vom Abschaffen der Schulpflicht

  • Ich las mal von einer Familie mit Freilernern und die bekamen nach soundsoviel Bußgeldbescheiden die gerichtliche Anordnung, ihre Kinder einzuschulen, sonst nähme man ihnen die Kinder weg. Soweit so gut, wenn ich aber die Zahl der Schulverweigerer sehe, um die sich kein Mensch schert, wundere ich mich schon über solche Präzendenzfälle bei Familien, die den Bildungsauftrag ernst nehmen, wenn auch auf ihre eigene Art.


    Es gibt ja Länder, in denen es eine Unterrichtspflicht aber keine Schulpflicht gibt, Österreich gehört m.W. dazu. Hat jemand von euch Erfahrung damit?

  • In England ist das ähnlich. Die Frau meines Cousins unterrichtet ihre Tochter selbst.
    Das Schulsystem in England ist ja schrecklich.(Bedingungen in etwa mit den deutschen Gemeinschafts- und Hauptschulen seit der Inklusion zu vergleichen.)
    Die meisten Familien in England schicken ihre Kinder auf Privatschulen (ähnlich wie unsere Gymnasien oder gute Gesamtschulen).
    Meine Cousins und Cousinen haben alle ihre Schulzeit auf Privatschulen verbracht. (versucht dort jeder, der es sich leisten kann.) Da mein Cousin und seine Frau zu Hause arbeiten, bot es sich an, die Tochter selbst zu unterrichten, um das Schulgeld zu sparen.
    Fragwürdig ist das auf jeden Fall... bis zur wie vielten Klasse man das machen darf, weiß ich nicht.
    Wir haben an der Schule auch viele Schulverweigerer... Die gehen quasi als Analphabeten irgendwann aus der Schule raus.

  • Danke @MilaB für die Info, weißt du, ob und auf welche Weise der Lernerfolg überprüft wird?


    Ich wollte meine Kinder nicht selbst unterrichten, bei Physik und Mathe wäre sehr schnell Schluss und sie sollen ja noch andere Menschen und Weltbilder kennenlernen als mich :D aber irgendwie fasziniert mich das Thema trotzdem immer mal wieder. Eine Kollegin hier war ja als Kind ein Jahr oder so auf einem Schiff unterwegs- ich denke da lernt man sehr viel!

  • Ich finde, dass Hausunterricht erlaubt werden sollte. Allerdings unter der Prämisse, dass regelmäßige(!) externe Prüfungen stattfinden.
    Mir erschließt es sich nämlich auch nicht, wie es sein kann, dass bei mir in der Ausbildungsvorbereitung Leute sitzen, die seit der sechsten Klasse quasi keine Schule von innen gesehen haben und sich da wiederum kaum jemand für wirklicg interessiert.

  • @Krabappel ich weiß es nicht genau. Es gibt Überprüfungen. Eine meiner englischen Tanten ist zur Zeit zu Besuch in der Nähe. Ich werde sie bei Gelegenheit mal nach ihren Erfahrungen usw fragen.

  • Wir haben unseren Sohn aus gesundheitlichen Gründen vom Schulunterricht abgemeldet. Er muss am Jahresende eine Externistenprüfung ablegen. Der Heimunterricht hat schon einige Vorteile. Deshalb finde ich schon, dass er erlaubt sein sollte. Wegen seinen Sozialkontakten können wir uns nicht beklagen, er hat Freunde im Ort und macht auch zwei Sportarten (wegen seiner Krankheit leider nicht im Verein, aber in einer, von ihm organisierten Gruppe). Zudem hat er Kontakt zu andere Kinder, die ebenfalls zu Hause unterrichtet werden.
    Die Schule hat kein Monopol darauf, Freunde zu finden.


    Das Leistungsniveau in den Schulen sinkt ganz stark ab. Meiner Beobachtung nach in den letzten Jahren besonders stark. Ich habe sehr großes Verständnis dafür, wenn Eltern ihr Kind aus diesem Grund von der Schule abmelden.


    Er hat vielleich dadurch nicht gelernt Zeit totzusitzen, von der Tafel abzuschreiben oder sich sonst die Zeit im Unterricht zu vertrödeln. In seinen Lernzeiten arbeitet er weitestgehend frei und hochkonzentriert (er will seine Zeit effizient nutzen und dafür weniger Zeit am Tag für die Schule aufwenden müssen). Er kann sich sehr schnell Informationen beschaffen und diese zum Lernen aufbereiten. Das lernen andere oft erst an der Uni. Wenn mein Sohn mit dem Schulstoff fertig ist (ca. 1 - 2h täglich), beschäftigt er sich mit anderen Wissensgebieten, die ihn mehr interessieren.


    Ich habe auch eine Kollegin, die zu Hause unterrichtet wurde.


    Unter den Externisten an unserer Schule sind auch nicht diese Sonderlinge und Fanatiker, wie in Deutschland oft Heimunterrichtskinder (bzw. deren Familien) stigmatisiert werden. Es gibt neben schwarz und weiß ganz viel grau. Oft fühlen sich die Kinder in einer großen Gruppe nicht wohl. Es kommt oft vor, dass sich Familien zusammentun und gemeinsam lernen ("Küchentischschule").

  • Frechdachs: Wie ist das systematisch/vom Material her aufbereitet um sicherzustellen, dass ein Erfolg am Jahresende (ist ja eine ganz schön lange Zeit) nicht an mangelnder Fachkompetenz der unterrichtenden Eltern scheitert? Du bist Lehrer_in und kennst damit sicherlich deine Stärken und Schwächen gut genug, um zu wissen, wo da fachliche Grenzen sein könnten, das trifft aber ja nur auf eine Minderheit der Eltern zu, die solch ein Angebot nutzen.


    Wie kann sichergestellt werden, dass Kinder, die nicht so interessiert sind wie vielleicht dein Sohn mit weniger bildungsaffinen Eltern auch im Rahmen von Heimunterricht bestimmte Grundkenntnisse erlangen? Wie lernen Kinder in der Heimbeschuldung, dass es neben den Positionen der eigenen Meinungsblase auch alternative Konzepte gibt, die vielleicht in der Familie keine Rolle spielen (sollen), aber relevant sind, um die bestehende Gesellschaft zumindest verstehen idealiter sich in diese integrieren zu können? Schule ist ja auch dazu da einen bestimmten Wertekonsens gesellschaftlich zu implementieren. Für manchen "Reichsbürger" in Deutschland wäre da Heimbeschulung womöglich ein wahrgewordener feuchter Traum der gesellschaftlichen Neuordnung. (Ja, damit bin ich bei Sonderlingen und Fanatikern angelangt, aber da diese Bewegung durchaus relevanten Zulauf in D hat, finde ich nicht, dass man das ausklammern sollte.)



    In Deutschland gibt es ein paar Sonderformen der Beschulung, wie die Zirkusschulen (Inselschulen?) die oft nur eine ausgebildete Lehrkraft haben, die alle Fächer übernehmen muss. Sek.II-Unterricht findet da teilweise dann nur noch als Heimunterricht mit Material, PC-Prüfungen, Skype-Sprechstunde mit Lehrkräften statt in den Zirkusschulen, da dieser eher selten benötigt wird bislang. Das geht zumindest in Richtung Heimunterricht.


    Wie arbeiten da eigentlich Klinikschulen? Habe zwar schon für mehreren SuS Aufgaben für Klinikaufenthalte vorgegeben, habe da aber zuletzt mitbekommen, dass es wohl Fachlehrer nur für Hauptfächer gab, ansonsten mussten die SuS die Aufgaben mehr oder minder allein bearbeiten.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Wenn nun die sogenannten Bildungselternhäuser alle ihre Kinder zu Hause beschulen, na dann gute Nacht.


    Ich wunder mich aber auch. Wir haben z.B. Kinder aus mehrere Roma und Sinti-Familien, die teilweise nur 2 von 5 Tagen kommen. Da die Eltern aber immer entschuldigen, kann man da angeblich nichts machen. Mich ärgert das sehr. V.a. weil wir da Analphabeten und Bildungsversager ohne Ende produzieren.


    Auf der anderen Seite muss ich betteln, wenn ich meine Tochter mal für 3 Tage befreien lassen möchte, damit wir im Frühjahr mal gemeinsam Ferien haben. Sie ist Klassenbeste und könnte das sicher nachholen.

  • In Deutschland gibt es ein paar Sonderformen der Beschulung, wie die Zirkusschulen (Inselschulen?) die oft nur eine ausgebildete Lehrkraft haben, die alle Fächer übernehmen muss. Sek.II-Unterricht findet da teilweise dann nur noch als Heimunterricht mit Material, PC-Prüfungen, Skype-Sprechstunde mit Lehrkräften statt in den Zirkusschulen, da dieser eher selten benötigt wird bislang. Das geht zumindest in Richtung Heimunterricht.

    Was die Inseln angeht, gibt es dort zumeist eine Gesamtschule bis zum Ende der Sek 1. In der Sek 2 müssen die Schüler dann für den Unterricht aufs Festland. Wenn sie bei Verwandten irgendwo in der Republik unterkommen, ist es gut. Ansonsten bleibt eine Berufsschule mit Internatsbetrieb, so daß sie nur noch am Wochenende nach Hause kommen.


    Wenn da dann allerdings die Tide gerade unpassend liegt, kann es schon passieren, daß sie erst am Samstag-Nachmittag wieder auf die Insel kommen und am Sonntag Morgen wieder los müssen.


    Ich hatte jedenfalls selber mal eine Schülerin von der Insel Helgoland, die auch nur bei uns an der Schule war, weil die Großeltern in der Nähe wohnten. Die hat mir das mal dargelegt, wie der Laden so läuft. Sie konnte halt in einer Woche erst Dienstag zur Schule kommen, weil am Sonntag wegen Seenebel die Inselflieger nicht starten konnten, um sie ans Festland rüberzufliegen. Da war sie dann erst am Montagabend wieder am Schulort.

  • In Frankreich herrscht keine Schulpflicht sondern eine Bildungspflicht (anders als in den Medien vor ein paar Monaten mit einer "Schulpflicht ab 3" dargestellt wurde).
    Das Fernschul/lernsystem ist sehr gut ausgebaut, es gibt für jedes Fach von der 1. bis zur 12. Klasse ein Angebot (gut, ich spreche vom allgemeinbildenden Bereich). Man bekommt (ich spreche vom System der 90er Jahre, heutzutage haben sich die Medien vermutlich geändert ;-) ) Skripte und Hefte zugeschickt, muss in regelmäßigen Abständen Arbeiten einsenden und wenn das Fach offiziell geprüft wird (dazu komme ich gleich), dann eine "Externenprüfung" auch in einem anerkannten Zentrum ablegen, wobei es fast jede Schule sein kann.


    Ich habe selbst, aus tiefster Trauer Mathe abgewählt zu haben (zu müssen), das "Mathe-Angebot der 11. Literaturklasse" gehabt, ich habe auch tatsächlich die ersten Arbeiten eingesendet und kam erstmals gut damit zurecht. Dann war allerdings die Motivation, ein 4-stündiges Fach "aus Spass" zu lernen, neben 34 anderen Schulstunden, doch eingeschränkt und Mathe alleine lernen war nunmal nicht sooo einfach.
    An meiner Schule war die Sprachkombination relativ traditionell eingeschränkt: Deutsch/ENglisch als 1. Fremdsprache, Englisch/Deutsch/Spanisch als 2. Fremdsprache, Italienisch als 3. Fremdsprache (Latein ist immer "außer Konkurrenz" eine zweite 2. Fremdsprache). Eine Mitschülerin wollte (als Muttersprachlerin) Portugiesisch ins Abi einbringen und hat Englisch zwar besucht, allerdings den Fernunterricht für Portugiesisch 1. Fremdsprache belegt, ihre Zeugnisnoten vom Prüfinstitut bekommen und im Abitur die Prüfung für Portugiesisch abgelegt. Für die Zeugnisnoten hat sie an einzelnen gewählten Terminen eine Klausur unter Prüfungsbedingungen (fester Zeitpunkt für alle in Frankreich, unter Beobachtung, sofortige Bestätigung durch Fax und Einsendung durch die Schule an das Prüfinstitut) eine Klausur geschrieben und musste dafür raus aus dem regulären Unterricht.


    Für die Uni ist das Angebot an Fernangeboten ähnlich.


    An der Uni habe ich ein paar Leuten kennengelernt, die selbst entweder die komplette Schulzeit oder einen großen Teil der Schulzeit als Externlerner verbracht haben.
    Bei den zwei, die erst später ins Regelschulsystem eingestiegen sind, hatte es ganz pragmatische Gründe: Schulbus 20 Minuten mit dem Fahrrad entfernt wäre um 7uhr morgens gefahren, auch für die Grundschule, die eine ist in der 9. Klasse eingestiegen, die andere erst in der 10. (Oberstufe). Die eine fand es furchtbar, die andere hat es geliebt und danach die Schule als reine Absitzzeit verstanden, weil alles so langsam ging. Ihr eigener Bruder war allerdings viel "schlechter" und hat nach der 9. Klasse eine Ausbildung angefangen, in einem benachbarten Bauernhof (an den Entfernungen könnt ihr euch vorstellen, es sind Landwirtschaftskinder gewesen), die Schwester meinte über ihn, dass er durch diese Art der Beschulung noch "bäuerischer" und "Einsiedler" geworden sei.
    Bei dem dritten "Externlerner" gab es medizinische Gründe und es sind vermutlich die allermeisten Kinder, die nicht in der Schule beschult werden (neben den "Zirkuskindern").



    Ich bin was das angeht sehr zwiegespalten. Ich hatte keine schlimme Schulzeit, habe die Schule geliebt, meine MitschülerInnen allerdings nicht besonders. Eine solche Beschulung wäre genial gewesen, ich hätte Bildung wie verrückt aufgesaugt, ohne die nervigen MitschülerInnen. Aber ich mag schon jetzt nicht besonders gerne viel Kontakt zu Mitmenschen haben, was wäre denn aus mir geworden?
    Ein Ausbau der anerkannten Angebote fände ich in Deutschland allerdings sehr gut. Das finde ich zur Zeit in Deutschland (sowohl für die Schule: inexistent auf freiwilliger Basis, oder? als auch für die Hochschule: das Angebot der Fernuni Hagen ist echt dürftig) halt zu wenig.


    Chili

  • Wie arbeiten da eigentlich Klinikschulen? Habe zwar schon für mehreren SuS Aufgaben für Klinikaufenthalte vorgegeben, habe da aber zuletzt mitbekommen, dass es wohl Fachlehrer nur für Hauptfächer gab, ansonsten mussten die SuS die Aufgaben mehr oder minder allein bearbeiten.

    An guten Klinikschulen (meiner z.B.) gibt es durchaus Fachlehrer für so gut wie alle Fächer, die deutschlandweit eine gewisse Relevanz besitzen. Zugegeben: Chemie und Bio macht uns gerade Probleme... welcher Schule nicht? Allerdings sind wir per Gesetz auch eher den Hauptfächern - sprich M, D, Sprachen - verpflichtet; schon aus Zeitgründen. Da richten wir uns aber nach den Schülern; wenn jemand ein bestimmtes Fach braucht, weil es ein Profilfach o.ä. ist, bekommt er darin auch Unterricht.


    Allerdings gibt es bei Klinikschulen nicht nur solche und solche, sondern auch solche. Das reicht von der großen staatlichen Klinikschule mit 20 Lehrern bis zur Hausfrau, die mit den Kindern eine halbe Stunde am Tag ein paar Arbeitsblätter rechnet. Letzteres z.B. typisch für Häuser, in denen sogenannte "Mutter-Kind-Kuren" durchgeführt werden.

  • Wie schon eingangs erwähnt, gibt es in Österrecih eine Unterrichtspflicht, nicht aber eine Schulpflicht, d.h., Kinder dürfen auch zu Hause unterrichtet werden. Allerdings muß jedes Jahr der Lernfortschritt durch Prüfungen an (staatlichen) Schulen nachgewiesen werden. Wohl hauptsächlich aus diesem Grunde findet Heimunterricht hauptsächlich in der Primarstufe statt (wer verfügt schon über Gymnasiallehrer daheim, die alle Fächer abdecken können?) - was ich so weiß, sind die Ergebnisse der zu Hause unterrichteten Schüler meist sehr gut (das machen ja doch meist eher bildungsaffine Eltern, deren Kinder auch so über genügend Sozialkontakte verfügen). Im Gymnasium (also Sekundarstufen I und II) wird aber doch mehr Wert auf kritisches Denken, Reflexion und Deutung von Sachverhalten, etc. gelegt - Schüler, die (im Heimunterricht) nur ein einziges Welt- und Wertebild vermittelt bekommen hätten, hätten da wahrscheinlich schlechte Chancen, die externen Prüfungen zu bestehen. Außerdem: Wer (also ich meine als Elternpaar, das auf Heimbeschulung setzt) kann wirklich alle Fächer von Deutsch über Mathe bis Altgriechisch, Latein, Physik und Chemie (nicht zu vergessen: Musik und Kunst) lehrplan- und damit prüfungskonform unterrichten? Wie gesagt, im Primarschulbereich findet Heimunterricht durchaus statt, im Sekundarschulbereich aber kaum.

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