@Englisch - Mediation - Bewertung - Realschule

  • Liebes Forum,


    wie viele wissen, unterrichte ich (noch) Englisch - fachfremd. Ich bin mir bei der Bewertung von Mediationsaufgaben nicht ganz sicher. Mathe ist hier so viel klarer ;-)


    Die Klassen sind nicht sehr leistungstark (Realschule, 6-10)


    Ich habe jetzt mal wieder einen Mediation-Test durchgeführt, den ich auch gern bewerten würde. Den zu vermittelten Text habe ich den "Vorschlägen für die Leistungsermittlung" entnommen, die es vom Cornelsen-Verlag zur entsprechenden Lehrbuchreihe gibt.



    Im englischen Text, den die SuS (6. Klasse) (in deutscher Sprache) erläutern bzw. vermitteln sollen, steht, dass [rabbits] like to be together with other rabbits or _people_.


    Nun fehlen bei 99 % der Klasse "people". Ich bin jedoch geneigt, aufgrund der generellen Leistungsstruktur der SuS hier volle Punktzahl zu geben, für den Fakt, wenn "vermittelt" wurde, dass Kaninchen gern mit anderen Kaninchen zusammen sind. Würdet ihr hier mitgehen? Oder "verschenke" ich hier Punkte?


    Ähnlich das Wort "hay" - "Heu" (Kontext: Was fressen Kaninchen) Hay ist für die SuS eigentlich unbekannte Lexik. Nur 2 SuS konnten das aus dem Kontext deuten, was mich sehr freut. Letztlich finde ich es aber nicht soo wichtig, dass ich hier den anderen einen Punkt abziehen müsste.


    Ebenso würde ich gern volle Punkte geben, wenn der SuS schreibt: "Kaninchen benötigen viel Auslauf", im Text steht jedoch: "need a big hutch". Mir ist klar, dass ich hier sehr viel interpretiere und dass es nicht das gleiche ist. Ich denke aber, der SuS hat hier mit seinem Hintergrundwissen zu Kaninchen und seinem (partiellen?) Textverständnis letztlich eine Mediation hinbekommen, die auch - sinngemäß - korrekt ist. Also volle Punktzahl.




    Seht ihr das ähnlich? Ich möchte den SuS ihre Freude am Fach durch Pingeligkeit nicht kaputt machen. Und ich finde, wenn ich hier am Anfang (Klasse 5-7) zu pingelig bin, ist die Gefahr groß, dass das Selbstbewusstsein (für und in der Fremdsprache) der SuS einen Knick bekommt. Kann ich also meine freiere Bewertung verantworten? Die Mediation (Gesprächssituation) wäre (in der Realität) geglückt, die _wesentlichen_ Informationen wurden transportiert. Dabei stört es imho nicht, ob die SuS ein should mit müssen vermitteln. (ja... das _kann_ _grundsätzlich_ eh so gedeutet werden, ich weiß :-), aber eben nicht in _dieser_ Textsorte..
    )
    In den höheren Klassen (8-10 würde ich dann die Zügel gern "etwas" anziehen, in Richtung Präzision).

    "Den schlechten Mann muss man verachten, der nie bedacht, was er vollbringt."


    Das Original ist leider nicht gegendert. Und deshalb schlecht. Nicht.

  • Ich hab keine Ahnung von Englischunterricht aber bist Du sicher, dass der Schüler, der das mit dem Auslauf anstatt Stall geschrieben hat wirklich das Wort "hutch" nicht verstanden hat? Es kann auch sein, dass sich da jemand einfach nur wirklich gut mit Kaninchen auskennt und den Text nach seiner Kenntnis über gute Tierhaltung uminterpretiert hat. Schreibe ich jetzt mal in meiner Eigenschaft als selbsternannte "Kaninchenexpertin" - Kaninchen gehören in keinen Stall. Aus dem gleichen Grund kann man auch das Wort "people" weglassen. ;)

  • :-)
    "Es kann auch sein, dass sich da jemand einfach nur wirklich gut mit Kaninchen auskennt und den Text nach seiner Kenntnis über gute Tierhaltung uminterpretiert hat."


    :-) Ja, ich geh sogar fest davon aus, dass das _auch_ so passiert ist. Dass hier _auch_ das Kaninchen-Allgemeinwissen mit-genutzt wurde. ("Erlebniswelt" der SuS)
    Hutch fällt auch nicht in die Kategorie "Vokabellisten-Lehrstoff" des Lehrwerks. Letzlich sollen die SuS ja auch lernen, mit unbekannter Lexik umzugehen.


    Kaninchen gehören nicht in den Stall sondern in die Natur. Aber auch dass ist nicht Bestandteil der Mediationsaufgabe gewesen ;-)

    "Den schlechten Mann muss man verachten, der nie bedacht, was er vollbringt."


    Das Original ist leider nicht gegendert. Und deshalb schlecht. Nicht.

  • Na *ich* weiss das doch, dass das nicht die Aufgabe war. Ich stelle mir nur gerade einen empört-pubertären Teenager vor, der den Text absichtlich falsch übersetzt weil ihm sinkt, was da steht.

  • Wenn das keine Übersetzung ist, sondern es um wesentliche Inhalte geht, musst du dir ein Bewertungsraster überlegen, das dem gerecht wird. Wer verstanden hat, dass Kaninchen keine Einzelgänger sind, sondern Gesellschaft mögen, hat den Punkt, übersetzen der 2 Begriffe nicht vonnöten und daher auch nicht 2 Punkte.


    Den Fehler, den man m.E. am Anfang häufig macht, ist, dass man erst bei der Korrektur einer Aufgabe feststellt, was man da eigentlich überprüft hat. Ich würde deswegen vor dem nächsten Test versuchen, genauer zu überlegen, welche Frage ich warum stelle, also welches Ziel ich wie überprüfen kann.

  • Nur so ein Hinweis: Wir arbeiten in Klasse 7 (Französisch, RS) im Leistungsraum noch mit Mediationen die ausschließlich bekanntes Vokabular enthalten. Das gibt einem klarere Bewertungskriterien an die Hand, es ist aber eben auch ein sicheres Trainingsgelände für SuS, die im Lernraum durchaus bereits mit anspruchsvolleren Mediationen mit unbekanntem Vokabular konfrontiert werden.


    Was deine inhaltlichen Fragen anbelangt:



    Zitat von Lehrerinlehrling


    [rabbits] like to be together with other rabbits or _people_.



    Nun fehlen bei 99 % der Klasse "people"

    Die Frage wäre, was du als wesentliche Information im Gesamttext ansiehst (den wir nicht kennen). Wenn es um Lebensbedingungen von Kaninchen geht mögen die in der Realität Menschen nun doch nicht so übermäßig, dass man darauf nicht verzichten könnte, falls es im Text nicht weiter relevant wäre. Wäre es im Textverlauf zentral, müsstest du es auch innerhalb der Mediation werten, könntest aber zurückhalten vorgehen und z.B.lediglich einen halben Punkt abziehen.



    Zitat von Lehrerinlehrling

    Ähnlich das Wort "hay" - "Heu" (Kontext: Was fressen Kaninchen) Hay ist für die SuS eigentlich unbekannte Lexik. Nur 2 SuS konnten das aus dem Kontext deuten, was mich sehr freut. Letztlich finde ich es aber nicht soo wichtig, dass ich hier den anderen einen Punkt abziehen müsste.

    Zu unbekannter Lexik in Mediationen steht oben etwas. Wenn ansonsten der zentrale inhaltliche Aspekt hier wäre, dass Kanninchen Heu fressen, dann müsstes du SuS die das nicht verstanden haben natürlich auch den Punkt dafür abziehen, wenn sie das nicht darstellen. Hätten die SuS andere zentrale Grundnahrungsmittel genannt nur das unbekannte Heu nicht, wäre ich auch großzügig.


    Zitat von Lehrerinlehrling

    "Kaninchen benötigen viel Auslauf", im Text steht jedoch: "need a big hutch".

    Kann akzeptabel sein (im Sinne einer Assoziationskette großer Stall = großes Gehege= viel Auslauf). Auch hier wäre von dir zu beurteilen wie relevant explizit der Stall für den Gesamtkontext ist (z.B. wenn verschiedenen Haltungsbedingungen im weiteren gegenüber gestellt werden würden) oder ob "Auslauf" ausreichendes inhaltliches Verständnis zeigt.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Bei einer 6. Klasse auf Realschulniveau würde ich ausschließlich Vokabular nehmen, das die Schüler schon kennen, bzw. für unbekannte Wörter Erläuterungshilfen (entweder kurze, englische Definition oder direkt deutsche Übersetzung) angeben. Ab Klasse 8 dürfen auch wenige unbekannte Wörter dabei sein, die aus dem Zusammenhang erschlossen werden (Gymnasialniveau entsprechend mehr unbekannte Wörter).

  • Bei den gänzlich selbst konzipierten Test nehme ich normalerweie auch ausschließlich bekannte Lexik. Hier habe ich mich aber bei den vom Verlag zur Verfügung gestellten "Vorschlägen für die Leistunsmessung" bedient und wohl übersehen, dass einige Wörter nicht im Lehrbuch erscheinen und damit nicht behandelt wurden. Ich finde das letztlich nicht weiter tragisch. Es gibt immer unbekannte Lexik. Das unbekannte Wort taucht hier in einer Aufzählung auf. Ich habe mich hier auch entschieden, das nicht zu werten. Auch sonst habe ich mich entschieden, eher großzügig zu sein. Die Aufgabe heißt Mediation und nicht übersetzen. Ich habe das für mich daher so entschieden :-)


    Danke euch allen zunächst.

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    Das Original ist leider nicht gegendert. Und deshalb schlecht. Nicht.

  • Off-topic:


    Wie kommt das eigentlich, dass jmd. mit Mathe u. Physik fachfremd Englisch unterrichtet?


    Akuter Mangel. Nach Ostern (hoffentlich) dann wieder behoben :-) Stand - glaub ich - aber auch ganz oben in diesem Faden. Spreche mehrere Sprachen, habe lange im Ausland gelebt. .. wurde gefragt. Ich weiß sehr wohl, dass das keine hinreichenden Gründe sind, sich einzubilden, gut fachfremd unterrichten zu können, die Alternative wäre hingegen gewesen, den Unterricht ausfallen zu lassen. Fachfremd ist doch _immer_ eine Krücke, oder? Ich mein, ich hab auch schon Kolleginnen gehabt, mit fachfremd Mathe..


    Im schlimmsten Fall ist es mir gelungen, den Status quo zu erhalten. :-)

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    Das Original ist leider nicht gegendert. Und deshalb schlecht. Nicht.

  • OT, aber es ist echt interessant, dass im Referendariat ein derart hoher Bewertungsmaßstab herangezogen wird, wenn es bei fachfremdem Unterricht ausgebildeter Lehrkräfte bereits genügt, "den Status quo zu erhalten". Natürlich kannst du da am wenigsten für, das System ist nur irgendwie komisch...

  • Die Lehrkräfte die das fachfremd machen haben halt zumindest schonmal durchs Ref nachgewiesen, dass sie grundsätzlich verstanden haben, was zu gutem Unterricht gehört. Da fehlen dann zwar immer noch Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Ganz hanebüchen wird es bei ausreichender fachlicher Kompetenz sowie der Bereitschaft sich ins neue Fach einzuarbeiten aber im Regelfall nicht werden. (Direkteinsteiger ohne Ref sprengen meine Argumentation natürlich.)

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  • OT - Fortsetzung -
    dass im Referendariat ein derart hoher Bewertungsmaßstab herangezogen wird


    ja.. das find ich auch... völlig praxisferne Bewertungsmaßstäbe.. stundenlanges Stunden-Planen - möglichst minutengenau... und dann sitzen Leute drin, die grad mal 4 Jahre älter sind als die Refis... super Erfahrung :-( ja, ja... OT )

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    Das Original ist leider nicht gegendert. Und deshalb schlecht. Nicht.

  • "Da fehlen dann zwar immer noch Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Ganz hanebüchen wird es bei ausreichender fachlicher Kompetenz sowie der Bereitschaft sich ins neue Fach einzuarbeiten aber im Regelfall nicht werden. "


    "(Direkteinsteiger ohne Ref sprengen meine Argumentation natürlich.)".... Ja... systembedingter Bedarf.. Wer nur hat das System soo kaputt gemacht, dass es so unzulänglich geflickt werden muss :(

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  • OT, aber es ist echt interessant, dass im Referendariat ein derart hoher Bewertungsmaßstab herangezogen wird, wenn es bei fachfremdem Unterricht ausgebildeter Lehrkräfte bereits genügt, "den Status quo zu erhalten". Natürlich kannst du da am wenigsten für, das System ist nur irgendwie komisch...

    Sind GrundschullehrerInnen nicht oft die Hälfte der Zeit "fachfremd" unterwegs?

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