Zeugnisse - lieber Noten oder Wortgutachten?

  • Genervt vom Zeugnisschreiben überlege ich mir, ob eine Note nicht doch eindeutiger wäre. Vielleicht mit einem kurzen Text. Ich schreibe Wortgutachten und die Aussage ist so beliebig, da zieht´s einem die Schuhe aus.
    Bin jetzt umso mehr auf das Erstklasszeugnis meiner Tochter gespannt, ob das irgendeine Aussagekraft hat.
    Also zB schreibe ich als Lehrerin: xx beteiligte sich gern am Unterricht mit meist durchdachten Wortbeiträgen - das klingt so toll, aber es ist doch L trotzdem... Ach naja.
    Was findet ihr besser?
    (falls die letzte Diskussion darüber vor erst einer Woche war, bitte ich darum mich dahin zu verweisen)

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Was sagt denn die 4 in Deutsch? Irgendwie reicht die Leistung noch aus. Aber sonst? Lesen, Ausdruck beim Schreiben oder Sprechen, Grammatik, Rechtschreibung, sinnvolle oder viele Beiträge, abgelenkt, faul, doof, Nachholbedarf worin?


    Ich finde Wortgutachten wesentlich differenzierter. Man kann alles in Beziehung zum Lehrplan, dem individuellen Lernfortschritt und dem Lernstand der Mitschüler in Beziehung setzen.


    Also hier: X hat sich rege am Unterrichtsgeschehen beteiligt und freudvoll Beiträge geliefert. Sein Wissensstand bewegte sich im Rahmen des Lehrplanes der Lernförderschule/ oder konkret: X konnte die Obstsorten benennen bzw. schreibt geübte lautgetreue Wörter oft richtig (bei einem 10 -Jährigen dann auch klar).


    ...in Mathe finde ich's noch klarer, weil der Lernstand so schön beschrieben werden kann. Eigentlich finde ich Wortzeugnisse genial. An der Waldorfschule schreibt jeder Lehrer zu jedem Kind. Der Klassenlehrer eine DINA4 Seite. Von Hand... Wenn sich einer verschreibt, müssen alle nochmal neu schreiben :staun::sterne:

    2 Mal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • An vielen Waldorfschulen (den meisten) wird inzwischen das Zeugnis mit einem für unsere Schulform passenden Computerprogramm geschrieben, alle KollegInnen unterschreiben dann aber einzeln ihren Facheintrag händisch. Die Zeiten des Neuschreibens sind also bei uns glücklicherweise vorbei.
    Aber es ist richtig, dass wir immer Wortzeugnisse schreiben. Manche KollegInnen schreiben sehr individuell, manche verwenden Textbausteine. Auch sind wir gehalten, spätestens ab Klasse 10 ist es ein Muss, kompetenzorientiert zu formulieren.
    Die KlassenlehrerInnen der Klassen 1 bis 8 schreiben mindestens eine DIN a4 Seite.
    Und trotz der vielen Arbeit finde ich es immer noch gut so. Ich schreibe auch nur für die Klassen ab 9.
    Ich lasse die Zeugnisse oft von meinem Mann lesen und frage ihn, was er über den entsprechenden Schüler daraus liest. Passt eigentlich immer zu dem, was ich meinte. Ab Klasse 10 muss der Text auch zu den vergebenen Noten passen, da es ja auch um Abschlüsse geht.
    Generell finde ich ehrlich formulierte Wortzeugnisse viel aussagekräftiger als Ziffern. Unsere SchülerInnen finden es fast alle auch gut und fühlen sich individuell wahrgenommen.
    Unser großer Vorteil ist aber, dass wir keine Halbjahrszeugnisse schreiben.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

    Einmal editiert, zuletzt von MarieJ ()

  • Habe neulich das Zeugnis von meinem Sohn in Klasse 2 gelesen. Wortgutachten für Verhalten, Arbeiten und Lernen (im Bereich Lernen werden alle Fächer abgeklappert). Dazu in Klasse 2 am Ende des 2. Halbjahres erstmals 2 Noten: Deutsch und Mathe. Wenn ich nur das Wortgutachten hätte, würde ich denken, dass er in Deutsch wohl noch ganz schöne Probleme hatte, aber er hatte eine 2.


    Die Beurteilung passt in meinen Augen überhaupt nicht zur Note oder umgekehrt. Eine 2 in Deutsch ist für mich richtig gut. Sie hatte in allen Bereichen außer Lesen was zu meckern....

  • @lamaison: So etwas befürchte ich eben bei den Eltern meiner Schüler auch... deren Sinnentnahme ist eher bescheiden... und ob ich das Wortgutachten meiner Tochter richtig verstehe... ich neige dazu, mir das tausendmal durchzulesen, bis mir irgendein Wort komisch vorkommt. Aber na gut. Danke.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Genau das ist der Sinn von Wortgutachten.

    Dann hast du noch keine sächsischen Zeugnisse gesehen :flieh:


    Der Sinn von Wortgutachten ist eigentlich die genaue Beschreibung des Lernstands, idealerweise inklusive konkreter Fördervorschläge.


    "Rechnet ohne Hilfsmittel im Zahlenraum bis 10" ist objektiv. Erst in Zusammenhang mit der Klassenstufe wird daraus eine 1 oder 6.


  • "Rechnet ohne Hilfsmittel im Zahlenraum bis 10" ist objektiv. Erst in Zusammenhang mit der Klassenstufe wird daraus eine 1 oder 6.

    Klingt aber ohne Note für den unbedarften Leser, der auch nicht unbedingt die exakten Anforderungen der Klassenstufe kennt, als ob der Bub/das Mädel gut wäre.

  • Klingt aber ohne Note für den unbedarften Leser, der auch nicht unbedingt die exakten Anforderungen der Klassenstufe kennt, als ob der Bub/das Mädel gut wäre.

    Wäre das so schlimm? :)


    Außerdem ist das Zeugnis an der Stelle nicht fertig. Es fehlt, was das Kind tun muss, um den nächsten Schritt (hier Zehnerüberschreitung) zu leisten. Nur darum gehts letztlich.


    Außerdem könnte man das nächste Ziel definieren. Z.B. "Mäxchen gelingt es noch nicht, Seitenverhältnisse mit Hilfe trigonometrischer Funktionen darzustellen." Um das Ziel dieses Schuljahres zu erreichen, muss Mäxchen 10 Schuljahre aufholen.


    Ich übertreibe womöglich leicht ;) Was ich meine, ist: die Note gibt einen allgemeinen Überblick, ob man beruhigt oder besorgt sein muss. Sie sagt aber nichts über die tatsächlichen Defizite, Stärken oder auch nur den genauen Lernstand in den einzelnen Bereichen aus und gibt auch keine Fördervorschläge.


  • Außerdem ist das Zeugnis an der Stelle nicht fertig. Es fehlt, was das Kind tun muss, um den nächsten Schritt (hier Zehnerüberschreitung) zu leisten. Nur darum gehts letztlich.

    Das sehe ich anders. das Zeugnis beschreibt den Istzustand, bzw. wie das letzte Schuljahr gelaufen ist. Was man gut kann, was nichts so, wie man arbeitet, sich verhält. usw.... Das Zeugnis macht keine Verbesserungsvorschläge wie man was erreichen kann. Aber vllt. ist es in der Förderschule anders.

  • Stimmt, Fördervorschläge sind eher was für Freie Schulen oder Förderpläne. Allerdings ist die Kompetenz und der aktuelle Lernstand je nach Bundesland schon zu berücksichtigen. In vielen Bulä. v.a. in den ersten beiden Schuljahren...


    Sachsen:
    Jahreszeugnisse sind staatliche Urkunden, die den von den Schülern nach einem Schuljahr erreichten Entwicklungs- und Leistungsstand dokumentieren.



    Bayern: Die Zusammenstellung exemplarischer Zeugnisbemerkungen für alle Fächer der Grundschule soll Lehrkräfte dabei unterstützen, kompetenzorientierte Rückmeldungen in Zeugnissen zu formulieren.



    RLP:
    Zeugnisse enthalten die Leistungsbeurteilungen in Form von Zeugnisnoten.


    ...



    ...Die Beurteilung passt in meinen Augen überhaupt nicht zur Note oder umgekehrt. Eine 2 in Deutsch ist für mich richtig gut. Sie hatte in allen Bereichen außer Lesen was zu meckern....

    Da hätte ich mich auch gewundert. Allerdings ist es für mich eher ein Zeichen, dass es mit der Kompetenzorientierung bzw. Lernstandsanalysefähigkeiten bei der Kollegin haperte, nicht am Konzept Wortgutachten?

  • Wir erstellen kompetenzorientierte Wortgutachten, ein Zeugnis ist fast zwei DinA4 Seiten lang.


    Was mir aus dem Freundeskreis rückgemeldet wird, ist oft, dass man die Bemerkungen schlecht versteht. Mich rufen regelmäßig am Zeugnistag Freundinnen an und wollen das Zeugnis ihres Kindes “übersetzt” haben.

  • Zitat

    C`est quoi?

    Sorry, ich kann leider kein Französisch. (Wäre für einen Frosch auch ein ziemlich heißes Pflaster. ;) )


    kl. gr. frosch

  • Was ich schon immer mal wissen wollte: in Berlin bekommt man das Raster-/ Indikatorenzeugnis ja vorgegeben und das finde ich persönlich grässlich (und bin froh, es aktuell nicht mehr nutzen zu müssen).
    Wenn man mal Rasterzeugnisse googelt, findet man aber aus anderen Bundesländern diverse unterschiedliche Beispiele aus einzelnen Schulen. Ist es tatsächlich so, dass ihr in anderen Bundesländern eigene Rasterzeugnisse entwickeln dürft?

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

    Einmal editiert, zuletzt von icke ()

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