Verbeamtung - lohnt es sich wirklich oder nur Augenwischerei?


  • Danke, @Kalle29.


    Bei der Frage, ob es sich für den Staat lohnt, Lehrer zu verbeamten, damit die nicht streiken können, würde ich sagen, das ist durchaus zum Vorteil des Dienstherrn und zum Nachteil der Lehrer. "A 13 für alle" und sonstige Forderungen würden / werden ja kaum noch durchgesetzt werden können, wenn angestellte Lehrer nicht dafür streiken könnten. Man hat hier oft gefragt, warum Lehrer alles mit sich machen lassen. Naja, müssen sie ja (Streikverbot), zumindest die 600.000 verbeamteten von 800.000 Lehrern deutschlandweit. (Man stelle sich vor, 800.000 Lehrer streiken für kleinere Klassen, geringeres Stundensoll, weniger Bürokratie ...).


    Insofern schaden wir uns mit dem Beamtentum auch irgendwo selbst, aber das ist für den Einzelnen "so weit weg" und so abstrakt (und die Vorteile so angenehm), dass das den Einzelnen sicher kaum interessiert, bestenfalls nach dem Motto: Ok, nach mir soll dann keiner mehr verbeamtet werden. ;)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    Einmal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Die Frage sollte eigentlich eher sein, ob Lehrer Beamte sein müssen oder nicht - ob sie also hoheitliche Aufgaben übernehmen und ob die dauerhafte Verfügbarkeit ohne Streikmöglichkeit wichtig für den Staat ist. Darüber kann man vermutlich diskutieren.

    Dazu kann ich eine Aussenperspektive beisteuern. In der Schweiz wurde das Beamtentum schon lange abgeschafft, Lehrer sind ganz normal angestellt. Normal angestellt heisst, dass für Lehrer mit unbefristetem Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Schuljahresende besteht (jedenfalls in meinem Kanton). Diese Kündigungsfrist gilt für beide Seiten. Befristete Stellen sind nicht selten, viele Berufseinsteiger müssen mehrere Jahre warten, bis sie eine unbefristete Stelle bekommen. Manche (freiwillig oder unfreiwillig) haben ihr ganzen Berufsleben lang nur befristete Verträge. Befristet bedeutet, dass der Vertrag nur für das aktuelle Schuljahr (teilweise auch nur für das aktuelle Semester) gilt und von der Schulleitung jedes mal verlängert werden muss. Willkürliche Entlassungen kommen trotzdem nicht vor (jedenfalls habe ich noch nie davon gehört) und so lange es genug Stunden gibt, werden auch die befristeten Verträge anstandslos verlängert. Ein Vorteil des Systems: Die Schulleitung kann Personalentscheidungen selbst treffen und hat allgemein eine sehr hohe Autonomie – der Amtsschimmel wiehert nach meiner Beobachtung hier extrem selten. Aber man hat hier auch das Gefühl, dass man gemeinsam an einem Strang zieht und gemeinsam Ziele erreichen will, Paragraphenreiter und Menschen, die eine vermeintlich "ruhige Kugel schieben" wollen, sehe ich kaum bis gar nicht.

  • Die gilt - soweit ich weiß - bis du vom Amtsarzt für Dienstunfähig erklärt wirst und in den vorläufigen Ruhestand versetzt wirst. Das kann Monate dauern.

    Ergänzungen:


    1. Für Angestellte im Geltungsbereich des TV-L sind es 39 Wochen Gehaltsfortzahlung. Das ist schon ganz ordentlich, wie ich finde; die Wenigsten dürften jemals von 39-wöchiger Krankheit betroffen werden.
    2. Es soll Bundesländer geben, die mittlerweile sehr schnell versuchen, die Leute in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken (natürlich nicht ohne die Verpflichtung, den Dienst bei Besserung oder Heilung wieder aufzunehmen); dagegen kann der Beamte dann recht wenig machen, ist aber
    3. auch nach kurzer Dienstzeit (fünf Jahre, soviel ich weiß) im Vergleich zum Angestellten nicht ganz schlecht abgesichert.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Angestellte können viel leichter gezwungen werden 'rauszugehen' - auch bei langjährigster Beschäftigung

    Wie das? Nach fünfzehn Jahren ist auch der Angestellte "unkündbar" (Anführungszeichen wegen entschiedenen "kommt darauf an"s). Einen Beamten wegzuekeln ist wahrscheinlich einfacher (wird er halt jedes Jahr versetzt, wogegen er fast nichts tun kann; wird er halt nur noch in seinem weniger bevorzugten Fach in der von ihm weniger bevorzugten Stufe oder fachfremd eingesetzt, wogegen er nichts machen kann, etc. pp.). Dass das nicht getan wird, heißt nicht, dass es nicht ginge.
    Ein Angestellter hat hinsichtlich Einsatzort, -umfang und -art viel mehr Rechte als ein Beamter, auch wenn die Landesregierungen es sehr gern mögen würden, wenn Angestellten-Bezahlung sich mit Beamten-Pflichten koppeln ließen.

    4. Familienzuschlag, wenn man Kinder hat (kann je nach Kinderzahl mehrere hundert Euro ausmachen)


    5. meistens private Krankenkasse, also Bevorzugung bei Terminen und Behandlung (kann lebensrettend sein)

    Dazu noch zwei Anmerkungen: Der Familienzuschlag ist natürlich noch so ein Relikt aus Olims Zeiten, als Papa ins Amt ging und Mutti für Nest- und Brutpflege zuständig war. Immerhin wird er nur einmal pro Paar ausgezahlt.


    Die private Krankenversicherung mit Beihilfe ist toll, wenn man praktisch nie zum Arzt geht (dann winkt Beitragsrückerstattung), für einen halbwegs gesunden Menschen ist sie ein nerviges Ärgernis (wegen des Verwaltungsaufwands), für chronisch Kranke kann sie ein teures Vergnügen sein. Ob die Behandlung wirklich besser ist, ist äußerst umstritten; als Privatpatient muss man durchaus aufpassen, dass nicht ständig irgendwas lukratives, aber unnötiges mit einem gemacht wird.
    In komplizierten Fällen ist man als gesetzlich Versicherter natürlich gut beraten, wenn man einen kompetenten, gut vernetzten Hausarzt hat (den sollte man sich schon in gesunden Zeiten suchen). Der kann einem nämlich ruck, zuck einen Termin beim Spezialisten besorgen, wenns dringend ist.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • ...
    Insofern schaden wir uns mit dem Beamtentum auch irgendwo selbst, aber das ist für den Einzelnen "so weit weg" und so abstrakt (und die Vorteile so angenehm), dass das den Einzelnen sicher kaum interessiert, bestenfalls nach dem Motto: Ok, nach mir soll dann keiner mehr verbeamtet werden. ;)

    Trotz der vielen, verschmitzt zwinkernden fast schon scheinheilig wirkenden Smileys werde ich das Gefühl nicht los, dass du durchaus auch verbeamtet wärest, hätte es seinerzeit geklappt. Kann das sein?


    Vom Beamtentum kann man halten, was man will (hätte eigentlich jemand bei Polizisten je Skrupel?) aber es ist doch verkürzt zu behaupten, dass es jedem egal wäre, wie es dem ändern geht. Selbstverständlich wird aber kaum jemand "nein danke" sagen, wenn er in den Genuss der Vorzüge kommen kann, in der irrigen Hoffnung damit irgendwem geholfen zu haben.

  • Also mit Mann und 3 kleinen Kindern ist die PKV mit Beihilfe echt die Pest, der monatliche Papierkram kommt einem Minijob gleich, und ständig in Vorleistung zu gehen ist auch nicht fein. Nein, wir haben kein finanzielles Polster, aus dem wir das jeweils vorschießen können.


    Kinder erhalten sowohl in GKV als PKV das Maximalprogramm, das bestätigt jeder Kinderarzt. Kein Unterschied also.


    Bei Erwachsenen gibts schneller Termine, ja. Und der Doc hört 2 min länger zu. Wer aber nicht solides medizinisches Wissen mitbringt, muss sehr aufpassen, dass er nicht völlig übertherapiert, unnötig operiert o.ä. wird. Und Lehrer mit medizinischem Fachwissen kann kein Arzt leiden - aber anderes Thema ;)

  • Fossi schreibt:

    Zitat

    Für Angestellte im Geltungsbereich des TV-L sind es 39 Wochen Gehaltsfortzahlung.


    Stimmt nicht - schlicht falsch (Krankengeldzuschuss gibt es 39 Wochen - das ist was ganz anderes als Gehaltsfortzahlung; Entgeltfortzahlung ist BIS zu 6 Wochen)


    Fossi schreibt:

    Zitat

    Wie das? Nach fünfzehn Jahren ist auch der Angestellte "unkündbar"

    Stimmt nicht, man kann aus 'wichtigem Grund' gekündigt werden (gar nicht so schwer, siehe z.B. hier )


    Fossi schreibt:

    Zitat

    Ein Angestellter hat hinsichtlich Einsatzort, -umfang und -art viel mehr Rechte als ein Beamter,

    Nein, es gilt eher das Gegenteil


    Puhhh...

  • Danke, dass du darauf hinweist. Jetzt ist es zum Bearbeiten sicherlich zu spät. Vielleicht sind die Moderatoren so nett, das zu korrigieren.


    (Ich habe mich ja gerade über mich selbst gewundert. Was ich da geschrieben zu haben schien.) :)

    Danke an den Moderator fürs "Zitatauseinanderbastelnundso" :) .

  • Deine Zitierweise ist irreführend, aber das nur am Rande...


    Ok, Punkt 1: Du hast Recht. Es gibt keine Entgeltfortzahlung von 39 Wochen Dauer, sondern das Krankengeld wird entsprechend erhöht, so dass die bisherigen Nettobezüge erreicht werden. Dürfte dem durchschnittlichen TV-L-Opfer weitgehend egal sein, wie das Kind heißt. Ein professioneller Haarspalter legt natürlich auf die korrekte Nomenklatur Wert. Und ich gebe Dir sogar noch in einem weiteren Punkt Recht (bin heute großzügig): Natürlich gehen diese 39 Wochen schon von der Krankengeldbezugshöchstdauer von 78 Wochen ab.


    Punkt 2: Ein "wichtiger Grund" nach § 626 BGB ist nach üblicher Lesart ein Grund, der in den strafrechtlichen Bereich fällt. Jedem halbwegs verständigen Angestellten dürfte klar sein, dass strafrechtlich relevantes Verhalten nicht unter den Kündigungsschutz fällt. Wie bei Beamten natürlich auch.


    Den letzten Punkt magst Du belegen. Wenn Kollegien verkleinert werden müssen, gehen zuerst die Beamten, zunächst natürlich per Abordnung.



    PS: Selber Puhhh!

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Ein "wichtiger Grund" muss keineswegs im strafrechtlichen Bereich liegen, er kann z.B. auch "außerordentlich betriebsbedingt" sein (deshalb habe ich den Link beigefügt).


    Einsatzart des Angestellten kann schlichtweg durch eine Änderungskündigung verändert werden, Einsatzort fällt in die Organisationshoheit des Arbeitgeber; Einsatzumfang kann ein Beamter (weitgehend) selbst bestimmen (Beamte können z,.B, nicht zu Teilzeit aus betreiblichen Gründen gezwungen werden). Das Verwaltungsrecht bietet dem Beamten i.d.R. einen besseren Schutz als das Arbeitsrecht (dem die Tarifbeschäftigten unterworfen sind - der öffentliche Dienst hat seit dem TVL da kaum noch Privilegien für Angestellte)


    Krankengeld + Zuschuss oder Entgeltfortzahlung wird dem "durchschnittlichen TVL-Opfer" keineswegs egal sein (es sei denn, er interessiert sich nicht für Geld)

  • Hast du auch nur EINEN Fall in dem einem unkündbaren TV-L Angestellten betriebs- oder krankheitsbedingt außerordentlich gekündigt worden ist? Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Zahl der aus disziplinarischen Gründen entlassenen Beamten die der gekündigten unkündbaren Angestellten übersteigt. Behaupte ich jetzt auch einfach mal, ohne Zahlen zu kennen, allein auf Basis eines Vergleichs zwischen Urteilen des BVG und des BAG. :P

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Also mit Mann und 3 kleinen Kindern ist die PKV mit Beihilfe echt die Pest, der monatliche Papierkram kommt einem Minijob gleich, und ständig in Vorleistung zu gehen ist auch nicht fein. Nein, wir haben kein finanzielles Polster, aus dem wir das jeweils vorschießen können.


    Kinder erhalten sowohl in GKV als PKV das Maximalprogramm, das bestätigt jeder Kinderarzt. Kein Unterschied also.


    Bei Erwachsenen gibts schneller Termine, ja. Und der Doc hört 2 min länger zu. Wer aber nicht solides medizinisches Wissen mitbringt, muss sehr aufpassen, dass er nicht völlig übertherapiert, unnötig operiert o.ä. wird. Und Lehrer mit medizinischem Fachwissen kann kein Arzt leiden - aber anderes Thema ;)

    Keine App oder Online-Beihilfeantrag wie in BW?
    Bei mir und den Kindern gehts recht zügig. Rechnungen als pdf einscannen, bei der Beihilfe/PKV hochladen...fertig.

  • Yummi: Nee, hier keine App oder Online-Beihilfe wie in BW. Dafür macht die in Bayern anders als in BW ihre Arbeit zügig und geräuschlos. Die Beihilfe in BW läuft in meiner Familie nur noch unter dem Titel "Saftladen" oder dann auch "Sauladen", wenn sich die Bearbeitung mal wieder wochenlang hinzieht.

  • Hast du auch nur EINEN Fall in dem einem unkündbaren TV-L Angestellten betriebs- oder krankheitsbedingt außerordentlich gekündigt worden ist? Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Zahl der aus disziplinarischen Gründen entlassenen Beamten die der gekündigten unkündbaren Angestellten übersteigt.

    z.B. Handgreiflichkeit gegenüber SuS, auch nicht schwerer Art = bei unkündbaren Tarifbeschäftigten sehr große Kündigungsgefahr (nö, ich gebe keinen link, warum als einziger hier Arbeit machen ;) ); außerhalb des Lehrerbereiches können auch mitunter Verwaltungs(teil)stellenschließungen reichen (z.B. bei Privatisierungen oder Zentralisierung von Landesaufgaben), ausländerfeindliche Bemerkungen, auch nicht systematischer Art, stellen auch einen Komplex dar. Unkündbar heißt nur, dass ein 'wichtiger Grund' vorliegen muss


    Nein, das Arbeitsrecht schützt auch unkündbare TBs (nach Inkrafttreten des TVLs, unter dem alten BAT waren es in der Tat Extremfälle) nicht bei weitem so stark wie das Beamtenrecht....(gegenüber Rausschmiss)


    Es gibt einfach prinzipiell keinerlei Sonderrechte mehr für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst gegenüber jenen der Privatwirtschaft (da gibt es auch Regelungen der Unkündbarkeit, etwa für Betriebsräte - aber diese Unkündbarkeit ist auch keine 'echte' Unkündbarkeit)


    Nach dem TVL gibt es übrigens überhaupt KEINE Unkündbarkeit mehr....(die gilt nur noch für Leute, die unter dem BAT fielen, § 53 Abs.3 - Bestandsschutz).....von daher ist das quasi auch eine historisch werdende Diskussion

  • Nein, das Arbeitsrecht schützt auch unkündbare TBs (nach Inkrafttreten des TVLs) nicht bei weitem so stark wie das Beamtenrecht....

    Das hat ja nun auch keiner behauptet, nech.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Yummi: Nee, hier keine App oder Online-Beihilfe wie in BW. Dafür macht die in Bayern anders als in BW ihre Arbeit zügig und geräuschlos. Die Beihilfe in BW läuft in meiner Familie nur noch unter dem Titel "Saftladen" oder dann auch "Sauladen", wenn sich die Bearbeitung mal wieder wochenlang hinzieht.

    Das lag am Hack. Aber bei mir geht es derzeit schon in weniger als 4 Wochen. Es bessert sich tatsächlich

  • Ok, im Westen hattest du wohl oftmals keine Wahl. Lehrer wurden eben verbeamtet. (???)

    Erinnert mich irgendwie an die Untersuchung beim Amtsarzt, als ich nach dem Ref. angefangen habe. Da hieß es nur: "Je nachdem, was bei der amtsärztlichen Untersuchung rauskommt, werden sie Beamter oder Angestellter."


    Beamte sind halt zuerst für den Staat günstiger, weil er keine Sozialabgaben abführen muß sondern eigentlich Pensionsrückstellungen bilden müßte, dies aber nicht tut. Daher drängt das Land auf eine Verbeamtung. Das dann irgendwann mal die Pensionslasten kommen, ist klar. Aber dann ist die aktuelle Landesregierung ja schon lange nicht mehr am Ruder und die jetzige Opposition darf sich mit dem Problem rumärgern.

  • Hast du auch nur EINEN Fall in dem einem unkündbaren TV-L Angestellten betriebs- oder krankheitsbedingt außerordentlich gekündigt worden ist?

    Wenn TV-öD auch zählt, ja. Meiner Mutter haben sie krankheitsbedingt gekündigt. Allerdings war das 2 Jahre vor dem regulären Renteneintrittsalter, so daß die Folgen nicht wirklich extrem wurden.

  • @wossen: Das ist eine verhaltensbedingte Kündigung. Betriebsbedingt entfällt beim Staat als Arbeitgeber in fast allen Fällen, vor allem im Schulbereich und krankheitsbedingt...siehe @plattyplus: War damit eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit verbunden, also hätte sie bis zur Rente tatsächlich nicht mehr arbeiten können?

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

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