BuS/Langzeitpraktikum - Erfahrungsaustausch

  • Hallo liebe Forengemeinde,


    da ich seit einigen Jahren mit den Ärmsten der Armen arbeiten darf, würde ich diese Plattform gerne zum Austausch nutzen. In NRW gibt es sowohl die Möglichkeit einer BuS Klasse als auch des Langzeitpraktikums ohne diese Klasse. Aktuell betreue ich meine Kids in einem Kurs, der 2x die Woche stattfindet. Ansonsten befinden sie sich in ihren normalen Klassen. Richtig glücklich bin ich mit dieser Lösung nicht, allerdings bin ich auch froh, wenn ich diese Gruppe nach 90 Minuten wieder abgeben darf. Keiner meiner Kurse ist so anstrengend. Das liegt nicht an dem Verhalten der Schüler (meistens), sondern an dessen Kenntnisstand. Da ist einfach nix. Kurzer Einblick in meine aktuelle Zusammensetzung: Lerner, Wiederholer, Flüchtlinge, Schulschwänzer, Schulmüde, Depressive und ein paar wenige engagierte schwache Hauptschüler. Aktuell versuchen wir Bewerbungsanschreiben für unsere Praktikumsstelle zu verfassen. Nach 90 Minuten hatten die meisten immerhin Absender, Empfänger, Datum und Betreff verfasst. Der Empfänger war in der Regel falsch, da die Kids einfach ein CopyPaste der Homepage vorgenommen haben und meist lediglich Homepage, Tel., Fax, und Email übernahmen. Ein Schüler hat anstatt einer Postleitzahl die Telefonnummer angegeben. Als es zur Pause ging, haben einige Schüler einfach den Rechner heruntergefahren, natürlich ohne zu speichern...
    Das Thema Bewerbungen ist für sie nicht neu. Sie haben im Deutschunterricht und im Berufsorientierungsunterricht im letzten Schuljahr bereits Bewerbungen erstellt. Davon ist im 9. Schuljahr leider nichts mehr vorhanden. Bereits in meinem letzten Durchgang ist mir aufgefallen, dass die Kids keine Bewerbung verfasst bekommen.
    Wer hat Tipps? Nächste Woche kommt der Hauptteil dran, und sie sind nicht in der Lage ihr Interesse zu verschriftlichen.
    Aktuell arbeite ich mit dem Material von Azubiyo. Letztes Jahr hatte ich Formulierungsbausteine vorgegeben. Das klappte auch nicht, da diese einfach übernommen wurden samt .... Der Text bestand also z.B. aus lauter Einleitungen ohne persönlichen Bezug.
    Wo sind die Profis? Wie arbeitet ihr mit euren Kids?


    LG

  • Das wird dir jetzt wahrscheinlich nicht weiterhelfen, aber
    a) man kann nicht alle retten
    b) es gab mal ´ne Doku über einen Rektor einer Förderschule im Ruhrgebiet, der brachte den Kindern bei, wie man einen Hartz IV-Antrag ausfüllt.
    Mein Mitgefühl hast du aber, weil ich eine ähnliche Klientel habe.


    Edit: Zu b)
    https://www.welt.de/politik/de…it-wenig-Geld-lernen.html
    https://www.youtube.com/watch?v=g7-VMKZtlLA

  • Kommt mir alles bekannt vor, was du schreibst . Dort wo die Anschrift des Empängers stehen sollte, schrieben manche meiner Förderschüler:
    Name der Praktikumsstelle
    Straße Hausnr.
    Postleitzahl Stadt
    Dass sie dafür etwas einsetzen sollten, hatten sie nicht verstanden.


    Ansonsten hilft nur Textbausteine zu nehmen. Stück für Stück. Und ich habe dann z.B. auf verschiedenen Plakaten festgehalten, was man bei Berufen im sozialen Bereich schreiben könnte, oder was bei Bewerbungen im Einzelhandel etc. Die habe ich mit verschiedenen Farben gekennzeichnet, so dass sich jeder die Farbe merken konnte, die er brauchte. Sie mussten „nur“ die richtige Farbe nehmen und abschreiben.


    Bei Schüler(inne)n, die regelmäßig kommen, guten Willen zeigen und einfach nur schwach sind, habe ich mir die Mühe gemacht und die Bewebungen individueller gemacht. Bei den notorischen Schwänzern und Zuspätkommern, denen schon das Verfassen des Bewerbungsschreibens egal war, nicht. Die gehen oft genauso unzuverlässig zur Praktikumsstelle wie zur Schule.Da muss die Standardversion reichen.


    Selbst etwas verfassen können die meisten der Förderschüler/innen gar nicht. Für die Berufe, für die sie sich bewerben, werden die Erwartungen an die Bewerbungen zum Glück niedriger sein als z.B. bei einer Bank o.ä.


    Was Lustiges aus dem Berufsinformationszentrum: Zwei Schülerinnen wollten sich einen Infofilm über den Beruf der Friseurin ansehen. Auf einmal riefen sie mich und meinten: „Frau ..., das ist so komisch. Das haben wir uns aber ganz anders vorgestellt.“ Ich guckte auf den Monitor und sie schauten sich ein Filmchen über den Beruf der Fräserin an. Kann man ja mal verwechseln...

  • Hallo


    bei uns ist es auch so schwierig. Ich habe die Vorlage von Planet Berufe ( oder heißt es Berufe Universum?) genommen. Anschließend musste ich auch alle Bewerbungen / Lebensläufe korrigieren.


    Manche habe auch ewig für die Eingabe am PC gebraucht. Da musste ich den Rest schreiben. Mittlerweile habe ich so viele Bewerbungen, dass ich alte Bewerbungen umschreibe.


    Ich bin StuBo und habe dafür Ermäßigungsstunden.

  • Moin!


    Vielen Dank für eure Anekdoten und Tipps. :aufgepasst:


    Vielleicht sollte ich mit einigen Kids tatsächlich üben, einen Hartz IV Antrag auszufüllen. Da kamen bereits Fragen, was man ihnen den schon könne, wenn sie einfach nicht mehr zur Berufsschule erscheinen würden. Ihre Kumpels würden da auch nie erscheinen, denen würde nichts passieren... Einen anderen habe ich gestern aus dem Programm befördert, da er sich sehr respektlos verhält. So schicke ich niemanden in ein Praktikum. Tatsächlich haben es gestern wieder sehr viele Kids geschafft, gar nichts zu tun.


    Habe mir aber nun einige Anregungen von euch geholt. Ich bin übrigens auch StuBo (ohne Fortbildung, kommt da wirklich irgendwer rein?) und erhalte Ermäßigungsstunden. Die habe ich nun gestern auch genutzt, um noch einmal Bewerbungen zu entwerfen für die unterschiedlichen Bereiche. Nun müssen sie dort quasi wirklich nur noch die Daten ergänzen. Es ist ein Lückentext... Das wird dennoch schwierig genug für die Schüler. Auch immer wieder spannend ist die Frage, wann sie eigentlich die Grundschule besucht haben, Stichwort Lebenslauf. Das ist quasi unlösbar.


    Habe auch noch ein Anekdötchen: Ein Schüler wollte gerne Bäcker werden. Er sollte nun aus dem Internet Telefonnummern von Bäckerein raussuchen. Als ich nach 15 Minuten nachsah, schrieb er gerade aus dem Telefonbuch alle Telefonnummern von Menschen heraus, die Bäcker heißen :victory:


    LG

  • :D Na wenigstens gibt es bei euch noch Schüler, die Bäcker werden wollen. Bei uns möchten fast alle in einem Industriebetrieb arbeiten.


    Für die Schüler, die das Langzeitpraktikum machen möchten, rufe ich bei den Betrieben an, weil diese Form des Praktikums nicht so bekannt ist. Viele Betriebe mögen das nicht.


    Bei uns sind es auch nur zwischen 2 und 4 Schülern pro Jahr, die das machen möchten. Wir bieten die Möglichkeit auch nur in Jahrgang 10 an. Nur in den 10 A s, nicht in der 10 B.


    Bei uns gibt es im Jahrgang 9 ein 3-wöchiges und im Jg 10 ein 2-wöchiges Praktikum. Die meisten wissen dann, was sie wollen. Außer sie verschenken das Praktikum an Betriebe, die eh nicht ausbilden oder an Berufe, die sie eh nicht lernen wollen. Aber man kann sich da ja den Mund fusselig reden..... und die wissen ja alles besser....


    LG

  • Moin!


    Inzwischen habe ich ein paar Schüler aus der Maßnahme entfernt. Respektlosigkeiten und Unwillen werden nicht mehr gefördert.
    Für die letzte Stunde hatte ich Bewerbungsanschreiben vorbereitet und sie konnten sie abtippen (mit Lücken). Da ist es tatsächlich auch passiert, was hier schon beschrieben wurde. Der Absender wurde nicht aufgeschrieben, sondern dort stand dann:


    Name
    Straße
    Postleitzahl Ort


    Der Schüler wollte es aber auch nicht ändern. Er verstand nicht, wieso das falsch sein sollte.
    Auch nett war die Situation, als einer seinen Namen nicht in den Absender schreiben wollte. Begründung: Der steht schon in meiner Emailadresse.


    LG
    Jazzy

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