Rolle der Sonderpädagogen in der Inklusion in der Grundschule

  • Welchen Förderbedarf haben die Kinder eigentlich? Im Normalfall überwiegen ja lenernbehinderte und emotional gestörte Kinder. Da ist es mit der "Beratung" so ne Sache. Erstens geht's da um grundlegende Sichtweisen, in die sich die wenigsten reinquatschen lassen wollen. Und 2.sagen Kollegen zu Recht: Ich muss die ganze Woche allein klarkommen, da nutzt mir die eine Stunde oder der Tip mit dem Tokenprogramm och nüscht.
    Wenn man keine Ahnung von Cochlea-Implantaten hat und das Kind ansonsten friedlich mitmacht, hört man sich wahrscheinlich eher mal einen Hinweis an.


    Zudem sind die Erfolge wirklich marginal. Bei LB-Kindern, weils eh nichts mehr wirklich zu fördern gibt und bei EH, weil da der Klassenlehrer die Bindung aufbaut und am ehesten Zugang hat. Oder es passiert zu Hause was Entscheidendes. Ich vermute, das ist das Frustrierendste, kaum Früchte seiner Arbeit zu sehen.

    Dass die Kolleginnen alleine klarkommen müssen, beklage ich ja ebenso, ist aber bittere Realität. Ich könnte mir aber eher vorstellen, dass man etwas gewuppt bekommt und es nicht ganz so schnell verpufft, wenn nicht nur eine Stunde in der Woche jemand kommt, sondern man z.B. zwei Wochen lang dabei ist. Eine Zeit wird intensiv für Beobachtungen genutzt. Am Ende der ersten Woche oder in der zweiten Woche erarbeitet man (zusammen!) mit dem Regelschulkollegen z.B. ein Token-System, setzt eine Struktur für LE-Kinder, gibt Differenzierungsmaterial an die Hand etc. Das führt man gemeinsam ein und die KL führt es weiter. Im nächsten Turnus wird evaluiert, weitergeführt, abgeändert, das Nächste in Angriff genommen, etc. Bei sehr akutem Bedarf ist vielleicht auch zwischewndurch mal für eine einzelne Hospitation Zeit.
    Befriedigend ist das dann sicherlich immer noch nicht, aber vielleicht besser als das, was vorher da war und unsystematischer erscheint.


    Sicherlich ist mein schwerhöriges Schülerklientel kein Standardfall; viele ziehen sich eher in sich zurück, um nicht aufzufallen, und leiden zum Teil still vor sich hin. Man darf aber nicht vergessen, dass mit dem Hören die meiste Kommunikation zusammenhängt und alles Soziale somit betroffen ist. Ein paar meiner SuS entwickeln dann einfach ein gestörtes Verhalten. Wenn ich da an meine zweite Klasse denke, die ich bei uns hatte ... fast durch die Bank hatten sie aus der Inklusion einen Knacks weg. Einer hätte sogar beinahe das Etikett LE bekommen, weil seine Hörproblematik einfach nicht richtig erkannt wurde und man dachte, er wäre ein bisschen blöd. Er sitzt bei uns in der R-Klasse.

  • Ich habe aber auch gute Erfahrungen gemacht. Eine Sonderschulkollegin arbeitete 5 Stunden in der Woche in meiner Klasse mit mir zusammen und wir haben uns immer montags ca 2 Stunden getroffen, um die gemeinsame Zeit (und was man davon weiterführen konnte) zu planen. Abwechselnd standen wir "vor" der Klasse. Wir waren aber immer beide für ALLE Kinder zuständig, wenn sie anwesend war.


    Dass sie die Vorbereitungszeit teilweise angerechnet bekam und ich nicht, haben wir einfach ausgeblendet. Mit so viel Ärger im Hinterkopf wird es auch nicht besser. Das Profitieren von der gemeinsamen Vorbereitung hat das andere aufgehoben und wir können ja alle nichts dafür.


    Das lief 2 Jahre wirklich gut, dann wurde sie anders eingesetzt. Eine neue Kollegin kam und wir waren uns nicht einig, was man den Kindern zutrauen kann und was nicht. Die Chemie hat einfach nicht gestimmt, auch das gibt`s.

  • Es geht hauptsächlich um Kinder mit Lern- und Entwicklungsstörungen, also die Förderschwerpunkte LE, ES und SQ.
    Das was du schreibst, Lamaison, ist im Grunde das, was ich mir wünschen würde. Zeit für gemeinsame, regelmäßige Besprechungen, die fest im Stundenplan verankert sind und eigentlich von beiden Seiten aus dem Stundenkontingent kommen! Das wäre etwas, wo man in Richtung Schulkonzept durchaus nochmal nachdenken könnte. Bei uns sind Stunden generell Recht häufig doppelt besetzt ( also zwei Regelschullehrer) da wäre es ja grundsätzlich denkbar, in einer der doppelt besetzten Stunden regelmäßig eine Besprechungsstunde zu machen... Das ist etwas was an einem Gymnasium in meiner Stadt schon so umgesetzt wird. Ich glaube in die Richtung werde ich Mal weiterdenken....
    Wobei ich die Idee mit wochenweise in die unterschiedlichen Klassen zu gehen auch nicht schlecht finde, jedenfalls besser als alle 45 Minuten zu wechseln.

  • Die gemeinsame Planung (und Besprechung) empfand ich als das a und o, lief allerdings nach Unterrichtsschluss. Man arbeitet dann auch irgendwie mehr auf Augenhöhe.


    Hab nochmal nachgeschaut. Wenn du natürlich in 6 verschiedenen Klassen eingesetzt bist, ist das eigentlich fast nicht leistbar, dich mit jedem Lehrer so intensiv auseinanderzusetzen.


    Inklusion würde viel besser funktionieren, wenn du mehr Zeit in der gleichen Klasse verbringen könntest. Bei mir waren es allerdings 5 Kinder, daher mehr Stunden und auch eine FsJlerin. Dann kann man auch gemeinsam ins Schullandheim gehen und für die Grundschüler bist du genauso eine Ansprechpartnerin wie die Klassenlehrerin. Meine SuS haben das eigentlich auch sehr genossen und wir haben einiges machen können, was als Lin allein schwierig wird.
    Aber da hatte ich auch eine extrem liebe Klasse oder die Kinder waren so lieb wegen der Inklusion (kein ES, LE und G)

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  • Ich arbeite auch mit all meinen Stunden im gemeinsamen Lernen, aber als Teilzeitkraft. Bin an einer Sekundarschule. Als Teilzeitstelle ist es o.k. für mich, als Vollzeitstelle weiß ich auch nicht, ob ich zufrieden wäre. Ich sehe die Vorteile, die Förderkinder kommen gerne zu den Förderstunden mit. Ich habe nette Kolleg(inn)en und mache in den Stunden, die ich habe, was ich kann. Das die Inklusive Beschulung als Sparmaßnahme umgesetzt wurde, finde ich zwar komplett falsch, doch kann ich es nicht ändern.


    Absprachen mit den Regelschullehrer(inne)n treffe ich in den Pausen, ab und zu setzten wir uns nach dem Unterricht zusammen oder per Mail. Es gibt Jahrgangskonferenzen, auf denen sind die Förderschüler/innen immer Thema.


    Bei uns ist es auch so, dass ich die Schüler/innen in Kleingruppen heraushole und Deutsch (viel Leseförderung), Mathe und manchmal Englisch mit Ihnen mache. Ich komme mit in den Unterricht, wenn mich ein/e Lehrer/in daraufhin anspricht.


    Unser Stundenkontingent ist sehr gering! 20 Stunden für 20 Schüler/innen. Diese sind auf 13 verschiedene Klassen und fünf Jahrgänge (5-9) verteilt. Förderbedarfe sind hauptsächlich Lernen, ESE, Sprache und Sehen. Da an unserer Schule ein sehr niedriges Niveau ist und der Unterricht aufgrund vieler DAZ-Kinder entsprechend angepasst verläuft, kommen die Lernen- Schüler/innen ganz gut zurecht. In vielen Nebenfächern können sie gut mithalten. Auch die Schüler mit Förderbedarf Sprache und Sehen kommen klar. Sie sind wirklich gut integriert, haben Freunde, fühlen sich wohl. Sicher könnten sie noch viel mehr lernen, wenn es mehr Förderstunden gäbe! Trotzdem haben sie mehr gelernt, als es an der Förderschule Lernen der Fall wäre! Ein paar Stunden kommt noch ein Kollege von der Förderschule Lernen dazu und wenn er unsere Schüler/innen mit seinen Schüler(inne)n an der Förderschule Lernen vergleicht, sind seine an der Förderschule seiner Auffassung nach erheblich schwächer.


    Ganz schwache Schüler/innen sind meiner Ansicht nach an der Förderschule Lernen besser aufgehoben, aber die etwas fitteren nicht! Bei den ESE- Schüler(inne)n ist das anders! Ohne Integrationskraft haben sie in dem System mit wechselnden Lehrer(inne)n, Räumen und Kursen (also wechselnden Mitschüler(inne)n) keine Chance. Eine Bezugsperson brauchen sie wenigstens. Mit einer Stunde pro Kind pro Woche kann ich das leider nicht sein und die Klassenlehrer/innen mit ihren paar Stündchen, die nach zwei Jahren die Klasse wieder abgeben, auch nicht.


    Bei denen ohne Intikraft läuft es wie folgt: Eine Ordnungsmaßnahme nach der anderen bis sie wieder zur Förderschule ESE wechseln. Viel Frust und Ärger für alle Beteiligten inklusive.

  • ... Trotzdem haben sie mehr gelernt, als es an der Förderschule Lernen der Fall wäre! Ein paar Stunden kommt noch ein Kollege von der Förderschule Lernen dazu und wenn er unsere Schüler/innen mit seinen Schüler(inne)n an der Förderschule Lernen vergleicht, sind seine an der Förderschule seiner Auffassung nach erheblich schwächer.


    Ganz schwache Schüler/innen sind meiner Ansicht nach an der Förderschule Lernen besser aufgehoben, aber die etwas fitteren nicht!

    Naja, wobei die Frage bleibt: Lernen sie an der Regelschule mehr oder habt ihr von Vorneherein die Fitteren?


    Was mich aber in diesem Zusammenhang interessieren würde: Bist du zufrieden mit der Arbeitssituation?

  • Naja, wobei die Frage bleibt: Lernen sie an der Regelschule mehr oder habt ihr von Vorneherein die Fitteren?

    Die Frage hat sich Cat1970 im Zitat insgeheim schon selbst beantwortet. ;) Meiner Erfahrung nach wechseln die schwächeren SuS irgendwann zur Förderschule. Zur 5. Klasse beenden einige noch die Zeit der Inklusion.

  • Wenn ich das alles so lese, bestätigt es aber bestimmte Dinge immer wieder:
    - Kinder mit körperlichen Behinderungen, welcher Art auch immer, lassen sich idR mit geeigneten Hilfsmitteln und geschulten Kräften sinnvoll integrieren und können mehr oder minder dem geregelten Schulbetrieb folgen;
    - Kinder mit Schwerpunkt Lernen können dann "mithalten", wenn die ganze Klasse entsprechend "schwach" ist - also eigentlich eine Quasi-Förderklasse darstellt. Sowas ist "machbar", wenn die entsprechenden Kinder eben in entsprechenden Klassen zusammengebracht werden und deren Eltern akzeptieren, hier keine grandiosen Abschlüsse in Regelzeit zu bekommen.
    - ESE-Kinder sind, in den meisten Fällen, schlicht nicht (regulär) beschulbar, brauchen generell eine verpflichtende Förderschule oder, je nach Fall, schlicht eine Therapie bevor überhaupt an Beschulung zu denken ist.


    Vielleicht ist auf so einer Basis Inklusion möglich - differenziert eben. Aber "inklusion aus Prinzip" - da ist der Rohrkrepierer vorprogrammiert.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Naja, wobei die Frage bleibt: Lernen sie an der Regelschule mehr oder habt ihr von Vorneherein die Fitteren?

    Ja, wir haben hier die fitteren. Für die ist es hier in dem schwachen Umfeld aber die richtige Lernumgebung.

    Was mich aber in diesem Zusammenhang interessieren würde: Bist du zufrieden mit der Arbeitssituation?

    Ein klares Jein .


    Ich wünsche mir mehr Stunden pro Kind, so dass sie mehr lernen könnten. -Inklusion vernünftig umgesetzt hieße für mich konsequente Doppelbesetzung und kleine Klassen. -Ich hätte gern eine eigene Klasse, da ich gerne Klassenlehrerin bin, das werde ich im gemeinsamen Lernen nicht sein können.


    Auf der anderen Seite habe ich ja nette Schüler/innen und nette Kolleg(inn)en. Die Unterrichtsstunden an sich sind meist angenehm und die Kinder kommen in der Regel gern, weil sie die Kleingruppenarbeit, in der es schön ruhig ist, mögen (kann natürlich mal unbequem sein, weil nur Rumgammeln oder vor sich hin Träumen sofort auffällt).

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