Vertieftes Fachwissen bei Gym.Lehrern

  • Man braucht schon die echten Fachwissenschaften, um das Wissen, das man sich da erarbeiten soll, differenziert und schnell richtig einordnen zu können. Man muss tief in Materien eintauchen, um sie gut und gewinnbringend unterrichten zu können, wenn du mich fragst.
    Das heißt allerdings nicht, dass die Uni dich auf Schulinhalte vorbereitet; au contraire: Du musst viel tiefer gehen, spezifischer werden, als die Schule es jemals brauchen könnte.

    Ich möchte gerade noch 10x auf "like" drücken. Genau das wollte ich in meinen gefühlten 2353 Posts zum Thema auch sagen!

  • Und was ist nun mit all den deutschen Chemie-, Biologie- und Physiklehrern, die es systembedingt nur auf Bachelor-Fachwissen bringen? Ehrlich gesagt schwingt da bei euch schon eine ganze Menge Eitelkeit mit. IHR fühlt euch besser wenn ihr mehr wisst. Bei allem was hier bisher geschrieben wurde, ging es immer nur um EURE Befindlichkeiten, zu keinem Zeitpunkt um die Schülerperspektive. Ich habe genau einen einzigen Schüler im Schwerpunktfach der sich ernsthaft für Dinge interessiert, die ich mit ihm nur besprechen kann, weil ich auf Diplom studiert habe. Alle anderen interessieren sich wenn überhaupt für so profane Dinge wie Drogen und Lebensmittel, das habe ich mir alles anlesen müssen, Biochemie war zu meiner Zeit noch keine Pflichtveranstaltung bei uns Chemikern. Das kann genauso gut jemand nachlesen, der einen Fach-Bachelor abgeschlossen hat. Meinen Drittklässlern erkläre ich gerade, wie eine Batterie funktioniert. Das ist vollkommen trivial und meilenweit entfernt von "aktueller Forschung".


    Für guten Unterricht muss es fachlich korrekt sein, das auf jeden Fall. Ich spreche im Schwerpunktfach gerne mal Dinge aus den Materialwissenschaften an, die ich relativ locker aus dem Ärmel schütteln kann, weil ich in dem Fachbereich promoviert habe. Müssen deswegen alle Chemielehrer dieser Welt eine Doktorarbeit geschrieben haben? Sicher nicht. Dann spricht man halt über andere Dinge. Für die Jugendlichen macht das schlussendlich überhaupt keinen Unterschied. Die sind zufrieden mit klaren Strukturen und wenn sie das Gefühl haben, sie verstehen einigermassen, worum es geht. Wenn ein Lehrer sich fürs eigene Fach begeistern kann, ist das sicher sehr gewinnbringend. Ich hielte es für arg vermessen, diese Begeisterung einem Kollegen mit "nur" Bachelor-Wissen abzusprechen, da sollten wir doch wirklich mal auf dem Teppich bleiben.


    Ich find's immer noch schade, dass sich hier keiner äussern will, der z. B. Chemie an einem deutschen Gymnasium unterrichtet, dann wüssten wir mal mehr über die Befindlichkeiten der Kollegen. Zumindest Kiggie scheint sich an der Berufsschule mit Chemie nicht allzu schlecht zu fühlen. Mich beschleicht aber allmählich der Verdacht, dass nur deshalb keiner schreibt, weil den Kollegen die Art von Eitelkeit einfach fremd ist. Die werden ihre Sache schon gut machen.


    Ich werde mir auf übernächstes Schuljahr zwei Physik-Klassen wünschen, dann werd ich's schon rausfinden, wie es sich anfühlt zu dilettieren. Viel spannender finde ich aber rausfinden, wie die Schüler das wohl finden. ;)

  • ...Viel spannender finde ich aber rausfinden, wie die Schüler das wohl finden. ;)

    Wie sollen denn die Schüler das beurteilen können.


    Aber im Grunde bestätigst du ja wieder die Anfangsvermutung, dass es als Lehrer in Mathe, Physik und Chemie reicht, ein pfiffiges Kerlchen zu sein. Man liest sich vor der Stunde fix an, was die Kinder heute lernen müssen, da es (abgesehen von weiterführenden Fragen) ausreicht, zu verstehen, wie die Batterie funktioniert, keinerlei vernetztes Wissen und Denken der Fachwissenschaft notwendig ist, jedes Teilgebiet losgelöst voneinander zu funktionieren scheint.


    Im Grunde komme ich ja so durch den Tag, ich schriebs bereits, da ich alles aus unserem Lehrplan aus dem Stehgreif vom Pferd erzählen kann. Natürlich wissen die Schüler nicht, welche Fächer ich studiert habe. Aber ich merke den Diettantismus und was mir an umfassendem Wissen fehlt. Zumindest in Geschichte geht mir das so, Bio fällt da tatsächlich raus.

  • keinerlei vernetztes Wissen und Denken der Fachwissenschaft notwendig ist

    Du hast es immer noch nicht verstanden. Die Kollegen haben einen Bachelor-Abschluss im Fachstudium, da kannst Du doch nicht von "keinerlei vernetztes Wissen" schreiben, das ist einfach dreist gegenüber den Kollegen.

  • Ich rede nicht direkt von Bachelor oder Master/Diplom/Lehramt sondern von Fachrichtungen. Letztlich: ist Chemie leichter fachfremd zu unterrichten als Deutsch. Vorausgesetzt natürlich, man hat selber das aktuelle Thema verstanden. Ich finde die Idee nicht so verkehrt, schade, dass so verärgert abgelenkt wird.

  • Ich lenke nicht ab, es ging im Ursprung des Threads nicht um "fachfremd". Es ging nie um die Frage OB es Fachwissen braucht, sondern WIE VIEL Fachwissen es braucht. Der Thread wurde ausgelagert aus der Diskussion um jemanden der versucht mit einem Fach-Bachelor in Mathe ins Lehramt einzusteigen. Chemie darfst Du offiziell aus Sicherheitsgründen gar nicht fachfremd unterrichten. Wie häufig das trotzdem geschieht, das will ich gar nicht wissen.

  • Ich rede nicht direkt von Bachelor oder Master/Diplom/Lehramt sondern von Fachrichtungen. Letztlich: ist Chemie leichter fachfremd zu unterrichten als Deutsch. Vorausgesetzt natürlich, man hat selber das aktuelle Thema verstanden. Ich finde die Idee nicht so verkehrt, schade, dass so verärgert abgelenkt wird.

    Ich sehe es zwar so wie @Wollsocken80 (im Bezug darauf, worum es eigentlich ging), aber, um Deine Frage aus meiner Sicht zu beantworten: Deutsch ist viel leichter fachfremd zu unterrichten als Chemie. Da jeder Gymnasiallehrer (um solche ging es hier ja, trifft auf andere Lehrer aber hoffentlich auch zu) ja sicher in der Deutschen Rechtschreibung und Grammatik ist und darüber hinaus Texte sinnentnehmend lesen + zusammenfassen kann, wird er, nach kurzer Lektüre des eingeführten Deutschbuches, das in der Mittelstufe sicherlich viel eher hinkriegen als Chemie, wo doch schon der Zugang zu den Inhalten deutlich erschwert ist. An der Schule meiner Frau müssen Kollegen, die Bio als Fach haben, im Rahmen von NaWi auch Chemie unterrichten. Das fällt denen deutlich schwer, sage ich mal ...


    Vielleicht sehe ich es ja auch falsch, ich habe über die Musikwissenschaften schon einiges an geisteswissenschaflichen Arbeitsmethoden mitbekommen und bin bei der Vorbereitung meines Musikunterrichtes (gerade in der Oberstufe) oft gezwungen, mich auch in Deutsch-Themen einzuarbeiten, sodass ich mir das eventuell etwas einfacher vorstelle als KuK, die damit noch gar nichts zu tun hatten.

  • Um nochmal etwas zuzuspitzen: Es gibt nicht wenige Mathekollegen, die nicht in der Oberstufe unterrichten wollen. Das liegt mehrheitlich daran, dass sie Stochastik nicht an der Uni hatten und nun nicht bereit / willens / in der Lage sind, sich da einzuarbeiten. Scheint also nicht so einfach zu sein.


    Ich hingegen musste z.B. die Oper "Wozzeck" (ja, schreibt man so) von Berg / Büchner unterrichten (im Musik EA). Da habe ich mich mit einer Deutschkollegen eine Stunde hingesetzt sowie eine Lektürehilfe gelesen, um da auch zum Text keinen völligen Blödsinn zu erzählen. War letztlich aber sehr interessant, man muss an solchen Stellen halt die Vorbereitung etwas ernster nehmen!

  • Ich zitiere hier nochmal WillG, der dafür passende Worte gefunden hat:

    Mein Dauerargument ist jetzt aber, dass ich durch diese sehr speziellen Seminare gelernt habe, wie meine Fächer "funktionieren": Ich weiß, wie Sprache aufgebaut ist und habe linguistische Denk- und Herangehensweisen entwickelt. Ich kenne die Strukturelemente von Literatur und literaturwissenschaftliche Methoden zur Analyse und Interpretation. Ich habe verstanden, was der Begriff "Kultur" bedeutet und kann mich jeder Kultur mit interkulturellen und zum Teil sogar anthrologischen Fragestellungen nähern.
    Und das brauche ich jeden Tag für meine Unterrichtsvorbereitung. Denn dieses Wissen hilft mir, mich eben damit zu beschäftigen, wie so eine banale Erlebniserzählung oder auch eine Gedichtanalyse aussehen müssen, um wesentliche Dinge abzuprüfen. Ich kann mir nahezu jeden Text selbständig und schnell erschließen, egal ob es Krabat ist oder die "Iphigenie auf Tauris". Ich weiß, worauf ich achten muss, wenn im Lehrplan plötzlich Kanada auftaucht, obwohl ich mich mit diesem Land noch nie Beschäftigt habe.
    Und weil ich eben immer fachwissenschaftlich das große Ganze im Blick haben kann, weiß ich, wie ich meine Sequenzen aufbauben muss, wo mögliche Fallstricke für Schüler entstehen, wo ich "Abkürzungen" (aka didaktische Reduktion) nehmen kann und wo ich es den Schülern nicht ersparen kann, sich durch schwierige, abstrakte Inhalte durchzubeißen. Dafür brauche ich das Wissen aud dem Thomas Mann Hauptseminar und sogar die ätzend langweiligen Bibelübersetzungen sind Teil dieses Fachwissens.
    Und letztlich hilft mir dieses umfangreiche Fachwissen dabei, Schülerantworten richtig einzuordnen und darauf zu reagieren. Auch bei Korrektur und Bewertung. Sonst könnte ich nur "Kochrezpte" unterrichten und bewerten

    "schwer/leicht" scheinen mir hier also nicht die richtigen Attribute zu sein. Es geht doch um das Einordnen in einen Gesamtzusammenhang, nicht um ein Begreifen im Sinne von "Ich verstehe den Text eines Elftklässlers, das reicht für guten Unterricht".


    Und die Frage wäre eben, ob es für guten Unterricht in NaWi reicht, das aktuelle Thema zu verstehen, um es qualitativ hochwertig unterrichten zu können. Insofern also doch auch: reicht in Mathe der Bachelor (oder gar der IQ von 140), während Deutschlehrer sagen nö, in Deutsch reicht er nicht.

  • Wie kann man denn nur das aktuelle Thema ohne Kontext verstehen? Und wie kommst Du darauf, dass man den Kontext nicht hat, wenn man das Fach "nur" auf Bachelor-Niveau studiert hat? Versuch Dir mal konkret vorzustellen, Du sollst komplett ohne Kontext (d. h. Atombau, Bindungslehre, Thermodynamik) erklären, wie eine Batterie funktioniert. Kannst Du? Jemand, der einen Bachelor (of Science) im Fach Chemie hat, kann sicher. Der hat alle Grundlagen, die es dafür braucht (aka Kontext), im Studium bereits gelernt. Glaub mir das doch einfach, ich hab das Fach doch studiert und ich weiss noch sehr genau, wann ich was gelernt habe.


    Ansonsten ist es schon so, wie @goeba geschrieben hat: Das Fachwissen der Chemie (auch Biologie, Physik und Mathe) ist so speziell, dass Du es garantiert nicht "einfach so" aus dem Ärmel schüttelst. Aber um "einfach so" ging's eben auch nie sondern darum, ob der Bachelor reicht oder der Master (of Science) sein muss. Es geht in der Tat nicht um "schwer/leicht" sonder darum, dass Du erst mal *gar keine* Ahnung hast, wenn Du eins dieser Fächer nicht wenigstens auf Bachelor-Niveau studiert hast. Ich hab's ja weiter oben schon mal erklärt, dass Du mit Molekülstrukturen und elektrochemischen Potentialen im Alltag grundsätzlich *nie* konfrontiert bist, wohingegen Du die deutsche Rechtschreibung halt "einfach so" beherrscht weil Du sie jeden Tag benutzt. Damit fehlt Dir selbstverständlich immer noch jegliche Didaktik, aber Du hast zumindest schon mal im Ansatz irgendeine Vorstellung, worum es eigentlich gehen soll. Aber noch mal: Um fachfremden Unterricht ging es hier im Thread ohnehin nie.

  • Da jeder Gymnasiallehrer (um solche ging es hier ja, trifft auf andere Lehrer aber hoffentlich auch zu) ja sicher in der Deutschen Rechtschreibung und Grammatik ist und darüber hinaus Texte sinnentnehmend lesen + zusammenfassen kann, wird er, nach kurzer Lektüre des eingeführten Deutschbuches, das in der Mittelstufe sicherlich viel eher hinkriegen als Chemie, wo doch schon der Zugang zu den Inhalten deutlich erschwert ist.

    Die Ausgangsfrage - was leichter fachfremd unterrichtet werden kann - interessiert mich nicht, so dass ich nicht darüber nachdenke. Gerne Deutsch, von mir aus. Aber diese Begründung ist doch ironisch gemeint, oder? Erstens ist die Beherrschung der Rechtschreibung einer der nebensächlicheren Aspekte der Fachwissenschaft und des Unterrichts. Zweitens ist es genau das, was die Kollegen ohne Deutsch in der Regel nicht können. Grauslich. Schreiben, überhaupt. Und bei Grammatik traue ich schon nicht mal allen Deutsch-LuL zu, ein Präpositionalobjekt zu erkennen oder den Unterschied zwischen Metapher und Metonymie.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • ...Versuch Dir mal konkret vorzustellen, Du sollst komplett ohne Kontext (d. h. Atombau, Bindungslehre, Thermodynamik) erklären, wie eine Batterie funktioniert. Kannst Du?

    Klar geht das. Wir lesen im Buch. Dann nehme ich aus dem Netz einen Text, mache Lücken hinein, die wir gemeinsam ausfüllen, lasse ein Modell abzeichnen was zu beschriften ist, wenn noch Zeit ist, bauen wir eine Zitronenbatterie, Stunde beendet. Wenn irgendwer was wissen will sage ich, recherchier das und halte ein Referat 8)
    Aber ernsthaft, ich rede ja nicht von mir, sondern von dem hypothetischen Fall "jemand mit Sachverstand aber ohne Fachstudium". Der Buntflieger meint ja "Ich war schlecht in Mathe, unterrichte es aber trotzdem gut." Und die Mathematiker hier finden "Ich kann richtig schreiben, kann also auch Deutschunterricht. Das ist doch n bisschen zu kurz gegriffen.



    ...Und wie kommst Du darauf, dass man den Kontext nicht hat, wenn man das Fach "nur" auf Bachelor-Niveau studiert hat?


    Das weiß ich nicht, wollte nur gerne wissen, ob dem so ist, danke dafür. Dann bin ich's zufrieden ;)

  • Dann nehme ich aus dem Netz einen Text, mache Lücken hinein, die wir gemeinsam ausfüllen, lasse ein Modell abzeichnen was zu beschriften ist, wenn noch Zeit ist, bauen wir eine Zitronenbatterie, Stunde beendet.

    Joa ... das geht so sicher in der Grundschule. Warum eigentlich nicht? An der Stelle geht's ja rein ums Phänomen. GS-Kollegen sollen ja auch Unterricht in Naturkunde geben und keiner von denen hat irgendeine Art von einschlägiger Fachausbildung wenn's um Zitronenbatterien geht. Bei meinen Jugendlichen beschleicht mich manchmal der Verdacht, dass es in der Sek I immer noch so läuft und genau das soll natürlich nicht sein.

  • @Wollsocken80
    Langsam nähern wir uns aber wenigstens dem Hintergrund meiner Fragestellung. Oben, bzw. anfänglich, war vielleicht nicht ganz klar, was ich mit den Begriffen "System" und "wie die Fächer funktionieren" gemeint war. Jetzt hast du aber das, was ich für meine Fächer postuliert habe, im Prinzip für deine Fächer bestätigt, nur halt mit dem Begriff "Kontext" statt "System". Das bestätigt mich insofern, als ich mir vorher halt so gar nicht vorstellen konnte, dass das für die MINT-Fächer so großartig anders sein sollte.
    Interessant finde ich allerdings die Aussage, dass für dieses prinzipielle Verständnis in den MINT de Bachelor reicht. Ich habe mich jetzt ehrlich gesagt nicht mit den Studienplänen für BA-Studiengänge beschäftigt, würde aber für mein Studium behaupten, dass ich diese Systematik bzw. diesen Kontext nach dem Vorstudium noch nicht hatte. Da war erstmal die Basis gelegt, um dann eben das - aus meiner Sicht - tiefere Verständnis für Zusammenhänge zu entwickeln. Das kam dann im Hauptstudium, exemplarisch an konkreten Themen. Das scheint also bei den NaWis anders zu sein.

    Ich hingegen musste z.B. die Oper "Wozzeck" (ja, schreibt man so) von Berg / Büchner unterrichten (im Musik EA). Da habe ich mich mit einer Deutschkollegen eine Stunde hingesetzt sowie eine Lektürehilfe gelesen, um da auch zum Text keinen völligen Blödsinn zu erzählen. War letztlich aber sehr interessant, man muss an solchen Stellen halt die Vorbereitung etwas ernster nehmen!

    Aus Interesse: Würdest du dann auch jedem Deutschlehrer zutrauen, die Wozzeck oder Gounods Faust zu unterrichten, nachdem er sich eingelesen und eine Stunde mit einem Musiklehrer hingesetzt hat? Sofern er meinetwegen vorher schon Noten lesen kann?

  • @WillG : Ich habe ja nicht einen Deutschkurs dazu gemacht, sondern nur versucht, die Literaturvorlage angemessen zu berücksichtigen. Einem musikinteressierten Deutschkollegen würde ich zutrauen, die Vertonung als Ergänzung hinzuzuziehen. Das ist ja auch eine Art der Rezeption des Werkes (auch zeitlich sehr interessant, fällt historisch in eine ähnliche Umbruchphase wie die Entstehung des Originalwerkes). Und selbstverständlich würde ich mich mit einem interessieren Deutschkollegen auch eine Stunde hinsetzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist allerdings äußerst gering, da Bergs Wozzeck äußerst (!) schwere, auch schwer verdauliche, Kost ist!


    Für Interessierte: https://www.youtube.com/watch?v=OdinmlIdnYw

  • Interessant finde ich allerdings die Aussage, dass für dieses prinzipielle Verständnis in den MINT de Bachelor reicht.

    Ich hab mir grad mal das aktuelle Modulhandbuch für den Bachelor-Studiengang Chemie der Uni Heidelberg gezogen. Im Vergleich zum alten Diplomstudiengang wie ich ihn noch gemacht habe gibt es da ein paar gravierende Unterschiede. Ich habe Anfang 5. Semester meine Vordiplomsprüfungen abgeschlossen (schneller ging's damals nicht) und natürlich gab es noch keine wissenschaftliche Arbeit zum Vordiplom. Heute sind es bis zum Bachelor of Science 6 Semester inkl. Bachelor-Arbeit. Neu dazu gekommen ist ein Modul "Biochemie" (habe ich damals freiwillig gemacht) und das Modul "Spektroskopische Methoden" ist vom ehemaligen Hauptstudium ins Bachelor-Studium gerutscht. Im Nebenfach sind es zwei Mathe- und zwei Physik-Vorlesungen sowie ein Physik-Praktikum, das war immer schon so. In den Teildisziplinen der Chemie macht man zwei Praktika in Anorganischer Chemie und je ein Praktikum in Organischer und Physikalischer Chemie, auch das war zu meiner Zeit schon so. Damit hat man wirklich ALLES was die Chemie prinzipiell hergibt in irgendeiner Form schon mal während des Bachelor-Studiengangs gesehen. Anmerkung: Es gibt noch kein Modulhandbuch für den Lehramts-Master, aber ich nehme jetzt einfach mal an, dass ein Master of Education am Ende ungefähr das gleiche gemacht haben sollte wie ein Bachelor of Science.


    Der Master-Studiengang ist mit 4 Semestern veranschlagt, das Hauptstudium im alten Diplom-Studiengang hat inkl. Diplomarbeit im Schnitt 6 Semester gedauert. Die durchschnittliche Studienzeit beträgt anno dazumals wie heute also insg. 10 Semester bis zum MSc, die Verteilung auf Bachelor und Master ist aber genau anders rum, als es früher war. Im Master-Studiengang nehmen die drei Forschungspraktika sehr viel Zeit ein, d. h. der Fokus liegt ganz klar auf den praktischen Fertigkeiten und natürlich der Wissenschaftspropädeutik. Passend dazu werden Vorlesungen zu Themen wie "Metallorganische Komplexchemie" und "Retrosynthese" angeboten, da geht es vor allem um Syntheseplanung und die ist - wie ich weiter oben schon mal schrieb - für jemanden, der Chemielehrer werden möchte, dann doch relativ verzichtbar. In der Physikalischen Chemie wiederholen sich im Prinzip die Themen des Bachelor-Studiengangs in 3 x komplizierter. Thermodynamik auf dem Niveau der Gibbs-Gleichung, wie man es auch an der Schule unterrichtet und wie man sie verstanden haben muss um überhaupt mal Chemie zu verstehen, gibt's bereits im Bachelor-Studiengang. Im Master heisst es dann "Statistische Theorie der Thermodynamik" und lässt grob erahnen dass es vor allem um Angewandte Mathematik geht.


    Du magst recht damit haben, dass sich das "ich bin ein toller Chemiker" Feeling erst einstellt, wenn man sich mal 6 Monate lang jeden Tag 8 - 10 Stunden die Beine im Labor in den Bauch gestanden und bis zur Bewusstlosigkeit Lösemitteldämpfe eingeatmet hat (aka "Forschungspraktikum Organische Chemie"). Ja, ich würde sagen, die Sozialisierung als Chemiker passiert genau in dieser Phase. Diese Art der Eitelkeit (ich bleibe bei dieser Bezeichnung) ist aber meiner Ansicht nach nicht so wichtig für guten Unterricht. Zumindest nicht aus Schülerperspektive. Ohnehin muss man ja auch zur Kenntnis nehmen, das das System in Deutschland so gewachsen ist, während hier in der Schweiz z. B. MINT-Lehrpersonen am Gymnasium immer schon die vollständige Fachausbildung hatten (dafür in grauer Vergangenheit keine didaktische Ausbildung).

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 () aus folgendem Grund: 6 Monate ... nicht 6 Wochen. Meine Gott, es war wirklich so ...

  • Ja, ich würde sagen, die Sozialisierung als Chemiker passiert genau in dieser Phase. Diese Art der Eitelkeit (ich bleibe bei dieser Bezeichnung) ist aber meiner Ansicht nach nicht so wichtig für guten Unterricht. Zumindest nicht aus Schülerperspektive. Ohnehin muss man ja auch zur Kenntnis nehmen, das das System in Deutschland so gewachsen ist, während hier in der Schweiz z. B. MINT-Lehrpersonen am Gymnasium immer schon die vollständige Fachausbildung hatten (dafür in grauer Vergangenheit keine didaktische Ausbildung).

    Und ich würde eben behaupten, dass diese Sozialisation nichts mit Eitelkeit und auch nur sehr wenig mit der Schülerperspektive zu tun hat, sondern eine Grundbedingng dafür ist, dass ich ganz unspektakulär und ganz alleine daheim am Schreibtisch meinen Unterricht vorbereiten kann: ich kann mich durch diese Sozialisation schnell und effektiv in die Unterrichtsthemen einarbeiten; die Bedeutung dieses Thema im großen Fachzusammenhang sehen; daraus dann die relevanten Lernziele ableiten, da ich weiß, was ich davon vielleicht in ganz anderen Themenbereichen wieder aufgreifen muss; kann Schwierigkeiten antizipieren; Verknüpfungsmöglichkeiten mit anderen, schon behandelten Themenbereichen sehe; Verknüpfungen zu Alltag finden kann und letztlich methodische Entscheidungen treffen. Der Schüler wird davon nie etwas mitbekommen und Eitelkeit kann ich da eher nicht entdecken.


    Dass ich, davon abgesehen, im Unterricht etwas fachlich rumposen kann und auch auf ausgefallenere Schülerfragen antworten kann, selbst wenn die für den "Stoff" oder das Thema nicht so relevant wären, ist ein netter Nebeneffekt, aber nicht das, was meiner Ansicht nach im Vordergrund steht.

  • Das ist doch alles nur eine Frage der Unterrichtserfahrung. Ich musste auch erst mal die 4 Jahre fertig machen um zu sehen wo ich am Ende rauskomme und wie ein Stein auf den anderen fällt. Mit der Übernahme des 6. Schwerpunktfachkurses in Folge hab ich dann auch ungefähr jede Fehlvorstellung und jede Stolperfalle mal durch. Ich hatte zu Beginn meiner Lehrtätigkeit überhaupt keine Vorstellung (mehr) davon *wie* ahnungslos man sein kann. Gut, ich bin relativ schnell im links und rechts vom Thema nach möglichen Lösungen für Denkprobleme zu suchen, aber darin bin ich auch schneller als meine ebenfalls promovierten Mit-Chemiker. Das nenne ich jetzt mal ganz frech didaktisches Talent. ;)

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