Latein in der Schule: Bringt das so viel für Grammatik?

  • eine übersetzung ist immer bloß eine übersetzung. ich stoße bei griechischen texten immer hart ans limit, weil ich einfach manches mangels sprachkenntnis nicht adäquat verstehen kann. das stört sehr und macht manche fragestellungen unergründbar. ist verdammt schade. hätte ich doch mal an der uni statt französisch altgriechisch nebenher besucht (war beides freiwillig). und ich kann so gut wie kein französisch, trotz dieses kurses. (okay, meine schuld. hätte ja mehr lernen können. war faul.)

  • Da stimme ich zu.


    Ich bin auch - anders als es in meinen ersten Posts hier womöglich den Eindruck machte - keinesfalls ein "Unterrichts-Ökonom". Tatsächlich finde ich, dass sich nicht alles direkt als effizient/nützlich etc. erweisen muss, sondern dass Bildung auch ein Wert an sich ist, den man nicht unterschätzen sollte. Ich lebe zumindest lieber in einem Land, in dem alle Menschen einigermaßen breit gebildet sind, als in einem, indem sie nur das gelernt haben, was sie (womöglich) direkt brauchen.
    Daher finde ich Religion ansatzweise wichtig, wobei ich lieber das Schulfach "Ethik" hätte. Insbesondere, dass sich die Kirche in den Unterricht an staatlichen Schulen einmischt, finde ich im 21. Jahrhundert gruselig. Außerdem hätte sich die Frage nach dem islamischen Religionsunterricht dann auch erledigt. Meinetwegen kann man es auch "Religion und Ethik" nennen, Hauptsache die konfessionelle Bindung entfällt.


    Soll heißen: Niemand wird alles, was er in der Schule gelernt hat, vollständig anwenden müssen. Grammatikkenntnisse helfen aber imho schon, seine Texte verständlicher verfassen zu können (es geht dabei gar nicht um "schöne", sondern um richtige Ausdrucksfähigkeit). Wenn ich mir manchmal anschaue, was Sek II-Schüler/innen da so produzieren, wundert es mich nicht, dass sich meine Nicht-Lehrer-Freunde, von denen ein paar im Personal-Bereich arbeiten und sich immer genau darüber beschweren, fragen, was ich den Kindern eigentlich beibringe. Und zu erkennen, dass in einer Ansammlung von Wörtern zwischen zwei Punkten mehrere finite Verben vorhanden sind, könnte ja helfen, auf die Idee zu kommen, dass man mal ein Komma setzen könnte. Also ehrlich, manchmal lese ich "Sätze" (bzw. das, was die SuS dafür halten), die eine halbe bis 3/4 Seite lang sind...das muss einem doch auffallen?!

  • Es ist völlig absurd, in Bildungsangelegenheiten die Frage nach dem Nutzen zu stellen.
    Schule als Bildungsinstitution hat nicht den Auftrag, den Schülern nützliche Dinge fürs Leben beizubringen.
    Für angehende Abiturienten sollte Latein Pflicht sein.


    Dass man aber an einigen Hochschulen schon nicht einmal mehr ein Latinum braucht, um Geschichte zu studieren, zeigt deutlich auf, wie verrottet unser Bildungssystem schon ist.

  • Es ist völlig absurd, in Bildungsangelegenheiten die Frage nach dem Nutzen zu stellen.

    Warum? Ich finde die Frage ganz und gar nicht absurd. Sie ist sogar hochgradig philosophisch.


    Zitat

    Schule als Bildungsinstitution hat nicht den Auftrag, den Schülern nützliche Dinge fürs Leben beizubringen.

    Ich verzichte auf die offensichtlichen dummen Bemerkungen, die man zu dieser Aussage machen könnte. :D

    Zitat

    Für angehende Abiturienten sollte Abitur Pflicht sein.

    ?( Meintest du vielleicht "Latein" anstatt "Abitur"?

    Zitat

    Dass man aber an einigen Hochschulen schon nicht einmal mehr ein Latinum braucht, um Geschichte zu studieren, zeigt deutlich auf, wie verrottet unser Bildungssystem schon ist.

    Finde ich auch problematisch. Latein gehört zum Handwerkszeug. Französisch muss man aber auch zumindest lesen können, weil es nach Latein die zweite wichtige Sprache der europäischen Moderne bis ins 19. Jh. ist. Dass man Englisch in Wort und Schrift fließend beherrschen muss, versteht sich wohl für jedes Studium von selbst.

  • Es ist völlig absurd, in Bildungsangelegenheiten die Frage nach dem Nutzen zu stellen.

    Als Ergänzung Hermann Hesse: Echte Bildung ist nicht Bildung zu irgendeinem Zweck; sondern sie hat, wie jedes Streben nach dem Vollkommenen, ihren Zweck in sich selbst.


    Wer sich auf das Niveau herabbegibt, lediglich direkte Kosten-Nutzen-Relationen aufzustellen, wird zu dem Ergebnis kommen (bezogen aufs Gymnasium):
    - Religion verzichtbar
    - Sport verzichtbar
    - Mathe in der Oberstufe für 2/3 der SuS künftig verzichtbar
    - Auseinandersetzung mit Literatur überhaupt (in allen Sprachen) verzichtbar (Allerdings nur, wenn man noch nie etwas von Schiller gehört hat: Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt [=sich mit Dingen beschäftigt, mit denen er sich nicht beschäftigen muss, sondern will!])
    - Bio, Chemie, Physik in der Oberstufe: für 3/4 verzichtbar
    - Gesellschaftswissenschaften: verzichtbar (es besteht ja keine Wahlpflicht in D, also muss man sich auch nicht mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen befassen und aus der Geschichte auch nichts lernen)

  • Halte ich für unzutreffend, da es gerade in der gymnasialen Oberstufe um das Erlangen einer allgemeinen Hochschulreife geht und damit das Recht sich erst spät entscheiden zu dürfen, was man studieren möchte, da wenigstens eine ausbaufähige Basis vorhanden ist.


    - Religion: eine Frage der persönlichen Überzeugung, spätestens, wenn man das Feld um Ethik erweitert sollte klar sein, dass die damit verbundenden Wertediskusionnen absolut relevant sind auch noch in der gymnasialen Obestufe, wo entsprechend vertiefter diskutiert werden kann, andere Texte zugrundegelegt werden können, etc.
    - Sport: Deutschland wird dicker, aber Sport soll weg?!? Wenig ökonomisch gedacht, der individuelle Preis in Form gesundheitlicher Probleme übersteigt vermutlich die Kosten fürs Gesundheitswesen die daraus folgen.
    - Literaturunterricht= Kulturunterricht. Auch unter einer simplen Kosten-Nutzen-Relation durchaus interessant, um eine bestimmte Art der Auseinandersetzung mit Fremdheit, Sprache und Kultur zu schulen, die zu leisten ist spätestens beim 1.Auslandssemester oder gar einem Job im Ausland.
    - MINT: Allgemeine Hochschulreife!!! Abgesehen davon hilft es im Leben ja an unglaublich vielen Stellen ein wenig besser zu verstehen, wie was warum infolge welcher Naturgesetze und Kräfte funktioniert, sei es im eigenen Körper oder aber in der Umwelt. Mag dann vielleicht eher eine mittel-langfristige Kosten-Nutzen-Rechnung sein, wer aber mehr selbst weiß, auch Grenzen eigenen Wissens unter Umständen besser einzuschätzen gelernt hat, muss weniger Dummheiten bei Wikipedia und Co.aufstöbern, um erst aus Fehlern zu lernen.
    - Gesellschaftswissenschaften: Ach geh, hast recht. Braucht keiner. Muss ja keiner lernen sich differenzierter mit der Argumentation von Feinden der Demokratie von links- oder rechtsaußen auseinanderzusetzen, um diese zu entlarven. Irgendjemand kann das bestimmt in der eigenen sozialen Blase und wird einem schon sagen, wie die Welt funktioniert und am besten noch, bei wem man am sinnvollsten das Kreuzchen macht am Ende. Mündigkeit ist ein Arbeitsprozess, der ganz klar Ende Klasse 10 schlagartig, umfassend und ausnahmslos erreicht ist- vor allem bei den angehenden Abiturienten. Denen fällt das qua Geburtsrecht ja eh zu in unserem Bildungssystem..



    EDIT: Was das Sommerloch doch für Blüten mit sich bringt in so einem Lehrerforum. 8)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Lieber CDL,


    ich hoffe doch, Ihnen ist klar, dass ich in meinem Beitrag nicht für mich gesprochen habe, sondern als jemand Ausgedachtes, der alles nach Kosten und Nutzen bewertet! Nichts liegt mehr ferner, als die Relevanz zentraler Fächer und derer Inhalte in Frage zu stellen. (Abgesehen vielleicht von Sport, wo Sie auch lediglich eine Kosten-Nutzen-Rechnung vornehmen.)

  • Ja, das ist mir klar, dass das der Ansatz sein sollte. Nur bewerte ich das bei all diesen Fächern eben auch dann anders, wenn man lediglich Kosten-Nutzen-Relationen erstellen möchte. Diese Abwägung spricht wie ich meine eben immer für diesen Fächerkanon. Wie man "Kosten" oder "Nutzen" definiert ist schließlich nicht vorgegeben.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Es ist völlig absurd, in Bildungsangelegenheiten die Frage nach dem Nutzen zu stellen.
    Schule als Bildungsinstitution hat nicht den Auftrag, den Schülern nützliche Dinge fürs Leben beizubringen.

    Als hätte es Wolfgang Klafki nie gegeben.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Ich würde schon einen Unterschied sehen zwischen dem Nutzen (ökonomisch-technische Betrachtung) und Klafkis Begriff der Bedeutung (existenzielle Betrachtungsweise). Bin aber kein Klafki-Experte.

  • Ich würde schon einen Unterschied sehen zwischen dem Nutzen (ökonomisch-technische Betrachtung) und Klafkis Begriff der Bedeutung (existenzielle Betrachtungsweise). Bin aber kein Klafki-Experte.

    "Nutzen" ist aber doch nicht nur ökonomisch besetzt. Darüber hinaus sind auch ökokomischen Überlegungen und ökonomische Nutzenabwägungen nicht irrelevant oder zu verpönen, wenn man über die Zukunftsbedeutung eines Lerninhalts für den Schüler nachdenkt.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • "Nutzen" ist aber doch nicht nur ökonomisch besetzt.

    Nutzen: 1. Ertrag, Gewinn; 2. Vorteil
    Bedeutung: [...] 2. Wichtigkeit; 3. Ernst; 4. Tragweite
    Zitiert aus: WAHRIG. Deutsches Wörterbuch.



    Darüber hinaus sind auch ökokomischen Überlegungen und ökonomische Nutzenabwägungen nicht irrelevant

    Dass der Staat auch unter ökonomischen Gesichtspunkten schulpolitische Entscheidungen trifft, ist ja durchaus legitim (z. B. weil man glaubt, durch die Einführung eines neuen Faches "Wirtschaft" was auch immer zu erreichen). Hinter diesen Entscheidungen steht aber nicht die Frage nach der Bildung im Sinne einer Persönlichkeitsbildung oder (für Gymnasien) nach der Studierfähigkeit und Wissenschaftspropädeutik.

  • Nutzen: 1. Ertrag, Gewinn; 2. VorteilBedeutung: [...] 2. Wichtigkeit; 3. Ernst; 4. Tragweite
    Zitiert aus: WAHRIG. Deutsches Wörterbuch.

    Und mit diesem Auszug, der meine Aussage ja belegt, möchtest du mir was sagen?



    Zitat von andramoiennepe

    Dass der Staat auch unter ökonomischen Gesichtspunkten schulpolitische Entscheidungen trifft, ist ja durchaus legitim (z. B. weil man glaubt, durch die Einführung eines neuen Faches "Wirtschaft" was auch immer zu erreichen). Hinter diesen Entscheidungen steht aber nicht die Frage nach der Bildung im Sinne einer Persönlichkeitsbildung oder (für Gymnasien) nach der Studierfähigkeit und Wissenschaftspropädeutik.

    Ökonomische Mündigkeit ist dir ein Begriff? Geht Hand in Hand mit der politischen Mündigkeit, die im Rahmen des Politik-/Gemeinschaftskundeunterrichts erzielt werden soll. Kann man im Rahmen eines Faches mit entsprechend mehr Stunden machen oder mittels zwei Fächern. Am Ende zählen die Inhalte und diese erachte ich durchaus für zentral auch und gerade an Gymnasien. Führt aber zu weit weg vom eigentlichen Thema des Threads.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Führt aber zu weit weg vom eigentlichen Thema des Threads.

    Richtig. Nur der Vollständigkeit halber: In NRW wurde seitens der Landesregierung suggeriert, im bisherigen Politikunterricht finde keine Erziehung zur ökonomischen Mündigkeit statt und deshalb bedürfe es eines weiteren Faches, das zu Lasten des übrigen Fächerkanons eingeführt werden müsse.



    Und mit diesem Auszug, der meine Aussage ja belegt, möchtest du mir was sagen?

    1. Habe ich nicht vom rein ökonomischen Nutzen gesprochen, sondern von einer ökonomisch-technischen Betrachtung (Was bringt mir das konkret?). Dies wird durch den Hinweis auf das Wörterbuch bestätigt.
    2. Habe ich bestritten, dass Nutzen und Bedeutung dasselbe seien und damit auf diesen Einwand angespielt


    Als hätte es Wolfgang Klafki nie gegeben.

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