Versetzung - alle werden mitgenommen

  • In NRW kann man in Sekundar- und Gesamtschulen bis zur 9. Klasse nicht sitzen bleiben. Die Wiederholung einer Klasse ist nur in absoluten Ausnahmefällen vorgesehen.


    Nun hatten wir Zeugniskonferenzen und besonders in den Jahrgangsstufen 7 und 8 häufen sich die Fälle derer, die auch mit fünf, sechs, ja sogar neun(!) Fünfen auf dem Zeugnis mit in die nächste Stufe genommen werden. Schulleitung diskutiert da auch nicht.
    Es geht hier nicht um Einzelfälle, sondern in jeder unserer Klassen sitzen mehrere solcher Schüler, die eigentlich nicht mit Erfolg an der nächsen Klasse teilnehmen können, weil jetzt schon riesige Lücken entstanden sind. Aber hauptsache sie werden mit ins nächste Schuljahr geschleift.


    Mich macht dieses Vorgeshen gerade unglaublich wütend, denn erstens wissen die SuS, dass sie, egal was sie machen oder eben auch nicht machen, sowieso versetzt werden. Entsprechend benehmen sie sich... Zweitens sinkt das Niveau ins unermessliche, weil immer auf die Schwächsten Rücksicht genommen werden muss und die leistungsstarken SuS bleiben mehr und mehr auf der Strecke, weil uns einfach die Kapazitäten fehlen.


    Welches Signal senden wir damit aus? Leistung und Leistungsbereitschaft lohnen sich NICHT mehr. Alle machen, was sie wollen, weil sie ja eh versetzt werden. Herzlichen Dank! Mir stinkt das.

  • Ich würd gern was aufmunterndes schreiben, kann aber nicht mehr, als dir vollkommen zustimmen.


    Dann in der 9./10. noch ein paar Vertreter von "och, wer so lange durchgehalten hat, den lass ich auch nicht durchfallen", und schon landen bei uns an der BS dann Leute mit suuuuuper Mathekenntnissen, die 5=3a nicht nach a umstellen können. Nur dass sie bei uns dann halt ordentlich auf die Schnauze fallen, weil sich die Kammerprüfung am Ende einen Sch... um kuschelpädagogische (sorry für die Polemik, aber hier passt NUR ein negativ besetzter Begriff)' Nicht-Nichtversetzungen vor ein paar Jahren schert.

  • Nun hatten wir Zeugniskonferenzen und besonders in den Jahrgangsstufen 7 und 8 häufen sich die Fälle derer, die auch mit fünf, sechs, ja sogar neun(!) Fünfen auf dem Zeugnis mit in die nächste Stufe genommen werden. Schulleitung diskutiert da auch nicht.

    "Kein Kind zurücklassen" ist doch Teil der Bildungsoffensive in NRW. Ich find´s prima und würde da auch nicht mehr diskutieren.

  • Entsprechend benehmen sie sich... Zweitens sinkt das Niveau ins unermessliche, weil immer auf die Schwächsten Rücksicht genommen werden muss und die leistungsstarken SuS bleiben mehr und mehr auf der Strecke, weil uns einfach die Kapazitäten fehlen.

    Von einem anderen Berufskolleg kenne ich es im Bereich der Vollzeitklassen so, daß alle Wiederholer in einer der Parallelklassen zusammengefaßt werden, auf das die normalen (von leistungsstark will ich gar nicht reden) SuS nicht von den Bildungsverweigerern komplett ausgebremst werden. Und ja, wenn man den Unterricht mit nur 3 von 25 Schülern beginnt, dann wage ich auch von Bildungsverweigerern zu sprechen. So viele können gar nicht krank sein. Dann würde die ganze Schule wegen einer Epedemie geschlossen werden.


    Vielleicht wäre das bei Euch auch eine Option?
    Also die normalen SuS kommen in die 8a-d und die mit mehr als drei Fünfern setzen ihre Schullaufbahn in der Klasse 8e fort.

  • Unsere Schulleitung argumentiert so, dass "Verweilen" nur Sinn hat, wenn angenommen werden kann, dass sich die Leistungen dadurch wirklich verbessern. Wenn sie voraussichtlich gleich schlecht bleiben, macht es keinen Sinn, solche Schüler dadurch länger in der Schule zu lassen. Die sollen dann eben abgehen, wenn die Zeit gekommen ist und einen Beruf erlernen. Das fand ich nachvollziehbar.

  • Die sollen dann eben abgehen, wenn die Zeit gekommen ist und einen Beruf erlernen.

    Für den aber leider immer mehr - die Steigerung sehe ich sogar nach meinen relativ kurzen 10 Jahren - nicht mehr qualifiziert sind.

  • Wo bekommt man überhaupt einen Ausbildungsplatz mit so einem unterirdischen Abschlusszeugnis? Oder verbessern die sich dann plötzlich in 9 und 10? Schaffen diese SuS überhaupt eine Ausbildung?

  • Was sind denn dann absolute Ausnahmefälle?

    Ein Schüler, der nicht mehr in die Schule kommt, über 500 Fehlstunden und fast nur 6er auf dem Zeugnis hat, darf die Klasse wiederholen. Alle Anderen 5er- und 6er Kandidaten aus den Jahrgängen werden ins nächste Schuljahr mitgenommen.


    Das Problem ist: Die Schüler wissen das. Sie haben deshalb nicht mehr den aller kleinsten Anreiz, sich anzustrengen und zu arbeiten. Warum auch, wenn sie trotzdem versetzt werden?

  • @ lamaison,


    aber es betrifft ja wie gesagt Schüler, deren Leistungen trotz "Verweilen" aller Voraussicht nach nicht besser werden. So oder so haben sie dann diesen schlechten Abschluss.

  • Welches Signal senden wir damit aus? Leistung und Leistungsbereitschaft lohnen sich NICHT mehr. Alle machen, was sie wollen, weil sie ja eh versetzt werden. Herzlichen Dank! Mir stinkt das.

    Hallo Finchen,


    sind in NRW auch die Grünen am Drücker? Bei uns in BW ist Sekundarstufe I schon länger weichgespült. Wir schleifen auch alles mit; damit das nicht falsch aufgefasst wird: Ich mag alle SuS, egal wie frech, vorlaut oder leistungsschwach. Leider ist es aber enorm ungerecht, wenn man Lernwillige und Lernblockierte gegeneinander ausspielt, indem man sie nicht gezielt fördert und fordert, sondern im selben Topf beschult.


    Dass das den Job insgesamt weniger attraktiv macht, ist nur ein Nebeneffekt. Viel tragischer ist es für die SuS selbst.


    der Buntflieger

  • @ lamaison,


    aber es betrifft ja wie gesagt Schüler, deren Leistungen trotz "Verweilen" aller Voraussicht nach nicht besser werden. So oder so haben sie dann diesen schlechten Abschluss.

    Also gibt man sie beizeiten auf. Auch irgendwie bequem. Hört sich so an, als ob man sie möglichst schnell weiterreichen will.


  • Vielleicht wäre das bei Euch auch eine Option?
    Also die normalen SuS kommen in die 8a-d und die mit mehr als drei Fünfern setzen ihre Schullaufbahn in der Klasse 8e fort.

    Finde ich gar nicht so schlecht. Dann kann man sie gezielt fördern, damit doch noch irgendwas hängenbleibt. Ein Jahr mehr Zeit ist dafür aber locker drin. Das muss man ihnen klarmachen (Vllt. will dann der ein oder andere doch nicht in die e?)

  • Viele dieser Schüler sind alles andere als bequem.

    Das glaube ich sofort.


    Trotzdem können die so machen was sie wollen, werden ja sowieso versetzt und finden es am Ende noch cool, möglichst viele 5en zu haben.

    Einmal editiert, zuletzt von lamaison ()

  • Wo bekommt man überhaupt einen Ausbildungsplatz mit so einem unterirdischen Abschlusszeugnis? Oder verbessern die sich dann plötzlich in 9 und 10? Schaffen diese SuS überhaupt eine Ausbildung?

    Nein, sie bekomme dann von uns irgendwie noch den Hauptschulabschluss zugeschustert und versauern dann an irgendwelchen Berufskollegs. Diese SuS sind definitv nicht ausbildungsfähig, wenn sie uns nach der 10. Klasse verlassen.


    Aber es gibt doch sicherlich die Möglichkeit der "freiwilligen" Wiederholung, die man den Eltern mal nahelegen könnte?

    Theoretisch ja, aber praktisch müssten die Eltern einen entsprechenden Antrag stellen. Das tut bei unserem Klientel faktisch niemand.


    Hallo Finchen,
    sind in NRW auch die Grünen am Drücker? Bei uns in BW ist Sekundarstufe I schon länger weichgespült. Wir schleifen auch alles mit; damit das nicht falsch aufgefasst wird: Ich mag alle SuS, egal wie frech, vorlaut oder leistungsschwach. Leider ist es aber enorm ungerecht, wenn man Lernwillige und Lernblockierte gegeneinander ausspielt, indem man sie nicht gezielt fördert und fordert, sondern im selben Topf beschult.


    Dass das den Job insgesamt weniger attraktiv macht, ist nur ein Nebeneffekt. Viel tragischer ist es für die SuS selbst.


    der Buntflieger

    Nein, wir haben zur Zeit eine schwarz-gelbe Landesregierung, wobei dieses Schulmodell ganz klar auf rot-grün zurückzuführen ist. Darum geht es mir aber nicht. Bildungspolitik ist sowieso viel zu oft parteipolitisch ideologisiert und wenig realitätsnah.


    Ich habe einige wirklich leistungsstarke SuS in der Klasse aber eben auch Totalausfälle, die nicht nur leistungsschwach sind, sondern auch noch entsprechendes Sozialverhalten zeigen. Wenn ich sehe, wie viel Zeit und Energie ich in diese oftmals hoffnungslosen Fälle investieren muss und wie wenig dann noch für die wirklich guten SuS, die lernen wollen, die Leistungsbereitschaft zeigen, übrig bleibt, zweifle ich echt an meinem Beruf.


    Ich habe ja nun auch selber Kinder und bei meinem Sohn steht in einem halben Jahr die Entscheidung für die weiterführende Schule an. Zum Glück ist er ein klarer Kandidat fürs Gymnasium. Glück, weil die Alternative eine Gesamtschule wäre (die Realschulen bei uns wurden genauso wie die Hauptschulen zu Sekundar- und Gesamtschulen umgewandelt) und SO will ich das nicht für meine Kinder. So will ich das auch nicht für die tollen Kinder in meiner Schule, die auf der Strecke bleiben, weil den Idioten der Hof gemacht wird. Da ist ein Fehler im System!

  • Finde ich gar nicht so schlecht. Dann kann man sie gezielt fördern, damit doch noch irgendwas hängenbleibt. Ein Jahr mehr Zeit ist dafür aber locker drin. Das muss man ihnen klarmachen (Vllt. will dann der ein oder andere doch nicht in die e?)

    Geht nur, wenn systematisch äußere Differenzierung zulässig ist.


    (War noch im letzten Schuljahr hier in BW in der Sek.I offiziell ein großes Tabu, weil möglichst viel gemeinsam beschult und integriert werden sollte, so dass Binnendifferenzierung das Zauberwort lautete mit dem BP 2016. In diesem Schuljahr wird das bereits deutlich gelassener gesehen (bzw.die Rückmeldungen, warum was nicht funktionieren kann ohne eine Vielzahl weiterer Lehrkräfte, die keiner backen kann waren laut genug, um ein Umdenken anzustoßen), so dass reihenweise Sek.I-Schulen bei uns im Bereich mit äußerer Differenzierung arbeiten in Form eigener G-Züge (=HS-Züge), Verbundschulen bilden mit WRS/HS, um das offiziell noch fortbestehene Problem elegant zu umschiffen und die G-Niveau-Schüler unter dem selben Dach und Namen so beschulen zu können, wie es für diese tatsächlich zielführend ist, um möglichst alle wenigstens zu einem HS-Abschluss zu führen. Für einzelne große Gs ist diese gemeinsame Beschulung mit den Ms eine echte Chance, für die Vielzahl der kleinen G-chen ist es eine echte Qual im Unterricht auf RS-Niveau unterrichtet werden zu müssen- da wir eine RS sind- obgleich sie in den Prüfungen aus gutem Grund nur auf HS-Niveau abgeprüft werden.).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    2 Mal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: aus "Beschuldung" wurde "Beschulung"

  • Da ist ein Fehler im System!

    Da ist wirklich ein Fehler im System. Man kann nicht alle mitziehen und keine Maßnahmen ergreifen, wie sie aufgefangen werden können. Diese Schüler müssten verstärkt auf ihrem Niveau beschult werden.


    Ich verstehe auch das Problem des Sitzenbleibens. Als ich vor ein paar Jahren in der Hauptschule Vertretung gemacht habe, ist mir aufgefallen, dass gerade die überalterten Schüler ganz schön aufmischen, weil sie altersmäßig nicht mehr in die Klasse gepasst haben und zudem auch als Sitzenbleiber bis auf wenige Ausnahmen dennoch größere schulische Schwierigkeiten hatten.


    Ich meine, dass die Schüler, die grundsätzlich schwächer sind, nach anderen Programmen beschult werden müssen. In Bayern hat man die sogenannte Praxisklassen in den Mittelschulen eingerichtet, für SuS, die noch ein (oder zwei?) Schulbesuchsjahr haben und die dann hier besonders auf einen einfachen Beruf vorbereitet werden. Bei uns werden örtlich nur diejenigen genommen, wo es Sinn macht. Das ist zumindest einmal etwas, wenn auch nicht der Idealzustand.


    Bei uns in der Grundschule nützt bei ca. knapp der Hälfte der Schüler die frühzeitige freiwillige Wiederholung des 1. oder 2. Schuljahrs. Je später die Wiederholung, desto eher treten die grundsätzlichen Probleme wieder auf. Bei den Schwachen geht das Verständnis und die Merkfähigkeit einfach nur bis zu einem gewissen Punkt.


    Fazit: Man muss sich bei der inklusiven Beschulung andere Wege überlegen, wie man die Schüler auf ihrem Niveau durch mehr Personal (ein Lehrer in der Klasse kann das nie leisten) unterstützen kann und das frühzeitig!
    Wenn meine schwachen Schüler auf die Mittelschule (= Hauptschule) gehen, dann brauchen sie dort eine gewisse "Sonderbehandlung", sonst gehen sie unter bzw. besteht die Gefahr, dass sie sich zu Verweigeren entwickeln, was man im jüngeren Alter in der Grundschule noch auffangen konnte.

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