Chancen Mittelschule (Hauptschule) im Vergleich zur Förderschule

  • @ Sonnertraum, Krabappel: Ja, soooo schlimm finde ich es bei uns an den SFZs auch nicht. Viele Schüler erleben sich endlich mal als kompetent und blühen auf - und sooo wenig, wie von dir, Krabappel, oben beschrieben, können nicht alle in der 2. Klasse... (vielleicht bin ich ja aber auch an einem Elite-SFZ ;))

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • und sooo wenig, wie von dir, Krabappel, oben beschrieben, können nicht alle in der 2. Klasse... (vielleicht bin ich ja aber auch an einem Elite-SFZ ;))

    Okay, ich merke, dass es mal wieder aufs Bundesland ankommt. In Sachsen muss das Kind z.B. sitzenbleiben und mit 3en käme es erst gar nicht ins Verfahren. Unsere Schüler sind sehr schwach, viele an der Grenze zur geistigen Behinderung. Das war also keine Übertreibung, es wird v.a. seit Inklusion sehr streng gehandhabt, bei jedem Zweifel, IQ über 80 z.B., ist die Behörde strikt ;)


    Vielleicht liege ich ja falsch, aber ich bilde mir ein, dass es diesen Kindern besser täte, nähme man sie frühzeitig raus und ließe sie in aller Ruhe und ohne Druck die Grundlagen lernen.

    Die meisten lernen die Grundlagen eben nicht. Können sie nicht, jeder ist nunmal von seinem IQ begrenzt. Dass es für den einen oder anderen besser scheint, aus seiner Klasse rauszukommen bezweifle ich ja nicht. Aber die Vorstellung, dass Jugendliche stolz darauf sind, auf eine Sonderschule zu gehen ist schon mehr als naiv.

  • vielleicht nicht stolz, aber doch aufblühen im sinne von wieder zu sich finden, erfolge feiern, einsatz belohnt bekommen...


    am gym haben wir in der 5 viele sus, die am anfang wahnsinnig stolz sind, es zu uns geschafft zu haben aus klasse 4, und dann kommt nach wenigen wochen der dicke einbruch, wenn es 5er und 6er hagelt und mit viel glück mal die 3 dabei ist. die mitarbeit geht massiv runter, die kinder sagen durchaus mal "ich kann das eh nicht"... und die eltern meinen im beratungsgespräch dann "aber mike wollte das unbedingt, das gymnasium ist sein traum". na dann. will sagen, stolz auf die schulform oder scham über die schulform ist für ein kind imo völlig sekundär, sobald der alltag an der jeweiligen schule mit seinen alltglichen sorgen und nöten und freuden einsetzt. dann ist eher wichtig:
    kann ich mithalten?
    werde ich ab und an gelobt?
    lohnt mein einsatz?
    wie ist die atmosphäre? warm oder eher distanziert oder gar eine der angst? (vor lul, vor mitschülern...)
    habe ich freunde?


    der rest wird dann schon.


  • In der Mittelschule kommen dann diese "Minderheiten" aus vielen Klassen in einer neuen Klasse zusammen, oft mit ganz negativem Selbstbild und noch negativerer Einstellung Schule gegenüber. Der "Rest", "ich bin dumm", "alle anderen haben es geschafft", ... diese Einstellung wurde jahrelang in den Kindern gefestigt. Vielleicht liege ich ja falsch, aber ich bilde mir ein, dass es diesen Kindern besser täte, nähme man sie frühzeitig raus und ließe sie in aller Ruhe und ohne Druck die Grundlagen lernen.

    Wir haben hier im Umfeld in den 4. Klassen nicht nur "ganz wenige Schwache", sondern durchaus einige, die schwächer sind. Da wurde natürlich nicht bei jedem ein IQ-Test gemacht, aber sicher sind da einige grenzwertige bei. Deshalb sind es aber trotzdem erstmal Hauptschüler und keine Förderschüler.
    Es gibt Kinder - und die sind nicht sofort als lernbehindert einzustufen - die werden in ihrem ganzen Leben das 1x1 nicht auswendig können. Die werden vielleicht auch den Zehnerübergang und Rechenstrategien nie wirklich begreifen, sondern rechnen mit Material oder zählen auch in der 9. Klasse noch ab. Die Grundlagen werden NIE sicher sitzen, da kann man noch so in Ruhe und ohne Druck jahrelang arbeiten. Und trotzdem kann es für diese Kinder auf einer Hauptschule (bzw. jetzt Gesamtschule) gut laufen, weil sie da eine neue Chance bekommen und mit viel Fleiß und Übung durchaus ihren Hauptschulabschluss schaffen.

  • In BaWü wäre das ein Fall für eine Begutachtung durch Sonderpädagogen des SBBZ. Da gilt aktuell bei uns die Ansage, dass die maximal bis Klassenstufe 6 noch SuS begutachten im Hinblick auf einen möglichen Schulartwechsel oder aber die Feststellung eines Förderbedarfs bei Verbleib an der aktuellen Schule, normalerweise sind die v.a. in den GS aktiv.


    Das Ergebnis der Begutachtung wird dann mit Schule und Elternhaus besprochen, wobei mögliche Wege (SBBZ, Förderschwerpunkt x + Verbleib an der aktuellen Schule, Förderschwerpunkt x + z.B. Wechsel an eine Werkrealschule/Hauptschule) aufgezeigt werden. Letztlich entscheiden dann die Eltern wie es weitergeht und das hoffentlich im Sinne ihres Kindes. Zumindest in BaWü würde ich davon ausgehen, dass so ein SuS an einer Werkrealschule oder einer der wenigen verbliebenen Hauptschulen eine realistische Chance hat seinen HS-Abschluss zu machen, bei einem Besuch von RS/GMS wäre ich eher skeptisch. HS/WRS haben meist kleinere Klassen und mit den früheren Grund-und Hauptschullehrern echte Experten im Kollegium wenn es um die Förderung gerade besonders leistungsschwacher SuS geht.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich glaube, dass man bei diesem Thema Bayern nicht unbedingt mit anderen Bundesländern vergleichen kann, denn bei uns ist die Förderschule noch vergleichsweise gut aufgestellt und nicht nur für (nahezu) geistig Behinderte da. Darüber hinaus hat die Mittelschule schon noch ein bisschen Anspruch, wenn auch längst nicht mehr so viel wie vor einigen Jahren.


    Nicht vergessen: Das von Caro geschilderte Kind hat einen IQ von um die 80 und schreibt in ALLEN Fächern Note 4-6, obwohl es sehr viel lernt und übt. Ich sehe aus meiner Erfahrung heraus für dieses Kind tatsächlich Probleme an der Mittelschule.



    . Aber die Vorstellung, dass Jugendliche stolz darauf sind, auf eine Sonderschule zu gehen ist schon mehr als naiv.

    Das hat ja auch keiner geschrieben!

  • ...

    Das hat ja auch keiner geschrieben!

    Du hast Recht, ich hab mal wieder übertrieben. Aber mir begegnet hier im Forum des Öfteren die Vorstellung, dass die Grundschule für lernbehinderte Kinder eine einzige Enttäuschung darstellt und an der Förderschule blühen sie endlich auf, weil sie unter Ihresgleichen sind. Das ist nicht der Fall. Auch wenn es sicher angenehmer ist, bessere Noten und mehr Lob zu bekommen, gibt es 1. immer noch ein Leistungsgefälle, an dem sie sich abarbeiten und 2. wissen sie und ihre Eltern, dass sie nicht die Chance auf eine normale Schule haben und das ist mit Scham behaftet. Die Größeren posaunen das nicht in der Gegend herum und wenn in den oberen Klassen die letzten ausgesiebt wurden, die den Hauptschulabschluss noch schaffen könnten, weiß auch der Letzte, dass er auf dem gesellschaftlichen Abstellgleis gelandet ist.


    Sorry, wenn das so deprimiert klingt, ich rede das den Kids natürlich nicht ein. Aber es ist das, was sie rückmelden und was man immer wieder aufgreifen muss.

  • Zuerst möchte ich mich wiederum bedanken für die Beiträge und die interessante Diskussion. Ihr habt mich darauf gebracht, dass ich an der örtlichen Mittelschule nachfrage wie sie vergleichsweise einen solchen Fall sehen.


    Unabhängig von meinem Fall:


    Ein gewisser Prozentsatz der Eltern der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (L) war selbst in der Förderschule. Sie wollen nach ihrer Aussage ihrem Kind genau das, von dem du schreibst @Krabappel ersparen, denn sie selbst fühlten sich so in der Allgemeinheit. Es lag nicht an der Schule selbst, sondern an der Möglichkeit der Kontakte in der Wohngegend unter Gleichaltrigen und der Scham. Eine Mutter, die sich später weitergebildet hat, hat das so empfunden, dass man ihr Potential für die Hauptschule an der Förderschule nicht gesehen hatte.

  • wenn in den oberen Klassen die letzten ausgesiebt wurden, die den Hauptschulabschluss noch schaffen könnten, weiß auch der Letzte, dass er auf dem gesellschaftlichen Abstellgleis gelandet ist.
    Sorry, wenn das so deprimiert klingt, ich rede das den Kids natürlich nicht ein. Aber es ist das, was sie rückmelden und was man immer wieder aufgreifen muss.

    Das habe ich im Ref auch in meiner Mathe-Lerngruppe gemerkt. Kurz vor meiner Prüfung im letzten Schuljahr kamen noch zwei runter in meine Gruppe, für die der HS-Abschluss an dieser Schule gelaufen war. Das lag in diesen beiden Fällen aber eher an ihrem Verhalten als an ihrem Leistungsvermögen und im Anschluss ging es ja noch weiter. Den HS-Abschluss kann man ja noch nachholen.


    Ein gewisser Prozentsatz der Eltern der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (L) war selbst in der Förderschule. Sie wollen nach ihrer Aussage ihrem Kind genau das, von dem du schreibst @Krabappel ersparen, denn sie selbst fühlten sich so in der Allgemeinheit. Es lag nicht an der Schule selbst, sondern an der Möglichkeit der Kontakte in der Wohngegend unter Gleichaltrigen und der Scham. Eine Mutter, die sich später weitergebildet hat, hat das so empfunden, dass man ihr Potential für die Hauptschule an der Förderschule nicht gesehen hatte.

    Witzigerweise gibt es auch genau das Gegenteil, nämlich da, wo manche gemerkt haben, dass es an der FS Lernen doch menschlicher zuging als an der Hauptschule und es für sie eine angenehmere Atmosphäre war. Es ist eine Wahrnehmungssache, wo man sich wohler fühlt. Manche benötigen zum Entwickeln eben mehr Zeit und Schonraum. Dafür ist die FS Lernen mit Anschluss in was auch immer für die Einen das Richtige. Andere fühlen sich womöglich von den besseren Leistungen der Mitschüler angespornt und die schlechteren Noten stören sie nicht so arg. Deshalb plädiere ich immer wieder für die Koexistenz beider Systeme. Vielleicht kann man das mit einer Hospitation abklären, was der bessere Weg ist.

  • Aber gibt es an der Förderschule L überhaupt Noten? In NRW ist das meines Wissens z.B. nicht der Fall.

    Das stimmt für NRW. Das muss aber nichts heißen. Wer den HS-Abschluss dort macht, bekommt selbstredend auch ein Ziffernzeugnis.

  • Es gibt Kinder - und die sind nicht sofort als lernbehindert einzustufen - die werden in ihrem ganzen Leben das 1x1 nicht auswendig können. Die werden vielleicht auch den Zehnerübergang und Rechenstrategien nie wirklich begreifen, sondern rechnen mit Material oder zählen auch in der 9. Klasse noch ab. Die Grundlagen werden NIE sicher sitzen, da kann man noch so in Ruhe und ohne Druck jahrelang arbeiten. Und trotzdem kann es für diese Kinder auf einer Hauptschule (bzw. jetzt Gesamtschule) gut laufen, weil sie da eine neue Chance bekommen und mit viel Fleiß und Übung durchaus ihren Hauptschulabschluss schaffen.

    Finde den Fehler.

  • Aber gibt es an der Förderschule L überhaupt Noten? In NRW ist das meines Wissens z.B. nicht der Fall.

    Hier in Bayern hängt das von der Schule ab, meiner alten gibt es noch Noten von 3-9, in der neuen Schule nur noch 7-9.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

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