Hochbegabung bei Grundschulkindern feststellen

  • Hallo zusammen,


    ich wechsel mal eben vom Sek.I Forum zu euch, da ich dringend Rat von Experten benötige.


    Wer von euch hat Erfahrungen mit hochbegabten Schülern?
    Wie habt ihr die Hochbegabung erkannt?
    Was den Eltern geraten?
    Hat das betroffene Kind soziale Schwierigkeiten?


    Ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand etwas zum Thema Hochbegabung und Grundschule schreiben würde.


    Viele Grüße


    Kopfschloss

  • Es hört sich sehr nach Platitüden an, aber: jedes hochbegabte Kind ist unterschiedlich.
    Breite und / oder sehr spezielle Interessen, eine sehr schnelle Auffassungsgabe und "kreative" Lösungswege. Um die Ecke denken. Mädchen haben oft weniger soziale Schwierigkeiten als Jungs, weil sie sich besser anpassen.
    Wenn du auf FB bist, empfehle ich dir die Gruppe "Hochsensivität - Hochbegabung - Synästhesie". Dort gibt es sehr viele Eltern (ich gehe davon aus, dass du jetzt als Elternteil oder Angehöriger schreibst), die auch schreiben, wie sie es festgestellt haben. Andere Gruppen sind sicher auch zu empfehlen, ich kenne halt nur diese.


    Generell als Lehrkraft (und ich finde, auch als Familienangehöriger): wenn es feststeht (es gibt Diagnoseverfahren, aber ich meine auch grundsätzlich, wenn man eben selbst sieht, wo die Baustellen sind): sich darauf einrichten, dem Kind geben, was er braucht, aber auch klar machen, dass jeder Kompromisse eingehen muss. Die Erfahrung zeigt, dass viele hochbgegabte Kinder die "Langeweile" des normalen Unterrichts (selbst bei bester Differenzierung ist bei einigen Kids irgendwo eine Grenze erreicht) viel besser ertragen, wenn sie merken, dass man sie (und deren Besonderheiten) ernst nimmt und zb 1-2 mal in der Woche ein besonderes Angebot nur für sie parat hat. Hat leider noch weit nicht jede Schule. Aber immer mehr Lehrkräfte lassen sich fortbilden und es gibt immer mehr ein Umdenken im Schulwesen, dass nicht nur "nach unten" differenziert werden soll.

  • Ich hatte schon mehrere hochbegabte Kinder in der Klasse, aber da gibt es kein Patentrezept für. Wenn ich nur an die letzten beiden Kinder denke, so hätten sie unterschiedlicher nicht sein können.
    Beim einen Kind war es ganz offensichtlich, es war in allen Bereichen seeehr fit. Es hat von mir immer mal schwierige Aufgaben bekommen, wollte aber gar nicht so gerne “auffallen“. Es hätte von den Leistungen her problemlos springen können, aber die Eltern und das Kind wollten das nicht und es hätte auch nicht viel genützt, weil das Kind so viel weiter war, wäre es eigentlich direkt wieder so gewesen. Das Kind war sehr sozial, aber natürlich ist immer aufgefallen, dass es anders “tickt“ als die anderen. Von den Freundschaften her war es schon schwierig, aber es kam immer mit allen gut aus und war recht beliebt.
    Das andere Kind (gleicher Jahrgang sogar) war total anders. Ich habe ehrlich gesagt lange nicht an eine HB gedacht. Die Eltern waren sehr schwierig und überehrgeizig, das Kind (auch bei herausfordernden Aufgaben) immer eher schwach und sozial total auffällig. Da habe ich einiges probiert von eben schwierigeren Aufgaben bis hin zu sehr offenen Aufgaben, aber so richtig geklappt hat nichts davon und ich war froh als das Kind bei mir durch war (bei uns ist man immer nur für 2 SJ Klassenlehrer der Kinder). Beide Kinder haben an Angeboten der Kinderuni teilgenommen und waren im Mensaclub.
    Testung macht bei uns auf Wunsch der schulpsychologische Dienst.

  • Hast ne PN, das können Romane werden.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ich habe da sowohl als Mutter als auch als Lehrerin gute Erfahrungen mit den sozialpädiatrischen Zentren gemacht. Da werden die Kinder umfassendst untersucht und es gibt meist wirklich gute Berichte. Wenn man erst mal weiß, was eigentlich los ist, kann man besser agieren.


    https://www.dgspj.de/category/…ialpaediatrische-zentren/


    Das hört sich jetzt erst mal nach der Behandlung von Defiziten an, aber Hochbegabung ist dort auch ein Thema. Eltern wollen auch nicht gerne hingehen, aber es ist wirklich ein Weg, um eine klare Diagnose zu finden.


    Selber kannst du das mit der Hochbegabung zwar vermuten, aber wirklich nicht soooooo differenziert feststellen. Und ja, soziale Schwierigkeiten haben betroffene Kinder durchaus auch.

    2 Mal editiert, zuletzt von lamaison ()

  • ...
    Wie habt ihr die Hochbegabung erkannt?
    Was den Eltern geraten?
    Hat das betroffene Kind soziale Schwierigkeiten?...

    1. Tests beim Psychologen, IQ-Werte lagen schon vor. Bemerkbar: schnelles Arbeiten, schnelle Auffassungsgabe, Interesse an bestimmten Themengebieten/ Langeweile/ Lustlosigkeit/ Stören im Unterricht/ selbständige Teilnahme an Matheolympiade
    2. Beratungsstelle aufsuchen/ Andere Familien mit ähnlichen Erfahrungen kennenlernen/ nicht alle Probleme darauf zurückführen
    3. Nein, aber psychische. Die würde ich allerdings anderen Ursachen zuschreiben. Die Schule war im übrigen auch wenig kreativ: Kind sollte springen aber ein Jahr Fremdsprache nachholen muss man erst mal leisten. Und ne neue Klassengemeinschaft... nicht so leicht. Mehr Ideen gab's nicht.


    Typisch ist m.E. auch, wenn tendenziell die Freunde des Kindes älter sind.


    Ganz interessant fand ich die Doku über das Hochbegabteninternat St. Afra in Meißen. Kannst ja mal gucken, so als erster Eindruck. Spannendes Thema- warum gibt's dafür eigentlich so wenige Schulen? Keine eigenen Sonderpädagogen? Nach Gauß dürfte es nicht mehr Tiefbegabte als Hochbegabte geben ;)

  • Spannendes Thema- warum gibt's dafür eigentlich so wenige Schulen? Keine eigenen Sonderpädagogen? Nach Gauß dürfte es nicht mehr Tiefbegabte als Hochbegabte geben ;)

    ...nur einerseits können die es besser verbergen (dumm ist eben laut) bzw werden nicht erkannt, und "dumm f...t nicht nur gut, sondern auch viel zu oft ohne Gummi" - Resultat? Siehe "Idiocracy".
    :teufel:

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
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  • Spannendes Thema- warum gibt's dafür eigentlich so wenige Schulen? Keine eigenen Sonderpädagogen? Nach Gauß dürfte es nicht mehr Tiefbegabte als Hochbegabte geben ;)

    Tiefbegabte erfüllen tendenziell häufiger die Lehrpläne nicht, bekommen keine Schulabschlüsse, keine Ausbildungsstelle, werden arbeitslos. Jugendarbeitslosigkeit ist teuer und wird bekämpft, also kümmer man sich um die.
    Bei den Hochbegabten passiert das ab und an - die landen auf den speziellen Schulen oder fallen durch's Raster. Die anderen passen sich an.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Hochbegabte muss man genauso differenziert beschulen wie tiefbegabte. Da wir in der Grundschule sowieso nicht auf einem Niveau arbeiten, fällt das nicht auf. Inzwischen bin ich das gewöhnt, zumindest in De und Ma, auch in SU unterschiedliche Niveaus anzubieten, auch nicht nur AB`s. Ich habe einen Schüler, der wird einfach zum Störenfried, wenn er unterfordert ist. Mit anspruchsvolleren Aufgaben ist er aber sehr gut zu händeln und ich bin froh, dass ich ihn habe.

  • Salut!


    Wie habt ihr die Hochbegabung erkannt?

    Hochbegabung erkennt man als Lehrer nicht, genausowenig wie sie Eltern erkennen ("Mein Kind ist hochbegabt!"). Es gibt aber Indizien, die für eine Hochbegabung sprechen können. Einige wurden ja schon genannt. (Intellektuelle) Hochbegabung wird dann mittels eines Tests ("IQ-Test") festgestellt, das macht der Schul- oder Kinderpsychologe. Die Auswertung beinhaltet dann nicht nur das Ergebnis (IQ, Prozentrang), sondern auch Hinweise, in welchen Bereichen das Kind besonders herausragend ist oder ob es möglicherweise Defizite (LRS, ASS, ...) hat, wie das Kind während der Testsituation drauf war etc.


    Was den Eltern geraten?

    Inwiefern? Geht es um die Frage, ob das Kind getestet werden soll? Oder darum, wie das als hochbegabt getestete Kind gefördert werden kann?
    Die erste Frage hängt davon ab, ob das Kind Probleme in der Schule hat, z.B. ob es sich im Unterricht sehr langweilt, nicht aufpasst ("kann ich doch schon!"), den Unterricht dadurch stört oder verträumt, etc.


    Zur zweiten Frage gibt es viel gute Literatur über Förderung Hochbegabter:

    • Arnold, Dietrich; Preckel, Franzis. Hochbegabte Kinder klug begleiten.
    • Heinbokel, Annette. Handbuch Akzeleration.
    • Stapf, Aiga. Hochbegabte Kinder - Persönlichkeit, Entwicklung, Förderung.

    Hat das betroffene Kind soziale Schwierigkeiten?

    Das hängt vom Kind ab. Wenn es die Schwierigkeiten vor der Testung schon nicht hatte, dann auch nicht hinterher (es sei denn, es rennt dann den ganzen Tag durch die Schule und bindet das Ergebnis jedem unter die Nase. Der Psychologe wird den Eltern aber Hilfestellung geben, mit dem Ergebnis richtig umzugehen, auch im Hinblick darauf, was und wie man es dem Kind mitteilt.)
    Ganz allgemein gibt es in der Intelligenzforschung die beiden Thesen:
    (1) Hochbegabte zeigen größere Defizite im Sozialverhalten als durchschnittlich Begabte (Divergenzhypothese).
    (2) Hochbegabte zeigen geringere Defizite im Sozialverhalten als durchschnittlich Begabte (Konvergenzhypothese).
    Studien deuten eher darauf hin, dass die Konvergenzhypothese zutrifft.


    À+

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