Schulpolitik in NRW

  • Es ist zum Haare raufen. Unsere örtliche/regionale/landesweite Schulpolitik lässt einem die Haare zu Berge stehen.


    Wir sind hier eine kleine Stadt mit mehreren Ortsteilen. Es gab hier seit vielen Jahren direkt im Stadtgebiet ein Gymnasium und ebenso eine Realschule, sowie in einem Ortsteil eine Hauptschule. Die Hauptschule und die Realschule wurden kürzlich geschlossen, weil man unbedingt eine Gesamtschule einrichten wollte. Dabei lief insbesondere die Realschule zuvor sehr gut und hatte einen ausnehmend guten Ruf in der Region, auch in der regionalen Wirtschaft. Hat die Politik aber anscheinend nicht interessiert, zu gemacht und fertig. Das ist gerade erst erfolgt, beide Schulen haben dieses Jahr noch Schüler, die Schulen laufen dann aus.


    Nun gibt es also aktuell ein Gymnasium und seit kurzem eine Gesamtschule (die noch nicht einmal die Oberstufe erreicht hat).


    Jetzt gibt es plötzlich Bestrebungen, in einem Ortsteil wieder eine Realschule zu eröffnen. Damit steht nun die Gesamtschule vor einem möglichen Aus, da schon jetzt ganz offiziell stark schwindende Schülerzahlen befürchtet werden. Und das Ganze innerhalb von nur ein paar wenigen Jahren.


    Ist das zu fassen? Da kommt einem doch das Frühstück wieder hoch.

  • Klingt durchdacht, flexibel, zukunftsorientiert und rechnerisch äußerst einleuchtend. Wie eigentlich alles, was so passiert in der kultusministrischen/kommunalen Schulnetzplanung :P


    ...ich bin ja auch immer wieder nicht überrascht, wenn z.B. urplötzlich Grundschulen fehlen, obwohl Kinder immer ziemlich genau 6 Jahre brauchen, um alt genug für die Schule zu sein.

  • Damit steht nun die Gesamtschule vor einem möglichen Aus, da schon jetzt ganz offiziell stark schwindende Schülerzahlen befürchtet werden.

    Ja, das ist kontraproduktiv. So wird die Gesamtschule wahrscheinlich zur Hauptschule.

  • Achja. In NRW drückt man sich traditionell davor, einfach mal 'ne Entscheidung zu treffen. Es muss bei allem 'ne Ausnahme, zwei Ja-abers und drei Extrawürdte geben. Da hat man noch nicht mal den Nichtraucherschutz hingekriegt ohne Ausnahme für die "Brauchtumspflege".


    Und in der Tradition steht dann auch das Geeier, das von Nebenher von dreigleisigem Schuklsystem und Gesamtschule geprägt ist. Noch garniert mit Gmeinschafts- und Sekundarschulen, damit auch keiner mehr durchblickt. Das ist ja nun das Gegenteil von einem Konzept. Dabei kommt da so etwas 'raus.


    Das verdirbt mir aber das Frühstück nicht und lässt meine Peristaltik auch nur in der Hauptrichtung laufen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    Einmal editiert, zuletzt von O. Meier ()

  • Ja, das ist kontraproduktiv. So wird die Gesamtschule wahrscheinlich zur Hauptschule.

    Wieso "wird" und wieso "wahrscheinlich"?
    Gesamtschule ist doch neudeutsch für "Auffangbecken für Bildungsinkompatible".
    Klingt einfach moderner.
    Und bestimmt "besser" als Hauptschule.
    oder?


    :teufel:

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ist die Realschule nicht die, an der du dich beworben hast?


    <Mod-Modus >
    Aber eine andere Frage: Schreibst du hier jetzt als Mutter oder als Lehrerin?
    Wenn ich es richtig überblicke, hast du (deinen Beiträgen zur Folge) gerade keine Stelle als Vertretungslehrerin (und auch keine entsprechende Ausbildung).


    Kl.gr.Frosch, Moderator

  • Zitat

    Ist die Realschule nicht die, an der du dich beworben hast?


    Nein, natürlich nicht.



    Zitat

    Aber eine andere Frage: Schreibst du hier jetzt als Mutter oder als Lehrerin?
    Wenn ich es richtig überblicke, hast du (deinen Beiträgen zur Folge) gerade keine Stelle als Vertretungslehrerin (und auch keine entsprechende Ausbildung).


    Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun?


    Ich schreibe als Mutter, Lehrerin und Bürger. Das genannte Problem betrifft ja schließlich nicht nur mich, sondern auch andere Eltern, Lehrer und vor allen Dingen eine Menge Schüler aus allen umliegenden Orten hier. Gerade Letztere sind diejenigen, die u.U. mehrfach die Schule wechseln müssen (noch dazu zwischen unterschiedlichen Schulsystemen) und das nur wg. einer unmöglichen Schulplanung.

  • Wieso "wird" und wieso "wahrscheinlich"?Gesamtschule ist doch neudeutsch für "Auffangbecken für Bildungsinkompatible".
    Klingt einfach moderner.
    Und bestimmt "besser" als Hauptschule.
    oder?


    :teufel:

    Hängt sicher vom Ort ab.
    Wir haben am Ort ein privates Gymnasium, ein städtisches Gymnasium, eine Gesamtschule, eine Sekundarschule und eine Hauptschule.
    Die Gesamtschule hat in vielen Klassen eine "bessere Schülerschaft" als das städtische Gymnasium. Sie wählen knallhart aus. und garantiert nicht nach den vorhergesehenen Kriterien.

  • Wir haben am Ort ein privates Gymnasium, ein städtisches Gymnasium, eine Gesamtschule, eine Sekundarschule und eine Hauptschule.Die Gesamtschule hat in vielen Klassen eine "bessere Schülerschaft" als das städtische Gymnasium. Sie wählen knallhart aus. und garantiert nicht nach den vorhergesehenen Kriterien.

    Wie kommt das? Weißt Du mehr über die Hintergründe? Das scheint mir ungewöhnlich.

  • ich weiß nichts über die "Hintegründe", ich "weiß", dass es ein Losverfahren gibt. Angeblich mit den 3 Töpfen der 3 Empfehlungsarten. Allerdings sieht man es nicht an der Schülerschaft. Da die Sekundarschule gar keinen guten Ruf hat (ach was...), die Hauptschule auch nicht soo beliebt ist, kommen sehr viele SchülerInnen mit Realschulempfehlung zum Gymnasium. Je nach Jahrgang sind also am Gymnasium zwischen 30 und 50% SchülerInnen ohne Gymnasialempfehlung.
    Es ist allerdings durchaus Dauerthema in letzter Zeit in der hiesigen Schulpolitik. Die Schulen liefern sich einen Kampf um die SchülerInnen, wobei die Stadt leider nicht ihrer Kontrollerolle nachkommt.

  • Je nach Jahrgang sind also am Gymnasium zwischen 30 und 50% SchülerInnen ohne Gymnasialempfehlung.

    Das Gymnasium kann diese Schüler durchaus ablehnen, aber so rechnet man sich natürlich die Schülerzahlen hoch. Von daher: Schüler ohne Gymnasialempfehlung werden schon gezielt angenommen. Wüsste nicht, weswegen die Stadt hier eine "Kontrollerolle" hat.

  • Nein, die Grundschulempfehlung ist nicht bindend, das Gymnasium muss jeden aufnehmen, die Kapazitäten sind ja da.


    Warum darf die Gesamtschule ihre Kapazitäten immer weiter vergrößern, (proportional) mehr Gymnasialkinder und sehr gute Realschulkinder aufnehmen und dadurch das Gymnasium ‚gefährden‘? (Rhetorische Frage, ich brauche keine Antwort)

  • Catania, nichts für ungut, aber in einem anderen Thread schreibst du Folgendes

    Zitat

    Ich wollte mal in die Runde fragen, ob jemand Erfahrungen hat mit der Gründung einer Privatschule. Nein, ich selbst möchte keine gründen. Aber ich habe mich an einer zukünftigen privaten Schule beworben, aber da scheint es rund um die Gründung kräftig hin und her zu gehen. Der Ursprung war (für unsere Region hier) typischerweise der, dass in einem Ortsteil/Dorf eine Hauptschule geschlossen wurde. Nicht unbedingt mangels Schülerzahlen, sondern aus politischen Gründen. Diese Fälle gab es hier mehrere im Umkreis. (Ein Hoch auf die Schulpolitik in NRW...) In der Folge gab es weiteres Hin- und Her mit noch bestehenden benachbarten Schulen etc. Möchte ich jetzt gar nicht im Detail drauf eingehen. Es schien aber so eine Art Kleinkrieg zwischen Schulen, Örtlichkeiten und Politik gegeben zu haben, wenn man sich ältere Pressemeldungen dazu durchliest.

    Von daher hast du gerade nicht die Wahrheit auf Froschs Frage gesagt:

    Zitat von kleiner grüner frosch

    Ist die Realschule nicht die, an der du dich beworben hast

  • Ich finde, was du,EffiBriest, schreibst, hat nichts mit dem Thema hier zu tun und ist total irrelevant. Kann man keinen einfachen Meinungsaustausch ohne Kritik an der Person haben?

  • @chilipaprika: Eigentlich sind die Gesamtschulen doch so angelegt, dass sie 1/3 GY, 1/3 RS und 1/3 HS nehmen sollten...ich kenne hier im Umkreis genau eine Schule die das schafft (ev. Gesamtschule in Gelsenkirchen), der Rest läuft unter Resterampe mehr nach dem Prinzip 1%, 4%, 95%...ist aber vielleicht auch eine Frage von Stadt und Land...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • aber vielleicht auch eine Frage von Stadt und Land

    Ich denke, daß das die entscheidende Frage ist. Für mich macht das Konzept "Gesamtschule" nur Sinn, wenn es um den ländlichen Raum geht. Wenn da eine Ortschaft über 1-2 Grundschulen verfügt und sich die Frage im Rat stellt welche weiterführende Schule am Ort angesiedelt werden soll, wissent, daß die Schülerzahlen nur eine weiterführende Schule hergeben.


    Aber in Großstädten, in denen schon alle drei Schulformen vorhanden sind, noch die Gesamtschule dazwischen zu packen, geht schief. Das wird dann eine von dir beschriebene Resterampe.


    In kleineren Städten kommt es da sogar zu Kanibalisierungseffekten. Vorher reichten die Schülerzahlen halt so gerade eben für drei weiterführende Schulen, also ein Gym, eine Real- und eine Hauptschule. Dann kam die Gesamtschule hinzu und damit bekommt dann insb. die Haupt- aber auch die Realschule das Problem, daß die Schülerzahlen keinen dreizügigen Betrieb mehr hergeben und damit langfristig schließen müssen.

  • Aber in Großstädten, in denen schon alle drei Schulformen vorhanden sind, noch die Gesamtschule dazwischen zu packen, geht schief. Das wird dann eine von dir beschriebene Resterampe.

    Ich würde das ein bisschen anders sehen. Wenn du von "alle[n] drei Schulformen" sprichst, dann sprichts du im Prinzip vom dreigliedrigen Schulsystem. Innerhalb des dreigliedrigen Schulsystems wird die Gesamtschule immer Resterampe bleiben, denn ihr integratives Konzept verträgt sich mit dem selektiven Konzept des dreigliedrigen Schulsystems einfach nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Dreigliederung eine Hierarchisierung suggeriert, die so wohl gar nicht gedacht war. Deshalb will natürlich jeder sein Kind aufs Gymnasium schicken, denn jeder will für dein Kind "das Beste".
    Wenn Gesamtschulen gesellschaftlich oder politisch gewünscht sind, kann das nur durch konsequente Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems funktonieren.


    Persönlich bin ich dagegen. Ich unterstütze das dreigliedrige System, würde mir aber eine deutliche Aufwertung von Mittel- und Realschulen in der gesellschaftlichen Meinung und mehr Durchlässigkeit "nach oben" wünschen.

  • Das heißt in der Konsequenz, wir brauchen ein "viergliedriges" Schulsystem:


    - Gymnasium wie es sein sollte, also ohne die, die eben gar nicht drauf gehören
    - Realschule und Hauptschule in ihrem eigentlichen Sinne - also Realschüler auf die RS, und (praxisorientierte) Hauptschüler auf die HS (die dann wieder als Azubis taugen)
    - ein... geschlossenes Lager für alles, was zu dämlich ist, und keine Erziehung/Sozialisation hat, und eben nicht mehr die Hauptschulen zumüllen soll...?

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
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    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

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