Wie kann Religion ein Schulfach sein, wieso sind so viele Schulen konfessionell ausgerichtet?

  • Als neigschmeckter Ossi finde ich es immer befremdlicher, dass es in den alten Bundesländern "evangelische" und "katholische" Schulen gibt. Wieso ist das so? Und wie kann Religion ein Schulfach sein? Nicht, dass ich Theologie nicht für eine Wissenschaft hielte, aber Religion als Fach geht mir nicht ein. Ich lese zum Beispiel im hessischen Lehrplan "Auferstehung Jesu" oder "Wissenschaftliche Entwicklungen mit gesellschaftspolitischer Dimension (Bioethik ... Ethos der Informationsgesellschaft Sexual- und Ehemoral". Ersteres hat mit Glauben zu tun und m.E. nichts in der Schule zu suchen und letzteres sind klassische Ethikfragen, wie soll ein Katholik die neutral beantworten?


    Oder geht Ethik gar nicht ohne traditionell religiöse Grundüberzeugungen? Interessiert mich ehrlich.

  • Zu den konfessionell gebundenen Schulen kann ich nichts sagen, aber zumindest die Tatsache, dass Religion unterrichtet wird, ist damit rechtlich begründet, dass es das einzige Fach ist, das gemäß Grundgesetz verpflichtend zu unterrichten ist (Artikel 7, Absatz 3). Da kann eine Schule nicht mal eben sagen: "Nö, machen wir nicht.". Interessant fände ich aber, zu wissen, warum Berlin mit dem Hintergrund mal so eben den Religionsunterricht aussetzen kann. Gibt es dazu eine offizielle Begründung?

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  • @Lehramtsstudent stimmt! hatte ich vergessen. In Bayern z.B. ist im Schulgesetz (!) die Ehrfurcht vor Gott oberstes Bildungsziel, das will mir hier keiner glauben...

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • Ich denke, ein ganz großes Problem des "Faches" Religion ist dessen eigentliche Definition. In den meisten Fällen wird nämlich nicht "Religion" (a la informative "Wissenschaft"), sondern "Christentum", im schlimmsten Fall "monotheistisches Dummgelaber" unterrichtet. Ich denke mit Schaudern an die meisten Religionsstunden zurück (es gab auch gute - aber die Mehrzahl war furchtbar), und war froh, als ich diesen weltfremden Unsinn nicht mehr machen musste und endlich Philosophie wählen konnte.


    Allerdings fände ich einen "informativen" Religionsunterricht, der zB mal aufdröselt, was es alles gibt (und ich meine wirklich alles, nicht nur den zugereisten Monotheistenblödsinn), und quasi neutral vorstellt, keines davon als "gültig" oder "richtig", durchaus vergleichend, aber eben alle SuS die Schlüsse daraus ziehen lassen die ihnen zusagen.
    Ich habe mich als Teenie selber informiert - was auch der Hauptgrund war, aus dem "Verein" schnellstmöglich auszutreten, da ich einen chauvinistischen, genoziden und latent pädophilen Apparat nicht auch noch finanziell unterstützen wollte. Entschuldigt diese Ausdrücke, aber so sehe ich die katholische Kirche nun mal... und viele kümmern sich absolut nicht drum und nicken nur ab... ob das so viel sinniger ist?
    Wobei - "Kirche" ist ja nicht gleich "Religion". Vielleicht wäre das ein guter Ausgangspunkt für "Religionsunterricht".


    A propos "Bayern" - wenn einer von denen mir mit "Grüß Gott" kommt, ist meine Standardantwort "darfs ein bestimmter sein?"

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Man kann in Bayern auch Ethik wählen, statt Religion. Nur wird das bei uns sehr stiefmütterlich behandelt, man kann es nicht mal als ordentliches Fach studieren, sondern nur damit erweitern. Solche Kombinationen wie z.B. Englisch/Ethik gehen daher bei uns nicht, aber Englisch/Religion natürlich, und wieso? CSU oder so.

  • So liebe KollegInnen,
    jetzt habt Ihr immer wieder behauptet das Grundgesetz schreibe den Religionsunterricht vor. Ein Blick ins Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfindung. Und siehe da hier steht .... mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen. Welche Schulform im Land eingeführt wird ist lt. Bundesverfassungsgericht die demokratische Mehrheitsentscheidung der gewählten Landesregierung. Es wäre also möglich, öffentliche Schulen generell zu bekenntnisfreien Schulen zu erklären und schon wäre Religion kein ordentliches Schulfach mehr. Insofern bleibt sie legitim, die Vorstellung einer religionsfreien Schule.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • MilaB: Interessant. Ich nehme mal an, dass die Schülerschaft das konfessionell nicht so hergibt bei euch... Wenn die Eltern darauf bestehen würden, müsste die Schule aber Religionsunterricht (notfalls jahrgangsübergreifend) anbieten, oder?

  • Pass bloß auf, Krabappel, gleich kommt Valerianus um die Ecke, schreibt von Reichskonkordat und Grundgesetz und ermahnt dich mit genervtem Augenrollen, dass du das Gesetz, auf das du vereidigt wurdest, doch gefälligst mal lesen sollst. In deiner Haut möchte ich dann nicht stecken...

  • Ehrfurcht vor Gott oberstes Bildungsziel

    Ich nehme das sehr ernst. In meinem Unterricht ist "Ehrfurcht vor (dem) Gott (des/der anderen)" ein hehres Bildungsziel. Und Religionsfreiheit, auch im Sinne der Freiheit von Religion.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Es gibt einen Unterschied zwischen einer Frage die einen Wunsch nach Information offenbart und einer Haltung die gegen das Grundgesetz verstößt @WillG ;)


    @Krabappel: Das Recht auf freie Schulträgerschaft (das entsprechend auch von Religionsgemeinschaften genutzt werden kann) ist durch Artikel 7 Absatz 4 Grundgesetz gewährleistet und ist eine direkte Folge des Nationalsozialismus und seiner schulischen Indoktrination. Sieht man auch am Sonderungsverbot (also dem Verbot die Schüler nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten an der Privatschule auszuwählen. Das nehmen die konfessionellen Träger übrigens sehr viel ernster als bestimmte private...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • So liebe KollegInnen,
    jetzt habt Ihr immer wieder behauptet das Grundgesetz schreibe den Religionsunterricht vor.


    Nö, habe ich zumindest nicht. Vorsicht mit der sprachlichen Präzision, bitte!


    Zitat

    Ein Blick ins Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfindung.


    Eben. Die Frage war "Wie kann Religion ein Schulfach sein?" Nota bene, die Frage war NICHT "Warum muss überall an Schulen Religionsunterricht stattfinden?" Das sind zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte.


    Dass Religion ein Schulfach sein kann, finde ich zwar auch falsch, aber es wird nuneinmal im Artikel 7 GG festgesetzt, dass Religion ggf. ein ordentliches Schulfach ist!


    P.S. Der rhetorische Fehler (bzw. die logical fallacy), die du begangen hast, nennt man auf Englisch sehr treffend "Moving the Goalposts".

  • P.S.: Bremen und Berlin müssen aufgrund von Artikel 141 keinen Religionsunterricht anbieten. Die Forderung von chemikus widerspricht übrigens Artikel 7, Absatz 2. Ja, Gesetze lesen hilft. ;)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Moin!


    Ich unterrichte Religion und finde einen freiwilligen, aufklärenden Religionsunterricht auch wichtig. Konfessionell müsste er nicht sein. Es ist eine Art Geschichtsunterricht (Wie sind Religionen überhaupt entstanden? Welchen Einfluss haben sie auf unser heutiges Leben? Was geschah schon alles im Namen der Religion?) und Deutschunterricht (Interpretation von metaphorischen Bibeltexten). Natürlich wird jedes Jahr eine Weltreligion ausführlich durchgenommen und wir gehen auch auf Esoterik und Sekten ein. Klar könnte das alles auch im Etikunterricht behandelt werden, allerdings würde dort bestimmt nicht regelmäßig mit der Bibel gearbeitet werden. Dieses Werk sollte man jedoch schon kennen und verstehen, einordnen können. Kann man ja auch als riesiges, historisches Märchenbuch ansehen... Ganz wichtig ist jedoch, dass es hier nicht um irgendeine Form von Missionierung geht. Die Gläubigkeit der Schüler ist ebenfalls irrelevant.
    Bei uns im Ort gibt es übrigens nur noch katholische Grundschulen... finde ich ganz furchtbar.
    Kleine Anekdote noch zum Schluss: Ich nahm mit meinen Schülern das Thema "Engel" durch. Für mich bedeutet das: Eigenes Bild eines Engels besprechen; Textanalyse: Wo tauchen in der Bibel Engel auf, wie werden sie dargestellt?; Engelsdarstellungen in der Kunst; metaphorischer Übertrag auf das eigene Leben: Wer war für dich bereits ein Engel? Warst du schon mal ein Engel für jemanden?
    Sie hatten eine Stunde Vertretung bei einer Kollegin, die dann tatsächlich erzählt hat, Engel gibt es wirklich und sie hätte bereits einen Engel gesehen. Die Kids waren sprachlos und halten sie nun für irre. (Reli)lehrer sind manchmal echt komisch... :gruss:

  • Mal vom 3. Schuljahr abgesehen, wo der Reli Lehrer der örtliche Pfarrer war, habe ich sonst eine Erinnerung an einen sehr wissenschaftlichen, keinesfalls missionierenden Unterricht in dem Fach. Ganz besonders in der Oberstufe galt dies. Es wurde natürlich mit der Bibel gearbeitet, aber nie im Sinne davon, die Märchen wörtlich zu nehmen, im Gegenteil. Ich war als Kind eher erstaunt wie kritisch die Relilehrer die Inhalte sehen.


    Außerdem kamen immer auch andere Religionen zur Sprache und es gab viele allgemeine Themen, die man auch in Ethik/ Philosophie behandeln würde.


    So gesehen verstehe ich auch die Trennung überhaupt nicht, denn so lange der Unterricht den missionierenden Charakter nicht hat, kann ihn auch jeder besuchen.

  • ...


    Außerdem kamen immer auch andere Religionen zur Sprache und es gab viele allgemeine Themen, die man auch in Ethik/ Philosophie behandeln würde.


    So gesehen verstehe ich auch die Trennung überhaupt nicht, denn so lange der Unterricht den missionierenden Charakter nicht hat, kann ihn auch jeder besuchen...

    So war das bei uns auch, aber das meinte ich nicht. Es ging mir nicht darum, was einzelne Relilehrer daraus machen, sondern was sie lt. Lehrplan daraus machen dürfen.


    M.E. sind ethische Fragen im Ethikunterricht am besten aufgehoben und nicht konfessionell beleuchtet in Reli.



    ...
    Sie hatten eine Stunde Vertretung bei einer Kollegin, die dann tatsächlich erzählt hat, Engel gibt es wirklich und sie hätte bereits einen Engel gesehen. Die Kids waren sprachlos und halten sie nun für irre. (Reli)lehrer sind manchmal echt komisch... :gruss:

    Diese aufgeklärten Kids waren sprachlos. Aber gilt die Frau generell als "irre" (würde sie dies in Deutsch verkünden, würde man sich vermutlich wundern). Oder darf die Kollegin im Religionsunterricht von Engelbegegnungen als einer Tatsache erzählen? Und dann vielleicht auch, was ihr der Teufel geraten hat oder dass alle in die Hölle kommen, die gesündigt haben?

  • Valeranus begründe. Für bekenntnisfreien Schulen gilt das nicht. Zusammen mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass es erlaubt ausschließlich Bekenntnis freie Schulen einzurichten, kann ich Deine Behauptung nicht nachvollziehen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Valeranus, etwas expliziter gibt es eine rechtliche Bewertung im nachfolgenden
    Artikel
    Auch wenn bislang in unserer religionspolitischen Landschaft nicht üblich, wird hier ein gangbare Weg gewiesen, wie bei entsprechendem politischen Willen, öffentliche Schulen ohne Religionsunterricht trotz Grundgesetz möglich sind. Nichts anderes habe ich behauptet und genau dies müsstest durch einen substantiierten Beitrag wiederlegen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

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