Rechtschreibung Schweiz - Deutschland: Umgang bei neuem Schüler

  • Liebes Forum,
    nächstes Schuljahr bekomme ich in der 4. Klasse einen Schüler, der aus der Schweiz hierher gezogen ist. Ich kenne ihn allerdings noch nicht.


    Ich bin gerade am Überlegen, wie ich da mit dessen erlernter Rechtschreibung in Bezug auf das ß umgehen soll.
    Wer hat denn hier Erfahrung? Wie lange dauert es, bis sich jemand an die Rechtschreibung mit ß gewöhnt hat?
    Kennt jemand eine Vorschrift für Bayern, wo der Umgang damit festgelegt ist?
    Muss ich gleich nach deutscher Rechtschreibung bewerten oder gibt es da eine Kulanzzeit?

  • Bei ausländischen Schülern hat man doch eine Kulanzzeit von 2 Jahren. Nationalitäten sind da nicht genannt. :_o_D


    So schwer ist das doch gar nicht. Vielleicht reicht es ihm, wenn du ihm das 1-2 mal erklärst oder es ist ihm ohnehin schon bewusst.
    Wenn nicht, würde ich es in einem Elterngespräch bemerken und Übungen bereitstellen.

  • Es ist ja nicht nur das "ß", es gibt viele Fallstricke und als größtes Problem stelle ich mir bei Korrekturen vor, daß man selber als deutscher Lehrer gar nicht alle Besonderheiten des Schweizer Deutsch kennt.


    Allein schon die Frage, ob "so daß" auseinander (Deutschland) oder zusammen (Schweiz) geschrieben wird, wird interessant.
    Oder "Ski" und "Schi"... oder war das nur Österreich, die das mit "Sch" schreiben?

  • @plattyplus Was sollen denn das für Fallstricke sein? Ich müsste sie ja kennen...


    @Caro07 Mach Dir keinen Kopf, der lernt das schnell. Soweit ich mich entsinne hab ich nicht ein einziges Mal ein ß an die Tafel geschrieben, der Buchstabe sieht für mich unterdessen schon richtig komisch aus. Der wird vielleicht ein paar komische Formulierungen verwenden (wenn überhaupt in dem Alter) aber das merkst Du dann schon und per se falsch ist es ja nicht. Speziell ist vielleicht, dass wir häufiger Wörter aus dem Französischen benützen (ich schreib's jetzt extra mit ü ;) ), die nicht eingedeutscht werden. Das Poulet ist so ein Wort, das wahrscheinlich jedem dazu direkt einfällt.


    In der Primar gibt es zwar schweizer Lehrmittel, die sicher auch in der schweizerdeutschen Rechtschreibung gesetzt sind aber wir sind hier dermassen umzingelt von hochdeutsch gesetzter Literatur, dass natürlich jeder den Unterschied kennt.

  • Ein Tipp vielleicht... Lies doch einfach mal ne Weile die NZZ, dann sind Dir auch die gängigsten Formulierungen bekannt, die vom Hochdeutschen abweichen. "Es hat..." statt "es gibt..." ist z. B. Standardsprache hier, das würde man in Deutschland allenfalls im Dialekt benützen. Du findest einiges, das einfach 1 : 1 aus dem Französischen übersetzt ist.

  • @ plattyplus
    Im Zweifelsfall schaue ich im Duden nach. Der lässt oft zwei Varianten gelten.


    @ Wollsocken
    Vielen Dank für deine Antwort von der vordersten Front. :)
    Ich könnte mir schon vorstellen, dass der Weg umgekehrt schwieriger ist, denn nicht aus allen ss wird ein ß, während in der Schweiz aus ß immer ein ss wird.


    ß folgt nämlich nur nach Zwielauten und lang gesprochen Vokalen und Umlauten; diese Regel gilt auch fürs einfache s. Nach kurz gesprochenen Vokalen/Umlauten bleibt das ss bestehen.


    Wenn der Wortstamm sich ändert, z.B. bei den Zeitformen, dann ist immer diese kurz oder lang gesprochene Variante ausschlaggebend. Allerdings werden dann aus ss immer ß.


    Ob das der Schüler so schnell kapiert? ;)
    Gut für ihn, dass wir das nochmals intensiv im 4. Schuljahr thematisieren. Im 3. Schuljahr haben wir es nur angerissen.

  • Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wann unsere Schüler das konkret lernen (bzw. ob überhaupt ...), dass es diesen Buchstaben gibt und wann man ihn benützt. Aktiv benützt ihn natürlich niemand aber passiv kennen ihn alle.


    Weisst Du, wo die Familie vorher gewohnt hat? Konkret ... sind es überhaupt "richtige" Schweizer oder waren die bei uns auch schon Migranten? So und so kannst Du Dich darauf einstellen, dass das Kind kein Hochdeutsch sprechen kann, Mundart ist bei uns nicht bäh sondern Alltagssprache und zwar immer und überall. Im Kindergarten und in der Primar wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Kinder Schweizerdeutsch sprechen.

  • So und so kannst Du Dich darauf einstellen, dass das Kind kein Hochdeutsch sprechen kann, Mundart ist bei uns nicht bäh sondern Alltagssprache und zwar immer und überall. Im Kindergarten und in der Primar wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Kinder Schweizerdeutsch sprechen.

    Wenn dem so wäre, finden das meine Schüler sicher klasse! 8)


    Bisher weiß ich nicht, wo die Familie in der Schweiz gewohnt hat. Unbekannt ist mir der Dialekt nicht, da ich selbst insgesamt 8 Jahre in der Nähe der Schweizer Grenze im südlichen Baden- Württemberg gewohnt habe.

  • Das Thema s-Schreibung ist doch aber ohnehin in Klasse 4 dran ... oft auch schon in 3 ... und es gibt eine Menge Materialien dazu.
    Außerdem ist das doch mit Regeln gut zu erklären.


    Dass "daß" auch hier immer wieder in Kommentaren auftaucht und in Eltern-Texten gerne auch Schreibungen wie "Schöne Grüsse" oder "gross" zeigt allerdings, dass etliche Erwachsene weder die Regel, noch die Ausnahmen mitbekommen haben, sondern bei einigen hängen geblieben ist, dass das "ß" nicht mehr eingesetzt würde.

  • Das Thema s-Schreibung ist doch aber ohnehin in Klasse 4 dran ... oft auch schon in 3 ... und es gibt eine Menge Materialien dazu.
    Außerdem ist das doch mit Regeln gut zu erklären.

    Das ist mir klar. Es geht mir nicht um Materialien und Regelwissen. Daran mangelt es mir nicht und die werde ich nach Bedarf einsetzen. Vielleicht habe ich mich missverständlich in meinem Eingangspost ausgedrückt.


    Ich hatte noch nie einen Schüler aus der Schweiz und deshalb habe ich nach Erfahrungen und evtl. - falls es das gibt - Erlassen gefragt.

    • Offizieller Beitrag


    Allein schon die Frage, ob "so daß" auseinander (Deutschland) oder zusammen (Schweiz) geschrieben wird, wird interessant.

    Ich überlege gerade, ob ich heute Abend die Lehrerin raushängen lasse. Ich glaube, ich entscheide mich dagegen. Montag wieder.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Das wun

    Es ist ja nicht nur das "ß", es gibt viele Fallstricke und als größtes Problem stelle ich mir bei Korrekturen vor, daß man selber als deutscher Lehrer gar nicht alle Besonderheiten des Schweizer Deutsch kennt.


    Allein schon die Frage, ob "so daß" auseinander (Deutschland) oder zusammen (Schweiz) geschrieben wird, wird interessant.
    Oder "Ski" und "Schi"... oder war das nur Österreich, die das mit "Sch" schreiben?


    Das wundert mich jetzt auch gerade.


    Rein rechtschreiblich ist es doch nur das -ss- statt eines -ß-, das in der Schweiz anders ist. Ansonsten betreffen die Unterschiede doch eher den Wortschatz.


    Ich müsste nachschauen, aber auch in Deutschland durfte man "Ski" oder "Schi", "sodass" oder "so dass" schreiben oder hat sich das geändert? Man durfte das auf alle Fälle mal!

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • ... und die Grammatik. Die Nichtbenutzung des Genitivs ist in vielen Fällen z. B. offiziell erlaubt.


    Interessant. Hast du Beispiele dafür, wo man im Schweizer Deutsch den Genitiv offiziell nicht zu benutzen braucht, wo man ihn im "Deutschländischen Deutsch" benutzen muss? Ich kann mir gerade nichts darunter vorstellen.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Kein Beispiel zum nichtvorhandenen Genetiv (keine Sorge, den finde ich auch noch bei der BAZ), aber ein sehr herrlich schweizerisch geschriebener Artikel:


    https://www.bazonline.ch/basel…lbstunfall/story/15761499


    Die BAZ ist wirklich schlimm in Sachen echt schlechtes Deutsch. Bei der Gelegenheit muss ich doch mal auf unsere gute Eva aufmerksam machen, bei uns lernt man dann doch einigermassen verträgliches Schriftdeutsch:


    https://www.bzbasel.ch/thema/Landzunge%20und%20Stadtmund

  • Ich kann nur vom umgekehrten Weg berichten (zwar nicht Schweiz, aber Österreich - aber ähnliches Problem).
    Mein Kleiner war in der 3. Klasse als wir nach Österreich auswanderten. An eine etwas andere Rechtschreibung und Grammatik gewöhnte er sich sehr schnell. Er kann heute sogar deutsche und österreichische Rechtschreibung und Grammatik. Lediglich bei manchen Begriffen kennt er nur noch die österreichischen und hat die deutschen vergessen (Bsp. Mitvergangenheit).

  • ... und die Grammatik. Die Nichtbenutzung des Genitivs ist in vielen Fällen z. B. offiziell erlaubt.

    Genitiv? Der wurde schon erfolgreich vom Dativ umgebracht, schätze ich ... das ist nicht nur ein schweizerisches Problem.


    In der gesprochenen Sprache ist hier auch der am-Progressiv sehr weit verbreitet. Ich höre ihn ständig und manchmal benutze ich ihn auch selbst ;)


    PS: Wer findet den Helvetismus? ;)

  • In der gesprochenen Sprache ist hier auch der am-Progressiv sehr weit verbreitet. [/b]Ich höre ihn ständig und manchmal benutze ich ihn auch selbst ;)

    Ich wusste bis vor ca. einem Jahr gar nicht, dass es den "am-progressiv" gibt. Ich wurde in Rheinland-Pfalz felsenfest so sozialisiert, dass er Teil des Hochdeutschen ist. Eine Kollegin hat mich bei einer Hospitation darauf aufmerksam gemacht, ich hab das Problem gar nicht verstanden. Kurz danach war ich "am Googlen" und hab das "Problem" langsam erkannt.

  • Kein Beispiel zum nichtvorhandenen Genetiv (keine Sorge, den finde ich auch noch bei der BAZ), aber ein sehr herrlich schweizerisch geschriebener Artikel:


    https://www.bazonline.ch/basel…lbstunfall/story/15761499 ...


    Immerhin finde ich aber gleich am Anfang deines Beispiels 2 x einen Genitiv:


    "Gemäss der bisherigen Erkenntnisse der Polizei Basel-Landschaft ... "


    Es gibt ihn also auch in der Schweiz. :) Magst du nochmal erklären, was du mit dem "offiziell nicht notwendigen" Genitiv in der Schweiz meinst? Das ist mir immer noch nicht klar. Und wer hat erlaubt, ihn wann nicht zu benutzen?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Genitiv? Der wurde schon erfolgreich vom Dativ umgebracht, schätze ich ... das ist nicht nur ein schweizerisches Problem.
    In der gesprochenen Sprache ist hier auch der am-Progressiv sehr weit verbreitet. Ich höre ihn ständig und manchmal benutze ich ihn auch selbst ;)


    PS: Wer findet den Helvetismus? ;)


    Du meinst Konstruktionen wie "Ich bin gerade am Schreiben"? Nennt man das nicht die "Rheinische Verlaufsform"? Die ist doch inzwischen überall in Deutschland verbreitet.


    Sie entspricht den bekannten Konstruktionen mit -bei- (Ich bin gerade beim Schreiben).

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

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