tretroller, Fahrrad oder zu Fuss kommt. Vor dem Schulhaus sieht man sehr subtil den Hausmeister kreisen, der ein Auge darauf hat, dass die Tretroller und Fahrräder ordentlich abgestellt werden. Der Schulhof ist offen und es gibt einen grossen, sehr gut ausgestatteten Spielplatz. Die Kinder sind in jeder Pause draussen und schrubben über diesen Spielplatz. Die klettern Seile hoch und wieder runter, niemand schreit ihnen hinterher, dass das aber gefährlich sein könnte. Wenn einer runterfällt, landet er halt im Sand und hat irgendwo ne Beule, so what. Gelegentlich beobachte ich Kolleginen von der Primar mit Schulklassen im Bus. Die sind unterwegs meinentwegen in den Zoo oder so und üben Busfahren. Den Kindern wird die Haltestelle genannt, wann sie aussteigen sollen und dann müssen sie selber auf die Anzeige gucken und im rechten Moment den Halteknopf drücken. Natürlich kräht bei *jeder* Haltestelle ein anderes Kind "Siiiiie ... müemmer etz scho usse??" Ich bewundere da jedes mal die stoische Ruhe der Kolleginnen, die die Verantwortung immer wieder an die Kinder zurückgeben, so lange bis einer schnallt, wann er drücken muss.


    Ich höre immer mal wieder deutsche Eltern darüber klagen (!) was ihren Kindern bei uns in der Primar schon alles zugemutet wird. Oh je oh je, die sollen gar schon selber sagen, wo sie am Klassentag hinwollen und rausfinden, wie sie da hinkommen. In der Mittelstufe müssen sie dann einen Teil der Planung der Abschlussfahrt übernehmen. Ich fahre jetzt bald mit meiner Klasse ins Lager in ein Selbstversorgerhaus und am Donnerstag müssen sie mir die Rezepte abgeben was sie kochen wollen und die passenden Einkaufslisten. Sie müssen selber kochen, putzen, aufräumen und sich überlegen, was wir am Abend tun wollen. Es wird gegessen was auf den Tisch kommt und wenn es halt schlampig und dreckig ist im Haus, dann ist das *ihre* Schuld. Am Freitag müssen wir die Hütte ordentlich abgeben und so lange werden sie eben putzen, bis es passt.


    Also statt Drill und Stillsitzen kann man auch versuchen, auf kooperative Art und Weise Selbständigkeit einzufordern. Wir erzielen damit sehr gute Ergebnisse.

  • 1. Ich habe in Rußland studiert und dort auch als Lehrer an öffentlichen wie privaten Schulen gearbeitet. Selbst zur Schule gegangen bin ich in NRW, aber das ist lange her.
    2. Warum darf ich keine Kritik an einem System üben? Etwa, weil ich mich der Obrigkeit zu fügen habe? Wie schrecklich autoritär...
    3. Ich kann Mathe nicht, weil ich leider sehr einseitig begabt bin - ich spreche 7 Sprachen fließend.


    Ich hatte nie vor überheblich zu klingen. Sinn dieses Threads war es (ursprünglich) meine ersten Eindrücke als "Ausländer" im deutschen Schulsystem wiederzugeben und mich mit anderen Seiteneinsteigern auszutauschen. Daraus wurde dann, was es jetzt ist, eine Grundsatzdiskussion über Unterrichtsmethoden und *IRONIE AN* ich als Verteidiger der "barbarischen" russischen Methoden gegenüber dem "fortschrittlichen" Westen. *IRONIE AUS*

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