Fibel schlägt Rechtschreibwerkstatt

  • In Niedersachsen hat mein Kind tatsächlich auch in der 3. und 4. Klasse pro Halbjahr 2 Aufsätze geschrieben. Mein Kind hatte eine Anlauttabelle, hat im Laufe der ersten Klasse unbekannte Wörter damit geschrieben. Ansonsten gerade zu Beginn eben lautgetreue Wörter.


    Durch viel Lesen (könnte hier vielleicht auch ein Knackpunkt sein => Stichwort Elternhaus) wusste sie dann aber schon bei vielen Wörtern, dass sie besondere "Stellen" haben. Und ab Klasse 2 ging das Erarbeiten der Rechtschreibphänomene los. Sie hat eine gute Rechtschreibung, die aber in der Grundschule sowieso noch nicht abgeschlossen sein kann.


    Erklärt wird übrigens in der Grundschule den ganzen Tag. Nur weil man als Eltern nicht dabei ist, findet es nicht nicht statt. Und ich bin mir sehr sicher, dass die Lehrerin besprochen hat warum beim Ball das "B" auf der Anlauttabelle ist.

  • Gibt es überhaupt Kinder, die in der Praxis erfolgreich und gerne mit der Tabelle umgehen?

    Ja.


    Ansonsten habe ich ebenfalls Lesen durch Schreiben und Schreiben nach Gehör gelernt, aber ohne Anlauttabelle und autodidaktisch. Ich behaupte trotzdem nicht, dass es für alle / die meisten gut ist.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Erklärt wird übrigens in der Grundschule den ganzen Tag. Nur weil man als Eltern nicht dabei ist, findet es nicht nicht statt.

    Ohja. Das kann man nicht fett genug unterstreichen. Und selbst nach der 10. Erklärung in einer Stunde ist nicht sicher, dass alle Viertklässler oben links auf dem Blatt anfangen zu schreiben. Bei Ersties muss man wesentlich häufiger erklären und die Amnesie ist trotzdem fleißig.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Ansonsten habe ich ebenfalls Lesen durch Schreiben und Schreiben nach Gehör gelernt, aber ohne Anlauttabelle und autodidaktisch.

    Das trifft vermutlich auf alle zu, die vor der Einschulung schon Grundlagen des Schreibens und Lesens etworben hatten. Vielleicht ist Reichen deswegen auch auf diese Idee gekommen...

  • Das trifft vermutlich auf alle zu, die vor der Einschulung schon Grundlagen des Schreibens und Lesens etworben hatten. Vielleicht ist Reichen deswegen auch auf diese Idee gekommen...

    Stimmt, das kann natürlich sein. Das Problem daran ist nur, dass nicht jeder so lernt, sonst würden ja viel mehr Kinder vor der Einschulung autodidaktisch die Grundlagen lernen.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Wie viel % der normalbegabten Kinder haben denn schätzungsweise gar keine phonologische Bewusstheit bei der Einschulung?

  • Die Frage ist in etwa so, als wenn du fragst: Wie viele Kinder haben denn schätzungsweise gar keine Intelligenz...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Hihi, also ich meinte damit: wie viele Kinder, die ihre ersten Schulwochen in der Grundschule verbringen können (außer ihrem auswendig gelernten Namen) gar nichts schreiben und erkennen keinen Buchstaben wieder?


    An der Lernförderschule geht es durchaus bei einigen 3 Jahre oder länger, bis die Kinder in skelettschreibweise selbständig etwas zu Papier bringen oder aus M und A MA erlesen können.

  • Hihi, also ich meinte damit: wie viele Kinder, die ihre ersten Schulwochen in der Grundschule verbringen können (außer ihrem auswendig gelernten Namen) gar nichts schreiben und erkennen keinen Buchstaben wieder?


    An der Lernförderschule geht es durchaus bei einigen 3 Jahre oder länger, bis die Kinder in skelettschreibweise selbständig etwas zu Papier bringen oder aus M und A MA erlesen können.


    An meiner bisherigen Schule konnten ca. 10% ihren Namen nicht (sicher) schreiben und weitere 20% außer dem Namen (und evtl. Mama und Papa als auswendig gelernte Ganzwörter) nichts.
    Die übrige phonologische Bewusstheit (Silben, Anlaute, Reimwörter) waren bei 10 bis 20% unter aller Kanone, wobei sich das natürlich schon weitgehend überschnitt.


    Dazu (!)kamen 10 bis 30% Kinder mit so deutlichen Sprach-, Gedächtnis- oder Verhaltensproblemen, dass das selbstständige Schreiben von Wörtern kaum bis nicht gelang.


    In meiner letzten Klasse haben "normal begabte" Kinder ("Lese-Rechtschreibstörung" oder "kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten") bis ins 5. Schulbesuchsjahr gebraucht, um etwas in Skelettschreibweise selbstständig zu Papier zu bringen. "Ma" klappte meist bis Ende des 1. Schuljahres, darüber hinaus aber nicht viel. Was habe ich mit der Buchstabenrutsche an der Tafel gerudert. Fühlte mich wie die Mitarbeiterin eines Indoor-Spielplatzes.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Was auch beachtet werden muss, ist, dass Jürgen Reichen die "Lesen durch Schreiben"-Methode Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelt hat, also vor über 40 Jahren. Dass damals eine durchschnittliche Lerngruppe ganz anders ausgesehen hat und bei der Methodenwahl ganz andere Umstände vorausgesetzt werden konnten, muss man hier nun wirklich niemandem erzählen.


    Wie ermittelt man den Punkt, an dem eine Methode und ihre intendierte Zielgruppe sich soweit voneinander entfernt haben, dass die Anwendung der Methode nicht mehr gerechtfertigt werden kann? Das Grundprinzip, dass man den Schüler da abholen soll, wo er steht, gilt ja weiterhin.


  • An meiner bisherigen Schule konnten ca. 10% ihren Namen nicht (sicher) schreiben und weitere 20% außer dem Namen (und evtl. Mama und Papa als auswendig gelernte Ganzwörter) nichts.
    Die übrige phonologische Bewusstheit (Silben, Anlaute, Reimwörter) waren bei 10 bis 20% unter aller Kanone, wobei sich das natürlich schon weitgehend überschnitt.


    Dazu (!)kamen 10 bis 30% Kinder mit so deutlichen Sprach-, Gedächtnis- oder Verhaltensproblemen, dass das selbstständige Schreiben von Wörtern kaum bis nicht gelang.


    In meiner letzten Klasse haben "normal begabte" Kinder ("Lese-Rechtschreibstörung" oder "kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten") bis ins 5. Schulbesuchsjahr gebraucht, um etwas in Skelettschreibweise selbstständig zu Papier zu bringen. "Ma" klappte meist bis Ende des 1. Schuljahres, darüber hinaus aber nicht viel. Was habe ich mit der Buchstabenrutsche an der Tafel gerudert. Fühlte mich wie die Mitarbeiterin eines Indoor-Spielplatzes.

    Also in meinen letzten 3 Durchgängen Klasse 1/2 konnten alle ihren Namen sicher schreiben und dazu noch ein paar häufige kurze Wörter. Ca. 50% konnte schon einfache häufige Wörter lesen. 1 Kind pro Jahrgang kam fließend lesend in die 1. Klasse.
    Bis Januar konnten 95% der Kinder kurze Texte sinnentnehmend lesen und bei den Rechtschreib-Diagnosetests Anfang Klasse 2 hatten 90% der Kinder keine oder kaum Fehler. Bei den restlichen Kindern stellte sich nach weiterer Diagnose eine Rechtschreibschwäche raus. In Skelettschreibweise hat aber keines der Kinder Anfang Klasse 2 geschrieben. Achso - wir haben eine Fibel (zuerst Tobi, jetzt ABC der Tiere).


    Ich denke es kommt doch sehr auf das Einzugsgebiet an: Hier: Dorfschule im Dunstkreis zweier Unistädte.

  • Wie ermittelt man den Punkt, an dem eine Methode und ihre intendierte Zielgruppe sich soweit voneinander entfernt haben, dass die Anwendung der Methode nicht mehr gerechtfertigt werden kann? Das Grundprinzip, dass man den Schüler da abholen soll, wo er steht, gilt ja weiterhin.

    Die Kollegen, die gemerkt haben, dass LdS nicht funktioniert mit ihrer Schülerklientel haben das Konzept abgewandelt bzw. ergänzt. Das ist genau das, was Krabapple schon schrieb: Es gibt nicht nur die A-, die B- und die C-Methode, es gibt viele verschiedene Ausformungen, die eine hat von der anderen gelernt. Inwieweit das berücksichtigt wurde, erfahren wir nicht und inwieweit die Voraussetzungen vorab unterschiedlich waren auch nicht.


    Wie gesagt: An meiner Ex-Schule waren die Leistungen auch mit der analytisch-synthetischen Methode (die vermutlich im Ausgangsartikel mit "Fibel-Methode" gemeint ist) grottig, obwohl wir mit den Büchern des Ex-DDR-Verlages weitergearbeitet haben, während freckle ganz andere Erfahrungen hat.


    PS: Beim Titel dieses Threads habe ich immer Kinder vor Augen, die mit einer Fibel zuschlagen. Ich weiß gar nicht warum.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Dazu habe ich auch wieder was Passendes gefunden, was ich gerne unterstütze:


    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Das es nicht ohne geht, ist doch völllig klar.


    Aber die Kinder werden doch in ALLEN Bereichen schwächer. Rechnen, Gedächtnis etc.


    Wir hatten heute gerade das Thema, dass wir nach 4 Jahren die Hälfte unserer Materialen nicht mehr einsetzen können, weil sie zu schwer geworden sind.


    Kennt jemand von euch IntraAct. Das machen bei uns die ganz schwachen Kinder. Zu welcher Methode zählt das eigentlich?

  • Kennt jemand von euch IntraAct. Das machen bei uns die ganz schwachen Kinder. Zu welcher Methode zählt das eigentlich?

    Konditionierung / Behaviorismus?
    Falls du noch einen didaktischen Namen herausfindest, sag Bescheid.
    Vielleicht noch modifizierte Silbenmethode, da die Kinder nach den Buchstaben Silben im ganzen erkennen und schnell wiedergeben müssen?
    Keine Ahnung. Ich hatte schon 2 Kinder, die so schwach waren, dass sie mit dem Programm die Buchstaben auch nicht gelernt haben, beide auch nur mit permanenter persönlicher Betreuung, selbstständig konnte das keiner von den Schwachen. Bei einer habe ich damit aber immerhin eine Blau-Gelb-Schwäche erkannt.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Was ich auch absurd finde und bei meiner Tochter erlebt habe, ist, dass die Grundschullehrer “in den höheren Klassen” zwar die Hefte und Texte der Schüler korrigieren, also Fehler anstreichen, aber danach nichts folgt. Was macht dasfür einen Sinn? Das Falsche muss doch vom Kind korrigiert werden, damit es sichdie richtige Schreibvariante einprägt.


    Ebenso empfinde ich es für das Erlernen der Rechtschreibung hinderlich, wenn generell kaum noch geschrieben wird, weil nur noch Lücken auf Arbeitsblättern oder in Arbeitsheften ausgefüllt werden und es kaum noch Tafelanschriebe gibt,die die Schüler ins Heft übertragen sollen. Klar, es ist für den Lehrer schön einfach: Arbeitsblatt kopieren / Arbeitsheft aufschlagen und los. Kein mühevolles, immer wieder neues Anschreiben an die Tafel (währenddessen man von hinten womöglich mit Papierkügelchen beworfen wird).


    Merksätze stehen so schön im Buch. Beim Vorlesen / Durchlesen hört die Häfte der Schüler gar nicht zu.


    Ist das eigentlich eine Begleiterscheinung der “Reichen-Methode”?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

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  • Nö die Entwicklung gibts auch in Mathe (also die Arbeitshefte und Hefteinträge), aber seit mein Kind in Klasse 6 ist, kann ich sagen, dass auch da viel mehr im AH gearbeitet wird, als zu meinen Zeiten.

  • Ist das eigentlich eine Begleiterscheinung der “Reichen-Methode”?

    Mit Sicherheit nicht... (was sollte denn das miteinander zu tun haben?)


    Ich sehe dafür zwei andere Gründe:
    1. wir differenzieren viel stärker als früher (was ich im übrigen für absolut richtig halte) und das geht über Arbeitsblätter oder geeignete Arbeitshefte nunmal deutlich leichter.
    2. es fehlt schlicht an Zeit. Darin sehe ich im übrigen auch einen ganz wesentlichen Grund für die abnehmenden Leistungen. Ich denke auch oft: die Kinder müssten viel mehr üben (gerade auch das Schreiben!) Ich frage mich aber gleichzeitig immer: wann denn nur???? Der Anspruch, was wir den Kindern alles vermitteln sollen, ist einfach enorm gestiegen. Wir sollen eben nicht mehr nur lesen schreiben, rechen vermitteln sondern zusätzlich auch diverse Kompetenzen, deren Vermittlung (gerade am Anfang) enorm viel Zeit kosten.
    Die Kinder sollen z.B. lernen mit Partnern oder in Gruppen zu arbeiten, sie sollen lernen, sich Inhalte zunehmend selbst zu erschließen bzw. Informationen selbst zu beschaffen, sie sollen mit Medien umgehen lernen, sie sollen ihr Wissen präsentieren können usw. usw. All das kostet Zeit. Gerade in den Klassen 1-3 (oder 4) findet alles irgendwann zum ersten Mal statt. Alles alles alles muss erstmal kleinschrittig eingeführt werden
    Allein der Punkt "Umgang mit dem Computer": Hast du eine Ahnung wie zeitaufwändig es ist, einer 2.Klasse auch nur beizubringen ein Password richtig einzugeben? Und das ist jetzt nur ein Beispiel. Wenn ich an meine Schulzeit denke fallen mir etliche Punkte ein, die damals einfach nicht stattfanden: ich musste in der Grundschule noch keine Referate halten, an Gruppenarbeit kann ich mich auch nicht erinnern, Computer war eh noch kein Thema, Klassenrat oder ähnliches gab es auch nicht...
    Ebenfalls ein Zeitfresser (je nach EInzugsgebiet unterschiedlich massiv): es muss immer mehr "ausgeglichen" werden: es muss immer mehr Erziehungsarbeit geleistet werden und es fehlen schon in Klasse 1 vermehrt die Vorläuferfähigkeiten, die dann im Unterricht trainiert werden müssen. Und all das soll in derselben Zeit geschafft werden wie "früher" (mit Kindern dir zunehmend weniger Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit mitbringen). Das kann einfach nicht funktionieren.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

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