Wie kann Religion ein Schulfach sein, wieso sind so viele Schulen konfessionell ausgerichtet?

  • Als neigschmeckter Ossi finde ich es immer befremdlicher, dass es in den alten Bundesländern "evangelische" und "katholische" Schulen gibt. Wieso ist das so? Und wie kann Religion ein Schulfach sein? Nicht, dass ich Theologie nicht für eine Wissenschaft hielte, aber Religion als Fach geht mir nicht ein. Ich lese zum Beispiel im hessischen Lehrplan "Auferstehung Jesu" oder "Wissenschaftliche Entwicklungen mit gesellschaftspolitischer Dimension (Bioethik ... Ethos der Informationsgesellschaft Sexual- und Ehemoral". Ersteres hat mit Glauben zu tun und m.E. nichts in der Schule zu suchen und letzteres sind klassische Ethikfragen, wie soll ein Katholik die neutral beantworten?


    Oder geht Ethik gar nicht ohne traditionell religiöse Grundüberzeugungen? Interessiert mich ehrlich.


    Hallo Krabappel,


    soweit ich das mitbekommen habe, ist das Fach "Ethik" und "Religion" (kath./ev.) gar nicht sauber getrennt in der Ausbildung. Gemeinsame Veranstaltungen und Ausbilder, die "hüben wie drüben" angesiedelt sind. Bei uns ist auch die Mehrheit der Ausbilder und Lehrer gläubig und dies in der Regel christlich. Hätte ich auch nicht so erwartet, ist aber wohl der Fall. Das Schuljahr startet auch mit einem allgemeinen Gottesdienst.


    Finde ich auch recht kurios, da ich selbst Atheist bin und mein Hirn mit irrationalen Welterklärungen prinzipiell nichts anzufangen weiß. Ich sehe da die Logik nicht (Vulkanier-Style) und was ich bei gelegentlichen Reli-Hospitationen (nur aus purer Neugier) gesehen habe, war für mich keine Werbung für das Fach. Sobald das Thema Glaube und Gott etc. aufkommt, wirds - ich sags mal milde - etwas "komisch".


    der Buntflieger

  • Ich nehme mal die amtlichen Schuldaten für NRW zur Hand und halte mich ans Gymnasium:


    Wir haben in NRW 519.798 Schüler am Gymnasium, davon sind 220.055 katholisch, 148.165 evangelisch, 55.793 muslimisch und 70.655 ohne Konfession (der Rest hat andere Konfessionen und ich bin zu faul das abzutippen. NRW bietet Religionsunterricht in katholisch, evangelisch, syrisch-orthodox, orthodox, jüdisch, islamisch, alevitisch und mennonitisch an. Was macht jetzt mehr Sinn:


    Religionsunterricht für die 86,4% Schüler anzubieten die einer Religionsgemeinschaft angehören oder gar keinen für die 13,6% ohne Konfession anzubieten. Das sieht mir ehrlich gesagt ein bisschen zu sehr nach Diktatur der Minderheit aus...


    P.S.: Was die Ernsthaftigkeit der konfessionslosen Eltern angeht: In NRW haben 13,6% der Schüler an Gymnasien keine Konfession. An katholischen Ersatzschulen bei uns im Bistum (mehrheitlich Gymnasien, aber nicht nur) haben 14,2% der Schüler keine Konfession. Wenn es um Schulqualität geht, wird der Atheist gläubig und bietet bisweilen auch die Taufe an. :P

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • auch in NRW.

    Was diese "Ehrfurch vor Gott" anbetrifft, so halte ich diese für gegenstandslos, so lange ncht klar ist, was man mit "Gott" meinen möchte. Derlei Floskeln sind schnell hingeschrieben. Sinn haben sie deshalb noch lange nicht.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Was diese "Ehrfurch vor Gott" anbetrifft, so halte ich diese für gegenstandslos, so lange ncht klar ist, was man mit "Gott" meinen möchte. Derlei Floskeln sind schnell hingeschrieben. Sinn haben sie deshalb noch lange nicht.

    der Begriff "Ehrfurcht" scheint mir da der problematischere zu sein.....

  • ...Religionsunterricht für die 86,4% Schüler anzubieten die einer Religionsgemeinschaft angehören oder gar keinen für die 13,6% ohne Konfession anzubieten. Das sieht mir ehrlich gesagt ein bisschen zu sehr nach Diktatur der Minderheit aus...

    Ich bin baff, was aus deinem Munde kommt. Darf ich dich daran erinnern, dass du ausflippst, wenn man sagt: "Menschen dürfen Globuli nehmen, wenn es ihnen damit gut geht?"


    Menschen dürfen auch an Engel glauben, wenn es ihnen damit gut geht. Aber Religionsfreiheit heißt doch nicht, dass sich die Schule vor einen kirchlichen Karren spannen lassen muss :ka:

  • Wenn es um Schulqualität geht, wird der Atheist gläubig und bietet bisweilen auch die Taufe an.

    Damit beschreibst du in einem Nachsatz sehr schön, woher die Zahlen kommen. Eine christliche Grundhaltung (was auch immer das sein mag) haben viel (ich behaupte: die meisten) überhaupt nicht. Taufen finden statt, weil die Eltern das so beschließen. Ist halt ne schöne Feier. Kirchlich heiraten ist auch netter als nur im Betonstandesamt von Bottrop. Danach wird sich um die Erziehung im christlichen Sinne wenig gekümmert. Ich persönlich halte von Zahlen, die von Kindern stammen, die zu mindestens 50% (von 10-14 Jahren am Gym) keine eigene Entscheidung über die Religion treffen können, recht wenig. Ein großer Teil der Christen ist auch erstaunlich unaufgeklärt über die Finanzierung der Kirchen und Mitglied, weil man damit doch etwas gutes tut.


    Meine Frau ist übrigens auch eine der 23 Millionen Evangelen. Warum? Naja, sie hat einen Job im sozialen Bereich. Die meisten Stellen (nicht ihre momentane) werden von Kirchen getragen und von der Allgemeinheit zum größten Teil finanziert. Eine Selektion nach Konfession findet dann natürlich trotzdem statt. Mal sehen, wie die Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs dazu umgesetzt werden.


    Religionsunterricht für die 86,4% Schüler anzubieten die einer Religionsgemeinschaft angehören oder gar keinen für die 13,6% ohne Konfession anzubieten. Das sieht mir ehrlich gesagt ein bisschen zu sehr nach Diktatur der Minderheit aus...

    Das Religion unterrichtet werden kann/darf/muss, finde ich persönlich nicht gut, aber im Sinne unseres Grundgesetzes ist es so vorgegeben. Der Artikel ist meiner Meinung nach auch nicht auslegungsbedürftig, da lässt sich nix mit modernem Wandel der Gesellschaft neu interpretieren. Damit ist das für mich ok - wer meine Diskussionen hier verfolgt weiß, dass mir Grundrechte und die Verfassung sehr wichtig sind. Es ändert aber nichts an meinen Ausführungen. Ethikunterricht für alle (das würde dann sogar die Trennung der Religionen in verschiedene Fächer aufheben - im Sinne von Verständigung und Meinungsaustausch ist das meiner Meinung nach mehr als wünschenswert). Religion (gerne kirchlich bezahlt - ob das verfassungsrechtlich geht, weiß ich nicht) als Schulfach, von mir aus auch mit Noten, so, dass es den regulären Unterrichtsbetrieb nicht einschränkt.


    Ich persönlich glaube übrigens, dass auf einmal sehr viele Leute Reli abwählen würden, wenn sie freitags 8/9 Stunde dort Unterricht hätten.

  • Was diese "Ehrfurch vor Gott" anbetrifft, so halte ich diese für gegenstandslos, so lange ncht klar ist, was man mit "Gott" meinen möchte. Derlei Floskeln sind schnell hingeschrieben. Sinn haben sie deshalb noch lange nicht.

    Die Auslegung eines Verfassungsgerichts, falls jemand wegen diesem "Gott" mal eine Disziplinarstrafe erhalten würde, fände ich auf jeden Fall spannend :-) Das fliegende Spagettimonster ist ja auch ein göttliches Wesen.

  • der Begriff "Ehrfurcht" scheint mir da der problematischere zu sein.....

    Sehr wohl.Also haben wir eine Floskel aus einem problematischen und einem gegenstandlosen Begriff. Und das ist nunmehr Teil des "vornehmsten Ziels der Erziehung". Erwarten die Autoren derlei Texte tatsächlich ernst genommen zu werden?

  • Ich persönlich glaube übrigens, dass auf einmal sehr viele Leute Reli abwählen würden, wenn sie freitags 8/9 Stunde dort Unterricht hätten.

    wie sie auch Deutsch, Mathe und jede Fremdsprache abwählen würden, wenn das ginge und zu der von dir genannten Zeit stattfindet. :pfeif:


    Wahrscheinlich jedes Fach ;)

  • Naja, sie hat einen Job im sozialen Bereich. Die meisten Stellen (nicht ihre momentane) werden von Kirchen getragen und von der Allgemeinheit zum größten Teil finanziert.

    ohne die Kirchen müsste der Staat die volle Finanzierung wuppen.

  • Ähm, die Kirche betreibt überwiegend soziale Projekte, die mit öffentlichen Geldern refinanziert werden.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Was macht jetzt mehr Sinn:


    Religionsunterricht für die 86,4% Schüler anzubieten die einer Religionsgemeinschaft angehören oder gar keinen für die 13,6% ohne Konfession anzubieten. Das sieht mir ehrlich gesagt ein bisschen zu sehr nach Diktatur der Minderheit aus...

    Hm. Unterrichtsfächer sollten vielleicht danach festgelegt werden, was sie inhaltlich zu bieten haben, nicht nach Bekenntnisproporz. Und außerdem, nach den Zahlen die du vorliegst gibt es an den nordrhein-westfälischen Gymansien keine Mehrheitsreligion. Auch nicht an anderen Schulen, auch nicht in anderen Bundesländern, nicht bundesweit und nicht weltweit.


    Es gibt immer mehr Nicht-Katholiken als Katholiken, mehr Nicht-Evangelen als Evangelen etc. Durch den Kunstgriff, dass man alles Glaubenden, wie widersprüchlich ihre Annahmen untereinander sein mögen, zusammenfasst, sind es dann mehr als die Konfessionslosen. Nö, überzeugt mich nicht.


    Und was wäre an einer Diktatur der Minderhet denn schlimmer als an einer der Mehrheit?

    Was die Ernsthaftigkeit der konfessionslosen Eltern angeht: In NRW haben 13,6% der Schüler an Gymnasien keine Konfession. An katholischen Ersatzschulen bei uns im Bistum (mehrheitlich Gymnasien, aber nicht nur) haben 14,2% der Schüler keine Konfession. Wenn es um Schulqualität geht, wird der Atheist gläubig

    Wohl kaum, dann wäre der konfessioneller Anteil an den katholischen Schulen. Die Nicht-Konfessionellen schicken wohl eher ihre Kinder auf diese Schulen und bleiben bei ihrer Glaubenslosigkeit. Warum diese Eltern es für eine gute Idee halten, ihre Kinder immer noch katholischen Einrichtungen anzuvertrauen, mag ich indes nicht nachzuvollziehen.


    Und warum der religiöse Bezug den Betreibern dieser Schulen so unwichtig ist, dass sie Hinz und Kunz und Atheisten bei sich aufnehmen, klären die wohl auch besser mit sich selbst.

  • ...ich finde es immer lustig, wenn solche Statistiken sämtliche "Feiertagschristen" mitrechnen, die eben "weil 'man' das macht" zu Weihnachten und Ostern in die Kirche rennen, sich ansonsten einen feuchten Schiss um den heiligen Bimbam scheren und deren Kids von Kommunion/Firmung bzw Konfirmation vor allem die Assoziation "Geschenke" kennen... das dürfte nämlich die überwältigende Mehrheit der "statistischen Christen" sein, einfach zu faul um auszutreten, oder alles zu egal...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Zu den konfessionell gebundenen Schulen kann ich nichts sagen, aber zumindest die Tatsache, dass Religion unterrichtet wird, ist damit rechtlich begründet, dass es das einzige Fach ist, das gemäß Grundgesetz verpflichtend zu unterrichten ist (Artikel 7, Absatz 3). Da kann eine Schule nicht mal eben sagen: "Nö, machen wir nicht.". Interessant fände ich aber, zu wissen, warum Berlin mit dem Hintergrund mal so eben den Religionsunterricht aussetzen kann. Gibt es dazu eine offizielle Begründung?


    Hat Berlin den Religionsunterricht ausgesetzt, @Lehramtsstudent ?


    Religionsunterricht ist doch einfach noch aus Zeiten übrig, in denen Religion einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft hatte / haben sollte. Ich finde es richtig, wenn das nun in "Werte-Unterrichten" aller Art aufgeht.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • ohne die Kirchen müsste der Staat die volle Finanzierung wuppen.

    Du möchtest dich gerne über Kirchenfinanzierung und die tatsächlichen Finanzierungsverhältnisse von staatzlich bezahlten Institutionen in kirchlicher Trägerschaft informieren, dann müsstest du auch nicht die immer wieder von Kirchenpologeten vorgebrachten, sachlich falschen Aussagen machen.


    Hier ist ein guter Anfang.


    Das Christentum ist ein Riesengeschäft mit fantastischen Gewinnmöglichkeiten - viele katholische Bistümer sind millardenschwere Konzerne! Das reichste Bistum ist übrigens Paderborn mit einem Vermögen von 4.2 Milliarden Euro...

  • Das Christentum ist ein Riesengeschäft mit fantastischen Gewinnmöglichkeiten - viele katholische Bistümer sind millardenschwere Konzerne!

    ...warum ist mir bei solchen Aussagen immer wieder nach des "Geyers schwarzer Haufen"...
    :teufel:

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  • Die Refinanzierung von Schulen ist in NRW denkbar einfach und für alle Schulen in freier Trägerschaft gleich, wer sich dafür interessiert kann sich das Ganze hier anschauen. Um es vereinfacht zu sagen: Das Land spart ca. 5% Personalkosten, die Kommunen sparen den gesamten Baukostenanteil und zwischen 10 und 15% der laufenden Kosten.


    Ich fände es lustig, wenn MIss Jones mal substanziiert diskutieren könnte und nicht nur Sachen "lustig" findet. Hast du bessere Zahlen oder bleibt es einfach beim "blabla"?


    Und @O. Meier: Wenn mich meine Lesefähigkeit nicht völlig trügt, dann geht es hier um Religionsunterricht an und für sich. Und dann ist es selbstverständlich sinnvoll alle religiösen Menschen zusammenzufassen. Vielleicht ergibt es für die ganzen "Was hat Religionsunterricht überhaupt in der öffentlichen Schule zu suchen?"-Diskutanten etwas mehr Sinn, wenn sie sich mal mit der Frage beschäftigen seit wann und warum in Deutschland Religionsunterricht in die öffentlichen Schulen integriert wurde und warum Priester ein Staatsexamen machen.

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  • Wenn mich meine Lesefähigkeit nicht völlig trügt, dann geht es hier um Religionsunterricht an und für sich.

    Aha. Was bedeutet hierbei denn "Religionsunterricht an und für sich"?

    Und dann ist es selbstverständlich sinnvoll alle religiösen Menschen zusammenzufassen.

    Passiert ja nicht. Religionsunterricht wird ja konfessionell getrennt erteilt.

    ielleicht ergibt es für die ganzen "Was hat Religionsunterricht überhaupt in der öffentlichen Schule zu suchen?"-Diskutanten etwas mehr Sinn, wenn sie sich mal mit der Frage beschäftigen seit wann und warum in Deutschland Religionsunterricht in die öffentlichen Schulen integriert wurde und warum Priester ein Staatsexamen machen.

    Keine Fragen, die mich sonderlich reizen. Aber wenn jemand die Antworten kennt und für wichtig hält, kann er sie ja mitteilen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

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