Zustimmungsraten zu autoritärer Führung

  • Würden nicht viele Lehrer die Aussage ebenfalls unterschreiben: "Unruhestifter sollten deutlich zu spüren bekommen, dass sie in der Klasse / im Unterricht unerwünscht sind"? (bzw. nicht sie, sondern ihr Verhalten)

    Ich zitiere da im Unterricht manchmal Sergei Pawlowitsch Koroljow:

    "Finden wir eine Kompromisslösung – machen wir es so, wie ich es sage."


    An einer technischen Schule einen Raketenkonstrukteur zu zitieren paßt ja, oder? :pirat:

  • Der Masterplan dieser Räte war es ja, Deutschland nach dem Muster Russlands umzugestalten.
    Damit hätte die Bourgeoisie entmachtet werden müssen - demokratisch wäre das sicher nicht abgelaufen.


    Die radikale Linke wähnte sich moralisch im Recht, weil Marx die Bourgeoisie axiomatisch zum Feindbild deklariert hat und man intepretierte, dass diese nun im Extremfall auch physisch eliminiert werden dürfe (vgl. Russland).


    Basisdemokratie bzw. direkte Demokratie als Prinzip wäre unter bestimmten Voraussetzungen zweifellos begrüßenswert, aber die Arbeiter- und Soldatenräte verstanden unter Demokratie etwas anderes.

    Kurz zur Rolle der Gewalt:
    Revolutionen ohne Gewalt sind ja eher selten; manch einer schließt das in seiner Definition des Begriffs sogar grundsätzlich aus bzw. macht das auch zum genuinen Merkmal.
    Die Gewalt der Revolutionen wird von der Nachwelt mal positiv, mal negativ beurteilt. Je nachdem, ob man sich in deren Tradition sieht, oder nicht. Die Kritik der Gewalt ist so gesehen nur Vorwand einer Deligitimation bestimmter politischer Ziele. Die Gewalt der 1848er Märzrevolutionäre, z.B. in den Berliner Barrikadenkämpfen, wird von niemandem kritisiert. Da ist es in Ordnung, wenn sich Bürger bewaffnen gegen die Vertreter ihres Staats - in der Rückschau sind das ja fast schon Helden, die für hehre Ziele eintraten, in deren Tradition sich der heutige Staat stellt.


    Wg. meinen "neuen demokratischen Kräften":
    Wenn man Deine Kriterien anlegt - gab es damals überhaupt Demokraten?
    Würde z.B. ein George Washington noch als Demokrat beurteilt werden?


    Was verstanden die Arbeiter- und Soldatenräte unter Demokratie, Deiner Meinung nach?
    Deren Basis- oder direkte Demokratie hast Du ja eher positiv beurteilt. Ist für Dich die Gewalt (als Mittel zur Durchsetzung eines neuen Systems) per se undemokratisch, auch wenn sie von einer Mehrheit legitimiert wird?

  • Und der 100. Jahrestag seit der Ausrufung der Republik. ;)

    vermutlich haben heute auch eine Menge Leute Geburtstag. Sie sollen Torte essen und feiern und trotzdem wird der 9.11. noch eine ganze Weile Gedenktag sein.


    Noch leben Menschen, die sich daran tatsächlich noch selbst erinnern können. Soviel Pietät sollte also schon sein, dass das Datum nicht zum Nationalfeiertag oder sonstiger Feierstunden genutzt wird.


  • Mit welcher Begründung?
    Wenn die Arbeiter- und Soldatenräte der damaligen Zeit keine "neuen demokratischen Kräfte" gewesen sein sollen, wer dann?

    Die Arbeiter- und Soldatenräte hatten den Anspruch, entsprechend der marxistisch-leninistischen Dialektik, die Diktatur des Proletariats als notwendigen Schritt hin zu Sozialismus und Kommunismus herbeizuführen. Eine Diktatur ist nicht demokratisch. Der fehlende demokratische Anspruch der Räte sieht man auch daran, dass sie nicht repräsentativ waren: sie hießen nicht umsonst "Arbeiter und Soldaten"-Räte, denn das waren ganz hauptsächlich Arbeiter und Soldaten aus revolutionären Betrieben und Militäreinheiten. Das Bürgertum, die "Bourgeoisie" wurde explizit aus ideologischen Gründen ausgegrenzt. Substanzielle Bevölkerungsanteile zu diskriminieren und aus dem politischen Entscheidungsprozess herauszuhalten, ist nicht demokratisch.

  • Mal wieder auf das Ausgangsposting zuruckkommen:

    Zitat

    Würden Sie diesen Aussagen zustimmen? "Unruhestifter sollten deutlich zu spüren bekommen, dass sie in der Gesellschaft unerwünscht sind", "Menschen sollten wichtige Entscheidungen in der Gesellschaft Führungspersonen überlassen", "Bewährte Verhaltensweisen sollten nicht infrage gestellt werden".


    Das waren die angeführten Items für die Erhebuung der autoritären Persönlichkeit/Präferenz für autoritäre Führung


    Hm, als "Unruhestifter" könnte man auch AFD und Co (oder auch Teile der Linke) sehen, denen gezeigt werden muss, unerwünscht zu sein - bewährte Führungspersonen wären dann Merkel und Co, die auch bewährte Verhaltensweisen zeigen, die keineswegs infrage gestellt werden sollten...

  • Die Arbeiter- und Soldatenräte hatten den Anspruch, entsprechend der marxistisch-leninistischen Dialektik, die Diktatur des Proletariats als notwendigen Schritt hin zu Sozialismus und Kommunismus herbeizuführen. Eine Diktatur ist nicht demokratisch.
    [...]
    Das Bürgertum, die "Bourgeoisie" wurde explizit aus ideologischen Gründen ausgegrenzt. Substanzielle Bevölkerungsanteile zu diskriminieren und aus dem politischen Entscheidungsprozess herauszuhalten, ist nicht demokratisch.

    Einverstanden - mit einer gewissen Einschränkung (siehe ganz unten).


    Der fehlende demokratische Anspruch der Räte sieht man auch daran, dass sie nicht repräsentativ waren:

    Ich denke mal, dass sich das "repräsentativ" nicht auf den Unterschied zwischen einer direkten und repräsentativen Demokratie bezieht, sondern darauf, dass die Bourgeoisie ausgeschlossen ist. Da stimme ich zu.



    Meine Frage hast Du aber gar nicht beantwortet!
    "Wenn die Arbeiter- und Soldatenräte der damaligen Zeit keine "neuen demokratischen Kräfte" gewesen sein sollen, wer dann?"
    Eine Novemberrevolution ohne die Räte ist nicht denkbar bzw. die Räte waren die Novemberrevolution. Die Oktoberreformen beurteile ich im Kontext nicht als Schwanengesang, sondern als Festhalten durch und an der Monarchie, bis die Niederlage im Krieg überwunden ist. Wie stark diese Eliten waren, hat sich ja gezeigt trotz der Weimarer Verfassung.


    Zur "Diktatur des Proletariats":
    Die Sichtweise, wonach es damals nur zwei Möglichkeiten gegeben hätte - parlamentarische Demokratie zusammen mit den alten monarchistischen Eliten einerseits, Rätesystem mit Ausgrenzung der Reichen andererseits - ist doch mittlerweile überholt und eine Verzerrung aus der Rückschau des Kalten Krieges. In den Räten gab es unterschiedliche Haltungen zur Gewalt. (Rosa Luxemburg war z.B. auch niemand, der jegliche Art von Gewalt kategorisch ausschließt, aber ja heftige Kritierin Lenins und hat schon früh vorrausgesehen bzw. gewarnt, was in Rußland passieren würde.)


    Die negative Beurteilung der Gewalt der deutschen Revolutionäre - ob man sie jetzt demokratisch nennen will oder nicht - scheint mir einerseits schon schlüssig, da als Versuch faktisch vorhanden, als latentes Potential nicht wegzudiskutieren; andererseits fällt diese negative Beurteilung der Gewalt bei anderen Revolutionen aus. Das macht mich stutzig. In manchen Ländern wird dieser Aspekt der Revolutionen gar nicht kritisch gesehen, sondern gehört sozusagen zur Folklore. Das öffentliche Teeren und Federn durch die Sons of Liberty wird von niemand als "Terror" bezeichnet. Auf diese bezieht sich ja auch noch der heutige Staat - Stichwort "Geschichte ist immer die Geschichte der Sieger". Robespierres Terror wird als solcher benannt und (aber) im Geschichtsunterricht kontrovers diskutiert - auf die Idee, den (angeblichen) "Sturm auf die Bastille" wg. der Anwendung von Gewalt zu kritisieren und zu sagen "Weg mit dem Absolutismus, schön und gut, aber doch bitte nur Gewaltfrei!" kommt garantiert niemand. Auch hier bezieht sich der Staat der Gegenwart auf dieses Ereignis, hier sogar als richtiger Gründungsmythos.
    Die Gewalt per se der dt. Revolutionäre von 1948 wird überhaupt kein bisschen kritisch gesehen, ganz im Gegenteil, die von 1918/19 schon. Deshalb glaube ich, die Kritik an der Gewalt (!) der Räte nur ein Vorwand ist.

  • Kurzer Einwurf (evtl. hab ich es auch überlesen): Es besteht für mich für den November 1918 und die folgenden Wochen keine Deckungsgleichheit mit "Räten" und "USPD/Spartakus". Die Räte waren recht unterschiedlicher Gesinnung und keineswegs alle an einer Räterepublik nach russ. Vorbild / einer Diktatur interessiert. Die einigenden Ziele aller Räte waren das Ende der Monarchie, das Kriegsende und soziale Veränderungen - nicht unbedingt immer im marxistisch-leninistischen Sinn.
    Diejenige, die eine solche Räterepublik wollte, war die USPD, sie vertrat aber keineswegs die Ansichten aller Räte. Das zeigt sich doch schon daran, dass der Reichskongress der Räte eher den Vorstellungen Eberts folgte, als denen der USPD.

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