Unterrichtsstörungen

  • Magst du Einzelheiten nennen, @Buntflieger, welche gut gemeinten Ratschläge und Vorgaben nicht halfen und was du stattdessen tatest, als du es abstelltest?


    (Es interessiert mich einfach, es ist keine "Fangfrage", ich weiß, dass ich mich selbst oft mit Einzelheiten zurückhalte.)


    Hallo Kippelfritze,


    ich hatte es ja schon angedeutet: Gelbe und rote Karten verteilen, SuS namentlich an die Tafel schreiben und bei mehrmaliger Störung Strafarbeiten verteilen, SuS in die Auszeit schicken etc.


    Das, was ich mache, wird meistens nicht als Konsequenz wahrgenommen: Ich gehe auf die Störer zu, beziehe sie TROTZ Störverhaltens aktiv in den Unterricht ein, hole sie zu mir nach vorne (wenn es ganz schlimm kommt) und wende meine Aufmerksamkeit verstärkt denen zu, die diese durch Störverhalten im negativen Sinne gewinnen wollen. So begreifen sie - aber das dauert einige Zeit -, dass sie nicht stören müssen, um wahrgenommen zu werden.


    Ich will jetzt nicht prahlen, aber einige der schwierigsten SuS der Schule sind inzwischen Fans von mir. Man kann nicht alle erreichen, das ist klar, einige sind zu sehr belastet und blockieren total. Das muss man dann auch akzeptieren - leider. Aber in der Regel ist Störverhalten ein Zeichen für mangelndes Vertrauen und/oder nicht ausreichend kontrollierte Gruppenprozesse. Dann sehe ich es als meinen Job an, ein Leader zu sein und den Gruppendruck zu kanalisieren.


    Im Grunde muss man es schaffen, dass man jederzeit in der Lage wäre, extremes Mobbing auszulösen: "Wenn Schüler XY in drei Sekunden die richtige Antwort nicht weiß, lacht die ganze Klasse über ihn!" Man muss sich klar machen, dass wir in Gruppen immer Rudelverhalten zeigen und extrem manipulierbar sind. Diese Dynamiken muss man im positiven Sinne nutzen und die ungesteuerte, oftmals destruktive Dynamik kanalisieren bzw. eben nutzbar machen, umlenken. Ich kann es nicht anders ausdrücken, ich hoffe ihr versteht, was ich meine...


    der Buntflieger

  • @ Buntflieger
    Deinen Ansatz, dich mit extremen Stören im positiven Sinn zu beschäftigen, finde ich gut. Dadurch schaffst du eine Basis, auf der du mit dem Schüler arbeiten kannst. Für mich käme da allerdings auch noch die lösungsorientierte Reflexion des Verhaltens in Einzelgesprächen dazu.

  • Im Grunde muss man es schaffen, dass man jederzeit in der Lage wäre, extremes Mobbing auszulösen:



    ...
    Ich kann es nicht anders ausdrücken, ich hoffe ihr versteht, was ich meine...

    Nein, ehrlich gesagt nicht. Klar, wenn du eine Klasse im Griff hast, könntest du theoretisch auch dafür sorgen, dass Kinder ausgeschlossen werden. Das klingt aber ziemlich sadistisch, mit diesem Gedanken zu spielen.


    ... Man muss sich klar machen, dass wir in Gruppen immer Rudelverhalten zeigen und extrem manipulierbar sind. Diese Dynamiken muss man im positiven Sinne nutzen und die ungesteuerte, oftmals destruktive Dynamik kanalisieren bzw. eben nutzbar machen, umlenken.


    Ich finde nicht, dass das höchste Erziehungsziel die Manipulation sein sollte. Wir sind Individuen, auch in Gruppen.

  • ...wenn ich in einer klasse massives mobbing auslösen könnte, dann hätte ich massiv was falsch gemacht. die kinder sollen am vorbild und erziehungsmaßnahmen und beziehunsarbeit etc. lernen, wie man sich anständig verhält, nicht, wie man zum a************* wird. was ist das überhaupt für eine idee? erziehungsziel sind mündige individuen, keine teile eines manipulierbaren mobs.

  • Hallo Dafina,


    in deinem zweiten Beitrag stellst du fest, dass es besonders bei Unterrichtsgesprächen zu Störungen kommt.
    Ich finde das nicht ungewöhnlich, auch für Profis sind Unterrichtsgespräche eine schwierige Sache, da Multitasking im
    besonderen Maße gefragt ist.


    Viele brauchen Jahre, um das zu lernen. Eine laute Klasse ist nicht der Ort dazu.


    Insofern: Reduziere Unterrichtsgespräche. Massiv.
    Wähle andere Formen der Ergebnissicherung: Präsentation von Gruppen/Schüler, ein vorne liegendes ERgebnisblatt zum Ableich, think pair share, ...
    Führe immer wiederkehrende Methoden ein und lege das Lärmlevel fest.
    Sag den Schülern immer vorher, was du verlangst:
    "Wir lesen den Text, dabei ist es hier mucksmäuschenstill. Wer quatscht, schreibt bis morgen den ganzen Text ab/fliegt raus,"
    " Das macht ihr in Einzelarbeit, dabei ist es hier still. Ganz still".
    "Hier ist Partnerarbeit gefordert, das ganze in Zimmerlautstärke".


    Wenn es festgelegte stille Phasen gibt, ist es auch in Ordnung, wenn es bei GA etwas lauter wird, das akzeptiere ich dann.
    Gewöhn dir an, genau zu sagen, was du willst, vorher. Am besten spreche gleich eine passende Konsequenz aus.
    Das kann man auch an die Tafel schreiben - "Stillarbeit", und dann schweigend darauf hinweisen, wenn getuschel aufkommt. Rede weniger . Arbeite mehr mit Zeichen, Körpersprache und Mimik. Das kann man lernen.
    Bitte nicht zu viel Methodenvielfalt - zwei oder drei pro Einheit reichen. Die kann man auch auf einer Metaebene thematisieren. Strukturiere deinen Unterricht sichtbar - Tafel, Folie, Kamera. Und bitte immer das gewünschte Verhalten dazu.


    Eine Klasse kann auch zu laut werden, wenn sie unter- oder überfordert ist.
    Also keine Babyaufgaben, baue das Niveau auf und fordere sie.


    Auch sanfte Menschen können gute Lehrer sein!

  • Ich habe noch eine Idee für dich:


    Ich habe mir vor einigen Wochen mal eine App auf mein Handy gezogen, die Dezibel misst*. Wie exakt die Zahlen sind, kann ich nicht beurteilen, mich hatte einfach mal ein ungefährer Wert interessiert. Die Ergebnisse fand ich wirklich spannend, insbesondere weil sich eine klare Korrelation zwischen der jeweiligen Lautstärke und meiner Wahrnehmung, in welchen Klassen (eigentlich: welcher Klasse) ich das Unterrichten besonders anstrengend finde zeigte. Auch zeigte sich, in welcher Sozialform sie besonders laut sind (nämlich: Gruppenarbeitsphasen) und wo sie "nur" lauter als meine anderen Klassen sind.
    Es hat meine Wahrnehmung einfach etwas objektiviert und ich habe daraufhin für mich den Schluss gezogen, dort erstmal keine Gruppenarbeiten mehr durchzuführen, bzw. wenn dann wirklich die App anzuschalten und ab einem selbst gezogenen Grenzwert klipp und klar die Arbeitsphase abzubrechen.


    Vllt. könnte dir so eine objektive Anzeige auch helfen, im Blick zu behalten, wann Klassen zu laut sind. Ich habe meinen Klassen nicht verraten, dass ich gerade die Lautstärke messe, aber eventuell wäre es sogar für die Klasse eine Herausforderung, nicht über Wert xyz zu kommen (ggf. gekoppelt mit einer Belohnung: weniger HA bei Einhalten des Grenzwerts oder so).


    Natürlich ist das nun keine Lösung für dich, aber vielleicht ja nochmal ein Denkanstoß aus einer anderen als den bislang genannten Richtungen :)


    * und, für mich als Laien wichtig: Die Zahlen dann mit Inhalten verknüpft - 20db entsprechen z.B. "leaves fall", 40db "quiet library", 70db "busy street", 90db "factory" etc.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • @ Buntflieger
    Deinen Ansatz, dich mit extremen Stören im positiven Sinn zu beschäftigen, finde ich gut. Dadurch schaffst du eine Basis, auf der du mit dem Schüler arbeiten kannst. Für mich käme da allerdings auch noch die lösungsorientierte Reflexion des Verhaltens in Einzelgesprächen dazu.


    Hallo Caro07,


    das mache ich natürlich auch. Ich spreche SuS so oft es geht und situativ passend ist, nebenher an. SuS, die wiederholt stören, rufe ich nach dem Unterricht zu mir und kündige das schon während der Stunde - also so, dass es alle mitbekommen - an. Dann lass ich die/den Schüler ihr Verhalten reflektieren und Lösungsvorschläge unterbreiten. Außerdem teile ich ihnen meine Wahrnehmung mit und meine Motivation. Vielen ist gar nicht klar, dass ich mich dafür interessiere, was mit ihnen passiert und ob bzw. wie sie schulisch klarkommen. Manche sehen Lehrer als Feinde an, die nur das Ziel verfolgen, schlechte Noten zu verteilen. Wenn man es schafft, diese Idee in Frage zu stellen, ist das immerhin ein Anfang. So sehe ich das jedenfalls.


    der Buntflieger

  • Nein, ehrlich gesagt nicht. Klar, wenn du eine Klasse im Griff hast, könntest du theoretisch auch dafür sorgen, dass Kinder ausgeschlossen werden. Das klingt aber ziemlich sadistisch, mit diesem Gedanken zu spielen.

    Ich finde nicht, dass das höchste Erziehungsziel die Manipulation sein sollte. Wir sind Individuen, auch in Gruppen.


    Hallo Krabappel,


    du verdrehst mir ja auch die Worte im Munde.
    Ich wollte nur sagen, dass man sich dessen stets bewusst sein muss, dass man als Lehrperson, die ihre Klasse "im Griff" hat, auch jederzeit einzelne SuS vorführen, beschämen und sonstwie manipulativ vorgehen kann. Besser ist es allemal, wenn man sich das vor Augen hält und nicht unbewusst praktiziert. Dass man darüber deiner Ansicht nach besser gar nicht spricht, halte ich für falsch; ich finde, das Thema sollte offen kommuniziert werden und nicht Leuten, die es offen ansprechen, liederliche Absichten unterstellt werden.


    der Buntflieger

  • ...wenn ich in einer klasse massives mobbing auslösen könnte, dann hätte ich massiv was falsch gemacht. die kinder sollen am vorbild und erziehungsmaßnahmen und beziehunsarbeit etc. lernen, wie man sich anständig verhält, nicht, wie man zum a************* wird. was ist das überhaupt für eine idee? erziehungsziel sind mündige individuen, keine teile eines manipulierbaren mobs.


    Hallo keckks,


    hier gilt dasselbe, wie ich Krabappel schon antwortete: Es ist nicht mein Ziel, Mobbing zu fördern, sondern es im Vorfeld zu unterbinden, indem ich positiv auf die Gruppenprozesse einwirke.


    Ist das so schwer zu verstehen? :ohh:


    der Buntflieger


  • Ohne den letzten Absatz, den ich deswegen gestrichen habe (muss ich erstmal nochmal drüber nachdenken), gefällt mir, was du schreibst, @Buntflieger, und ich erkenne vieles wieder, was ich mache und wie ich es erlebe. Fühle dich also bestätigt.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    Einmal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • ... Manche sehen Lehrer als Feinde an, die nur das Ziel verfolgen, schlechte Noten zu verteilen. Wenn man es schafft, diese Idee in Frage zu stellen, ist das immerhin ein Anfang. So sehe ich das jedenfalls.


    der Buntflieger


    Ich sage meinen immer, ein Lehrer habe kein Interesse, schlechte Noten zu vergeben, er vergibt viel lieber gute Noten und kann dann stolz im Lehrerzimmer erzählen, wie gut und wie viel die Klasse bei ihm gelernt habe. Dann gucken sie immer. :)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.


  • Ich will jetzt nicht prahlen, aber einige der schwierigsten SuS der Schule sind inzwischen Fans von mir.

    Hm, du willst prahlen und ich finde es überaus niedlich das du versuchst das zu verbergen.
    Es geht auch nicht darum, dass Schüler deine Fans sind. Wenn es dir um Beliebtheit geht und wie viele Fans du hast, wären andere Jobs besser für dich.


    Unser Job ist es, unsere Fächer zu lehren und, mal mehr mal weniger, gesellschaftlich konforme, kritisch denkende, Mensch zu erziehen.
    Du hingegen hast dich schon mal damit beschäftigt, das es dir ja ein leichtes wäre einen schwächeren Menschen in seiner Peergroup auszugrenzen weil du so toll bist.
    Der Grundgedanke dahinter ist teilweise in die richtige Richtung aber andererseits auchvnicht wirklich zu Ende gedacht. Warum?

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • Im Grunde muss man es schaffen, dass man jederzeit in der Lage wäre, extremes Mobbing auszulösen: "Wenn Schüler XY in drei Sekunden die richtige Antwort nicht weiß, lacht die ganze Klasse über ihn!"

    Ich hab jetzt lange überlegt, ob ich dazu noch was schreiben soll, denn vermutlich nützt es sowieso überhaupt nichts. Ich finde das Geschriebene aber derartig blöd, dass ich eben doch was drauf antworte.


    Wenn man seine Sache richtig gemacht hat, dann wäre das der Moment, in dem mind. 10 SuS der Klasse aufstehen und den Lehrer fragen, ob er eigentlich noch ganz sauber tickt. Dann könnte man sich als Lehrer auf die Schulter klopfen, dass man den Jugendlichen wohl sowas wie "Anstand" beigebracht hat.



    Ich will jetzt nicht prahlen, aber einige der schwierigsten SuS der Schule sind inzwischen Fans von mir.

    Ja, "Fans" habe ich auch ein paar und ehrlich gesagt ist mir nicht wohl dabei. Gerade schwierigen Schülern ist nicht damit geholfen, sie emotional an sich zu binden. Die sollen Selbstvertrauen entwickeln und ihren eigenen Weg finden, für den sie uns am Ende nicht mehr brauchen.


    Zum eigentlichen Thema ist schon in den ersten Beiträgen alles Wichtige geschrieben worden. Da könnte ich jetzt nur noch plagiieren und/oder wiederholen.

  • Ich bin über den Mobbing-Absatz auch gestolpert und er ging mir nicht aus dem Kopf. Wollte so ähnlich antworten wie Wollsocken, aber da steht es ja schon ;) Ein pures Like war mir aber zu wenig, um diesen Ansatz zu unterstützen.
    Ich bin mir sicher, dass man sich mit so einem Kommentar in den meisten Klassen selbst ins Abseits stellen würde, weil die Schüler sich gegenseitig schützen würden. Was gut und richtig ist!


    Fans sind mir übrigens egal. Ich meine, gerade die Grundschüler sind schon emotional eng an die Lehrperson gebunden, aber das macht mich nicht stolz und ich brauche das auch nicht für mein Wohlbefinden, denn mein Job ist es, ihnen etwas zu lernen. Wenn sie mich nett finden - schön, aber das ist wie gesagt nicht mein Ziel, mit dem ich vormittags reingehe.

  • Ich bin über den Mobbing-Absatz auch gestolpert und er ging mir nicht aus dem Kopf. Wollte so ähnlich antworten wie Wollsocken, aber da steht es ja schon ;) Ein pures Like war mir aber zu wenig, um diesen Ansatz zu unterstützen.
    Ich bin mir sicher, dass man sich mit so einem Kommentar in den meisten Klassen selbst ins Abseits stellen würde, weil die Schüler sich gegenseitig schützen würden. Was gut und richtig ist!


    Fans sind mir übrigens egal. Ich meine, gerade die Grundschüler sind schon emotional eng an die Lehrperson gebunden, aber das macht mich nicht stolz und ich brauche das auch nicht für mein Wohlbefinden, denn mein Job ist es, ihnen etwas zu lernen. Wenn sie mich nett finden - schön, aber das ist wie gesagt nicht mein Ziel, mit dem ich vormittags reingehe.


    Hallo Kathie,


    ich kann mich nur wiederholen: Ich würde das niemals tun (ich habe es aber mal als Beispiel für Gruppenprozesse praktiziert und das hinterher auch ganz klar thematisiert und reflektiert mit den SuS), sondern ich bin mir dessen bewusst, dass man als Lehrender die zentrale Verantwortung dafür trägt, dass eben KEIN Mobbing stattfindet.


    Man will mich einfach nicht verstehen.


    der Buntflieger


  • Ich versuche dich zu verstehen, @Buntflieger. Ggf. korrigiere mich halt.


    Ich denke, Buntflieger meint, dass der Lehrer in einer Klasse nicht nur "Lernhelfer / Lernbegleiter" sein soll, der zu allen Schülern ein "kameradschaftliches, demokratisches Verhältnis" hat, sondern eine "Führungspersönlichkeit", die organisiert, strukturiert, entscheidet, bestimmt, lenkt, lobt, tadelt, belohnt und bestraft. Der "Bestimmer" eben, um mal im "Kindersprech" zu bleiben. Das ist eine Art von Autorität, die bei "modern ausgebildeten Lehrern" nicht angesagt ist, glaube ich, aber die durchaus noch vorhanden ist und auch bei etlichen Eltern ankommt und von gar nicht so wenigen Schülern geradezu erwartet wird. Die erwarten vom Lehrer, gerade die Vernünftigen und Lernwilligen, dass der in der Lage ist, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Und nett sein kann man trotzdem!


    ("Kindersprech" über eine Lehrerin, bei der Lärm und Chaos herrschten: "Die hat's nicht drauf!")


    Habe ich dich da richig verstanden, Buntflieger?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

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