Notendiskussion / Abgrenzung

  • Hallo!


    In einem anderen Forum war ich leider wenig erfolgreich, daher probiere ich es hier noch einmal...


    Ich unterrichte schon einige Jahre am Gymnasium und auch in der Oberstufe. Natürlich gibt es immer mal Gemecker wegen der Noten, das gehört dazu, bisher nie ein wirkliches Problem gewesen. Aktuell habe ich einen Englisch-Kurs, der recht gut ist, der aber nur wegen Noten rummosert. Bei 12 Punkten sei man "enttäuscht" und "frustriert" und einige überschätzen sich maßlos (schreiben wildes Wirrwarr im Aufsatz mit vielen Gr-Fehlern und hätten bitte gern eine 2). Das allein ist noch nicht so das Problem, aber jetzt kommen z. T. noch die Eltern an und meckern, warum ich denn bitte so wenig 1er gebe und ob es 15 Punkte gar nicht auf meiner Notenskala gäbe usw. Es scheint so, als hätten (fast) alle im Kurs den Anspruch, 15 Punkte zu bekommen!? Und ich verstehe nicht, wo es herkommt, denn die SuS hatten am Ende der 10. den gleichen Schnitt wie bei mir in 11/1! Das spricht doch eigentlich sogar ziemlich dafür, dass es ein gewisses Maß an Objektitivät gibt (ich hab mich ja nicht mit der vorherigen Lehrkraft abgesprochen, ich weiß nicht mal, wer das ist!) und damit sind meine Noten umsomehr gerechtfertigt. Ein S hat sich z.B. bei mir verbessert, von einer glatten 2 auf eine 2+ bzw. 12 Punkte und die Mutter redete mir ins Gewissen, dass ich ja so streng bewerte und die armen S. völlig demotiviere!
    Ich habe ihr gesagt, dass ich ihr Problem nicht verstehe und ihr nicht weiterhelfen kann...


    Ich habe bereits mit den SuS darüber geredet und ihnen die hier üblichen Bewertungsskalen ausgehändigt (für schriftliche wie mündliche Leistungen), mit denen ich arbeite (und arbeiten muss). Diese habe ich auch der oben genannten Mutter vorgelegt, die sie mehr oder weniger ignoriert hat. Stattdessen sagt sie zu einer Kurzarbeit, die so gut ausfiel, dass ich sie schon fast hätte genehmigen lassen müssen (was hier ab einem Schnitt von 2,2 und besser der Fall ist): Diese Kurzarbeit sei so frustrierend für die SuS gewesen!


    Ich verstehe das nicht und es fuchst mich und ich kann nicht richtig abschalten bei dem Thema, obwohl ich nichts falsch gemacht habe. Es wird erwartet, dass ich Noten herschenke! Und eine Note 2 ist es für viele offenbar gleich ein Weltuntergang.


    Da ich diese Erfahrung nach Jahren des Unterrichtens und Bewertens in der Form zum 1. Mal mache, habe ich noch nicht gelernt, mich da abzugrenzen und das Thema nicht mit nach Hause zu nehmen bzw. davon abzuschalten. Hat jemand noch Tipps für mich, wie ich damit umgehen kann?


    Vielen Dank.

  • Ich verstehe das nicht und es fuchst mich und ich kann nicht richtig abschalten bei dem Thema, obwohl ich nichts falsch gemacht habe. Es wird erwartet, dass ich Noten herschenke! Und eine Note 2 ist es für viele offenbar gleich ein Weltuntergang.
    Da ich diese Erfahrung nach Jahren des Unterrichtens und Bewertens in der Form zum 1. Mal mache, habe ich noch nicht gelernt, mich da abzugrenzen und das Thema nicht mit nach Hause zu nehmen bzw. davon abzuschalten. Hat jemand noch Tipps für mich, wie ich damit umgehen kann?


    Vielen Dank.


    Hallo Lehrerin2007,


    die "riechen", dass bei dir was geht notentechnisch, das ist alles.
    Bei mir wollen auch noch die Schwächsten eine 2,0 serviert bekommen. Bei einer 3,0 erntet man bereits hasserfüllte Blicke.


    der Buntflieger

  • Kenne ich auch. In der Mittelstufe immer 3 oder 4 gehabt, aber in der Oberstufe soll es plötzlich zweistellig sein (also eine 2). Grade hatte ich diese Diskussion wieder (Schüler bekam mündlich 12 Punkte, sah sich aber "mindestens bei 13" ... ich habe dann nachgeschaut, was er in der 10. Klasse in Englisch an Einzelnoten hatte ... ein einziges Mal eine 1, sonst war von 2 bis 4 alles dabei. Als ich ihm das sagte, wurde er plötzlich kleinlaut und die 12 Punkte waren doch völlig in Ordnung - er hat's wohl einfach mal mit einer etwas großzügigen Auslegung der Wahrheit versucht).
    Ich halte mich für jemanden, der grundsätzlich sehr fair, tendenziell freundlich bewertet. Meine Schnitte in Schulaufgaben / Klausuren sind in der Regel recht gut. Ich bin ab und zu mal am Grübeln, ob ich nicht zu großzügig bin, für zu streng halte ich mich nicht. Aber ich habe ein bestimmtes Anforderungsniveau (liegt mMn im ganz normalen Bereich) und unter das weigere ich mich, am Gymnasium zu gehen (insbesondere in der Oberstufe) und da bin ich dann auch stur. Ja, es "fuchst" mich auch ... aber Nachgeben würde mich wohl auf lange Sicht noch mehr mit mir selbst unzufrieden sein lassen. Man muss mit sich im Reinen sein ...
    Meine Standardantwort ist: "letztes Jahre eine 3 (oder eine 4) ... was haben Sie denn nun so viel besser gemacht, dass das eine Steigerung von 1-2 Notenstufen rechtfertigen würde?" Das dreht ein wenig den "Rechtfertigungszwang" um.
    Wenn ein Schüler ohne Argumente darauf besteht, seine Leistung müsse zweistellig sein, kriegt er auch durchaus zur Antwort, dass "05" auch zweistellig ist.

  • Hat jemand noch Tipps für mich, wie ich damit umgehen kann?

    Nicht mit den Jugendlichen diskutieren. Gar nicht. Du hast Deine Notengebung transparent gemacht, Du bist Expertin in Deinen Fächern und weisst, was eine gute und was eine schlechte Leistung ist. Ende Gelände. Mit den Eltern diskutierst Du erst recht nicht, die sollen sich aus den Angelegenheiten der Jugendlichen bitteschön raushalten. Die wollen am Gymnasium gross werden und nachher studieren gehen, also werden sie wohl lernen müssen, sich um sich selbst zu kümmern.

  • So wie Du das hier schilderst, machst Du m.E. alles richtig. Das Problem mit den Eltern kenne ich zwar zum Glück nicht, aber ggf könnte da auch ein Schulleiter mit Rückgrat helfen, der sich demonstrativ hinter dich stellt.


    Wie man sowas nicht an sich ran lässt... naja... ich würd sagen, sich selbst klar machen, dass man richtig handelt, hart bleiben und das einmal durchstehen. Dann spricht sich der Ruf als (angeblich) harter Hund schnell rum, und es kehrt bald Ruhe ein.


    EDIT wegen Überschneidung: Nicht diskutieren unterschreib ich. Für mich liest sich das aber, als ob du erklärt hättest, nicht diskutiert. Und DAS ist ok.

    Einmal editiert, zuletzt von DePaelzerBu ()

  • Für mich liest sich das aber, als ob du erklärt hättest, nicht diskutiert. Und DAS ist ok.

    Das stimmt. Ich nehme mir mit den Erstis auch die Zeit ihnen zu erklären, dass sie in der Oberstufe z. B. mit reinem Auswendiglernen keinen Blumentopf mehr gewinnen. Ich bespreche oft Übungsaufgaben mit ihnen so, dass ich ihnen erkläre, wofür sie in einer Prüfung jetzt Punkte bekommen hätten. Wenn sie aus der Mittelstufe kommen, verstehen sie am Anfang einfach noch nicht, dass sie jetzt viel mehr erklären und Zusammenhänge verstehen müssen, dass reines Faktenwissen viel weniger Gewicht hat. In den Sprachen geht es in der Oberstufe dann ja auch zunehmend mehr in Richtung Literaturfach, also die die Anforderungen ändern sich. Das muss man den Jugendlichen schon mal erklären.

  • Das stimmt. Ich nehme mir mit den Erstis auch die Zeit ihnen zu erklären, dass sie in der Oberstufe z. B. mit reinem Auswendiglernen keinen Blumentopf mehr gewinnen. Ich bespreche oft Übungsaufgaben mit ihnen so, dass ich ihnen erkläre, wofür sie in einer Prüfung jetzt Punkte bekommen hätten. Wenn sie aus der Mittelstufe kommen, verstehen sie am Anfang einfach noch nicht, dass sie jetzt viel mehr erklären und Zusammenhänge verstehen müssen, dass reines Faktenwissen viel weniger Gewicht hat. In den Sprachen geht es in der Oberstufe dann ja auch zunehmend mehr in Richtung Literaturfach, also die die Anforderungen ändern sich. Das muss man den Jugendlichen schon mal erklären.

    • pföh, Luxusprobleme. Ich erklär Leuten, denen auf der Realschule zweien in Mathe hinterhergeworfen wurden, wieso sie in der ersten ETechnik-Arbeit, in der man maximal "U=RI" nach I umstellen muss, eine fünf kassiert haben ;-)
  • Hehe ... na, meine Argumentation mit den Jungs an der Berufsschule sah auch anders aus. "Warum bekomme ich keine Punkte dafür?!" - "Weil's gequirlte Hühnerkacke ist." Am Gymnasium habe ich praktisch nie "mimimi"-Diskussionen. Wenn da mal einer nachfragt, dann will er wirklich wissen, was er hätte besser machen können.

  • Oh ja, aber auf der Realschule....
    ja, aber wie viele von deiner Klasse haben die Quali bekommen und sitzen jetzt hier?


    Ich denke auch Transparenz ist wichtig, aber danach endet es. Wenn Eltern mir meinen Job erklären wollen frage ich freundlichen was sie beruflich machen und ob sie sich da von Kunden/ Klienten/ Patienten... erklären lassen was sie falsch machen und wie es besser geht.


    Der Erwartungshorizont in der Klausur zeigt deutlich was zu den 15 Punkten fehlt.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Vielen Dank schonmal.


    Ich habe auch gesagt, ich diskutiere nicht mehr über Noten, allenfalls erläutere ich nochmal, warum ich zu einem best. Urteil gekommen bin. Die aktuelle Kurzarbeit (die ich nächste Woche rausgebe - und dabei hab ich schon wieder ein doofes Gefühl...) hab ich eigentlich "vollgekritzelt" mit Kommentaren, dass klar sein sollte, warum ich welche Punkte gegeben habe. Auch die fällt wieder recht gut aus und dennoch weiß ich, dass es lange Gesichter geben wird und die Eltern danach wahrscheinlich wieder "Notenkonferenzen" abhalten werden...


    Ich habe auch noch nie eine Note geändert - weder durch Diskussionen mit S. noch mit Eltern! Das wissen die SuS eigentlich schon, dass ich da hart bleibe.


    Und ich stimme völlig zu: In der Oberstufe sollten die Eltern sich eigentlich raushalten, aber ich glaube ich habe eine Spezies Eltern erwischt, die wahrscheinlich dann auch zum Uni-Prof oder Ausbildungsleiter rennen... :grimmig:


    Und was die Schulleitung anbelangt: Liebend gerne würde ich den Eltern sagen, sie sollen sich raushalten, aber bei denen kann ich mir vorstellen, dass sie sofort bei der SL anrufen und sich beschweren. Darauf hab ich natürlich auch keine Lust...


    Ich werde mir die Noten aus der 10. auch nochmal ausdrucken und in mein Schubfach ins Pult legen. Dann kann ich genauso argumentieren wie DeadPoet, wenn wieder einer kommt mit überzogenen Notenwünschen. Die Frage: Inwiefern hast du dich seitdem verbessert? - finde ich super.

  • Nicht mit den Jugendlichen diskutieren. Gar nicht. Du hast Deine Notengebung transparent gemacht, Du bist Expertin in Deinen Fächern und weisst, was eine gute und was eine schlechte Leistung ist. Ende Gelände. Mit den Eltern diskutierst Du erst recht nicht, die sollen sich aus den Angelegenheiten der Jugendlichen bitteschön raushalten. Die wollen am Gymnasium gross werden und nachher studieren gehen, also werden sie wohl lernen müssen, sich um sich selbst zu kümmern.


    Hallo Wollsocken80,


    mit dieser Einstellung kannst du aber nur überleben, wenn die Schulleitung voll dahinter steht. Wenn von "oben" implizit Druck auf die Lehrerschaft ausgeübt wird, dass die SuS doch bitteschön gute Noten daheim vorzeigen können sollten, dann wird das deutlich komplizierter. Ein Bekannter von mir (Deutschlehrer am Gymnasium) hat arge Probleme mit der Schulleitung bekommen, der hinter den Eltern stand und das Ende vom Lied war, dass sein Unterricht begutachtet wurde und eine Evaluation durchgeführt wurde. Das Ergebnis war letztlich positiv für ihn - einige schwierige SuS hatten sich zusammengeschlossen und die Eltern gleich mit. Wie gesagt: Es war eine 12. Klasse!


    Die Sache ist im Sand verlaufen, aber seither überlegt er es sich auch 2x, ob er nicht doch lieber abrundet. Ich selbst habe Erfahrungen gemacht, die in eine ähnliche Richtung gehen. Zu Beginn wollte ich auch so konsequent und hart sein, aber das kannst du nicht als Einzelkämpfer so durchziehen. So sehe ich das jedenfalls.


    der Buntflieger

  • Ich kann nachvollziehen, dass man als Referendar auf das Wohlwollen der Schulleitung bis zu einem gewissen Punkt angewiesen ist und es sich da nicht verderben möchte. Nicht nachvollziehen kann ich, wenn fertige, verbeamtete (!) LehrerInnen ihre Notengebung von der Angst vor der Schulleitung beeinflussen lassen. Was will mir der Schulleiter denn groß, was ich nicht aushalten könnte? Ok, Beurteilung ... dann werd ich halt nicht Studiendirektor, dafür kann ich morgens noch in den Spiegel schauen, weil ich zu meinen Grundsätzen / Standards stehe.

  • Ich kann nur empfehlen für jede Arbeit kompetenzorientierte Rückmelde/Bewertungsbögen zu erstellen.


    Das entzieht 95% dieser Notenanfragen die Grundlage, weil es Transparenz schafft und dir eine sehr sichere Argumentationsgrundlage gibt, falls doch mal eine Note begründet werden muss.


    Besonders geschickt ist es, dort auch gleich die passenden Förderaufgaben zu vermerken. Dann wissen die Schüler, wie sie an ihren Defiziten arbeiten können.


    Auf den ersten Blick macht das natürlich mehr Arbeit, vor allem beim Aufstellen der Arbeit, da du den Erwartungshorizont genau aufdröseln und in schülerverständlicher Form niederschreiben mußt und gleichzeitig, sowas wie einen Förderplan schreibst. Das fand ich zuerst auch etwas nervig.


    Mittelfristig sparst du meiner Erfahrung nach jedoch ein vielfaches an Zeit wieder ein, weil du sofort:

    • eine quasi unangreifbare Notengrundlage hast
    • kaum noch Nachfragen bezüglich der Bewertung hast
    • jeder Schüler automatisch einen individuellen Förderplan bekommt
    • du bei Notenbegründungen nur noch die Bögen zusammentackern brauchst
    • die Bewertung der Arbeiten schneller geht, weil die Kriterien gut ausformuliert sind
  • Es scheint so, als hätten (fast) alle im Kurs den Anspruch, 15 Punkte zu bekommen!?

    Dieser Anspruch ist ja auch in Ordnung, allerdings gehört dann auch der Anspruch dazu, eine entsprechende Leistung zu erbringen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich habe ihr gesagt, dass ich ihr Problem nicht verstehe und ihr nicht weiterhelfen kann...

    Prima. So ist es. Du scheinst da schon eine klare Linie zu haben, was die Noten abetrifft. Ich verstehe wirklich nicht, worin dein Problem besteht.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • hat arge Probleme mit der Schulleitung bekommen, der hinter den Eltern stand und das Ende vom Lied war, dass sein Unterricht begutachtet wurde und eine Evaluation durchgeführt wurde. Das Ergebnis war letztlich positiv für ihn

    Der Saftsack von Schulleiter wollte ihn offensichtlich ärgern, hat sich aber ins Knie geschossen. Er hat den Aufwand der Begutachtung und den ganzen Kram gehabt, konnte deinem Bekannten aber nichts anhaben. Meint er wirklich, der SL zieht das nochmal durch? Wer sich von einer solchen Nullnummer disziplinieren lässt, tut mir leid.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Der Saftsack von Schulleiter wollte ihn offensichtlich ärgern, hat sich aber ins Knie geschossen. Er hat den Aufwand der Begutachtung und den ganzen Kram gehabt, konnte deinem Bekannten aber nichts anhaben. Meint er wirklich, der SL zieht das nochmal durch? Wer sich von einer solchen Nullnummer disziplinieren lässt, tut mir leid.


    Hallo O. Meier,


    er ist halt Junglehrer und noch nicht auf Lebenszeit verbeamtet, von daher hat er Sorgen, dass sich die Sache negativ auswirken könnte. Kann ich durchaus bis zu einem gewissen Punkt verstehen. Als Junglehrer hat man genügend Baustellen zu verwalten und sich daneben noch gegen diverse Windmühlen verteidigen zu müssen, ist sicherlich kein Zuckerschlecken. Man will ja primär mit den Leuten im beruflichen Umfeld (und vor allem Vorgesetzten) klarkommen.


    Die Schule will halt nach außen gut dastehen, die besseren Notendurchschnitte vorzeigen können als Konkurrenzschulen und eine hohe Abiturientenquote ausweisen können. Das ist ganz simpel gestrickt - Schüler wie Eltern wissen das sehr wohl.


    der Buntflieger

  • Komisch, meine Schulleitung hat eher den Anspruch, dass wir als faire Schule angesehen werden und, dass unser Abi auch etwas zählt und nicht belächelt wird.
    Bisher hat sie mir immer alle Klausuren genehmigt, egal wie schlecht die ausgefallen sind.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Die Diskutiererei um Noten - das ist quasi ein Fakt, mit dem die Grundschullehrer in Bayern in Klasse 3/4 lernen müssen zu leben und damit umzugehen. Bei uns sind es verstärkt die Eltern, aber auch vereinzelt Schüler, wenn es um den Übertritt geht. Es ist u.a. für manche ein nicht unerheblicher Stressfaktor. Schriftliche Bemerkungen, Anrufe im Sekretariat, man möge dringend zurückrufen, Abpassen vor oder nach dem Unterricht - das kommt alles vor.


    Man versucht über Noten zu verhandeln. Manche probieren es aus Prinzip. Vor allem, wenn sie merken, dass die nächstbessere Note nicht weit entfernt ist. Da wird richtig gesucht, ob es Dinge gibt, die verhandelbar sind. Manche probieren auch aus, wie weit sie beim Lehrer gehen können. Ich hatte schon Eltern (ich habe prinzipiell mit Eltern ein gutes Verhältnis), die im Nachhinein zugegeben haben, dass sie es halt probiert hätten. Da hatte ich mir gedacht: Und deswegen habe ich mir diesen Nervenstress gegeben? Dieses Bewusstsein hat mir erst einmal viel geholfen, diese Verhandlungen nicht allzu ernst zu nehmen.


    Ansonsten kann das Bewusstsein helfen, dass Eltern immer als Anwälte ihrer Kinder auftreten und nicht mit uns als Experten für Bewertungen auf einer Ebene stehen.
    Erweitern würde ich diesen Gedanken noch für ältere Schüler: Sie versuchen rauszuhandeln, was geht und sehen sich als ihre eigenen Vertreter. Mein Schulbesuch ist schon Jahrzehnte her, selbst wir haben früher - je älter wir wurden, desto mehr - versucht mit Lehrern über Noten zu verhandeln, wo man sah, dass dort eine eine Bereitschaft signalisiert wurde.


    Wichtig ist, dass man von Vorneherein in der Konzeption der Proben (wie bei uns die Arbeiten heißen) und in der folgenden Korrektur schon versucht, Zweifelsfälle zu vermeiden: Klare Fragestellungen, klare Aufgaben, durchdachtes Konzept, die Anforderungsbereiche im richtigen Verhältnis, alles passend zum eigenen Unterricht. Am Gymnasium habt ihr wie wir klare Vereinbarungen über Proben bzw. Schulaufgaben. Da ist man dadurch abgesichert. Bei Schülern, die knapp an der bessere Note stehen, schaue ich mir die Probe gründlich durch, ob es da noch eine zweifelhafte Bewertung gibt. Wenn ich Elternbriefe bekomme, dann gebe ich den Kindern in der Regel eine mündliche Antwort, wenn es Kleinigkeiten sind. Wenn man nämlich das anfängt, Zettelchen und Briefe prinzipiell zu beantworten, dann folgen meist immer wieder welche. Manchmal gibt es wirklich Missverständnisse, die kläre ich möglichst ohne mich aufzuregen auf.
    Schwieriger wird es, wenn Eltern emotional reagieren. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als selbst immer wieder auf die Sache zu schauen und Eltern in der obigen Rolle zu sehen. Das hilft oft, finde ich. Ganz ausschließen, dass man schwierige Fälle mit nach Hause nimmt, kann man nicht. Das passiert ja auch bei anderen Konflikten im Schulbereich, denen man als Lehrer so ausgesetzt ist. Man nimmt nur die Fälle mit nach Hause, für die man keine Lösung gefunden hat und setzt sich länger damit auseinander. Das ist okay, finde ich. Dafür hat man es das nächste Mal bei einem ähnlichen Fall leichter.


    Wichtig bei der Notengebung ist für sich selbst immer wieder die Sachebene zu finden. Wenn Eltern eindeutig falschliegen, kläre ich das auf, bei Zweifelsfällen überlege ich und frage auch einmal Kollegen, Korrekturfehler nehme ich auf meine Kappe. Wenn ich einmal zugunsten des Schülern falsche Punkte gegeben habe und die Schüler so ehrlich waren, dass sie es mir sagten, dann ändere ich nichts, sondern ziehe die Konsequenz daraus, das nächste Mal besser aufzupassen.

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