Verwahrloster Schüler - ich habe keine Idee mehr

  • Liebe Kolleg_inn_en,


    jeder Hinweis hilft mir weiter. Seit fast drei Jahren habe ich einen SuS in der Klasse (7.), der mich immer wieder an meine Grenzen bringt. Die Situation mit ihm ist so, dass ich mich oft hilflos fühle, weil alle meine Versuche etwas zu ändern ins Leere laufen.
    Wir, die Klassenlehrer, Schulsozialarbeiter, Mediator, Abteilungsleiter und Jugendamt prallen immer wieder bei seiner verweigernden Grundhaltung und einer Mutter, die oft krank ist und sich um nichts kümmert ab. Der Kontakt zum Vater besteht kaum und wird auch seitens der Mutter und des Schülers nicht wirklich gewollt.
    Der Schüler verwahrlost zunehmend. Er lässt seinen Pony so wachsen, dass man seine Augen nicht mehr sehen kann und auch seine Kleidung und seine Körperhygiene weisen immer mehr auf eine Verwahrlosung hin.
    In der Schule verweigert er meistens seine Leistung und da wir eine Schule mit Lernbüros sind und die SuS selbst über den Zeitpunkt ihrer Arbeiten (bei uns Kompetenztest) entscheiden, verschärft das nur die Situation. Er entzieht sich, wann immer es geht.


    Gibt es jemanden, der mit so einem Schüler Erfahrung hatte?

  • Immer wieder ans JA melden. Und zwar, wenn begründet (scheint ja so), mit dem offiziellen Anhörungsbogen zur Kindeswohlgefährdung. Wenn die Mutter keine Schutzvereinbarung unterschreibt/ diese nicht einhält/ keine Erziehungshilfe durch das JA annimmt, geht das dann irgendwann vors Familiengerecht... Ob die sich daraus ergebenden Konsequenzen dann allerdings positiv auf den Jungen auswirken, ist aber ja gar nicht klar.
    Regelmäßige Beratung für den Jungen in der Schule anbieten? Termine für Sprechstunden dafür vereinbaren? Wie siehts mit Therapie aus?
    Offene Unterrichtssrrukturen sind natürlich für solche Kinder dann nicht geeignet.
    Schulformwechsel vorschlagen - wenn's alles nicht fruchtet, weil die Eltern nicht fähig sind, ihn zu unterstützen und alles andere keine vergleichende Wirkung zeigt (wir haben auch solche Fälle), wird es wohl darauf hinauslaufen, dass er so mitläuft, ein paar mal wiederholt und am Ende nach Klasse 7 oder 8 mit 10 Schulbesuchsjahren abgeht. Haben wir jedes Schuljahr. Traurig. Versuch es weiter mit Gesprächen und Meldungen. Etwas anderes fällt mir nicht ein.

  • ... Wenn die Mutter keine Schutzvereinbarung unterschreibt/ diese nicht einhält/ keine Erziehungshilfe durch das JA annimmt, geht das dann irgendwann vors Familiengerecht...

    wegen langer Haare? Das würde mich wundern.



    ...
    Gibt es jemanden, der mit so einem Schüler Erfahrung hatte?

    Unsere Schüler sind alle so unterwegs, deswegen bin ich sicher schon abgestumpft. Generell sollte man aber lernen, die Verantwortung für das Kindeswohl anderer Leute Kinder abzugeben.


    Unsere Aufgabe ist es, Gefährdung des Kindeswohls anzuzeigen. Eine persönliche Bindung zu einem Schüler lässt uns natürlich weit mehr versuchen als das, trotzdem darf es nicht so weit gehen, dass du schlaflose Nächte hast, weil du eben weder das Kind, noch seine Mutter bist. Du kannst Menschen nicht ändern oder ihnen ein Verhalten, psychische Gesundheit oder einen Lebensstil aufzwingen.

  • Die Sorgen von ankepure kann ich sehr gut nachvollziehen. Man meint es gut mit dem Kind, sieht, dass es immer weiter bergab geht und kann nichts tun. Wenn das zuständige Jugendamt so gestrickt ist wie unseres, kann man da auch nicht viel Hilfe erwarten.


    Was man wirklich tun kann? Die offenen Strukturen sind für so ein Kind natürlich Gift und wenn man mit den Eltern nichts anfangen kann, ist es schwer. Viele Instanzen sind schon eingeschaltet.


    Ich weiß es auch nicht. Wenn ich in der Situation wäre, würde ich die schulpsychologische Beratungsstelle einschalten, aber hauptsächlich, weil ich da mit unserer gute Erfahrungen habe. Wie es woanders aussieht, weiß ich nicht.

  • Liebe MilaB, lieber Krabappel, liebe lamaison,


    vielen Dank, dass Ihr mir Eure Gedanken zu meinem Schüler geschickt habt. Für mich ist es schwierig zuzusehen, wie dieses Kind in das eigene Unglück rennt.
    Den Weg über die schulpsychologische Beratungsstelle bin ich noch nicht gegangen. Vielleicht bringt uns das weiter.

  • ...Für mich ist es schwierig zuzusehen, wie dieses Kind in das eigene Unglück rennt.

    Ja, das ist es natürlich. Ich weiß nicht, ob es dich beruhigt oder entmutigt, ich habe z.B. 2 Jahre für eine(n) SchülerIn gekämpft, der von Aggression über Autoaggression bis zur Depression alle innerfamiliären und intrapersonellen Konflikte in die Schule getragen hat. Ich habe mich mit dem Jugendamt gestritten, von der Mutter beschimpfen lassen, nach Psychiatrie, Drogenmissbrauch und Weglaufen aus der WG lebt das Kind nun beim Freund und kommt nur noch einmal im Halbjahr in die Schule. Mehr als: ...wenn du ernsthaft vor hast, dein Leben auf die Reihe zu kriegen: deine Mutter schafft es nicht, dich zu unterstützen, wir sind aber immer für dich da, sprich uns an... kann ich nicht mehr tun. Es wäre für niemanden hilfreich, wenn ich auch noch zusammenbräche, ob der Aussichtslosigkeit, ich kann nur Hilfen anbieten, annehmen muss derjenige sie selbst. In diesem Punkt bin ich inzwischen dem Jugendamt näher als früher. Aufgeben muss man deswegen aber niemand, loslassen triffts besser, in die eigene Verantwortung zurückbringen.

  • Könnte der Schüler nicht in eine Heilpädagogische Tagesgruppe? Dann wäre er wenigstens an ein paar Nachmittagen versorgt.


    Was die Schule anbelangt: Als Hilfestellung für Schüler, die nicht in einem offenen System lernen können, muss man das System aufbrechen, also z.B. kleine überschaubare Tagespläne anbieten und die Leistungskontrollen festlegen, indem man etwa die Wahl zwischen zwei Terminen lässt (so kann er noch etwas mitentscheiden).

  • wegen langer Haare? Das würde mich wundern.

    Nein, sondern wenn begründet.

    Immer wieder ans JA melden. Und zwar, wenn begründet

    Wir können aus der Ferne die Situation nicht beurteilen, denke ich.
    Ich bin auch wahrscheinlich schon abgestumpft, was den physischen und psychischen Zustand von Schülern angeht.
    Wenn ich das Kindeswohl eines Schülers als gefährdet einstufen würde, würde ich wie oben beschrieben handeln.

  • Bei Verdacht auf Kindswohlgefährdung ist bei uns nach §4 KKG die anonymisierte Beratung der Lehrkraft durch eine "insofern erfahrene Fachkraft" (= "INSOFA") vorgesehen. Eigentlich ging ich davon aus, dass das bundesweit so wäre...

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

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