mündliche Note

  • Hallo,


    ich habe in der 9.Klasse am Gymnasium eine Schülerin in Erdkunde, die sich leider überhaupt nicht am Unterricht beteiligt und der ich deshalb mündlich die Note mangelhaft geben musste. Nun hat diese Schülerin aber in der Arbeit eine 2 geschrieben. Daraus schließe ich, dass sie sehr wohl aufgepasst haben muss, aber sich wohl nicht traut sich zu melden. Hat jemand Erfahrung mit solchen Schülern und kann mir Tipps geben, wie ich sie dabei unterstützen kann, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen ?


    Danke und Gruß
    Marie

  • Es ist ganz einfach: Du weisst, dass es Mitarbeitsnoten gibt, Du kannst offenbar auch irgendwas im Fach, also meld Dich halt hin und wieder und sag was im Unterricht.


    Solltest Du wirklich Lehrerin sein: Ich glaube in der Sek I hast Du in Deutschland noch Holpflicht bezüglich Mitarbeit. Dann musst Du sie wohl einfach hin und wieder dran nehmen, wenn Du ihr keine 5 in Mitarbeit geben willst (wieso eigentlich keine 6, wenn sie sich wirklich *überhaupt nicht* beteiligt?).

  • Jup in der Sek I muss man noch aktiv die Schüler ranholen.
    Und sonstige Leistung ist ja nicht nur Melden im Unterricht. Ich kann das Verhalten in Arbeitsphasen berücksichtigen, die Unterlagen, Hausaufgaben etc pp. Wenn die Schülerin also immer brav arbeitet, einen ordentlichen Hefter hat, Buch dabei etc würde ich in dem Fall auch keine 5 geben.


    Die 5 gebe ich erst, wenn ein Schüler auch auf wiederholte Ansprache nichts beiträgt. Eine 6 gibt es bei offensichtlicher Verweigerung.

  • Ich bin ehrlich gesagt erstaunt über soviel Misstrauen. Da ich noch nicht soviel Erfahrung habe, habe ich mich erkundigt, wie ihr das so macht.
    Aber bis auf eine konstruktive Antwort wird nur meine Identität infrage gestellt.

  • Ich finde meinen Hinweis auf die Holpflicht sehr konstruktiv, denn die hast Du nunmal. Schau ansonsten ins Schulgesetz, was Du alles bewerten darfst und frage die Kollegen an *Deiner* Schule wie es dort gehandhabt wird. Es ist normal, dass sich pubertierende Jugendliche nicht gerne exponieren. Achte generell auf ein freundliches Klassenklima in dem sich niemand "dumm" fühlt, wenn er eine falsche Antwort gibt. Du darfst den SuS ruhig sagen, wenn eine Antwort falsch ist, aber dann diskutiere mit ihnen, *warum* sie falsch ist um ihnen zu zeigen, dass man aus jeder Antwort irgendwas lernen kann. Grundsätzlich gilt da bei mir: Wer nichts wagt, kann nichts verlieren, gewinnen kann er aber auch nichts. ;)

  • Wir dürfen für mangelnde Mitarbeit zum Beispiel keine 5 geben, wenn wir die Mitarbeit nicht eingefordert haben. Sprich: schlechte Noten erst dann, wenn ich das Kind auch regelmäßig aufgerufen habe und es mehrfach nichts zur Thematik sagen konnte. "Nur schüchtern oder meldefaul" rechtfertigt bei uns keine schlechte Note in einem Fach.


    Und da man als Lehrer solche Richtlinien in der Regel kennt, war ich sehr erstaunt über die Frage. Und misstrauisch - wie gesagt entschuldige, aber wenn du hier öfter liest, dann wirst du feststellen, dass das teilweise durchaus begründet ist.

  • Ich habe das Mädchen bisher nur sehr selten aufgerufen, da sie dann auch fast keinen Ton herausbringt. Deshalb frage ich mich ja, wie ich ihr helfen kann, sich in den Unterricht einzubringen.
    Zuerst dachte ich ja, dass sie auch nicht aufpasst, aber nach der guten Arbeit zweifle ich an dieser Einschätzung.

  • Naja, ich schrieb ja schon sinngemäss, dass wir es hier vermutlich mit einem für das Alter ziemlich normalen Verhalten zu tun haben. Vor allem junge Mädchen entwickeln in dem Alter leider häufig ein schlechtes Selbstvertrauen. Du bist nun aber kein Psychologe, Deine Aufgabe ist es, mit der ganzen Klasse zu arbeiten. Ich hab in einer meiner Klassen (10. Schuljahr) gerade ein Mädchen mit ziemlicher Prüfungsangst, bei der ich ihr leider auch nicht unmittelbar helfen kann. Guckst Du hier:


    Prüfungsangst


    Du kannst mit der Schülerin einfach mal sprechen (habe ich mit meinem Fall auch gemacht), aber vermutlich wird sie Dir einfach sagen, dass sie nicht gerne vor anderen Leuten spricht. Das muss sie aber lernen und dabei kannst Du ihr nur helfen, in dem Du sie immer wieder dran nimmst und dafür sorgst, dass sie sich dabei nicht schlecht fühlen muss. Das war's auch schon.

  • Du könntest die Schülerin zuerst mal ermutigen und ihr sagen, dass du dich über ihre schriftliche Leistung gefreut hast, aber auch etwas gewundert, weil eben die mündliche Mitarbeit so gegenteilig ist.


    Vielleicht hilft schon der Hinweis, dass dir ihre mündliche Beteiligung fehlt und sie hatte schlicht nicht im Blick, dass sie sich in Erdkunde mündlich etwas "zurückgelehnt" hat.


    Vielleicht ist sie tatsächlich sehr schüchtern, dann würde ich ihr den Tipp geben, sich zumindest bei ganz, ganz einfachen Dingen zu melden, damit du ihr mündlich wenigstens eine Vier geben kannst. Nenn ihr ruhig konkrete Beispiele für niedrigschwellige Beteiligung, also Textabschnitte oder Aufgaben vorlesen oder so, damit sie etwas hat, an das sie sich halten kann.


    Außerdem würde ich wirklich einmal in der Fachschaft fragen, was alles zur "mündlichen" Note zählt. Material dabeihaben, Tätigkeit bei Gruppenarbeit etc. zählen doch sicher auch. Vielleicht musst du ihr gar keine Fünf geben.

  • idee, als vorschlag im einzelgespräch: die schülerin soll sich vor jeder stunde drei oder fünf oder wie auch immer kästchen im heft/hefter/block markieren und dann das private ziel verfolgen, alle im laufe der erdkundestunde abzuzeichnen. abzeichnen darf sie immer, wenn sie sich gemeldet hat und drangekommen ist. ab und an kannst du sie ja dann mal am rande fragen, wie es so läuft damit.


    vorher im einzelgespräch positives feedback geben, siehe note 2 schriftlich, und ihr sagen, dass ihr verhalten für mädchen in ihrem alter typisch (das heißt, das problem haben viele, nicht nur sie), nichtsdestotrotz kontraproduktiv und schrittweise zu ändern ist, siehe strategie oben. sie kann ja auch mit einem kästchen anfangen, wenn es ganz arg ist. oder mit idiotensicheren dingen anfangen, z.b. vorlesen oder so.


    allgemein in der klasse eine sinnvolle fehlerkultur einführen ("was soll passieren, dann ist es halt falsch"), bei fehlern immer positiv zeigen, was man draus lernen kann, nicht einfach bei falschen antworten kommentarlos den nächsten aufrufen. selbst wenn es völlig falsch ist, kann man was nettes sagen "leider nein, aber eine spannende/lustige/strange idee", evtl. auch "wie kommst du drauf? erklär mal!" usw.. ich habe so sehr viel gelernt, vor allem, wie verschieden sus denken; teilweise wäre ich da selber/durch didaktische lektüre nie draufgekommen oder nur mit sehr viel mehr aufwand/erfahrung.


    eigene fehler nicht vertuschen, sondern ausstellen und entspannt damit umgehen. ("schaut mal her, hier habe ich mich vertan auf dem ab, das müsste eigentlich tempus p sein. verbessert das bitte alle schnell mal.")


    eigene unsicherheiten zeigen, indem du sie "laut durchdenkst", das wirkt als vorbild stark, selbst bei den 12ern kurz vorm abitur ("ist das hier eine metapher? ich bin ehrlich gesagt nicht ganz sicher. es hat auch was von einem symbol. also, falls es eine metapher ist, müsste es merkmal x haben, auf den ersten eindruck liegt das hier vor, aber irgendwie dann auch wieder nicht. was meint ihr?"). geht aber nur, wenn du fachlich sattelfest bist, sonst kann es nach hinten losgehen.

  • Wie schon mehrfach hier gesat wurde: Die "mündliche" Note ist mehr als das Melden und Sprechen im Unterricht. Heißt ja schließlich sonstige Mitarbeit.
    Für mich gehören dazu:
    - (na gut, fangen wir damit an): melden (Qualität und Quantität - vielleicht ist es bei einer guten Schülerin ein Argument, dass sie sich nicht so häufig, dafür aber brilliant beteiligt)
    - Mitarbeit in Partner-/Gruppenarbeit
    - Ergebnisse aus kurzen schriftlichen Tests (Vokabeltests (geht auch in Sachfächern wie Chemie oder Erdkunde), Überprüfungen der Inhalte der letzten Stunde, ...)
    - Referate
    - kurze vorbereitete Unterrichtsbeiträge (z.B.: "Kannst du zur nächsten Stunde mal kurz raussuchen & vorstellen (Folie für OHP vorbereiten), welche Arten von ... es gibt?")
    - Mappenführung (mache ich selber in meinen Fächern nicht (mehr); wenn man's macht, würde ich das eher verteilt über's Schuljahr machen (nach Zufallsprinzip mal die einen drei, mal die anderen drei - schon allein um eine Rückmeldung seitens Eltern wie "*wir* haben uns solche Mühe gegeben" zu vermeiden (nachdem man die Sammlung schlecht ausgedruckter Wikipedia-Artkel in der Mappe des 5. Klässlers nur mit 6 bewerten konnte, weil alles andere fehlte).
    - ...


    Für mich gehören nicht wirklich dazu:
    - Materialien dabei haben (ist eine Selbstverständlichkeit, es gibt allerdings "Punktabzug", wenn das regelmäßig fehlt, da eine Mitarbeit ohne Buch, Arbeitsheft, ... nicht/nur erschwert möglich ist)
    - Hausaufgaben regelmäßig gemacht (wieder: Selbstverständlichkeit. wieder: Punktabzug bei mehrfachem Fehlen (HAs sollen ja eigentlich nicht bewertet werden (sie könnten ja durch jemanden anderes gemacht worden sein); fehlen sie, hat der SuS aber keinerlei Chance, sich in der Phase des Unterrichts sich zu beteiligen, ist inhaltlich/gedanklich nicht vorbereitet. Und genau an der Stelle führen fehlende Hausaufgaben eben doch zu "Punktabzug")


    Die "2" in der Arbeit sollte eigentlich nicht ganz überraschend kommen (vgl. Mitarbeit in Stillarbeitsphasen, PA, GA). Da könnte man die SuS doch vielleicht schon mal wahrgenommen haben. Falls nicht, kann's natürlich auch an "ungleichen Bedingungen" in der KA liegen... (Wie war denn die Note des Nachbarn so?)


    Nach welcher Stundentafel (1 oder 2) arbeitet ihr? Handelt es sich um Epochalunterricht? Davon abhängig ist ja auch, ob im 2. Halbjahr noch die Möglichkeit besteht, für das Versetzungszeugnis Beobachtungen ggf. intensiv zu revidieren.


    Ein Vorschlag, den ich stillen SuS immer wieder mal mache: Zu Beginn einer Unterrichtsstunde 5 (oder für Mutige: 10) Stifte aus dem Etui auf den Tisch legen. Jeder Stift zählt für 1x melden (und nach jedem Melden (egal ob man drangekommen ist oder nicht) wandert ein Stift in das Etui). So kann man sich als SuS unauffällig eine Erinnerungshilfe geben & hat einen "Countdown", nachdem man "es" für diese Stunde wieder geschafft hat.

  • Vielen Dank für eure Rückmeldungen, die mir wirklich weitergeholfen haben. Ich werde eure Anregungen nach den Ferien umsetzen und mich auch noch einmal danach erkundigen, was an unserer Schule alles zur sonstigen Mitarbeit zählt. Vielleicht kann ich ja dem Mädchen doch noch eine bessere Note geben. Ansonsten bleibt auch noch das 2.Halbjahr.

  • Oder vielleicht auch noch mal vor der ganzen Klasse sagen, dass es dir wichtiger ist, dass jemand mitmacht und dabei passieren auch fehler, statt gar nichts zu sagen. Wenn immer nur Leute was sagen würden, die sich 100% sicher sind, wäre ein Unterrichtsgespräch ja teilweise nicht möglich.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Bist du sicher, dass sie in der Arbeit nicht einfach nur abgeschrieben hat, das ist doch viel wahrscheinlicher als deine Interpretation? Ich würde sie beim nächsten Mal direkt vorne positionieren, damit sie sich beweisen muss.

    • Offizieller Beitrag

    in Geschichte sage ich bei neuen Klassen zu Schuljahresbeginn immer, dass es eigentlich keine "falschen" Antworten gibt, weil ich keine solchen Fragen stelle, die man nur richtig oder falsch beantworten kann. Anders als z.B. bei Grammatikfragen.
    Deshalb muss man keine Angst haben, sich zu beteiligen.
    Manchen Schülern hilft das.


    Trifft das vll auf Geographie auch zu?

  • Ich habe gerade eine Schülerin bei mir im Oberstufenkurs, die so krankhaft Angst davor hat, vor anderen zu sprechen, dass sie sich gerade sogar um einen Therapieplatz bemüht. In der Klausur (Textarbeit und freies Schreiben) hatte sie die beste Arbeit im Kurs (mit großem Abstand).
    Wir haben vereinbart, dass ich sie nicht aufrufe, wenn sie sich nicht meldet, dass sie aber als "Challenge" versucht, sich dreimal pro Stunde zu melden, auch (besonders?) auf Fragen, die keine langen Antworten erfordern. Bisher hat sie die Challenge an fast allen Tagen geschafft.

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