Boreout

  • @Krabappel Ich hab ein paar Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet, bevor ich ins Lehramt gewechselt bin. Tätig war ich im Bereich der klassischen Wirtschaftsinformatik (Informationssysteme und IT-Sicherheit) und hatte dort sowohl Einblick in Wirtschafts- als auch in Informatiktätigkeiten.
    Dort hab ich zwar (netto) das Doppelte von dem verdient, als das, was ich mit A14 bekomme, aber glaub mir: Das war auch alles ziemlich langweilig und so sind die meisten Jobs in der freien Wirtschaft. Dort gehts den Leuten genauso wie dir jetzt.

  • Danke @FlipFlop, das ist ja beruhigend ;) Ich wollte auch nicht die Branche wechseln, sondern innerhalb meines Berufes neue Wege finden. Was unterrichtest du denn und in welcher Schulart?

  • Danke @FlipFlop, das ist ja beruhigend ;) Ich wollte auch nicht die Branche wechseln, sondern innerhalb meines Berufes neue Wege finden. Was unterrichtest du denn und in welcher Schulart?

    Ich unterrichte Mathe und Informatik am Gymnasium.


    Ich hatte das nur erwähnt, weil manche Kollegen glauben, in der freien Wirtschaft würden Milch und Honig fließen ;)

    • Offizieller Beitrag

    Nach über ein Dutzend Jahren im Schul(front)dienst arbeite ich jetzt Vollzeit seint einiger Zeit in der Schulbehörde. Ich kenne damit nun den Schulalltag und den Behördenalltag.


    Beides hat seine Vor- und Nachteile, die jeweils teils offensichtlich sind, teils durch die Neiddebatte und Klischees überlagert sind.


    In einer Schulwoche an der Front arbeite ich zwischen 30 und 45 Stunden abhängig davon, was und wieviel anfällt. In der Behörde jede Woche 41 Stunden. Ganz egal, wie viel anfällt.
    Und spätestens hier wird der aufmerksame Leser sich fragen, wie Letzteres sein kann. Wir sprechen hier nur über Arbeitszeit. Nicht über die Arbeitsintensität.


    Würde man das Ganze mathematisch betrachten, wäre das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und den in dieser Zeit bearbeiteten Aufgaben oder erfüllten Tasks die Arbeitsintensität.
    Diese ist nach meinem eigenen Erleben in der Schule zweifellos um ein Vielfaches höher. Die Gründe dafür sind:


    Der Schulalltag


    - streng getakteter Arbeitsrhythmus im Vormittag
    - Interaktion mit >100 Personen täglich
    - 100+ größere Entscheidungen sowie "Mikro-Entscheidungen", die man im Laufe eines Schulvormittags trifft.
    - Terminarbeit (z.B. Erstellen von Klassenarbeiten sowie deren Korrektur)
    - spontan anfallende Tasks (v.a. Gespräche, Konflikte etc.)
    - viele verschiedene Arbeitsfelder
    - unterschiedliche Chancen, die vielfältigen Arbeiten zeitlich zu koordinieren
    - im Vormittag wenig Pausen zum Durchschnaufen, Essen, Trinken oder für Toilettengänge
    - Arbeitszeit nach hinten offen abhängig von Aufkommen und Selbstdisziplin


    Im Vergleich dazu die Behörde (bei einer Tätigkeit ohne Publikumsverkehr):


    - wenig Terminarbeit (mit Ausnahme von Vorgängen, die den Vermerk "eilt" oder "sofort" tragen oder von der Hausleitung kommen, Arbeit im eigenen Tempo)
    - Interaktion mit in der Regel nicht mehr als 10 Personen täglich
    - Gleitzeit, d.h. flexibler Anfang und Ende
    - wenig Entscheidungen (hier vor allem, weil man auf der untersten Hierarchieebene steht)
    - überschaubares Tätigkeitsfeld aufgrund einer vorliegenden Geschäftsordnung
    - Pausen und Toilettengänge faktisch nahezu jederzeit möglich und individuell gestaltbar
    - klare Arbeitszeit - wenn Feierabend, dann Feierabend
    - viel Leerlauf durch Vorgaben für die Bearbeitung und Weiterleitung von Vorgängen aufgrund der Geschäftsordnung
    - mitunter weniger abwechslungsreiche Tätigkeiten


    Ich empfinde die Arbeitsintensität in der Schule um ein Vielfaches höher als in der Behörde, obwohl dort alles andere als fachliche Nieten arbeiten und obwohl dort durchaus gearbeitet wird.


    Die Listen sind natürlich nicht abschließend, aber haben mir deutlich die Vorzüge und Nachteile beider Bereiche gezeigt.
    Aktuell bin ich froh, nach all der Zeit in der Schule in Vollzeit und Volllast ein bisschen durchatmen zu können. Dennoch habe ich den Anspruch an mich, auch in der Behörde tadellose Arbeit abzuliefern.


    Dem klassischen Büroarbeiter dürfte jeder Lehrer, der seine Arbeit halbwegs ernst nimmt, mit gelassener Ignoranz begegnen, wenn er wieder mit dem Halbtagsjob und den 12 Wochen bezahltem Urlaub (sic!) ankommt.
    Die zusätzlichen sechs Wochen braucht ein Lehrer, der seine Arbeit gut machen möchte, zum Ausruhen - und zum Abarbeiten aller Dinge, die während der Unterrichtszeit aus zeitlichen Gründen liegengeblieben sind.


    In der Behörde brauche ich diese zusätzliche Zeit tatsächlich nicht. Ich komme energetisch und mental mit 30 Tagen Urlaub vollauf aus. Nicht weil ich so toll wäre - sondern weil eine Woche mit 41 Stunden im Büro zumindest mich nicht ansatzweise so plattgemacht haben wie es oft eine Woche Schule getan hatte.

  • Da solltest du zuschlagen Krabappel, Bolzbold bietet dir immerhin grad rund 3500€ an. :teufel:

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • @Bolzbold
    Danke für diesen praxisnahen Vergleich.
    Da weiß ich direkt wieder, wieso ich meinen Job liebe. Das, was du da jetzt machst könnte ich nicht. ich würde eingehen...
    Aber dir trotzdem viel Spaß, solange es dir Spaß macht.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

    • Offizieller Beitrag

    @MissJones


    Um Spaß im eigentlichen Sinne ging es mir dabei nie.
    Natürlich hat mir meine Arbeit als Lehrer auch irgendwo Spaß gemacht - in Teilen bzw. in bestimmten Arbeitsfeldern - in anderen aber eben auch wiederum nicht - und das ganz erheblich.


    Ich konnte mir im Wesentlichen nicht vorstellen, Vollzeit Schule die nächsten 25 Jahre so durchzuziehen. Mental nicht und gesundheitlich auch nicht. Ganz ohne irgendeine Perspektive der Weiterentwicklung oder der Übernahme eines anderen Aufgabenfeldes auch nicht. Das gab meine Schule aber leider nicht her, nicht zuletzt, weil das Heer an jungen Probezeitlern, die ihre Probezeit "bestehen" wollten, und an Studienräten, die A14 haben wollten, die Preise verdarb.


    Relativ bald, nachdem ich in der Behörde angefangen hatte, merkte ich, wie ich innerlich mal wieder zur Ruhe kam, wie die chronischen körperlichen Beschwerden weniger wurden. Und ich merkte, dass mir die Arbeit durchaus liegt, dass ich das kann, was von mir erwartet wird.


    Ich habe jetzt noch über zwei Jahre Zeit, um mir darüber klar zu werden, was ich will und was nicht, was meiner Familie und mir gut tut und was nicht - und ob ich dann den Thread über A15 und Karriereziel dann noch einmal aufgreifen und updaten muss - oder eben nicht.

  • Finde, ich gut, dass du das mit der Arbeitsintensität einmal so klar dargestellt hast. Auch das mit den jüngeren Lehrkräften, die noch in der Probezeit sind, oder das mit den A14-Aspiranten.


    Und ich kenne kaum einen, der dieses Tempo länger als die ersten 10 Jahre durchgehalten hat. Da bezahlen es einige sogar mit ernsten gesundheitlichen Problemen, die schon in Richtung Dienstunfähigkeit gehen...


    Das auch noch einmal als Warnung an alle, die mit einem "Helfersyndrom" in die Schule kommen, und nebenbei noch die Welt retten wollen...


    Gruß !

  • Finde, ich gut, dass du das mit der Arbeitsintensität einmal so klar dargestellt hast. Auch das mit den jüngeren Lehrkräften, die noch in der Probezeit sind, oder das mit den A14-Aspiranten.


    Und ich kenne kaum einen, der dieses Tempo länger als die ersten 10 Jahre durchgehalten hat. Da bezahlen es einige sogar mit ernsten gesundheitlichen Problemen, die schon in Richtung Dienstunfähigkeit gehen...


    Das auch noch einmal als Warnung an alle, die mit einem "Helfersyndrom" in die Schule kommen, und nebenbei noch die Welt retten wollen...

    Ich finde es erschreckend, wie viel belastender die Arbeit in der Schule ist. Es muss die Pflichtstundenzahl gesenkt werden, dringend. Und zwar nicht um 1 oder 2, sondern vielleicht um 5 Stunden.
    Alles andere ist verheizen. Die große Teilzeitquote kommt nicht daher, weil wir so gut verdienen und es uns leisten können. Viele können schlicht und einfach nicht mehr und sagen: Gesundheit > Geld.

  • Die Listen sind natürlich nicht abschließend, aber haben mir deutlich die Vorzüge und Nachteile beider Bereiche gezeigt.

    Ich würde noch ergänzen:


    Schule: Man hat mehr unterrichtsfreie Zeit zur Privatgestaltung.
    Behörde: Man kann Urlaub machen wann man es will und nicht wann die Schulferien es vorschreiben.


    Ich würde z.B. gerne mal im Februar Urlaub machen, weiß aber jetzt schon, daß ich mit der Planung noch über 30 Jahre werde warten müssen und ob ich dann im Alter von über 70 noch fit genug für das bin, was ich da gerne mal machen würde, steht auf einem ganz anderen Blatt.

  • ch würde z.B. gerne mal im Februar Urlaub machen, weiß aber jetzt schon, daß ich mit der Planung noch über 30 Jahre werde warten müssen und ob ich dann im Alter von über 70 noch fit genug für das bin, was ich da gerne mal machen würde, steht auf einem ganz anderen Blatt.

    Oder du machst ein Sabbatjahr...

  • Ich glaube, du hast das Konzept des Sabbatjahres nicht verstanden.
    Hier für dich, extra von der Seite der niedersächsischen Behörde:


    Durch die Einführung des sog. Freijahres (sabbatical) wird den Beamtinnen und Beamten gem. § 8a Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten (Nds. ArbZVO) eine besondere Variante für die Arbeitszeitgestaltung der Teilzeitbeschäftigung eröffnet. Sie bietet ihnen die Möglichkeit durch Umschichtung ihrer Arbeitszeit bis zu einem Jahr ununterbrochen vom Dienst freigestellt zu werden. Auch diese Regelung trägt dazu bei, den Anteil der Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen Dienst weiter zu erhöhen und durch entsprechende Neueinstellungen Arbeitslosigkeit abzubauen, sowie auf der anderen Seite die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beamtinnen und Beamten zu erhalten und zu steigern und dadurch dem Trend zur Frühpensionierung entgegenzuwirken. Ergänzende Regelungen zur Durchführung dieser Freijahrsregelung trifft § 8b Nds. ArbZVO.

  • Ansparphase von x Jahren bei um den entsprechenden Teil reduzierte Bezüge, dann Sabbatjahr mit denselben Bezügen wie während der Ansparphase. "Ein Jahr auf Einkommen verzichten" klingt für mich anders...


    EDIT: WillG war schneller.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich glaube, du hast das Konzept des Sabbatjahres nicht verstanden.
    Hier für dich, extra von der Seite der niedersächsischen Behörde:

    Du verzichtest ein Jahr auf Einkommen, was gibt es da nicht zu verstehen?


    Drei Jahre zu hundert Prozent arbeiten bei 75% Gehalt um ein Jahr die drei mal 25 % angespartes Gehalt im vierten Jahr zu bekommen, während man nicht arbeitet.
    Macht in Summe drei Jahre Gehalt auf vier Jahre verteilt, also ein Jahr auf Einkommen verzichten.

  • "Ein Jahr auf Einkommen verzichten" klingt für mich anders...

    Man verzichtet schon auf ein Jahr Einkommen, allerdings verteilt auf mehrere Jahre. Man spart ja unbezahlte Überstunden an, weil man vollzeit arbeitet, aber nur teilzeit bezahlt wird.


    Was aber wichtiger ist: Man verzichtet auch auf ein Jahr Pensionspunkte bzw. -prozente.

  • Als Dienstherr wäre ich hochzufrieden, wenn ein Teil meiner Lehrerschaft überhaupt nicht kapiert, dass sie das Sabbatjahr selbst bezahlen. Da kann man das umso besser als soziale Wohltat verkaufen...


    Witzig ist auch die von WillG zitierte Begründung für das Sabbatjahr. Die kann man auch so lesen, dass die entsprechenden Kollegen und Kolleginnen durch den damit bedingten Einkommensverzicht die Lehrerarbeitslosigkeit bekämpfen (sehr solidarisch muss ich sagen -> "Helfersyndrom"?) und dass sie ihre eigene Gesunderhaltung durch diesen Einkommensverzicht finanzieren, da ein Vollzeitjob auf Dauer ohne "Auszeit" (Sabbatjahr) kaum zu schaffen ist...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

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