Ganztagsschulen zahlen sich aus

  • Die Kultusministerien sind ja schon unter den jetzigen Bedinungen nicht in der Lage, den flächendeckenden Lehrermangel zu beseitigen. Da fragt man sich, wo denn die 100.000 in obigem Artikel genannten zusätzlichen Lehrkräfte herkommen sollen:

    Zitat

    Zum anderen fehle es an Personal. Der Lehrermangel in Deutschland ist schon jetzt groß, doch für den Ausbau würden zusätzliche Lehrkräfte benötigt. Laut Städte- und Gemeindebund würden bis zum Jahr 2025 mehr als 600.000 Erzieher und Lehrer gebraucht. Der Bildungsforscher Klaus Klemm geht von zusätzlich 102.000 Lehrkräften aus.


    Aber vielleicht greift man einfach wieder zu den bewährten Standardlösungen: Unterrichtsverpflichtung erhöhen und Lerngruppen vergrößern. Hat doch in der Vergangenheit auch funktioniert.


    Gruß !

  • Ökonomen, Bertelsmannstiftung und Modellrechnung aka "kein angemessenes Studiendesign, keine Aussagekraft" (Modellrechnungen können durchaus ein angemessenes Design sein, z.B. für Klimamodelle, weil man da schwerlich ein Experimentaldesign aufstellen kann, aber für Ganztagsbetreuung?)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Hmmm, warum steht da nichts von den Vorteilen für die Lehrer? Ach ja, weil der Ganztag keine Vorteile für sie hat.

    Also dürfen Anpassungen nur vorgenommen werden, wenn auch der Staatsbedienstete davon Vorteile hat? Gut, dass das Konzept bei der Polizei und der Feuerwehr noch nicht angekommen ist. Der Vorteil eines Einsatzes in der Hundertschaft für die teilnehmenden Polizisten möchte ich gerne mal sehen. Es reicht wohl, wenn keine Nachteile, wie Mikael sie wieder prophezeit, entstehen.


    Im Übrigen profitiere sogar ich und meine Frau davon: Ohne Ganztag kann einer von uns beiden nämlich nicht mehr arbeiten gehen.


    PS: Wieder mal ein typischer Beitrag von dir: Link posten, ein Statement drunter, fertig.

  • Ist (oder war) es denn Ziel des Ganztags Lehrern Vorteile zu verschaffen oder geht es nicht vor allem um Dinge wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder auch den Versuch die Bildungsungleichheit und -ungerechtigkeit in Deutschland zu reduzieren?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich bin mir jetzt bzgl. der Vorteile für die Kinder (und zwar generell gesprochen: für alle Kinder) nicht sicher. Ich bin mit dem, was aus mir geworden ist, eigentlich sehr zufrieden (soll heißen: ich denke nicht, dass in meiner Kindheit/Jugend groß etwas falsch gelaufen ist). Ich habe meine Kindheit und Jugend sehr genossen - Hausaufgaben erledigen, lernen und dann raus und mit Freunden spielen. Konflikte mussten wir selber lösen, selber Regeln für unser Zusammensein entwickeln ... wenn uns langweilig wurde, war das unser Problem. Wir habe gelernt, dass wir für bestimmte Dinge selbst verantwortlich sind, da war kein Lehrer, der sagt "Jetzt machen wir das ..." (und dann macht man das, ob man nun will oder nicht), kein Lehrer, der bei einem Streit dazwischen geht. Kein Lehrer, der ständig aufpasst ... Meine Eltern haben auch gearbeitet (gut, die ersten Jahre war meine Mutter daheim) ... die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war also irgendwie auch so gegeben.
    Ich kann Eltern verstehen, die ihre Kinder gut aufgehoben wissen wollen. Ich kann es bei Kindern verstehen, die in einem Elternhaus / in einem Umfeld aufwachsen müssen, wo sie tatsächlich vielleicht an der Schule besser aufgehoben sind. Aber ich als Kind (und das höre ich auch von einigen meiner SuS), ich wäre mit dem System einer Ganztagsschule extrem unglücklich gewesen. Ich brauchte keine Nachhilfe, kam nicht aus einem benachteiligten Umfeld - welche Vorteile hätte die Ganztagsschule dann für mich? Ist ja gut, auch an Benachteiligte zu denken, an Schwächere ... aber die Stärkeren dann in das gleiche Bildungssystem zu zwingen? Halte ich für bedenklich.
    Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich jeder Studie und jedem Forscher glauben soll - dafür habe ich schon zu viele neue Studien / Forschungsergebnisse erlebt, die uns präsentiert wurden als Weisheit letzter Schluss, als neue pädagogische Sau durch die Schulen getrieben wurden und dann nach einigen Jahren (schamvoll) wieder in der Versenkung verschwanden.
    Ich finde es gut, wenn Schulen eine offene Ganztagsklasse anbieten (wir haben z.B. für leistungsschwächere Schüler auch eine individuelle Förderung). Aber eine Ganztagsschule verpflichtend für alle - da bin ich dagegen (wir haben bei uns an der Schule eine offene Ganztagsklasse ... vor einigen Jahren versuchten wir auch eine gebundene einzuführen, wurde nach einem Jahr wegen fehlender Nachfrage von Seiten der Eltern wieder eingestellt).


    Und bevor jemand sagt: Klar, der DeadPoet ist ja am Gymnasium, wir reden ja von Grundschule: Vor Ort sollte die Grundschule zur Ganztagsschule werden ... Schulleitung war dafür, Lehrer (irgendwo fast klar) dagegen. Gescheitert ist es ... an den Eltern ... die wollten nämlich auch nicht. Heile Welt? Vielleicht.

  • Klar bringt die Ganztagsschule Vorteile für benachteiligte Kinder, besonders aus bildungsfernen Schichten.
    Warum Lehrer eine Mehrbelastung haben sollten, erschließt sich mir nicht.
    Die Stundenzahl erhöht sich ja nicht und die Hausaufgabenbetreuung kostet zusätzliche Stellen bzw. geringer qualifizierte Mitarbeiter.

  • Warum Lehrer eine Mehrbelastung haben sollten,...

    Wenn du nicht quasi neben der Schule wohnst (sprich nicht heim fährst in springstunden), ändert sich zwar dir Stundenanzahl nicht, aber die Verteilung sorgt dafür, dass du deutlich mehr IN der Schule bist.


    Unsere Abendschule beschert uns auf die Art zum Teil 12,5 ZEITstunden (ohne Anfahrt) an der Schule . Da sind dann drei Stunden ohne Unterricht drin. Wie sehr das aber "Freizeit" ist,wenn man sie in der Schule mit Kollegen verbringt, kann man sich wohl ausmalen.

  • Wir haben an unserer Schule gebundene Ganztageszüge. Ich sehe Vor-und Nachteile.
    Dadurch, da wir eine Mensa haben, bieten wir ebenso für andere Kinder ein Mittagessen an. Nach einer kurzen Spielzeit können die Kinder abgeholt werden. Man kann auch Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung "buchen". Dann sind die Kinder wie auch die der gebundenen Ganztagesklassen von Mo - Do bis 16 Uhr in der Schule.


    Eltern von Kindern, die sich nicht um schulische Dinge kümmern können (sei es zeitlich oder aus anderen Gründen), wird bei der gebundenen Ganztagesklasse einiges abgenommen.
    Allerdings geht das oft so weit, dass sich doch eine Großzahl von Eltern gar nicht mehr um schulisches Lernen kümmert. Zuhause müsste doch hin und wieder noch ein bisschen gemacht werden, wenn man sich auf etwas vorbereiten soll. Das können viele gar nicht leisten. Wann sollte man das auch machen außer Freitags? Grundschüler ab 16.30 Uhr bzw. 17 Uhr noch zum Lernen bewegen ist schwierig, vor allem, wenn sie die ganze Zeit in der Schule verbracht haben.


    Eine Ganztagesklasse zu leiten ist prinzipiell anstrengender, weil hier - vor allem am Nachmittag, wenn die Schüler nicht mehr so können - doch mehr Konflikte und Disziplinprobleme auftauchen, die zu lösen sind.
    Ganztagesklassen sollten fast durchweg doppelt besetzt sein, damit es wirklich einen Effekt hat. Bei uns sind es lächerliche 5 Stunden in der Woche. Da bräuchte man noch eine ganze Horde neuer, qualifizierter Lehrer, bis Ganztagesklassen wirklich funktionieren. Ich halte die Aussage in dem Artikel: "Denn nur wenn jetzt neue Lehrer ausgebildet werden, seien sie in ein paar Jahren für die Grundschüler im Ganztagssystem da." bei dem Lehrermangel, der sich an den Grundschulen abzeichnet, für Augenwischerei.


    Unsere Ganztagesklassen sind - obwohl wir das Beste, was ging, daraus gemacht haben und diese schon lange haben - leistungsmäßig im Vergleich zu den anderen Klassen im Schnitt im unteren Bereich und in Ausnahmefällen im mittleren Bereich anzusiedeln. Wir hatten noch nie eine Ganztagesklasse, die leistungsmäßig bei den guten war. Ich denke, hätten wir eine durchgängige Doppelbesetzung gehabt, dann könnte das anders aussehen.


    Allerdings sind Ganztagesklassen (gebundene oder offene, d.h. Essen und Mittags- bzw. Hausaufgabenbetreuung) besser für Kinder, die überhaupt keine Unterstützung von zuhause bekommen.

  • Bei uns an der Schule gibt es inzwischen keine reinen Ganztagesklassen mehr. Diese Zusammenführung in 5 hatte dazu geführt, dass die Ganztagsklassen besonders viele SuS hatten, deren Eltern einen Großteil der Verantwortung für Bildung und Erziehung des eigenen Nachwuchses komplett an die Schule abgeben wollten (und mental abgegebene haben) mit allen daraus entstehenden Problemen für Kinder und Schule. Die Durchmischung der Klassen stellt für die Kollegen eine erhebliche Entlastung dar. Der Nachteil ist, dass man als Fachlehrer nicht unbedingt weiß, welche SuS der Klasse im Ganztag sind, für die man also die Hausaufgaben noch für die Hausaufgabenbetreuung extra ablegen und bereitstellen muss.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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