Noteninflation beim Abitur, Reform notwendig

  • Ja, "interessant" kann man das durchaus nennen. Ich bin gerade dabei zu ergründen, woher diese Erwartungshaltung kommt, bei steigenden Anforderungen nicht das Ziel zu haben, seine Notenniveau zu halten (was für mich bedeutet, dass man den steigenden Anforderungen entsprechend seiner Fähigkeiten gerecht wird), sondern bitteschön besser zu werden. Ich verstehe es nämlich nicht...


    Ich war damals froh, wenn ich mein Notenniveau in der Oberstufe halten konnte! Und das Abitur spiegelte meine Leistungen der drei vorhergehenden Jahre recht gut wider. Das macht für mich Sinn...

  • Es gibt tatsächlich zwei Argumente die - möglicherweise - dafür sprechen könnten, dass Noten in der Oberstufe besser werden:
    1. In manchen Fällen werden aus Pubertieren rechtzeitig "junge Erwachsene", was zu einer ganz anderen Arbeitshaltung führen kann;
    2. Die Oberstufe erlaubt durch die Fächerwahl zumindest teilweise die Ausrichtung auf Fächer, die den SuS "liegen" (und Abwahl einiger, mit denen sie so gar nicht klarkommen).
    Klar, gilt nicht insgesamt, aber kann durchaus ein Faktor sein.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • @Lehrerin2007: Ich würde den Schulverlauf mit einem Lauf über eine Strecke mit stetig größer werdender Steigung beschreiben. Es gibt die Leute, die früher schlapp machen und manche halten bis zum bitteren Ende durch, aber in der Regel sind die Läufer am Anfang schneller bzw. haben noch mehr Kraft und lassen gegen Ende mehr nach, weil die Steigung mehr Energie kostet. Außnahme: Der Läufer läuft am Anfang bewusst "bequem" - und das könnte man auch wieder auf die Schule zurückübertragen (vgl. @Miss Jones ' Punkt 1).

  • Pubertät ist ein riesen Faktor. Ich bin immer wieder erstaunt, wie gross der Sprung ist, wenn ich die Jugendlichen am Orientierungsabend und dann ein Jahr später in der 1. Klasse Gym sehe. Manche machen den Sprung auch erst in der 1. Klasse bei uns und auch dann passiert enorm viel. Für Chemie braucht man ein gutes Abstraktionsvermögen, es geht ja ständig um Dinge, die man nicht sieht. Das reift bei den meisten meiner Schüler gerade so zwischen 14 und 16 Jahren fertig aus.

  • Es gibt tatsächlich zwei Argumente die - möglicherweise - dafür sprechen könnten, dass Noten in der Oberstufe besser werden:
    1. In manchen Fällen werden aus Pubertieren rechtzeitig "junge Erwachsene", was zu einer ganz anderen Arbeitshaltung führen kann;
    2. Die Oberstufe erlaubt durch die Fächerwahl zumindest teilweise die Ausrichtung auf Fächer, die den SuS "liegen" (und Abwahl einiger, mit denen sie so gar nicht klarkommen).
    Klar, gilt nicht insgesamt, aber kann durchaus ein Faktor sein.

    Ja natürlich! Wenn sie wirklich besser sind, sollen sie ja auch bessere Noten haben! Aber mir ist diese Grundhaltung aufgefallen, dass sie das förmlich erwarten, dass die Noten z. T. deutlich besser sind, und zwar bei allen. Und da komme ich dann wieder zum ursprünglichen Thema "Noteninflation"... Die Abi-Schnitte werden immer besser und es gibt immer mehr 1,0-Abiture. Die Pubertät und eine gewisse Fächer-Spezialisierung gab es aber auch vor 20, 30 Jahren schon.

  • Da müssen wir uns schon an die eigene Nase packen. 2/3 des Abischnitts werden im Block I, also in den zwei Jahren vor der Prüfung (Block II) erarbeitet.
    Dass die Schnitte besser werden, ist zumindest im schriftlichen Bereich den kriteriengeleiteten Bewertungsrastern geschuldet, weil jeder, der zwei Sätze geradeaus schreiben kann, so viele Punkte bekommt, dass es fast schon eine Kunst ist, in Fremdsprachen eine Fünf zu schreiben. Das habe nicht nur ich seit zehn Jahren so erfahren sondern auch alle meine EnglischkollegInnen.


    G8 ist meiner Erfahrung nach absolutes Gift für die Jungen gewesen, da sie nach G8 für die EF und die Q1 deutlich zu unreif sind und sich im Wesentlichen über Nichtleistung definiert haben. Wenn in acht Jahren der erste G9er Jahrgang Abitur macht, dürfte der Schnitt bei angenommenen gleichen Prüfungs- und Unterrichtsbedingungen zumindest bei den Jungen deutlich besser sein.


    Ansonsten sollten wir immer im Hinterkopf behalten, dass das Ganze politisch gewollt ist.


    Mit einem High-School-Diploma, was ja angeblich 90% der amerikanischen Schülerschaft hat, kann auch längst nicht jeder an die Unis oder Colleges. Da zählen dann die Noten und das Level der belegten Fächer. Wenn hier langfristig 2/3 eines Jahrgangs ihr Abitur bekommen, wird das Ganze natürlich über den NC oder andere Auswahlverfahren geregelt. Alles nur eine Frage der Umrechnung.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Haben unterschiedliche Klassenstufen wirklich unterschiedliche Notendurchschnitte (z.B. Oberstufe besser oder schlechter als Mittelstufe)? (Mit "wirklich" meine ich, ob das mal jemand ausgerechnet hat und nicht nur eine subjektiver Eindruck)

  • Ich spreche hier einzig und alleine für meine Fremdsprache, die 90% mit der Oberstufe abwählen.
    6. Klasse: keine 5er auf dem Zeugnis
    7. Klasse: 1-2 pro Lerngruppe, maximal 3
    8. Klasse: 4-6 pro Lerngruppe (gut, am Ende des Jahres wird es doch vielleicht gerettet, aber real eine 5), Klassenschnitt bei 3 oder so
    9. Klasse: Klassenschnitt bei 3,8, die 5er auf dem Zeugnis verschwinden nur mit der mündlichen Prüfung am Ende der 9.
    Oberstufe: in guten Jahrgängen einen Schnitt von 2, eher drüber, in "schlechten" Jahrgängen vielleicht 2,5.


    Wer schlecht war, ist nicht mehr im Kurs.
    Wer gut war und ist, hat endlich die richtigen Leute um sich.


    Aber es gilt nur für dieses Fach :-)



    Allgemein: subjektiver Eindruck: es ist in den meisten Fächern aufgrund der Notenskalen (die man vom Abitur übernimmt) kaum möglich, eine mangelhafte schriftliche Leistung zu erbringen. Also doch steigen einige Noten.
    (aber umgekehrt: die Anforderungen steigen auch massiv: die paar SuS, die sich zu Beginn der EF noch in meiner Fremdsprache verirren, weil sie glauben, mit ihrer 4 minus der 9. Klasse zu überleben, sind so schnell auf der 5, da kann ich nicht mal bis trois zählen ;-)

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