Noten als Disziplinierungsmittel

  • Angesichts von Sommertraums Anmerkung zu Noten als Disziplinierungsmittel würde ich das gerne mit euch in einem eigenständigen Thread diskutieren, um als Ref/angehende Jungelehrerin von eurer Berufserfahrung zu profitieren.


    Die Theorie ist klar: Noten haben unter anderem eine klare Sozialisationsfunktion, dienen insofern auch dem Erlernen gesellschaftlich anerkannter sozialer Regeln. In der Praxis ist genau diese Funktion aber sicherlich hochumstritten. Ich selbst merke, wie mir an dieser Stelle manchmal mein "innerer Gärtner" ins Gehege kommt mit der beruflichen Realität in der einen oder anderen Klasse.
    In den meisten meiner Klassen gelingt es mir Regeln ohne zusätzlichen Notendruck auf der Beziehungsebene auszuhandeln bzw. deren Einhaltung sicherzustellen (= happy gardening). Eine meiner Klassen spricht auf mein "Standardprogramm" aus Beziehungsarbeit und konsequenter Klassenführung aber nicht an. Die Empfehlung erfahrenerer Kollegen die in der Klasse sind lautet dahingehend ein straffes Programm aus konstantem Notendruck (unangekündigte Tests, benotete Gruppenarbeiten,...), Elternarbeit (da die Eltern in dieser Klasse engagiert sind und ein Interesse am Unterrichtsverhalten ihrer Kinder haben), Verhaltenseinträgen und bestärkender Beziehungsarbeit durchzuziehen. Zuckerbrot und Peitsche in der verschärften Version wenn man so will und mehr der Einsatz im "Raubtiergehege" als Dompteur. Noten sind damit in dieser Klasse ganz klar ein Mittel der Disziplinierung, Sanktionierung und haben erst danach die Funktion den aktuellen Lernstand rückzumelden. Die Krux die ich sehe ist, dass damit Lern- und Leistungsraum kaum noch getrennt werden. Ängstliche SuS, die Fehler vermeiden wollen, könnten damit wichtigen, geschützten Übungsraum verlieren.


    Wie steht ihr zu dieser speziellen Funktion von Noten? Wie handhabt ihr das in eurem Unterricht (vielleicht auch um eine Klassenführung wie die oben Dargestellte vermeiden zu können)? Gibt es Klassen, bei denen ihr entgegen eurer sonstigen Überzeugungen und Konzepte dennoch anders agiert oder gelingt es euch dank entsprechender Berufserfahrung "eurer" Linie treu zu bleiben?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich halte viel von "natürlichen Konsequenzen", also Folgen, die sich logisch aus dem Verhalten ergeben. Wenn ein Schüler nicht aufpasst und lieber stört, rufe ich ihn auf. Kann er die geforderte Leistung nicht erbringen, weil er eben nicht zugehört hat, ist eine schlechte Note (natürlich nicht beim ersten Mal, sondern wenn es zum 3. oder 4. Mal so passiert) für mich die natürliche Konsequenz. Kann er die Leistung doch bringen, weil er besser zugehört hatte, als ich dachte - trag ich ihm (auch im Wiederholungsfall) auch die gute Note ein, damit hab ich kein Problem. Den Schülern ist dieses Vorgehen von Anfang an klar.


    Ich könnte den Spieß auch umdrehen und sagen Disziplin ist ein Mittel für gute Noten?


    Bzgl. der ängstlichen SuS: ich stelle auch von Anfang an klar, dass man bei Unterrichtsbeiträgen auch Fehler machen darf, ich vergeben keine Noten auf einzelne Beiträge, sondern auf einen "Gesamteindruck" nach mehreren Stunden. Ich stelle auch Fragen, die schwächere SuS eigentlich beantworten können müssten - dann haben die auch eine Chance auf eine akzeptable Note.


    Und ja, ich handhabe das in verschiedenen Klassen verschieden. Dort, wo ich das Gefühl habe, dass es im Prinzip gut läuft, kann ich auch mal großzügiger sein, das hat nix mit "Linie treu bleiben" zu tun, sondern mit pädagogischem Feingefühl. Ich denke, dass SuS bei mir kein schlechtes Leben haben, wenn sie sich grundsätzlich bemühen, meist aufmerksam sind, ihre Aufgaben erledigen etc, denn dann lass ich einige Dinge recht großzügig laufen. Funktioniert das nicht (und ich stelle das am Anfang des Jahres sehr klar, welchen Spielraum sie bei mir im Normalfall haben), fallen diese "Vergünstigungen" weg (auch das ist von Anfang an klar).


    Bsp.: Vergessene Hausaufgaben oder Materialien müssen mir am Anfang der Stunde "gebeichtet" werden. Geschieht das, notiere ich mir das, das Vergessene wird nachgeholt aber davon abgesehen passiert nichts (kein Hinweis, keine Nacharbeit etc). Sollten aber einige SuS gehäuft vergessen, dann gilt das genau für diese SuS nicht mehr. (gehäuft: je nach Stundenzahl im Fach: in einem Monat jede Woche einmal, zum Beispiel).

  • Ich habe auch einen Kurs, in dem ich leider auch mit Noten diszipliniere bzw. mich dazu genötigt fühle. Das liegt einfach an konsequenter Arbeitsverweigerung selbst einfacher Aufgaben wie dem Abschreiben von Vokabeln, wodurch sich eine Überforderung ausschließt. Außerdem ist es wohl offensichtlich, was SuS als Leistung für eine Woche erhalten, wenn beinahe nichts erledigt wurde. Ich habe sie zum Nacharbeiten unter Aufsicht einbestellt, wozu sie nicht erschienen sind. Das ist frustrierend für beide Seiten. Ich gebe nur mein Bestes, den SuS regelmäßig die Hand zu reichen und Hilfestellung anzubieten und lobe selbst kleine Fortschritte wie das Abschreiben von ein paar Vokabeln.


    Darüber hinaus lasse ich mittlerweile wöchentlich Tests schreiben, die entweder Vokabeln oder Grammatik der jeweiligen Woche abfragen. Einerseits erzeugt dies zwar einen Notendruck, da für den Test gelernt werden muss. Andererseits haben die SuS auch jede Woche erneut die Möglichkeit, ein positives Erlebnis zu erfahren.


    In anderen Kursen ist das Ganze unkomplizierter, da herrscht eine höhere Motivation und der Kurs ist auch wesentlich leistungsstärker. Wenn dann jemand mal mit unpassenden Bemerkungen, regelmäßigem Zuspätkommen o.ä. auffällt, reicht meist ein kurzes Gespräch unter vier Augen und die Situation bessert sich dann auch.

  • Ich halte nichts davon, Noten zur Disziplinierung zu vergeben, aber in gewisser Weise haben sie diesen Effekt natürlich durchaus. Was ist der Unterschied?


    Wenn jemand den Unterricht stört und ich ihm deswegen eine schlechte Note gebe, wäre das eine Note zur Disziplinierung. Das darf sicherlich gar nicht (mehr) so sein. Wenn jemand den Unterricht stört und ich ihn dann zu einer Leistungskontrolle drannehme (damit er zeigen kann, was und ob er trotz Störungen etwas gelernt hat), dann ist das für mich keine Note zur Disziplinierung, aber sie hat eben doch "auf Umwegen" durchaus diesen Disziplinierungseffekt ( = lieber nicht stören, sonst kommt man zu einer LK dran). Allerdings wäre in letztem Falle ja auch eine gute Note möglich.


    Mittels Noten stelle ich den Leistungsstand eines Schülers fest. Das sehe ich nicht als "direkte" Disziplinierung an.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Ich finde, da muss man trennen. "Oskar, du quatschst jetzt das 3. Mal rein, das gibt eine 6" wäre falsch. Unangekündigte Tests hingegen sind ein normales Mittel, die Leistung zu checken. Benotete Gruppenarbeiten kommen sogar den zurückhaltenderen Kindern zugute.


    An meiner Schulart wird eh nie zu Hause gelernt, die Noten sind konstant (welche, die immer was wissen, welche, die gar nichts verstehen und welche, bei denen es aufs Fach ankommt). Sie wollen zwar gute Noten und ärgern such über schlechte, können aber nicht im Voraus dafür was tun. Auch die Drohung: dann gibts eine 5 in Betragen interessiert nicht oder kann nicht das Vefhalten über ein Halbjahr steuern. Daher funktioniert "Notendruck" bei uns überhaupt nicht. Und die Verhaltensauffälligen unter unseren Kids, haben meist auch die besten Leistungen...


    Disziplin, wenn man es so nennen mag, hat viel mit Konsequenz zu tun und mit dem Kennen der Schüler. Ich sehe das daran: Je häufiger der Klassenlehrer wechselt, desto schwieriger die Klasse und die Klassen, die ich seit 5 Jahren kenne, laufen am besten.


    Was auch hilft: beschäftigen. Die benotete Gruppenarbeit könnte auch einfach deswegen funktionieren, weil's eine Gruppenarbeit ist und jeder eine konkrete Aufgabe bekommt und sich einbringen muss.

  • (...) Die benotete Gruppenarbeit könnte auch einfach deswegen funktionieren, weil's eine Gruppenarbeit ist und jeder eine konkrete Aufgabe bekommt und sich einbringen muss.

    "Funktionieren" ist in der Klasse von der ich geschrieben habe gar kein Problem: Die bringen fachlich egal mit welcher Methode mehrheitlich gute Leistungen und stellen spannende, durchaus im Vergeich mit anderen Klassen auch ungewöhnliche Fragen (fachlich macht das wirklich große Freude mit denen zu arbeiten, pädagogisch ist es als Ref eher Bundesliga). Dabei herrscht allerdings eine unfassbare Grundunruhe und Lautstärke im Raum, die man als Lehrkraft kaum erträgt und der nur sehr schwer beizukommen ist. Da es immer dieselbe Handvoll SuS ist, die diese Unruhe anzetteln sind z.B.benotete GA ein Weg, diese SuS "einzuhegen" ins Unterrichtsgschehen, weil sie sich entscheiden müssen zwischen dauerhaftem Quatsch & Unfug oder eben der Mitarbeit und damit der guten Note, die sie, wenn sie mitarbeiten, im Regelfall auch erzielen.


    Trotzdem finde ich das im Hinblick auf andere Lerngruppen einen wichtigen Ansatz den du ansprichst Krabappel, einfach auch um möglichst alle SuS zu aktivieren und in den Lern- und Arbeitsprozess einzubeziehen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • ... z.B.benotete GA ein Weg, diese SuS "einzuhegen" ins Unterrichtsgschehen, weil sie sich entscheiden müssen zwischen dauerhaftem Quatsch & Unfug oder eben der Mitarbeit und damit der guten Note, die sie, wenn sie mitarbeiten, im Regelfall auch erzielen.

    Da in den Klassen, in denen ich unterrichte, keine Noten interessieren (sie benehmen sich entweder scheiße oder nicht) hab ich die Vermutung angestellt, ob die GA einfach deswegen läuft, weil die Hibbels was zu tun haben, selbst wenn du keine Noten erteilen solltest.


    Es gibt ja auch Schulen, wo man gar keine Noten erteilt, die Klassen arbeiten trotzdem. Ich glaube, dass der Notengebung viel zu viel Bedeutung beigemessen wird. Sie ist nur für die Kinder lustig, die gute Noten haben... Aber egal, das steht nicht zur Debatte.


    Konkret meine ich: Wenn du sagst, Leute, ihr macht jetzt das und das, für dieunddie Kriterien vergebe ich Noten machst du alles transparent und richtig. Wer nicht liefert hat ne 5 oder 6.
    Sagst du aber: ihr stört schon wieder, das nervt aber, so kriegt ihr aber schlechte Noten oder gar hinterher: das war mir zu unruhig, da trag ich jetzt x und y mal 6en ein, sehen die Kinder keinen Zusammenhang zu ihrer Leistung und fühlen sich zu Recht ungerecht behandelt, da sie ja gar nicht die Möglichkeit hatten, zu zeigen was sie wissen.

  • Ich halte nichts davon, Noten zur Disziplinierung zu vergeben, aber in gewisser Weise haben sie diesen Effekt natürlich durchaus. Was ist der Unterschied?

    Das ist ein gewaltiger Unterschied, ob die Schüler sich selber schlechte Noten "erarbeiten" und das dann schwarz auf weiß haben oder ob ich sie einfach nur "reinrufe".



    Ich finde, da muss man trennen. "Oskar, du quatschst jetzt das 3. Mal rein, das gibt eine 6" wäre falsch. Unangekündigte Tests hingegen sind ein normales Mittel, die Leistung zu checken. Benotete Gruppenarbeiten kommen sogar den zurückhaltenderen Kindern zugute.

    Sehe ich ganz genauso, wobei es eben Schüler gibt, da müssen es nicht mal unangekündigte Tests sein, die bekommen so wenig mit, dass selbst die angekündigten oder die Klassenarbeiten, wo man gemeinsam geübt hat, nicht besser aussehen.


    Es gibt ja auch Schulen, wo man gar keine Noten erteilt, die Klassen arbeiten trotzdem. Ich glaube, dass der Notengebung viel zu viel Bedeutung beigemessen wird. Sie ist nur für die Kinder lustig, die gute Noten haben... Aber egal, das steht nicht zur Debatte.

    Bei uns gibt es frühestens ab Klasse 3, in der Regel (und ab nächstem Schuljahr eh) erst ab Klasse 4. Die Schüler haben also vorher meist schon gelernt sich zu benehmen, ohne das man Noten dazu genutzt hat und das funktioniert auch (oder hat bis dahin nicht funktioniert, dann wird das auch nicht mit Noten was werden).

  • Das ist ein gewaltiger Unterschied, ob die Schüler sich selber schlechte Noten "erarbeiten" und das dann schwarz auf weiß haben oder ob ich sie einfach nur "reinrufe"....

    Ups, entschuldige, da habe ich dich wohl auf eine fälsche Fährte gelockt. Das war eine rhethorische Frage, wie aus dem Gesamttext hervorgehen sollte, denn danach habe ich sie ja selbst erklärt.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • In der Grundschule nutze ich keine Noten zur Disziplinierung.
    Für die Unterrichtsdisziplin nutze ich pädagogische Mittel oder Maßnahmen, die wir in der Schule vereinbart haben - z.B. den Trainingsraum.
    Bei uns gibt es aber in den Berichtszeugnissen sowohl Bemerkungen zum Sozialverhalten als auch Noten. Also wird das doch irgendwie benotet.


    Lern- und Arbeitsverhalten: Noten "unterstützen" allerdings so manche Arbeitshaltung bei wenigen mir möglichen Sachen.
    Wenn die Schüler wissen, dass es grundsätzlich sein kann, dass ich Lesehausaufgaben und das Auswendiglernen von Gedichten benote, dann ist bei vielen der Fleiß schon spürbarer.
    Ebenso mache ich z.B. beim Erlernen vom 1x1 immer wieder kleine schriftliche Tests.
    Mir geht es aber da um das aktuelle Mitlernen. Leider erhöht das Bewusstsein, dass dies abgehört werden könnte, den Arbeitsfleiß.

  • Noten als Disziplinierungsmittel sind unzulässig. Das dürfte in allen Schulgesetzen und Prüfungsordnungen bundesweit der Fall sein.


    Dass KuK' dies in der Vergangenheit aber genau SO gemacht haben und dass einige dies heute auch noch so tun, tradiert auf traurige Art und Weise die Mär vom Lehrer, der generell Noten nach Verhalten gibt. Da kann ich noch so ein gutes Verhältnis zu meinen SuS' haben - wenn sich einer mal daneben benimmt, kommt früher oder später von einem anderen die Warnung, das Fehlverhalten einzustellen, weil es sonst ja eine schlechte Note gäbe.


    Ich stelle bei mir fest, dass ich kein Verlangen danach verspüre, Fehlverhalten von SuS' über Noten zu sanktionieren. Da Fehlverhalten oft mit objektiv schwacher Leistung korreliert, das wurde hier ja auch schon festgestellt, gibt es im Nachgang zwar eine schlechte Note - aber die wurde vom Schüler erarbeitet.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Wie steht ihr zu dieser speziellen Funktion von Noten? Wie handhabt ihr das in eurem Unterricht (vielleicht auch um eine Klassenführung wie die oben Dargestellte vermeiden zu können)? Gibt es Klassen, bei denen ihr entgegen eurer sonstigen Überzeugungen und Konzepte dennoch anders agiert oder gelingt es euch dank entsprechender Berufserfahrung "eurer" Linie treu zu bleiben


    Hallo CDL,


    ich habe auch eine Klasse, in der ich den tobsüchtigen Schreihals geben muss, sonst geht da gar nichts. Das macht mir überhaupt keinen Spaß, da ich viel lieber nett und humorvoll wäre, doch diese Gruppe funktioniert nur, wenn sie klare Ansagen bekommt und bei jeder Verfehlung sofort hart durchgegriffen wird. Konsequenz halt.


    Pass aber auf wie ein Schießhund als Referendar: Sichere dich ab, wo es nur geht. Renitente Schüler werden nach Schwächen suchen und diese finden, wenn du nicht auf der Hut bist. Den Unterricht in dieser Klasse möglichst perfekt planen, strukturieren, die Maßnahmen dokumentieren und klare Regeln schriftlich festhalten. Im Zweifel kannst du so vor der Schulleitung rechtfertigen, weshalb du diese oder jene Disziplinierung durchführen musstest.


    Übrigens sprichst du von Bewertungsdruck und nicht von Disziplinierung durch Noten, die ja nicht zulässig ist und die du auch nicht im Sinn hast. Viel Glück!


    der Buntflieger

  • Noten dienen zur Leistungsfeststellung. Nicht mehr und nicht weniger.


    Bis auf die Kopfnoten. Da wird (wie der Name schon sagt), das Verhalten und die Mitarbeit bewertet. Und da benote ich auch entsprechend... (Wobei da eine 4 halt die schlechstmögliche Note ist...)

  • Bei uns gibt es auch nur 4 Notenstufen beim Sozialverhalten und beim Lern- und Arbeitsverhalten.
    Diese "Kopfnoten" mache ich aber aufgrund meiner Schülerbeobachtungen, die ich dokumentieren muss.
    Allerdings ist die 4 nicht als "ausreichend" definiert, sondern als "nicht befriedigend".


    Mündliche und praktische Noten sind reine Leistungsnoten, die nichts erst einmal mit dem Verhalten zu tun haben.
    Allerdings gibt es Zusammenhänge, wurde oben auch geschildert. Z.B. könnte derjenige, der im Unterricht etwas anderes macht und nicht aufpasst dann u.U. bei Leistungsabfragen nicht die geforderten Leistungen erbringen.

  • ... Ich stelle bei mir fest, dass ich kein Verlangen danach verspüre, Fehlverhalten von SuS' über Noten zu sanktionieren. ...

    Ich bin dafür, auch Verhalten zu bewerten (in Form von Ziffernnoten), aber ich bin sehr dagegen, Verhalten und Leistung durch Benotung miteinander zu vermischen. Das würde ich viel lieber sauber voneinander trennen. Jemand kann eine schlampige Heftführung haben, aber trotzdem ein Genie in Mathematik sein.

    Mir gefallen die Varianten aus Mecklenburg-Vorpommern (Fleiß, Zuverlässigkeit, Umgangsformen, Teamfähigkeit) als auch die aus Sachsen (Betragen, Ordnung, Fleiß, Mitarbeit). Es wäre wiederum ein "Disziplinierungseffekt auf Umwegen", weil es ja nicht nur schlechte Noten für schlechtes Verhalten gibt, sondern ebenso auch gute Noten für gutes Verhalten. Allerdings ist einmal pro Halbjahr zu wenig, damit das auch einen Effekt hat.


    Dass man Menschen über "Prämien" motivieren kann, kennen wir doch aus allen Bereichen des Lebens.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Euch ist aber schon bewusst, dass in den Fachanforderungen (zumindest in SLH) steht, dass kompetenzorientiert bewertet wird. Aber auch hier für BW findet man was:
    https://lehrerfortbildung-bw.d…b2/modul1/standards/komp/


    "Kommunikation: Informationen sach- und fachbezogen erschließen und austauschen (können)"



    In dem Moment, wo ich einen Schüler dabei beobachte der, anstatt den Infotext des Arbeitsblatts zu lesen und daraus Informationen zu erschließen, durch die Klasse plärrt,
    oder ich ihn dabei erwische, dass er, anstatt Informationen über die Reaktionsgleichung mit seinem Nachbarn auszutauschen, mit diesem über Fußball redet, dann erfüllt er die Kommunikationskompetenz laut Bildungsstandard in diesem moment nicht. Ob er prinzipiell (irgendwann) dazu in der Lage wäre ist dabei nebensächlich, so wie eine Klausur eine Momentaufnahme ist, so ist es auch diese beobachtete Unterrichtssituation.


    Dies kann ich heranziehen für meine negative Bewertung. Ich kommentiere das dann auch dementsprechend: "XY, Du erschließt Dir momentan keine Informationen, das ist eine schlechte Leistung. Bitte konzentriere Dich auf die Aufgabe".


    Und ja, man kann natürlich auch noch Abfragen (z.B. im Unterrichtsgespräch): "Fasse doch bitte noch einmal die Erkenntnisse zusammen" oder "Begründe, warum es sich um eine saure Lösung handelt" etc.




    Und klar, ich lasse auch Nebengespräche zu, wenn sich die SuS großteils um die Aufgaben kümmern. Dass man mal einen Satz über Fußball loswird, oder mal ermahnt werden muss okay. Wer aber mehrfach ermahnt werden muss oder nur anderes macht: Kommunikationskompetenz etc. mangelhaft. Note eintragen. Und den Eltern über die neuen, kompetenzorientierten Bildungsstandards begründen.
    Noch nie ein Problem gewesen.
    Alle, die behaupten, man dürfe Störverhalten nicht benoten, die sind noch im alten Denken verhaftet. Kompetenzorientierung umfasst viel mehr als nur Sachwissen und die Note setzt sich aus all diesen Kompetenzen zusammen!

  • Ich stelle bei mir fest, dass ich kein Verlangen danach verspüre, Fehlverhalten von SuS' über Noten zu sanktionieren.

    Das kann ich direkt mitempfinden, das geht mir genauso. Ich denke deshalb fällt mir der von den Kollegen in der speziellen Klasse empfohlene Kurs auch innerlich so schwer. Auch wenn es dabei nicht darum geht Fehlverhalten mit einer schlechten Fachnote zu versehen (Fachnoten sind Fachnoten, Verhaltensnoten fürs Zeugnis gibt es am Schuljahresende), soll der Notendruck natürlich einen bestimmten Effekt aufs Verhalten haben. Insofern bin ich dankbar für euer aller Input hier, wie ihr das handhabt bzw.seht.


    Ich merke für mich an dieser speziellen Stelle, dass ich eine klare professionelle Haltung noch suche, was sich natürlich gerade in so einer cleveren, störungsfreudigen Gruppe auswirkt, da ich weniger deutlich für bestimmte Regeln einstehe, als in anderen Klassen und bei meiner sonstigen Art der Klassenführung. (Zwei Seelen schlagen ach in meiner Brust... )

    Hallo CDL,


    ich habe auch eine Klasse, in der ich den tobsüchtigen Schreihals geben muss, sonst geht da gar nichts. Das macht mir überhaupt keinen Spaß, da ich viel lieber nett und humorvoll wäre, doch diese Gruppe funktioniert nur, wenn sie klare Ansagen bekommt und bei jeder Verfehlung sofort hart durchgegriffen wird. Konsequenz halt.


    Pass aber auf wie ein Schießhund als Referendar: Sichere dich ab, wo es nur geht. Renitente Schüler werden nach Schwächen suchen und diese finden, wenn du nicht auf der Hut bist. Den Unterricht in dieser Klasse möglichst perfekt planen, strukturieren, die Maßnahmen dokumentieren und klare Regeln schriftlich festhalten. Im Zweifel kannst du so vor der Schulleitung rechtfertigen, weshalb du diese oder jene Disziplinierung durchführen musstest.

    Ich danke dir für deine Antwort. Ja, ich sichere mich natürlich ab, deshalb arbeite ich besonders eng mit der KL zusammen in dieser Klasse, hole mir bei Bedarf Rat, z.B. wenn ich merke, dass Kollegen Dinge etwas entspannter handhaben, die ich mir als Ref nicht leisten darf.


    "Tobsüchtiger Schreihals" klingt ehrlich gesagt aber ziemlich erschreckend. Das gehört für mich persönlich zu den schlimmsten Erinnerungen meiner Schulzeit, wenn ich derartige Lehrer hatte. Da hatte ich oft Angst (wurde in der GS von meiner damaligen KL zwei entsetzliche Schuljahre lang gemobbt, gedemütigt, täglich angebrüllt und entwertet oder für nicht begangene Dinge bestraft). Aus dieser Erinnerung heraus ist es mir gänzlich unmöglich meine SuS ernsthaft anzubrüllen (auch wenn ich durchaus lauter werden kann, wenn z.B.zwei meiner Jungs sich mal wieder kloppen und ich sie auseinanderschieben muss) oder Angst als Mittel meines pädagogischen Handelns einzusetzen. Ich könnte das jetzt auch begründen mit meinen Haltungen als GK-Lehrerin oder damit, dass ich Respekt und menschliche Wertschätzung und Achtung für zentral halte und in meiner Klassenführung grundsätzlich umzusetzen suche, aber ich glaube tatsächlich, dass meine eigenen Erfahrungen mit brüllenden Lehrern ausschlaggebend für mich sind. Das würde einfach im Widerspruch stehen zu den Motivationen aus denen heraus ich Lehrerin geworden bin. Dennoch sehe ich, dass derartige Wege funktionieren können. Einer meiner Mentoren muss nur leicht die Stimme erheben (riesen Kerl, breite Schultern, tiefer Bass) und die Klasse zieht die Köpfe ein. Er steht aber auch voll dahinter- vielleicht funktioniert das auch deshalb bei ihm und könnte umgekehrt, angesichts meiner Haltung zu derartigen Mitteln, bei mir niemals funktionieren.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL ()

  • Antwort auf Beitrag 16 (Firelilly)


    So könnte man das interpretieren.
    In der Grundschule werden allerdings die Leistungsunterschiede bei solchen Kommunikationskompetenzen sehr deutlich, wenn man einmal die Störfaktoren ausklammert.
    Es gibt Kinder, die ruhig in der Gruppenarbeit dabei sitzen und sich einfach nicht sachgerecht äußern können und andere, die genau wissen, worum es geht und sich entsprechend einbringen. Da gibt es doch deutliche Leitungsvermögensunterschiede.
    Ich würde eine Störung der Gruppenarbeit eher als allgemeine Unfähigkeit interpretieren, sich auf ein Thema bei dieser Methode einzulassen. Ich unterrichte fast alle Fächer in der Klasse und da sind es immer dieselben Kinder, die Probleme in der Gruppenarbeit haben. Das zeigt ganz deutlich, dass sie darin allgemein ein Problem haben, was jetzt nichts direkt mit dem Fach zu tun hat. Deshalb gibt es dann eine Bemerkung und evtl. eine entsprechende Note im Sozialverhalten.

  • Wie schon häufig gesagt hängen die Leistungen ja meist unmittelbar mit den Sekundärtugenden zusammen.


    Eine Gruppe (oder Teilgruppe), die nicht aufpasst, kann entsprechende Leistungen nicht bringen.


    Und ja: Es ist dann hilfreich, diese Leistungen besonders kleinschrittig und objektivierbar einzufordern (also z.B. häufige Tests / Hausaufgabenkontrollen / Nachfragen im mündlichen). Natürlich verschreckt man dann die "zarten Pflänzchen", aber niemand hindert einen daran, diese in einem Gespräch beiseite zu nehmen und das entsprechend zu klären. Denn besonders diese Schüler leiden ja unter einer schlechten Arbeitsatmosphäre!


    Ich hatte da mal ein sehr schönes Erlebnis: Nach einer Zeugniskonferenz sprach mich eine Schülerin einer solchen besonders schwierigen Klasse an, die meinte, ich sei ja sehr streng mit ihnen gewesen, aber ich sei der einzige Lehrer gewesen, der danach auch wieder nett zu ihnen war. Ok, Eigenlob stinkt, aber was mir sehr wichtig ist: Sei nicht nachtragend. Sei flexibel. Mach Dir immer klar: Das sind die Kinder, ich bin der Erwachsene. Bei Kindern ist es normal, dass sie sich danebenbenehmen, Du als Lehrer hast immer professionel zu bleiben.

  • Ich merke für mich an dieser speziellen Stelle, dass ich eine klare professionelle Haltung noch suche, was sich natürlich gerade in so einer cleveren, störungsfreudigen Gruppe auswirkt, da ich weniger deutlich für bestimmte Regeln einstehe, als in anderen Klassen und bei meiner sonstigen Art der Klassenführung. (Zwei Seelen schlagen ach in meiner Brust... )

    Huhu CDL, ich verstehe dein Dilemma noch nicht, magst du es nochmal erklären?


    Können die Störenden z.B. in einer Nachholstunde Klassenregeln memorieren? In der nächsten Pause verpasste Minuten nachholen oder im gemeinsamen Gespräch mit den Eltern ihr Verhalten reflektieren?


    Mir ist noch nicht klar, was dich daran hindert, deine eigenen Grenzen zu wahren. Es ist doch anstrengend, gegen Lärm anzuunterrichten! Wieso sollten da die Interessen derer, die unkontrolliert reinquaken wollen über den Interessen derer stehen, die das Reinquaken nervt? Und wenn du feststellst, dass GA nicht läuft, dann arbeiten sie halt erstmal in Einzelarbeit.

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