OBAS - desillusioniert, was tun?

  • Vielen Dank an alle, die mir Rückmeldung gegeben haben.
    Ich weiß das Feedback wirklich zu schätzen und habe alle Beiträge verfolgt.
    Bitte entschuldigt, dass ich mich nicht eher zurückgemeldet habe. Leider bin ich in ein relativ tiefes Loch gefallen und weiß bis jetzt noch nicht wirklich, wie ich dort am besten wieder herauskomme. Ich bin sehr unglücklich mit meiner Situation und habe Angst, dass ich die Liebe zum Lehrerberuf vielleicht verlieren könnte, wenn ich meine Situation nicht verändere. Dabei bin ich mir trotz allem nach wie vor sicher, dass dieser Beruf meinen Traumberuf darstellt.


    Der Großteil der SuS legt ein Sozialverhalten an den Tag, welches weit entfernt ist von allem, was mir bislang begegnet ist. Meine Arbeit fühlt sich an, wie die einer Sozialarbeiterin und/oder Sonderpädagogin. Ich respektiere und schätze jeden einzelnen meiner SuS und ich gebe keinem der Kinder die Schuld dafür, dass sie so sind wie sind, aber die Arbeit mit Ihnen macht mich einfach unglücklich. Zunächst dachte ich, dass es normal sei, wie es bei uns zugeht und dass all meine Sorgen typische Anfängerprobleme seien. Nachdem ich mich nun endlich getraut habe, mich gegenüber Freundinnen, welche selbst Referendarinnen oder bereits fertige Lehrerinnen (hauptsächlich an Gymnasien oder Grundschulen) sind, zu öffnen, wird mir bewusst: es geht wohl auch anders. Als sie mir beispielsweise ihre "heftigsten" Disziplinprobleme schilderten, blieb mir nur ein müdes Lächeln. Ihre Schilderungen klangen für mich wie das Paradies. Ordnungsmaßnahmen, Gespräche mit dem Jugendamt, Klassenkonferenzen, Missbilligungen, Ausschluss vom Unterricht für mehrere Tage oder Wochen sind bei uns an der Tagesordnung.


    Hinzu kommt, dass ich mit meinem, zweiten Fach (Biologie) nicht ganz glücklich bin. Da ich für OBAS zwei Fächer brauchte und es neben Chemie (mein erstes Fach, für das ich absolut brenne) für meine zweite Leidenschaft, die Mathematik, hinsichtlich der CPs leider nicht gereicht hätte, kam Biologie auf den Plan. Versteht mich nicht falsch, Bio ist schon "ganz in Ordnung" für mich, allerdings nicht mehr und nicht weniger.


    Nun spiele ich ernsthaft mit dem Gedanken noch einmal zu studieren und zwar Mathematik und Chemie auf Lehramt. In Chemie müsste ich (laut Studienberatung) vermutlich "nur" die Fachdidaktik nachholen, in Mathe alllerdings von der Pike auf alles (bis auf eventuell 1-2 Scheine).
    Ein Studium würde natürlich finanzielle Einbußen bedeuten, da ich jedoch in meinem ursprünglichen Beruf sehr flexibel in Teilzeit und mit einem guten Stundenlohn jobben könnte, wäre die Finanzierung auf jeden Fall machbar.


    Mein Herz geht in Richtung Studium, natürlich auch mit der Hoffnung mit Mathe meine Chancen auf eine Stelle an einem Gymnasium zu erhöhen, jedoch ist mir auch bewusst, dass dieser Weg ein hartes Stück Arbeit bedeuten würde und ich immerhin fast 30 bin, was die Entscheidung nicht gerade leichter macht.


    Ich denke 24 Stunden täglich an nichts anderes mehr als daran, wie es nun weitergehen soll. Immer wenn ich glaube mich entschieden zu haben, reißt mich irgendein Gedankenspiel wieder rein. Es ist zum Verrücktwerden.


    Gibt es hier vielleicht jemanden, der bereits in einer ähnlichen Situation steckte und sich so spät noch einmal zum Studium entschlossen hat? Wie ist es euch ergangen? Ich bin einfach so verunsichert und traue meinem eigenen Bauchgefühl nicht mehr.


    @MilaB auch wenn deine Frage bereits etwas zurückliegt: die Kinder, die bei uns kurzbeschult werden, haben alle den diagnostizierten Förderschwerpunkt „Emotionale und soziale Entwicklung“. Nur deshalb darf die Schule wohl selbstständig über eine Kurzbeschulung entscheiden.

  • Ich denke, mit dir und Hauptschule, das wird eher nix. Vielleicht ist auch die Berufsschule was? oder überhaupt kein Lehrerdasein? Ich könnte mir nämlich vorstellen, dass Mathe und Gymnasium dich auch nicht lang begeistern, sondern du vor allem gerade auf der Suche bist und irgendwas anders haben willst. Das Alter ist sicher kein Problem, wenn Mathestudium dein Traum sein sollte.


    Was spricht eigentlich gegen deinen alten Job?


    Weißt du, was du jetzt machst? Suche das nächste Buddhistische Zentrum auf und fang an zu meditieren. Das meine ich ganz ernst: Komm erst mal zur Ruhe, dann kommt der Plan von alleine.

  • Vielen Dank für deine Antwort, Krabappel.
    Du wirst vielleicht schmunzeln, aber ich war bereits in einem buddhistischen Zentrum und ich meditiere regelmäßig.
    Dies brachte mir zwar die Erkenntnis, dass ich nicht meine Gedanken und Gefühle bin und stärkt meine Fähigkeit im reinen Beobachten und Loslassen, brachte bislang aber leider noch nicht den "Geistesblitz" im Sinne einer Lösung mit sich.


    Das Problem in meinem alten Beruf ist die fehlende Sinnhaftigkeit. Ich will etwas für die Gesellschaft und die Menschen tun, jedoch etwas, dass auch mich gewissermaßen erfüllt. Dieses Empfinden ist natürlich absolut subjektiv.


    Warum vermutest du, dass mich "Mathe und Gymnasium [...] auch nicht lang begeistert?".
    Bist du an einem Gymnasium tätig? Bitte denke nicht, dass ich 30 erwartungsvoll glänzende und hochmotivierte paar Augen erwarte, die mich anschmachten, sobald der Unterricht beginnt... dass ich die auch an einem Gymnasium nicht finden werde ist mir bewusst. :)

  • Das Problem in meinem alten Beruf ist die fehlende Sinnhaftigkeit. Ich will etwas für die Gesellschaft und die Menschen tun, jedoch etwas, dass auch mich gewissermaßen erfüllt. Dieses Empfinden ist natürlich absolut subjektiv.

    Pass´ auf, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht. Kenne viele Leute, nicht nur Lehrer, die das auch wollten und jetzt einen burnout haben, weil sie von der Gesellschaft, für die sie so viel Gutes tun, nichts zurückbekommen.

  • Besteht das Risiko denn nicht immer? Ich halte mich nicht für eine realitätsferne Träumerin mit dem Wunsch die Welt zu verbessern und der "Sinn", den ich Suche, ist nicht der Dank der Schüler. Dass Lehrer sehr wenig direkte Wertschätzung erfahren, ist mir klar.


    Weshalb habt ihr denn ursprünglich mal diesen Beruf gewählt? Doch hoffentlich nicht nur aufgrund des Beamtenstatus und der flexiblen Zeiteinteilung. Ich bin der Meinung, dass gerade im Lehrberuf viel mehr Berufung als reiner Beruf im Spiel ist (bzw. sein sollte). Die Vielseitigkeit und die Herausforderung reizen mich. Allerdings sollten Intellekt und soziale Normen zumindest nicht vollständig auf der Strecke bleiben.

  • Lehrer zu sein ist ein Beruf, den man gerne ergreifen kann, wenn man sich dafür interessiert und es zu einem passt


    Ansonsten ist doch die Kombi Mathematik/Chemie ganz interessant und sicherlich sehr aussichtsreich, es würde sich aufjedenfall für dich lohnen und das Alter ist in diesem Beruf egal :)

  • Weshalb habt ihr denn ursprünglich mal diesen Beruf gewählt? ... Ich bin der Meinung, dass gerade im Lehrberuf viel mehr Berufung als reiner Beruf im Spiel ist (bzw. sein sollte).

    Es ist und sollte(!) ein Beruf wie jeder andere sein. Mit diesem "Berufungs"-Quatsch landet man sehr schnell im Burnout oder in der "Desillusionierung". Siehst du doch schon an dir selber, obwohl du noch nicht einmal richtig angefangen hast...


    Gruß !

  • Und warum "jammerst" du dann hier über dein OBAS herum? Da müsstest du als "Berufener" mit "intrinsischer Motivation" doch über die "sozialen" Herausforderungen jubeln, die dir das Lehrerdasein bietet?


    Gruß !

  • Natürlich bestimmt der Beruf nicht das ganze Leben, aber man sollte ihn (überwiegend) gerne ausüben und ich mache etwas gerne, wenn es für mich Sinn ergibt. Vielleicht war der Ausdruck "Berufung" ungeschickt gewählt, da er womöglich unbeabsichtigt etwas in Richtung "Märtyrertum" ausstrahlt. Der Beruf ist ein Teil meines Lebens und ich möchte nicht, dass er ausschließlich Mittel zum Zweck ist. Genauso wenig erwarte ich von ihm völlige Erfüllung.


    Mikael, siehst du keinen Sinn in deinem Beruf außer jenem, dass er dir dein Konto füllt?

  • Ich bin der Meinung, dass gerade im Lehrberuf viel mehr Berufung als reiner Beruf im Spiel ist (bzw. sein sollte). Die Vielseitigkeit und die Herausforderung reizen mich. Allerdings sollten Intellekt und soziale Normen zumindest nicht vollständig auf der Strecke bleiben.

    Hallo seica,


    die Aussage hört man häufiger, der Lehrberuf sein kein Beruf, sondern vielmehr eine Berufung. Das stimmt insofern, als man zum Staatsbeamten berufen wird und quasi mit Haut und Haaren in dieser Rolle ist, ob nun schlafend oder wachend, auf dem Klo oder vor den SuS im Unterricht.


    Das macht es auch wohl so schwer, konsequent(er) Lehrtätigkeit und Privatleben zu trennen, in anderen Berufen fällt das viel leichter. Ich habe früher einige Jahre im Schichtdienst gearbeitet und da war nach Stechuhr einfach Schluss. Als Lehrperson nimmst du die Arbeit mit nach Hause (z.T. bergeweise) und musst dir die Wochenenden freikämpfen, wenn du was davon haben willst. Als Berufung würde ich das aber weniger interpretieren, sondern mehr als Arbeitsüberlastung.


    Ich habe auch etwas gebraucht zu realisieren, dass die Schule sich im Laufe der Jahre verändert hat und weiter verändern wird. Wir können heute schwierige, renitente SuS nicht mehr einfach so abschulen oder knallhart mit Notendruck arbeiten, wie das unsere Lehrer früher ganz selbstverständlich getan haben. Da die Schule bei den SuS aber nicht beliebter geworden ist - trotz selbständigem/individuellem Lernen etc. -, ist der Job wahrscheinlich eher schwieriger als einfacher geworden. Einfach war er aber früher ganz bestimmt auch nicht.


    Mir hat es geholfen, diese teilweise zunehmenden Schwierigkeiten als Herausforderung wahrzunehmen. Klar: Wir sind je nach Schulart tatsächlich mindestens zu 50% Sozialarbeiter, auch wenn das eigentlich nicht unser Job ist. Und ja: Wir rennen z.T. hilflos gegen pubertäre Wände und sozialisierte Uneinsichtigkeiten an; solange man aber nicht erwartet, dass solch eine Betonwand einfach zusammenbricht, kann man sich vor einem zu harten Aufprall rechtzeitig schützen. Oder anders formuliert: Man ist nicht enttäuscht, wenn die eigenen Bemühungen in vielen Fällen keine (direkt) sichtbare Wirkung zeitigen.


    Trotzdem machen wir unseren Job und bewirken damit etwas. Und wenn es nur der Fakt ist, dass die Schüler während der Schulzeit nicht in irgendwelchen Ecken der Stadt rumlungern und Blödsinn anstellen.


    Zurück zur Ausgangsfrage: Wir sind keine Berufenen, keine Auserwählten oder sonstwas, sondern normale Nachbarn, Brüder, Schwestern und Enkelkinder etc. und waren früher auch mehr oder weniger aufmerksame Schüler/innen, die es mit bemühten, teilweise überforderten und gelegentlich sehr wertvollen Bezugspersonen (auch Lehrer/innen genannt) zu tun hatten.


    der Buntflieger

  • Mikael, siehst du keinen Sinn in deinem Beruf außer jenem, dass er dir dein Konto füllt?

    Natürlich sehe ich einen "Sinn" im Lehrerberuf, sonst hätte ich ihn ja nicht gewählt. Ich kann mir für mich selbst aber noch mindestens ein Dutzend andere Berufe vorstellen, die für mich "Sinn" ergeben...


    "Berufung" klingt tatsächlich immer etwas nach Märtyrer oder Selbstaufopferung. Man muss sich wahrscheinlich "berufen" fühlen, um als Mönch mit dem Armutsgelübte in einem Kloster zu leben, oder sein Leben damit zu verbringen, unentgeltlich den Armen in Kalkutta zu helfen... aber doch nicht als Lehrer?


    Vergiss das mit der "Berufung" ganz schnell: Wenn du Lehrer aus diesem Grund geworden bist, dann waren deine Probleme im OBAS erst der Anfang...


    Und ja, ich halt es für wichtig, dass mir der Beruf jeden Monat mein Konto füllt. Erstens ist es in einigen Monaten der einzige wirkliche Ausdruck von Dankbarkeit seitens des Dienstherrn und zweitens bezahle ich damit mein Essen und meine Miete ohne der Solidargemeinschaft auf der Tasche liegen zu müssen....


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Buntflieger, ich stimme dir vollkommen zu und weiter oben habe ich mich ja bereits für den Begriff "Berufung" entschuldigt. Auch ich bin keine selbstlose Mutter Theresa, sonst würde ich hier nicht, wie wie Mikael es so schön treffend formuliert hat, über meine Situation jammern . :)


    Und auch mir ist die finanzielle Entlohnung wichtig, aber sie darf (zumindest für mich) nicht der einzige "Sinn" hinter meiner Arbeit sein.

  • Die Frage ist ja, ob dir der Beruf liegt. Die jetzige Situation ist schwierig, insbesondere als Seiteneinsteiger.
    Die Frage ist aber, was dich am Gy erwartet. In Bawü haben wir Übertrittsquoten von 55% der Viertklässler ans Gy. Die sind nicht alle begabt.
    In einigen Städten in Bawü liegt die Quote sogar bei über 75%, weil keine Realschule mehr da ist.


    Die Klientel am Gymnasium ist schon lange nicht mehr das, was sie mal war.


    Nur du kannst entscheiden, wie unzufrieden du jetzt bist. Theoretisch ist es kein Problem, dir einen Job in der Chemieindustrie zu suchen, im Vertrieb wirst du viel Interessantes finden, auch gut bezahlt. Als Interimslösung. Und dann kannst du ein Praktikum am Gy machen, um eine Entscheidung zu treffen. Sei ehrlich mit dir selbst dabei.


    Oder du machst dir noch einmal Gedanken, wo du deine Stärken und Kenntnisse einbringen kannst und was dir Spaß macht.


    Frage Verwandte und Freunde, in welchem Beruf sie dich sehen. Und finde heraus, was du machen möchtest.

  • Danke, Stille Mitleserin, für deinen Rat. Ein Praktikum ist eine gute Idee, das würde ich wirklich gerne machen und könnte Licht ins Dunkel bringen. Ich würde auch gerne mal in eine Berufsschule hineinschnuppern.


    Wenn ich an meiner Schule nun kündigen würde, könnte es dann Probleme geben, wenn ich irgenwann ins reguläre Referendariat starten wollte?

  • Warum eigentlich nicht? Wer hindert uns daran?


    Hallo Freakoid,


    es ändert sich nur noch die Niveaustufe (z.B. von M auf G) und sonst nix. Die SuS bleiben in der Regel der Schule sowie Klasse erhalten, mit all ihren ganz besonderen (eben "individuellen") Eigenheiten.


    Bei uns kommen regelmäßig SuS vom Gymnasium an (hier kann man noch am ehesten von einer klassischen Abschulung sprechen), von uns gehen aber so gut wie keine - bis auf vereinzelte Ausnahmen - SuS ab, sondern jeder wird mitgenommen, auch wenn er im Unterricht weder Blatt noch Stift zur Hand nimmt und das über Monate hinweg. Und fürs G-Niveau ist selbst das ausreichend, da kann man quasi nicht nicht bestehen. Ok, wenn man der Schule ganz fernbleibt, also die betreffenden SuS sich sozusagen selbst abschulen, dann natürlich schon. ;)


    der Buntflieger

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