Wegen schlechter Note - Schüler wollten Lehrer töten (NRW)

  • ... ich muss langsam mal aufhören, Kommentare zu Artikeln zu lesen.

    Das wäre wahrscheinlich besser. Ich lange mir jedenfalls oft in FB-Diskussionen an den Schädel, ob der grassierenden Hohlheit und Aggression eingekleidet in Rechtschreib- und Grammatikfehlern.
    Aber was sich m.E. eigentlich geändert hat: Wann kam denn bis vor 30 Jahren die eine soziale Schicht mit der anderen in Berührung? Nie. Heute trifft sich Hinz mit Kunz, tausende Fremde vermelden irgendwo irgendwas.


    Laufe mal bewusst durch einen anderen Stadtteil und geh dort zu Aldi. Ja, es ist an manchen Orten erschreckend tumb. Und deswegen bleibt man eben schön in seinem Wohngebiet. Nur die Kommunikation, die findet plötzlich online statt, daher bekommt man das viele verbohrte und auch hetzerische Gerede überhaupt mit.

  • an dem Punkt, an dem die Kommentare zum Artikel sind, die zigfach darauf hindeuten, dass es sich ja nicht um einen "Deutschen Michael" ("#Michael") gehandelt haben kann (vermutet wird natürlich ein Mohamed), die unbedingt die Nationalität des Jugendlichen erfahren wollen und den Journalisten unterstellen, diese absichtlich zu verschweigen

    Ja, die Argumentation in dem Zusammenhang geht so: Wäre es ein Deutscher, hätte das der Journalist sofort geschrieben. Dadurch, daß er es wegläßt, kann es sich nur um einen Jugendlichen mit Migrationshintergrund handeln, was man aber in vorauseilendem Gehorsam politisch korrekt eben nicht schreiben darf.



    Dann glauben plötzlich Menschen, sie könnten eigene Reiche gründen und Polizisten niederknallen, oder den Lehrer, oder den Nachbarn.

    Ich sehe da als Ursache, daß sich der deutsche Staat im Alltag nicht mehr durchsetzen kann. Polizisten nimmt eh niemand mehr für voll, wahrscheinlich weil sie sich nicht wehren dürfen. Und im Allgemeinen kann man bei uns in D reichlich Mist bauen ohne wirklich Konsequenzen zu erfahren.
    Allein, wenn ich daran denke welche Straßenschlachten sich die "Fußballfans" jedes Wochenende mit der Polizei liefern. Zieg Hundertschaften vom Bundesgrenzschutz müssen auffahren, um den Mob auch nur halbwegs in Schach zu halten. :daumenrunter:
    In Frankreich würde sich niemand wagen einen Polizisten so anzugehen, er müßte nämlich damit rechnen den Angriff nicht zu überleben.


    Oder denk nur aktuell an die Diskussion in Berlin über die offiziellen Verkaufsplätze für Drogendealer im Görlitzer Park. Unser Staat hat für alle offensichtlich vor den Clans kapituliert. :(

  • Wie gesagt: Die Polizei brauch erst mal an vielen Stellen mehr Personal. Dann benötigen wir Richter, die eben nicht heizipopeiti kuscheln wollen und auch bei Jugendstrafen eben nicht mit dem Federchen kommen, sondern angemessen hart entscheiden.


    Zivilcourage setze ich übrigens voraus CDL und das, obwohl ich deswegen schon ein paar mal ordentlich Prügel kassieren durfte.
    Aber in Zeiten, wo wieder vermehrt Leute denken, Sie könnten ihre Interessen mit Aggression durchsetzen, braucht es halt eben auch den starken Staat.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • ann benötigen wir Richter, die eben nicht heizipopeiti kuscheln wollen und auch bei Jugendstrafen eben nicht mit dem Federchen kommen, sondern angemessen hart entscheiden.

    Woher kommt eigentlich in der Gesellschaft diese Überzeugung, es bei Gerichtsurteilen besser zu wissen als studierte Juristen, die im Regelfall jahrelange Erfahrungen mit Straftaten, deren Folgen und dem Ziel von Jugendstrafen (erziehen statt strafen) haben? Unser Strafsystem ist nun mal nicht so aufgebaut, dass hier mit harter Hand regiert wird. Gibt es Studien dazu, dass harte Strafen besser wirken als der Versuch einer Resozialisierung? In diesem Fall müssten in den USA ja paradiesische Zustände herrschen.


    Politik, Sport, Jura sind Gebiete, in denen jeder meint, es besser zu wissen. Es gibt Gesetze, in denen stehen Mindest- und Höchststrafen für Taten, sowie Erläuterungen, welche Merkmale zur Erfüllung dieser Tat gelten. Vermutlich würde es helfen, da mal rein zu schauen und sich die Begründungen von vielen Urteilen mit unterschiedlichem Strafmaß mal durchzulesen. Aber das wäre ja Arbeit...

  • Kalle, woher nimmst du dir die Gewissheit, dass das Reinschauen nicht erfolgt ist (schon mal was von Schöffengericht gehört?)?

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  • "An Schulen in Nordrhein-Westfalen gibt es immer mehr Straftaten. „In NRW berichtet jede dritte Schulleitung über Gewalt gegen Lehrkräfte“, klagte der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) in einer Mitteilung."

    Ach quatsch. Das sind doch alles nur die berühmten "Einzelfälle"... wahrscheinlich zählt der Schüler, der dem Lehrer die Kreide klaut, auch dazu.


    Und was heißt "jede dritte Schulleitung". Solche subjektiven Bedrohungsgefühle sollten erst einmal durch eine groß angelegte, mehrjährige wissenschaftlich begleitete Studie evaluiert werden. Und diese Studie müsste erst einmal europaweit ausgeschrieben werden.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Woher kommt eigentlich in der Gesellschaft diese Überzeugung, es bei Gerichtsurteilen besser zu wissen als studierte Juristen, die im Regelfall jahrelange Erfahrungen mit Straftaten, deren Folgen und dem Ziel von Jugendstrafen (erziehen statt strafen) haben? Unser Strafsystem ist nun mal nicht so aufgebaut, dass hier mit harter Hand regiert wird.

    Bei mir rührt die Überzeugung daher, daß Straftaten, bei denen es nur zu Sachschäden kommt, sehr hart bestraft werden. Wohingegen Straftagen gegen die körperliche Unversehrtheit des Opfers extrem lasch geahndet werden. Das setzt sich dann auch im Zivilrecht fort. Die Schmerzensgeldansprüche sind in Deutschland ein ganz schlechter Scherz.


    Betrüge das Finanzamt um >=100.000€ und du wanderst 5-10 Jahre in den Knast. Bring jemanden um und du sitzt auch kaum länger im Knast. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?
    Da müßte dann, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, lebenslänglich wirklich lebenslänglich bedeuten.

  • Ich habe gar nichts gegen härtere Strafen (als symbolischen Akt für die Opfer, ich könnte mir vorstellen, dass denen das wichtig ist und die sollten im Zentrum stehen).
    Es gibt allerdings keine Studie, die belegt, das härtere Stafen als Prävention was taugen. Und dass Opfer gar nicht erst entstehen, das sehe ich als noch 1000 Mal wichtiger an. Da müsste das Geld reingehen. Oder das müsste das Geld AUCH und noch mehr davon reingehen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • @Meike.:
    Als ich in der letzten Woche die Urteile zum Fall der schweren Körperverletzung mit Todesfolge in Köthen im Radio gehört habe und die Sprecherin sagte, daß es bei der Verkündung zu Tumulten seitens der Angehörigen des Opfers gekommen ist, war mein erster Gedanke: "Ein zweiter Fall Marianne Bachmeier". :angst:


    Strafmaß für einen Volljährigen: Ein Jahr und acht Monate. Eine ähnliche hohe Strafe bekommt man, wenn man das Finanzamt um 50.000 € betrügt. Das Leben des Opfers ist dem Staat also ca. 50.000€ wert. Wegen Körperverletzung mit Toadesfolge bekommt man in Frankreich 15 Jahre, um mal die Relationen aufzuzeigen.


    Ob Strafen einen potentiellen Täter abschrecken? Ich denke kaum, weil jeder meint, daß er das System austricksen kann, daß er also so schlau ist, daß ihn niemand erwischt. Aber bei den Strafen gibt es immer auch eine Außenwirkung gegenüber der Öffentlichkeit und die ist bei dem Strafmaß, das für Körperverletzung bis hin zum Mord angesetzt wird, im Vgl. zu den Strafen bei Sachbeschädigung, Diebstahl, Betrug, viel zu gering.

  • Ich zitiere einfach mal aus einer Zusammenfassung der bpb von 2016 zur Jugendkriminalität:

    (...)
    Zusammenfassung
    Welche der verschiedenen Messinstrumente auch immer gewählt werden – sie zeigen, dass Jugendkriminalität in ihren leichten Formen ubiquitär ist, dass sie bagatellhaft und vor allem episodenhaft ist. Einen empirischen Beleg gibt es weder für eine zunehmende Brutalisierung noch für eine Zunahme des Anteils der Mehrfachtäter. Vor allem zeigen die vorliegenden Zahlen, dass für eine Dramatisierung der Jugendkriminalität und für eine Verschärfung des Strafrechts kein Anlass besteht. Die sich nicht nur im Hellfeld, sondern auch bei selbstberichteter Delinquenz abzeichnende Höherbelastung einiger ethnischer Gruppen im Gewaltbereich deutet freilich auf Integrationsprobleme hin, insbesondere im Bildungsbereich. Die bereits vor 100 Jahren aufgestellte These "Sozialpolitik (stellt) zugleich die beste und wirksamste Kriminalpolitik dar",[20] ist deshalb immer noch und unverändert gültig.

    Wer meint es besser zu wissen, möge das doch bitte belegen, statt nur vom eigenen Rechtsempfinden auszugehen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ei, isch sach doch.


    Und deshalb bleibt mein erster Beitrag in diesem thread bestehen: Wege aus der Entitlementgesellschaft?

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  • Die dem zu Grunde liegenden Faktoren sind sicher vielfältig - angefangen über eine Erziehung zum Prinzen und Prinzesschen, verstärkt durch die Like-Kultur der sozialen Medien, die nicht nur bei Jugendlichen einen derart großen Einfluss auf Selbstwahrnehmung und Selbstbewusstsein haben, wie man es kaum fassen kann, bis hin zu einer Veschiebung des Sag/Denk--->(damit auch Durchführ)baren durch den medialen Dauerbeschuss durch die extremen Pole der Gesellschaft, die durch Obiges, aber auch durch einen zunehmend unter Druck stehenden Jounalismus, der sich gegen Verschwörungsportale und Filterblasen durchsetzen muss, und sich zum Teil statt dessen anpasst, befeuert werden. Dann glauben plötzlich Menschen, sie könnten eigene Reiche gründen und Polizisten niederknallen, oder den Lehrer, oder den Nachbarn.


    Die interessante Frage wäre, ob's da noch einen Weg raus gibt.

    das sind sicher alles wichtige faktoren, um dieses entitlement vieler leute zu erklären. ich würde gerne eine ziemlich weit fortgeschrittene individualisierung hinzufügen (ganz ohne wertung, mehr als soziologischer fakt, quer durch alle theorierahmen), einhergehend mit einer starken konzentration auf das gefühl, einzigartig und besonders zu sein, und deshalb entsprechende behandlung nach eigendefinition und gusto zu verdienen (ganz guter aktueller überblick bei reckwitz) und ein ganz stark gestiegener ökonomischer druck auf sehr viele (das aber sehr wohl mit deutlicher politischer wertung), von hohen mieten bis stagnierendes lohnniveau und extrem rückgebauter sozialstaat, die berühmte schere zwischen arm und reich, neoliberales denken ohne alternative, präsentiert als "sachzwang" etc.. schulerfolg und damit verbundene träume von sozialer mobilität sind sehr viel verbreiteter als noch vor zehn jahren, der kampf um die noten ist da ja nur ein symptom von vielen.


    insofern, auswege, wilde assoziationen:
    empathieerziehung, dachten wir. scheint aber nicht so alleine wirksam zu sein, man kann auch als mobber sehr viel empathie haben, man nutzt sie dann halt als perfides planungstool, um besonders viel leid beim anderen zu produzieren (psychopathen sind meist auch sehr gute empathen; sie wissen genau, wie du dich fühlst, es ist ihnen nur sch**** egal, solange sie diese gefühle nicht zum eigenen vorteil ausnutzen können).


    insofern: demokratieerziehung, persönlichkeitsbildung im weitesten sinn (von allgemeinbildung über frustrationstoleranz bis zum antirassismustraining), dafür mehr geld für bildung, vor allem frühkindlichen bereich, aber auch in den schulen. friedenserziehung, erziehung zur solidarität mit allen menschen (aka menschenwürde, kategorischer imperativ). wie man es auch nennen mag.


    insofern: sozialstaat stärken, von mieten deckeln und konsequenter verfolgung von steuerverbrechen an der allgemeinheit von großkonzernen und leuten mit zuviel geld bis hin zu mehr hilfen und mehr großzügigkeit in der unterstützung jener, die der leistungsgesellschaft nicht gewachsen sind. keine religion des freien marktes, der angeblich alles von selbst zum besten für alle regelt. mehr unterstützung für alle, sich miteinander (!) frei zu entfalten.


    insofern: eine informierte medienpolitik, mit starkem öffentlich-rechtlichem rundfunk mit bildungsauftrag, der sich auch in den sozialen medien sichtbar und deutlich einbringt.

  • Betrüge das Finanzamt um >=100.000€ und du wanderst 5-10 Jahre in den Knast. Bring jemanden um und du sitzt auch kaum länger im Knast. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?

    So ein Verhalten ist aus Sicht des Staates unter dem Aspekt der Einnahmenmaximierung und Ausgabenminimierung rational:


    Bei Steuerhinterziehern gilt der Abschreckungseffekt: Wenn die Leute durch harte Strafen von der Steuerhinterziehung abgeschreckt werden, steigert das die Einnahmen des Staates.


    Bei Kapitalverbrechen und ähnlichem gilt die Kostenminimierung: So ein "Lebenslänglicher" (= effektiv 10 bis 15 Jahre in Deutschland) kostet den Staat locker eine Million Euro an Strafvollzugskosten.


    Also: Der Staat handelt als ökonomisches Subjekt vollkommen rational...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zum einen meine ich auch, dass ist ein Vorfall, wie er in jeder Berufsgruppe passieren kann und passiert. Zum anderen möchte ich fragen, ob sich dahinter vielleicht eine mangelnde Frustrationstoleranz versteckt, also dass man nicht immer alles bekommt im Leben, wie man es möchte und ob Erziehung im Allgemeinen und Schule im Besonderen heute das vielleicht befördern, weil so sehr auf Freiwilligkeit und Individualität und den Spaßfaktor gesetzt wird?


    Edit: Da ging gerade was beim Bearbeiten schief, aber ich weiß nicht, wie ich das rückgängig machen kann.

  • Das haben wir hier ja schon geschrieben - nur in etwas mehr Worten, weil es eben keine ein-Faktor-Erklärung gibt.

    Was mich, wie Nele, mehr besorgt, ist ein wachsendes Gefühl des "entitlements", leider fehlt mir die gleichermaßen aussagekräftige deutsche Übersetzung - in dem Wort steckt "die narzisstische Überzeugung, eine Berechtigung auf alles zu haben, was man haben will oder von dem man glaubt, dass es einem zustehen könnte, ohne dass man dafür etwas zu leisten hat - nur weil man eben da ist.", die sich - nicht nur bei Jugendlichen - zunehmend in Inkazeptanz von Scheitern (-> Verklagen, Agressionen), in Weigerungen, die eigenen Grenzen anzuerkennen und in Wunschträumen nach schnellem Erfolg ohne Leistung ("influencer") niederschlägt. Das fängt an bei Menschen, die die Mitarbeiter des Amtes, bei dem sie etwas beantragt haben, bedrohen oder gar gewalttätig angehen, geht weiter über aus-dem-Weg-Schubsen von Rettungssanitätern, weil man den Film über die Verletzten drehen möchte, der einem bei youtube&co massenhaft clicks einbringt, und kulminiert im schlimmsten Falle in einem geplanten Mord wegen einer Note, die einem nicht passt. Grundsätzlich sehe ich das Problem darin, dass viele - auch Erwachsene - im Wahn herumlaufen, sie seien das Zentrum der Welt und alle anderen nur dazu da, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Und Regeln, Gesetze, Ordungen nur unerträgliche Gängelungen eines Systems, das meine Bedürfnisse nicht zubefriedigen vermag.


    das sind sicher alles wichtige faktoren, um dieses entitlement vieler leute zu erklären. ich würde gerne eine ziemlich weit fortgeschrittene individualisierung hinzufügen (ganz ohne wertung, mehr als soziologischer fakt, quer durch alle theorierahmen), einhergehend mit einer starken konzentration auf das gefühl, einzigartig und besonders zu sein, und deshalb entsprechende behandlung nach eigendefinition und gusto zu verdienen (ganz guter aktueller überblick bei reckwitz) und ein ganz stark gestiegener ökonomischer druck auf sehr viele (das aber sehr wohl mit deutlicher politischer wertung), von hohen mieten bis stagnierendes lohnniveau und extrem rückgebauter sozialstaat, die berühmte schere zwischen arm und reich, neoliberales denken ohne alternative, präsentiert als "sachzwang" etc.. schulerfolg und damit verbundene träume von sozialer mobilität sind sehr viel verbreiteter als noch vor zehn jahren, der kampf um die noten ist da ja nur ein symptom von vielen.

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  • jein. mir ging es mehr um die faktoren, die das von dir beschriebene erklären (nicht ursachen, es ist ja eher eine wechselwirkung zwischen verschiedenen fatoren, denke ich, keine eindeutige wirkrichtung). du nennst ja bereits einige, die sicher sehr richtig sind (siehe mein zitat aus deinem post oben), und ich habe die eben um fortschreitende individualisierung und stark zunehmenden ökonomischen druck auf den einzelnen ergänzt. das, was du hier nochmal zitierst, sind meines erachtens eher ausdrucksformen der individualisierung, also beobachtbares, was man durch diese struktur erklären kann. das sind aber nicht die punkte, wo man allein für vielleicht (!) wirksame gegenmaßnahmen ansetzen kann. dazu brauche ich immer auch (!) den blick auf die struktur, und die verändert sich in der zeit, seit ein paar jahrhunderten in richtung individualisierung, und da kam in den letzten zehn jahren eben nochmal ein recht krasser schub.

  • Die Frage wäre, ob eine Entwicklung "zurück" zu einem kollektiven Verständnis von Werten dem abhelfen würde. Sprich: ob sich in Gesellschaften, in denen der Eizelne nicht so viel zählt, eine "bessere" Verhaltensweise der Menschen zeigt. Oder werden dann dieselben Anzahlen von Menschen umgebracht - nur aus anderen Gründen? Nicht wegen "ich-ich-ich-hab-nicht-gekriegt-was-ich-will" sonder dann halt wegen "wir-finden-dass-du-die-Rgeln-verletzt-hast-nicht-zu-uns-passt-anders-bist"?
    Ich kenne keine Studien zu Kriminalitätsraten solcher Systeme im Vergleich zu unserem. Nordkorea hat natürlich null Kriminalität ;) - das hängt aber wohl eher mit den Schreibern der Propagandastatistiken zusammen, oder damit, dass du halt deinen Nachbarn nicht ermordest, wenn der genau so wenig hat wie du. Oder im Gulag sitzt und malocht.
    Tja...

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  • Da wäre Japan mal interessant als Vergleich.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • gewagte allgemeineinschätzung: wenn man wert auf menschenrechte legt, schneiden nicht-individualisierte, jedoch industrialisierte gesellschaften i.a. nicht gut ab. suizidraten, exekutionen usw. sind da dann doch deutlich, du bist dann nicht du als einzelner, sondern du bist die gemeinschaft. du musst tun, was die gruppe von dir erwartet, sonst bist du verwerflich und mies und letztlich verzichtbar. repression helau, man kann ja dann schön den ganzen staat als familie stilisieren, und schon hat man die bürgerlichen freiheiten in die tonne getan. da muss man auch gar nicht bis china heute schauen, da tut es schon das 19. jahrhundert in europa (das volk der körper, der monarch der kopf und all sowas, organische metaphern gingen gut).


    soll nicht heißen, dass alle individualisierten gesellschaften irgendwie pauschal menschenfreundlicher sind, aber die chancen auf ein menschenfreundliches miteinander ist dort größer.


    individualisierung ist nichts schlechtes, eher sowas wie das wetter. dauert ja auch schon ein paar jahrhundert an und hat sich mittlerweile dann doch globalisiert. ist immer das, was man drauß macht, siehe die ungeordneten ideen oben, von wegen bildung, medien, sozialstaat.-


    wer spaß an krassen beispielen hat: japan und südkorea sind sehr interessant, da hat sich der europäische prozess der individualisierung in wenigen jahrzehnten vollzogen oder halt auch nicht, jedenfalls sind sehr traditionelle gesellschaften plötzlich in was ganz anderes gestürzt. sehr spannend.

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