• Davon abgesehen frage ich im Ausgangspost "Welche Vor- und Nachteile SEHT IHR..."

    OK, dann schreibe ICH Dir noch zu meinen Erfahrungen mit handlungsorientiertem Unterricht. ;)


    Was das sein soll ist für mein Fach und meine Schulstufe ganz einfach erklärt, auch wenn's wenig bis gar nichts mit Deinen Fächern und Deiner Schulstufe zu tun hat. Alle unsere Schüler machen ein Semester lang alle zwei Wochen ein zweistündiges Praktikum und es gibt auch immer mal wieder Schülerexperimente im Theorieunterricht. Ziel der praktischen Arbeit ist immer am Experiment die Theorie besser nachvollziehen zu können, im Idealfall sogar aus dem Experiment neue Theorien ableiten zu können (das funktioniert längst nicht immer).


    Meine Erfahrungen mit dem Praktikum sind bei weitem nicht die besten, auch wenn noch so sehr auf diese Unterrichtsgefässe geschworen wird. Konkretes Beispiel: Während eines Praktikums beschäftigen sich die SuS mit den Aggregatszustandsänderungen des Wassers und den zugehörigen Energieumsätzen. Sie lassen Wasser in einer Kältemischung erstarren und zeichnen über den gesamten Zeitraum, bis das Wasser vollständig erstarrt ist, die Temperatur auf. Sie sehen mit EIGENEN AUGEN, dass sich die Temperatur während des Erstarrens NICHT ändert, sie sinkt erst wieder, wenn alles Wasser gefroren ist. Sie tragen ihre Messwerte graphisch auf, wir diskutieren das Experiment. Dann kommt irgendwann die schriftliche Prüfung, in der ich nach exakt diesem Phänomen frage, den Stoff Wasser durch irgendeinen anderen Stoff ersetze. 0 von 14 SuS - und es ist ein Schwerpunktfachkurs, also eigentlich muss man davon ausgehen, dass die das Fach freiwillig mit einer höheren Stundenzahl belegen und sich irgendwie auch interessieren - können die Frage beantworten. Das ist nun keine anekdotische Evidenz, sondern ist absolut repräsentativ für meine Erfahrungen aus den letzten 5 1/2 Jahren mit "handlungsorientiertem Unterricht".


    Noch schlimmer wird es mit Kursen, die Chemie nur als Grundlagenfach belegen. Mit denen ist das Praktikum im Grunde genommen Zeitverschwendung wenn man den Nutzen nur am Erkenntniszuwachs misst. Die meisten schaffen es überhaupt nicht ihre Beobachtungen mit irgendwelchen theoretischen Erklärungen zu verknüpfen. Die sehen nur ... ui, es wird grün und irgendwie trüb ... und sind dabei so fixiert aufs Reagenzglas und den Bunsenbrenner, dass ihr Hirn komplett abschaltet. Meine Kollegen berichten alle ähnliches aus dem Praktikum. Ich frage mich häufig, ob das am Konzept liegt, das am Ende vllt doch nicht so toll ist wie gedacht, oder ob es an der Kombination des Fachs mit dem Konzept liegt.

  • Es geht tatsächlich eher um theoretische Begründungen im Rahmen des Studiums. Auch wenn ich natürlich trotzdem erhoffe, auch etwas für die Praxis mitnehmen zu können
    Konkret brachte mich auf die Frage hier ein Fall eines verhaltensauffälligen Drittklässlers (vorwiegend ADHS), für den verschiedene Unterrichtskonzepte diskutiert werden sollen.

    Ja guck, und damit kann man doch auch was anfangen. Für den theoretischen Hintergrund ist Literatur lesen sicherlich am schlauesten, weil du das einfach auch zitieren kannst. Konkrete Tipps habe ich da allerdings nicht, dazu ist das Studium einfach schon zu lange her...
    Spannend finde ich wirklich die konkrete Frage, welche Unterrichtsform bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten am besten passt. Da würden mich Erfahrungswerte auch sehr interessieren. Das Dumme ist ja, dass man auch in seinem eigenen Unterricht nicht permanent alles umwerfen kann, nur um mal auszuprobieren, ob es anders nicht besser wäre.
    Das finde ich manchmal schade. An meiner vorherigen Schule mit sehr vielen auffälligen Schülern war die einhellige Meinung des bestehenden Kollegiums ja immer: all diese "modernen" (=offenen) Unterrichtsformen könne man ja anderswo gerne machen, aber nicht mit unseren Schülern. Die bräuchten klare Strukturen und enge Führung und könnten mit Freiraum sowieso nicht umgehen. Diese sehr enge Führung bedeutete aber bei diesen Kollegen vor allem einen feldwebelartigen Umgangston. In der Tat hatten die dann auch weniger Unterrichtsstörungen und waren im Stoff scheinbar immer schon weiter. Ich selber kann und will diesen Umgangston aber nicht und hatte dementsprechend mehr Schwierigkeiten. Was den Stoff angeht, habe ich aber irgendwann gemerkt, dass das auch viel Augenwischerei war. D.h. die Kinder in diesen Klassen waren eingeschüchtert genug den Frontalunterricht ohne größeren Widerstand "abzusitzen", und die Lehrer sind dann einfach stur im Lehrgang weitergegangen ohne groß zu differenzieren. Wenn man dann aber (z.B. in Vertretungsstunden) mal geguckt hat, was sie wirklich verstanden hatten war das erschreckend wenig (und auf keinen Fall besser als in meiner Klasse). Ich selber kenne das auch aus meinem Unterricht (jetzt mit deutlich einfacheren Kindern), dass ich in frontalen Phasen immer denke: oh prima, sie haben es verstanden aber wenn es dann an die Arbeit geht, merke ich, dass es eben doch immer Kinder gibt, die aus diesen Phasen überhaupt nichts mitnehmen. Insofern finde ich frontale Phasen zwar durchaus wichtig um gemeinsam Neues einzuführen ich sehe aber auch deutlich die Grenzen.
    In den offeneren Phasen habe ich einerseits auch die Kinder, die mit dem Freiraum nicht gut umgehen können und versuchen das dazu zu nutzen einfach mal gar nichts zu machen, andererseits kann ich in diesen Phasen deutlich besser differenzieren und auf einzelne eingehen. Manche Kinder erreiche ich echt nur so. Ich fahre also so ein Mischkonzept und im Moment bin ich damit auch ganz zufrieden, aber manchmal frage ich mich auch, wie es wäre, wenn ich noch konsequenter öffnen würde.
    Erfahrungsberichte wie die von Krabappel gibt es ja auch immer wieder und theoretisch leuchtet es mir auch ein, dass ein Teil von störendem Verhalten ja auch aus ständiger Über- oder Unterforderung entsteht bzw. aus dem ständigen Unterdrücken von anderen Bedürfnissen, so dass manchmal gerade diese Kinder in offenen Formen besser laufen, weil es besser auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. In den Ferien habe ich z.B. ziemlich viel über das Churer Modell gelesen und fand das ganz spannend. Ich könnte mir das durchaus vorstellen, habe aber keine Menschen in meinem Umfeld, die in dieser Richtung Erfahrung haben und mit denen man sich da mal austauschen könnte. Insofern finde ich Erfahrunsberichte zu verschiedenen Unterrichtsformen immer sehr spannend.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • @Buntflieger, du reitest m.E. auf dem "irgendwas machen" rum, es geht aber nicht darum, am Ende was gebastelt zu haben.
    ...
    Ich glaube, der wesentliche Unterschied liegt im Verstehen, im Gegensatz zum Auswendiglernen. Was nicht bedeutet, dass man im schulischen Alltag ständig Projekte durchführen kann.
    ...
    Für Erwachsene gilt, denke ich, Ähnliches. Deswegen kann ich Trompetespielen nicht ohne Trompete lernen und Unterrichten nicht ohne Referendariat. Theorie ist nur so lange hilfreich, wie du etwas Konkretes "im Kopf" hast, wo du sie einordnen kannst, m.a.W. "Lernen".


    Hallo Krabappel,


    nein, ich reite nicht "auf dem irgendwas machen rum", ich hatte gesagt bzw. zu erklären versucht, dass Handlungsorientierung häufiger so verstanden wird, weil das Konzept unklar ist.


    Dass das bloße Auswendiglernen von "Stoff" vor dem Hintergrund moderner Bildungsziele kein ernstzunehmender Unterricht (mehr) ist, dürfte hinreichend klar sein. Es geht selbstverständlich immer darum, kognitive Aktivierung (Verständnis) zu erreichen. Die Frage ist die, wie das am effektivsten geschehen kann und nicht, ob man irgendwas stupide auswendig lernen sollte - das ist (zum Glück) längst vom Tisch.


    Theoretisches Verständnis würde ich auch nicht gegen praktische Künste ausspielen, schon gar nicht gegen Grundfertigkeiten, die in der Regel durch alltägliche Aktivitäten automatisch erlernt werden (z.B. Schuhe binden oder Socken anziehen etc.). Wenn heute manche Kinder in der Grundschule nicht mehr fähig sind, eine Schere zu bedienen, muss das wohl oder übel von der Schule übernommen werden. Hier wäre die Theorie - als Beispiel - darauf beschränkt, den Kindern vor der praktischen Übung zu erklären, dass man eine Schere niemals mit der Spitze nach vorne durch die Gegend trägt, da sonst akute Verletzungsgefahr besteht.


    Ob wir nun eine Handlung im Kopf vollziehen bzw. nachvollziehen (beides ist möglich, da ja auch das Denken letztlich eine Handlung darstellt) oder diese händisch ausführen, stellt keine Gegensätzlichkeit dar. Das eine lässt sich nicht gegen das andere ausspielen, das ergibt auch keinen Sinn. Oder hast du jemals einen Trompetenkurs gesehen, der sich auf Musiktheorie beschränkt? Einen Malkurs, der ausschließlich aus gelehrten Vorträgen über Bildkunst besteht? Sehr wahrscheinlich nicht.


    der Buntflieger

  • ... Sie sehen mit EIGENEN AUGEN, dass sich die Temperatur während des Erstarrens NICHT ändert, sie sinkt erst wieder, wenn alles Wasser gefroren ist. Sie tragen ihre Messwerte graphisch auf, wir diskutieren das Experiment. Dann kommt irgendwann die schriftliche Prüfung, in der ich nach exakt diesem Phänomen frage, den Stoff Wasser durch irgendeinen anderen Stoff ersetze. 0 von 14 SuS - ... können die Frage beantworten.

    Was hätten sie lernen sollen, also was wird genau abgefragt?



    ...
    Oder hast du jemals einen Trompetenkurs gesehen, der sich auf Musiktheorie beschränkt? Einen Malkurs, der ausschließlich aus gelehrten Vorträgen über Bildkunst besteht? Sehr wahrscheinlich nicht.


    Nee eben, das sag ich ja :) Und ich glaube auch nicht, dass man irgendwas ausspielen müsste oder dass irgendwo nur im Chor nachgesprochen würde (in Deutschland zumindest nicht), sondern dass verstehen ein aktiver Prozess ist und dass Handlungsorientierung meint, diesen Prozess anzuregen. So verstehe ich das zumindest.


    Mein Unterricht war nicht sehr handlungsorientiert, auch wenn nicht nur sklavisch auswendig gelernt wurde. Aber ich weiß vieles aus der Schulzeit nicht mehr. Das, wo ich selbst etwas rausfinden oder nachvollziehen durfte, hab ich mir, so meine ich, besser gemerkt. Referate zum Beispiel. Aber vielleicht stimmt’s auch nicht, vielleicht erinnere ich mich auch nur besser an die Situation des Referats ^^ Ganz ohne Üben und wiederholen bleibt am Ende halt auch nix hängen.

  • Zum Thema Handlungsorientierung fällt mit gerade wieder die Warnung meines Hauptseminarleiters ein, diesen Begriff bloß nicht in die Unterrichtsentwürfe zu schreiben, das könne ganz schnell nach hinten losgehen, weil nicht klar genug definiert und dadurch schnell falsch verstanden (oder so)...

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • (...) Und ich glaube auch nicht, dass man irgendwas ausspielen müsste oder dass irgendwo nur im Chor nachgesprochen würde (in Deutschland zumindest nicht),(...) auch wenn nicht nur sklavisch auswendig gelernt wurde.

    Dass das bloße Auswendiglernen von "Stoff" vor dem Hintergrund moderner Bildungsziele kein ernstzunehmender Unterricht (mehr) ist, dürfte hinreichend klar sein. Es geht selbstverständlich immer darum, kognitive Aktivierung (Verständnis) zu erreichen. Die Frage ist die, wie das am effektivsten geschehen kann und nicht, ob man irgendwas stupide auswendig lernen sollte - das ist (zum Glück) längst vom Tisch.

    Ähm nein, chorisches Sprechen ist das Mittel der Wahl (sic!) im Fremdsprachenunterricht zum Aussprachetraining, auch das "stupide Auswendiglernen" halten wir Fremdsprachenlehrer für nicht ganz so stupide und erwarten deshalb von unseren SuS Vokabeln einzeln oder im Satzgefüge auswendig zu lernen. Beides ist damit absolut und ohne jeden Zweifel Teil eines ernstzunehmenden Unterrichts mit modernen Bildungszielen, weshalb derartige Methoden sicherlich auch in 20 Jahren noch nicht vom Tisch sein werden. Manche "Klassiker" gehen einfach nicht besser, weil sie schon eine bestmögliche Erreichung eines bestimmten Lernziels ermöglichen.


    In Wirtschaft/GK würde ich das oben Geschriebene weitestgehend unterschreiben: Natürlich lasse ich meine SuS nicht einzelne Artikel des GG auswenig lernen, erwarte aber absolut, dass mir jeder nach Beendigung einer Unterrichtseinheit zum Grundgesetz sagen kann, dass Art,1 GG die Menschenwürde behandelt und der Ewigkeitsklausel unterliegt, sprich auch von einer noch so jecken AfD nicht abgeschafft werden könnte. Ob sie das dann infolge der erfolgreichen Aktivierung von Tiefenstrukturen im Unterricht memorisieren oder weil sie es für eine Klassenarbeit auswenig gelernt haben ist mir dabei erstmal ziemlich latte, wobei ersteres natürlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es sich nicht nur um "Bulimie-Wissen" handelt, sondern tatsächlich einen Beitrag zur Mündigkeit darstellt. (Tatsächlich können alle meine Klassen am Ende der Unterrichtseinheit wenigstens 5 der ersten 10 Artikel des GG benennen dank einer Geschichte zur kognitiven Aktivierung, die ich in der Einführungsstunde mit denen durchspiele.)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • ...erwarte aber absolut, dass mir jeder nach Beendigung einer Unterrichtseinheit zum Grundgesetz sagen kann, dass Art,1 GG die Menschenwürde behandelt und der Ewigkeitsklausel unterliegt, sprich auch von einer noch so jecken AfD nicht abgeschafft werden könnte. ...

    Natürlich muss man üben und wiederholen, Vokabeln sowieso. Aber um zu verstehen, was „Menschenwürde“ bedeutet, lässt man sie ja nicht nur den Gesetzestext lesen.


    Nochmal, dass man vom bloßen nachmachen, herstellen oder aufsagen wegkommt: Induktiv vs. deduktiv war der entscheidende Unterschied...

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • Tatsächlich können alle meine Klassen am Ende der Unterrichtseinheit wenigstens 5 der ersten 10 Artikel des GG benennen dank einer Geschichte zur kognitiven Aktivierung, die ich in der Einführungsstunde mit denen durchspiele.

    Können es 2 Monate DANACH immer noch alle Schüler?

  • Alle: nein, überraschend viele meiner letztjährigen 8er kamen mithilfe der eingeführten unterstützenden Symbole/Bilder aber noch auf 3-4 und gemeinsam im Klassenverband waren 8/10 meist noch benennbar. (Hatte ich selbst nicht erwartet, war etwas, was ich methodisch von einer Kollegin übernommen habe und angesichts des Erfolgs natürlich weiterführe.)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Was hätten sie lernen sollen, also was wird genau abgefragt?


    [Sicht eines Physiklehrers]:
    Bei der Änderung des Aggregatzustandes muss Wärme zugeführt oder abgegeben werden.


    Bsp.: Wenn du ein Thermometer in einen Eiswürfel "einbauen" würdest, und holst ihn aus dem Gefrierfach, dann hat er meinetwegen -10°C. Dann legst du ihn in die Küche und es wird Wärme von Unterlage und Raumluft auf den Eiswürfel übertragen, er erhöht (lokal) seine Temperatur bis auf 0 Grad und fängt an zu schmelzen. Dann bleibt die Temperatur solange konstant bei 0°C, wie noch Eis da ist, obwohl weiter Wärme zugeführt wird. Das ist überraschend, weil die Zufuhr von Wärme normalerweise immer mit Temperaturerhöhung einher geht. Ursache ist, dass man auch "Energie braucht" um den Aggregatzustand zu ändern. Wenn das Eis komplett geschmolzen ist, hat man Wasser, welches auf weitere Wärmezufuhr wieder ganz normal mit Temperaturerhöhung einher geht.


    Noch ein Beispiel: Nudeln kochen. Du stellst Wasser auf den Herd, machst den Herd an, Wärme wird zugeführt. Die Temperatur des Wassers steigt, bis auf 100°C und bleibt dann trotz weiterer Wärmezufuhr (Herd ist ja an!) konstant, solange bis das ganze Wasser verdampft ist. Die zugeführte Wärme ist dann nicht nur darin gespeichert, dass das Wasser eine Temperatur von 100°C hat, sondern auch darin, dass es gasfürmig ist. Wenn das Wasser dann wieder kondensiert, wird diese Wärme frei. Deshalb kannst du dir am Dampf so herrlich die Hände verbrennen.
    Und aus dem selben Grund bekommst du, wenn 100g Eis der Temperatur 0°C in ein Glas Cola gibst, eine geringere "Mischungstemperatur" als wenn du 100g flüssiges Wasser der Temperatur 0°C dazugibst.



    Diese beschriebenen Effekte treten eben nicht nur bei Wasser auf, sondern auch bei anderen Stoffen.

  • Induktiv vs. deduktiv war der entscheidende Unterschied...

    Ich glaube, Du gebrauchst die beiden Begriffe gerade falsch bzw. im falschen Kontext. Es es liest sich gerade so, als sei das eine "gut" und das andre "schlecht" - korrigiere mich, falls ich Dich falsch verstehe.



    [Sicht eines Physiklehrers]:
    Bei der Änderung des Aggregatzustandes muss Wärme zugeführt oder abgegeben werden.

    Wieso "Sicht des Physiklehrers"? Kann man das auch anders "sehen"? Es ist halt einfach so und es lässt sich relativ einfach experimentell erfassen und quantifizieren. Haben wir gemacht, hat nichts genützt. War übrigens schon die dritte Wiederholung und immer noch sind die SuS nicht in der Lage, den Transfer zu einem anderen Beispiel zu leisten. Ist eben leider nicht nur in diesem Kurs so, sondern gemäss meiner persönlichen Statistik ein allgemeines Phänomen.

  • Wieso "Sicht des Physiklehrers"? Kann man das auch anders "sehen"? Es ist halt einfach so und es lässt sich relativ einfach experimentell erfassen und quantifizieren. Haben wir gemacht, hat nichts genützt. War übrigens schon die dritte Wiederholung und immer noch sind die SuS nicht in der Lage, den Transfer zu einem anderen Beispiel zu leisten. Ist eben leider nicht nur in diesem Kurs so, sondern gemäss meiner persönlichen Statistik ein allgemeines Phänomen.


    Ich weiß halt nicht ob ihr da noch mehr zu sagt oder so. Und da Chemie nicht mein Fachgebiet, bin ich da mal zurückhaltend.

  • Zur Begrifflichkeit:
    Ehrlich gesagt empfinde ich die vier angeführten Begriffe nicht eindeutig auf derselben Ebene.
    Z.B. kann ein Projektunterricht ein Unterpunkt des handlungsorientierten Unterrichts sein bzw. ist es, siehe Krabappel.
    https://de.wikipedia.org/wiki/…gsorientierter_Unterricht


    Geht es nicht insgesamt um die Unterscheidung im Unterricht als den
    - vom Lehrer ausgehend, instruierend den Unterrichtsstoff präsentierend
    - vom Schüler ausgehend, entdeckend? (konstruktivistisch in der Folge?)


    Alles andere wären dann methodische Unterpunkte. Manche Methoden passen je nach Abwandlung in beide Unterrichtskonzepte.


    Prinzipiell bin ich ebenso der Meinung, dass man die Methoden aufgrund der klassischen Unterrichtsplanungskriterien wie dem Unterrichtsgegenstand, der Klassensituation, den Lernvoraussetzungen und dem Alter der Schüler wählen muss. Bei einer "idealen Klasse" kann man alles machen. Bei einer Klasse, die schwierig ist, muss man sich die Methoden klar überlegen.
    Zudem müssen manche Methoden bewusst eingeführt werden und den Schülern Regeln klar gemacht werden, gerade was die schülerzentrierten Methoden betrifft.

  • Tja, das pädagogische Tabu: Braucht es stumpfes Pauken oder nicht?


    Ich schreibe mal als Vater, weil mein Sohn es kürzlich so schön auf den Punkt gebracht hat: Geschichte lernt er mühelos, weil ihn das interessiert. Erdkunde muss er sich reinpauken, weil es ihn überhaupt nicht interessiert.


    Und, was das Ganze so schön vergleichbar macht: Er hat beide Fächer beim gleichen Lehrer.


    Wir haben beispielsweise in der Grundschule (ganz schön mutig) aus einem Bausatz einen Elektromotor gebaut. Ich weiß heute noch, wie ein Elektromotor funktioniert, und sehe das Teil auch noch vor mir. Dinge, die ich "handelnd" gelernt habe, und die mich gleichzeitig interessierten (alles mathematisch-naturwissenschaftlich-technische, sowie das musikalische) kann ich mir völlig mühelos und fast endlos lange merken.


    Gleichzeitig war ich z.B: bei historischen Fakten (im Unterschied zu meinem Sohn) völlig unfähig, mir irgend was zu merken, da musste ich mir das "reinpauken". Und wenn schon pauken, dann bitte effektiv (Lernsystem).

  • Der Handlungsaspekt spielt in der Grundschule eine große Rolle. Gerade an deinem Beispiel sieht man, dass man, wo es geht, möglichst vieles ausprobieren und nicht einfach in der Theorie lernen sollte.
    Bei vielen Unterrichtsinhalten geht das allerdings schwer.
    Nur frage ich mich, ob bei einer einmaligen Powerpointpräsentation, die man passiv sieht bzw. der man zuhört, wirklich so viel dabei hängen bleibt wie wenn man sich das Thema mit geeigneten Materialien selbst strukturiert und erarbeitet hat. Das sagt ja schon die Lerntheorie, dass alles, was man sich erarbeitet oder selbst ausprobiert, besser merken kann.
    Des weiteren kann man sich besser merken, für das man sich 1. interessiert, wo schon 2. hirnphysiologisch Grundstrukturen da sind, an die man andocken kann und wenn man 3. etwas häufiger wiederholt.
    Die Lerntheorie bestätigt deine Erfahrungen, goeba.

  • @MarPhy Physiker und Chemiker sagen ziemlich oft genau das gleiche, was den Fall eigentlich noch tragischer macht.


    Ich glaube "Interesse" ist der entscheidende Punkt und zwar vor allem bei Jugendlichen. Kinder sind ja häufig noch neugierig auf sehr viele Dinge, Jugendliche definitiv nicht mehr. Die Interessierten kann man mit Praktikum und Projekten motivieren, den Uninteressierten geht das am Arsch vorbei.

  • Ich glaube, Du gebrauchst die beiden Begriffe gerade falsch bzw. im falschen Kontext. Es es liest sich gerade so, als sei das eine "gut" und das andre "schlecht" - korrigiere mich, falls ich Dich falsch verstehe.

    Nicht besser, nur umgekehrt. Und es hat eben nichts mit einem Arbeitsprodukt zu tun. Ich verstehe es so, dass der Unterschied darin liegt, ob ich von einem Fall, hier schmelzendes Wasser und Temperatur, auf andere Aggregatzustände schließe oder ob ich den Schülern von den Zusammenhängen erzähle und sie dann Beispiele rechnen/aufschreiben lasse oder auch Experimente machen lasse.


    In diesem Fall war es (möglicherweise?) so, dass die Schüler zwar mit Wasser und Thermometer Kurven gezeichnet haben aber dann der Schritt fehlte, wo sie den Rückschluss aufs allgemeine Prinzip gezogen haben. Wie du sagtest: sie beobachten und sagen ui, es wird grün, aber was das bedeutet, ist ihnen noch nicht klar, auch wenn sie selbst irgendwas zusammengekippt haben.


    Hätten sie aber das Prinzip in eigenen Worten aufschreiben oder einem anderen erklären müssen, wäre der Gedankengang abgeschlossen und zusammen mit dem selbst durchgeführten Versuch hätten sie sich's gemerkt. Oder?


    (Im Grunde war Trompetespielen auch ein blödes Beispiel, weil Trompete nur durch reinblasen funktioniert...)

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • Und Du denkst, das haben sie nicht getan, also das aufschreiben? Das gehört natürlich zur Auswertung des Experiments dazu, was denn sonst. Und wie ich bereits schrieb: Es war die dritte Wiederholung. :gruebel:


    Edit: Also jetzt mal in ausführlicher. Deduktion und Induktion gehören im Experimentalunterricht doch wohl immer zusammen. Wenn ich nicht gerade irgendwas "zum Spass" mache, weil kurz vor Ferien oder so, dann versuche ich aus der Beobachtung irgendeine Gesetzmässigkeit abzuleiten, die ich im Idealfall noch mal im Experiment überprüfe (diesen Schritt gehen wir häufig aus Zeitgründen nicht) und dann anhand verschiedener Übungsaufgaben "trocken" verinnerliche. Das ist der Standardablauf im NaWi-Unterricht.


    Edit 2: Induktion und Deduktion haben nichts mit der Unterrichtsform zu tun. Ich kann ein Experiment auch vorzeigen, der Ansatz ist immer noch deduktiv.

    2 Mal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

  • Edit 2: Induktion und Deduktion haben nichts mit der Unterrichtsform zu tun. Ich kann ein Experiment auch vorzeigen, der Ansatz ist immer noch deduktiv.

    Schön, dann meinen wir dasselbe ;)


    Trotzdem schade, dass euer Praxissemester nicht so doll läuft, hört sich nämlich eigentlich spannend an. Lernen sie denn irgendwas anderes dabei? Kooperation, Strukturierung oder so?

  • Ähm nein, chorisches Sprechen ist das Mittel der Wahl (sic!) im Fremdsprachenunterricht zum Aussprachetraining, auch das "stupide Auswendiglernen" halten wir Fremdsprachenlehrer für nicht ganz so stupide und erwarten deshalb von unseren SuS Vokabeln einzeln oder im Satzgefüge auswendig zu lernen. Beides ist damit absolut und ohne jeden Zweifel Teil eines ernstzunehmenden Unterrichts mit modernen Bildungszielen, weshalb derartige Methoden sicherlich auch in 20 Jahren noch nicht vom Tisch sein werden. Manche "Klassiker" gehen einfach nicht besser, weil sie schon eine bestmögliche Erreichung eines bestimmten Lernziels ermöglichen.

    Hallo CDL,


    so war das auch nicht gemeint. Viele verbinden mit dem Auswendiglernen eben die Vorstellung, dass man den lieben langen Tag nur das nachsagt, was der Lehrer vorne monologisierend von sich gibt. Ob Schule jemals so war, weiß ich nicht, aber das ist doch die gängige Vorstellung von Anti-Schule seit ich denken kann. Mag gut sein, dass es sich immer schon nur um ein Vorurteil handelte.


    der Buntflieger

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