Umgang mit Flüchtlingskindern

  • ...Klassengefüge aufgrund verschiedener Vorkommnisse und der Unruhe nicht ganz im Gleichgewicht. Wie sieht es mit dem Klassenklima bei euch aus, wurde es durch "diese Situationen" auch problematisch? Habt ihr da Ratschläge, wie man daran arbeiten könnte?

    nein, das Klima wurde durch "solche Situationen" nicht direkt problematischer. Kinder sind meiner Erfahrung nach erstaunlich tolerant was das anbelangt. Es wird problematisch durch Bezugspersonenwechsel, neue Klassenlehrer, neue Fachlehrer. Und durch eine Mischung aus Laufenlassen und Geduldverlieren. Besser wird es durch Allesmitkriegen, Klarsein und regelmäßig Zeit für Gespräche nehmen. Der Klassenrat vom Verlag an der Ruhr bietet dafür z.B. eine gute Struktur. Aber auch erst, wenn du weißt, wie du die Gruppe lebend in den Sitzkreis bekommst.


    Und ja, es ist ein Unding, dass man damit allein gelassen wird. Du musst dir aber keine Sorgen machen, dass du irgendwas verschlimmerst, du bist mit Unterrichtvorbereiten und Unterrichtdurchführen anfangs vollauf beschäftigt und das ist ganz normal und gut und richtig so.


  • - Falls es an einem Trauma liegt, könnte das aber doch einen anderen Umgang erfordern (wegen der anderen Ursache) als bei Kindern mit anderen Verhaltensauffälligkeiten, damit es nicht schlimmer wird, oder?

    Nein, nicht wirklich.
    Du weißt gar nicht, welches Kind traumatisiert ist. (Wurde auch schon erwähnt.) Da sitzen vielleicht Kinder, die Gewalt erfahren haben oder sexuell missbraucht werden in der Klasse. Kinder, die lange im Krankenhaus waren und dadurch traumatisiert sind, Kinder, die Traumata ihrer Eltern übernommen haben etc.
    Traumatisierte haben Trigger, die ein Trauma wieder "hochholen". Diese sind individuell extrem verschieden und manchmal logisch nicht nachvollziehbar. Das kann ein Wort, eine Farbe, ein Geruch, eine bestimmte Art des Lichteinfalls, ein Geräusch sein. Du kannst die Trigger nicht vermeiden und die Kinder nicht davor beschützen.
    Das dritte ist, dass ein Traumatisierter, wenn er "wie ein rohes Ei in Watte gepackt" wird, also man alle Trigger und Unannehmlichkeiten versucht von ihm fernzuhalten, lernt, dass er ein rohes Ei ist, das in Watte gepackt werden muss und sich dadurch eher noch weniger zutraut. (Großes Thema unter Traumatherapeuten!)
    Traumata verschlimmern sich nicht einfach so durch normalen Alltag. Sie verschlimmern sich aus sicht der Hirnforscher auch, wenn die Betroffenen weitere Traumata erleben oder sich durch Traumata besonders eingeschliffene neurologische Verbindungen im Gehirn noch weiter einschleifen. (Großes Thema unter Traumatherapeuten, denn diese Sichtweise zu übernehmen würde bedeuten, dass das "darüber sprechen" oder "wiedererleben", das lange Zeit als einzig Heilsames galt, kontraproduktiv wäre.)


    Und damit wären wir beim Umgang mit traumatisierten Kindern: So normal und sicher wie möglich. Die Schule ist ein Ort, an dem so viel Normalität und gesicherter, geregelter Alltag wie möglich stattfindet und sich belastende Erlebnisse so oft wie möglich vergessen / verdrängen lassen. Regeln, Rituale, Struktur, Abläufe, wurde schon erwähnt. Das ist aber nun wiederum etwas, was vielen Kindern im Grundschulalter nützt und auch Kindern mit anderen Verhaltensauffälligkeiten mehr Sicherheit gibt.
    Wenn du das schaffst - neben dem Unterricht - dann tust du viel für alle Kinder.
    Das einzige, was man noch tun kann ist, mit dem Thema Flucht sorgsam umzugehen. Z.B. Vorträge oder Plakate über verschiedene Länder gestalten lassen: Flüchtlingskinder wählen genauso wie alle anderen aus, welches Land sie nehmen und werden nicht dazu gedrängt, ihr Heimatland zu nehmen (dürfen es aber).
    Und was andere schon schrieben: Die Schule ist kein Ort, an dem du (psycho)therapeutisch tätig werden kannst. Das ist nicht deine Aufgabe. Du wirst Pädagogin.


    Zitat


    Regeln die Sozialarbeiter solche Situationen dann gemeinsam mit einem, wenn man sie hinzuruft? Und ist man ansonsten allein auf Erfahrung und Literatur angewiesen?

    Das kommt drauf an. An meiner ehemaligen Schule nur ganz selten, weil die Sozialarbeiter so viel zu tun hatten, dass sie nur ganz selten akut Zeit hatten. In schlimmen Fällen schon, aber normalerweise bist du auf dich alleine gestellt. In bestimmten Situationen (Kind verlässt das Schulgelände) gibt es rechtliche Dinge zu beachten, die du in deiner Ausbildung lernst. In anderen hilft Erfahrung oder auch dass du das Kind kennst.


    Zitat


    - Bei uns in der Klasse ist das Klassengefüge aufgrund verschiedener Vorkommnisse und der Unruhe nicht ganz im Gleichgewicht. Wie sieht es mit dem Klassenklima bei euch aus, wurde es durch "diese Situationen" auch problematisch? Habt ihr da Ratschläge, wie man daran arbeiten könnte?


    Du schaffst hier eine Kausalität: Das Klassengefüge ist aus dem Gleichgewicht, weil es diese Vorkommnisse gab. Es ist nicht gesagt, dass das kausal ist.


    Es hängt viel von den Klassen an sich ab, von der Konstellation und Zusammensetzung der Schüler. Es gibt Klassen, die nie im Gleichgewicht sind, egal was los oder nicht los ist. Es gibt tiefenentspannte Klassen, in denen viel passieren kann und die trotzdem recht gleichgewichtig sind. Klar, wenn ständig was los ist, ist das Risiko, dass das Gleichgewicht gestört ist, größer. Was man dann tun kann? Siehe oben: Regeln, Rituale, Struktur, Abläufe, Classroom Management, soziales Lernen (da gibt es verschiedene Konzepte, z.B. Lubo aus dem All, Schatzsuche mit Ferdi), Teamspiele, gemeinsame Ziele, Klassenrat...

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Vielen Dank für eure vielen hilfreichen und informativen Antworten und die Literaturtipps!
    Ich bin beeindruckt von eurem Wissen und erstaunt, wie viel man über so ein Forum mitnehmen kann. Habt ihr euch das alles selbst angeeignet, übers Lesen und Erfahrungen oder gab es Fortbildungen?
    Ich schätze, dass man auf Situationen, wie ganz oben genannt (als Anfänger) selten richtig vorbereitet ist. Ich möchte das aber bei mir gerne im möglichen Rahmen ändern, weil ich durch diese Erfahrung festgestellt habe, wie alltäglich das Thema sein kann und was es für Auswirkungen auf den Unterricht u.a. hat. Dass es nicht nur traumatisierte Flüchtlinge, sondern auch andere Kinder mit Traumata gibt, stimmt natürlich. Das sollte man sich vor Augen halten. Allerdings haben die Flüchtlingskinder mir das Thema sozusagen eröffnet und ich könnte mir vorstellen, dass die Traumata bei manchen von ihnen, durch möglicherweise viele sehr schlimme Erlebnisse besonders ausgeprägt sind.


    - Überschreitet man auf diesem Gebiet nicht manchmal doch die Grenzen seiner Zuständigkeit als Lehrkraft, weil einem ein Kind so Leid tut o.Ä.? Oder findet ihr das dann unprofessionell?


    - Mich würde außerdem interessieren, was ihr für Herausforderungen im Schulalltag, bzw. Schwierigkeiten oder auch Möglichkeiten hinsichtlich der schulischen Integration von geflüchteten Kindern seht. Das frage ich mich nämlich gerade immer noch (vielleicht habe ich es noch nicht richtig verstanden)?

  • ...- Überschreitet man auf diesem Gebiet nicht manchmal doch die Grenzen seiner Zuständigkeit als Lehrkraft, weil einem ein Kind so Leid tut o.Ä.?

    Sehe ich nicht, man ist als Lehrer verpflichtet, sich um Kindeswohl zu sorgen. In dem Moment, wo ich die Eltern einlade und ihnen Therapeuten empfehle, kümmere ich mich angemessen. Was ich ganz sicher nicht mache: mit dem Kind in einen extra Raum gehen und fragen, dass es doch sicher ganz furchtbar auf der Flucht war und erzähl doch mal, wen hast denn du schon sterben sehen.


    Ich bin die Lehrerin und soll xy unterrichten. Dabei begegne ich natürlich Menschen aber trotz allem ist meine Aufgabe klar definiert.


    - Mich würde außerdem interessieren, was ihr für Herausforderungen im Schulalltag, bzw. Schwierigkeiten oder auch Möglichkeiten hinsichtlich der schulischen Integration von geflüchteten Kindern seht.

    Dazu werde ich nicht gefragt. Da kommt eben eine neue Mitschülerin und ich heiße sie willkommen. Wenn die Eltern kein Deutsch können, kümmere ich mich um einen Dolmetscher.
    Eigentlich sind Elternsorgen rund um Schule weltweit gleich. Bei Menschen mit Migrationshintergrund allerdings (so meine persönliche Erfahrung) heißt die Frage der Eltern nicht: "was machen Sie als Lehrer/Schule falsch" sondern "benimmt sich mein Sohn anständig?"

  • Ich bin beeindruckt von eurem Wissen und erstaunt, wie viel man über so ein Forum mitnehmen kann. Habt ihr euch das alles selbst angeeignet, übers Lesen und Erfahrungen oder gab es Fortbildungen?

    Ich kann jetzt nur von mir ausgehen. Ich habe bereits im Studium mehrere Seminare zur Migrationsarbeit und zum Umgang mit Flüchtlingen belegt gehabt, habe rund 10 Jahre Migrationsarbeit gemacht vor dem Ref und auch im Ref ist der Umgang mit Flüchtlingen (ebenso wie sprachsensibler Unterricht) ein Thema der Ausbildung gewesen, da das zu den aktuellen Herausforderungen gehört, auf die man im Idealfall im Ref ein Stück weit vorbereitet wird. Der Umstand, dass ich selbst infolge von Gewaltverbrechen schwerbehindert bin und insofern einige Jahre Traumatherapie genießen durfte (Dinge wie Triggermomente bezogen auf Schule wurden in meinem Fall dann auch äußerst kritisch überprüft im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung) schadet vermutlich keineswegs beim Wissen um Traumata, Traumafolgen, etc., wobei es gerade als selbst betroffener Mensch umso wichtiger ist eine gesunde Distanz zu wahren, sich bewusst zu sein, dass es niemals um einen selbst geht, sondern ums Gegenüber.


    Zitat von Caroli


    Ich schätze, dass man auf Situationen, wie ganz oben genannt (als Anfänger) selten richtig vorbereitet ist. Ich möchte das aber bei mir gerne im möglichen Rahmen ändern, weil ich durch diese Erfahrung festgestellt habe, wie alltäglich das Thema sein kann und was es für Auswirkungen auf den Unterricht u.a. hat. Dass es nicht nur traumatisierte Flüchtlinge, sondern auch andere Kinder mit Traumata gibt, stimmt natürlich. Das sollte man sich vor Augen halten. Allerdings haben die Flüchtlingskinder mir das Thema sozusagen eröffnet und ich könnte mir vorstellen, dass die Traumata bei manchen von ihnen, durch möglicherweise viele sehr schlimme Erlebnisse besonders ausgeprägt sind.

    Traumata sind individuell für die davon betroffene Person zumindest potentiell IMMER das schlimmste bislang erlebte Ereignis oder Ereignisse. Hier von außen eine Art Rangliste des Leids erstellen zu wollen geht an der Problematik vorbei. Ja, multiple Traumata sind belastender für Betroffene, als ein Einfachtrauma wie bspw. das Bezeugen eines Autounfalls. Nocht belastender wird es, wenn Traumata in verschiedenen Lebensphasen als multiple Traumata auftreten, also eine Retraumatisierung erfolgt. Multiple Traumata erleidet beispielsweise jeder Mensch, der Opfer wiederholten sexuellen Missbrauchs wird, jeder, der wiederholt Opfer häuslicher Gewalt/gewaltsamer Erziehung wird oder ja, auch Kinder, die wiederholt Kriegsereignisse erleben und bezeugen müssen in all ihrer Grausamkeit. Multiple Traumata sind also kein Spezifikum von traumatisierten Flüchtlingen, bei denen eine mögliche Traumafolgestörung auch nicht anders ausgeprägt sein muss, als bei jedem anderen traumatisierten Kind. Das ist individuell unterschiedlich und keine Frage des Ereignisses. Lies dich vielleicht mal zum Aspekt der Resilienz ein, das ist ganz hilfreich, um zu verstehen, warum das selbe Ereignis auf zwei Kinder völlig unterschiedlich wirken kann, warum eines dadurch schwerst traumatisiert ist, das andere aber möglicherweise das Erlebte kompensieren, integrieren und - ganz ohne Traumatherapie- heilen kann.


    Zitat von Caroli

    - Überschreitet man auf diesem Gebiet nicht manchmal doch die Grenzen seiner Zuständigkeit als Lehrkraft, weil einem ein Kind so Leid tut o.Ä.? Oder findet ihr das dann unprofessionell?

    Die Grenze überschreitest du an dieser Stelle mit der Vorstellung des Mitleids, die ja in der Formulierung "so leid tut" drinsteckt. Mitleid bedeutet, dass du rein emotional bei dir selbst bleibst, im worst case deine emotionale Verfassung der Ausgangspunkt deiner Beratung ist ("Was würde ich in so einer Sitation brauchen?") und du nicht mehr bei deinem Gegenüber bist. Die gesunde Haltung ist das Mitgefühl, als echte Form der Empathie und damit des Mitschwingens anstelle des Mitleidens. Wer nur mitschwingt, aber nicht mitleidet, kann Eltern für ihr Kind eine schulpsychologische Beratungsstelle empfehlen zur weiteren Abklärung etc. und kann die Grenzen der eigenen Aufgabe auch besser wahren. Wer mitschwingt statt mitzuleiden kann auch selbst seelisch gesund bleiben trotz des Leids der Betroffenen, das einen natürlich dennoch beschäftigt (da nimmt man so manche Geschichte auch mal mit heim und muss sie erst für sich verarbeiten, um wieder einen guten Job machen zu können, sprich professionell bleiben zu können), aber das nicht das eigene Leid ist. Das ist gerade in einem derart burnout-gefährdeten Beruf wie dem unseren ganz besonders wichtig diese Grenze für sich zu finden und zu wahren. Das bist du wert, das ist auch dein Gegenüber, dem du damit besser beistehen kannst im Rahmen deines Aufgabenbereichs wert.
    Und dies gesagt: Rund 10 Jahre Migrationsarbeit bedeuten natürlich, dass ich einiges Lehrgeld bezahlt habe, weil ich mich immer mal wieder v.a.zu Beginn über die Grenzen meiner Zuständigkeit hinaus engagiert habe. Dazuzulernen hat mir persönlich sehr gut getan, für die Betroffenen war es teilweise nicht leicht zu lernen, dass es da Grenzen gibt, weil sie sich infolge meines ursprünglichen Überengagements in eine Art Abhängigkeit begeben haben. Sie da heraus zu führen aus dieser selbst gewählten Unmündigkeit war unerlässlich und arbeitsintensiv und enorm lehrreich für mich. Die beste Hilfe kann man leisten, wenn man den eigenen Job gut macht, denn das ist wirklich verdammt viel, was wir damit als Lehrkräfte bereits bewegen können.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Dazu werde ich nicht gefragt. Da kommt eben eine neue Mitschülerin und ich heiße sie willkommen.

    Das trifft den Kern.
    Wie bei jedem Kind ist man um das Kind und den Einstieg bemüht und darum, einen Zugang zum Kind zu finden und das hat nicht unbedingt etwas mit Sprache zu tun.
    Da kann man den Kindern der Klasse ein Vorbild sein und sie selbst anleiten, wie man mit Menschen umgehen kann, deren Sprache man selbst nicht versteht.


    An gewissen Stellen ist Sprache dann doch wichtig, aber Kinder, die helfen können oder Zeichnungen und Schauspiel helfen am Anfang, für ernstere Themen braucht es dann manchmal doch einen Verwandten oder einen Sprachmittler/ Dolmetscher. Da muss man wissen, wo man sie wie beantragen kann.


    Ansonsten, wie sonst auch: möglichst zügig einschätzen, was das Kind kann und dann entsprechendes Material auf den Tisch bringen.
    Die abgeordnete Gymnasiallehrkraft wunderte sich über das vielfältige Material an unserer Schule und meinte: "Du kannst doch nicht alle Texte aus allen Lesebüchern auswendig kennen."
    Nein, aber ich habe ein großes Repertoire, weiß zudem, wo ich was suchen muss, wen ich zur Not fragen kann und bin schnell darin, geeignetes Material zu finden oder zur Not selbst zu erstellen.

  • Ich bin beeindruckt von eurem Wissen und erstaunt, wie viel man über so ein Forum mitnehmen kann. Habt ihr euch das alles selbst angeeignet, übers Lesen und Erfahrungen oder gab es Fortbildungen?

    So viel Erfahrung wie @CDL bringen wir vermutlich nicht alle mit, aber die Erfahrungen sammelt man.
    Was heute DaF/DaZ heißt, waren früher im Studium integrierte Seminare zu Multikulturalität, die kein eigenständiges Fach ausbildeten.
    Auch die Erfahrung aus unterschiedlichen Schulen mit vielen Kindern mit Migrationshintergrund führt zur Auseinandersetung mit dem Thema. Ich hatte in der Hinsicht ein tolles Referendariat, das eine gute Vorbereitung war.


    Fortbildungen werden auch angeboten,
    Foren und eigene Recherche bringen mich persönlich häufig schneller ans Ziel.

  • ...
    Das dritte ist, dass ein Traumatisierter, wenn er "wie ein rohes Ei in Watte gepackt" wird, also man alle Trigger und Unannehmlichkeiten versucht von ihm fernzuhalten, lernt, dass er ein rohes Ei ist, das in Watte gepackt werden muss und sich dadurch eher noch weniger zutraut...


    Und damit wären wir beim Umgang mit traumatisierten Kindern: So normal und sicher wie möglich. ...

    Das würde ich gern nochmal hervorheben. Raus aus der Beobachterrolle des Praktikanten mit der Psychobrille und dem Notizblock für absonderliches Verhalten. Das verunsichert andere, weil du nicht wirklich anwesend bist.
    Dafür rein in die Kommunikation mit Max und Abdul. Menschen wollen in aller Regel wahrgenommen und ernstgenommen werden, bei gleichzeitiger Einhaltung fester Rahmenbedingungen. Frag die Kinder, wie es ihnen geht aber sei selbst diejenige, die vorgibt, was erwartet wird.


    Wenn sich also zwei kloppen, gehe ich dazwischen, weil hier wird nicht gekloppt, Trauma hin oder her. Wenn einer panisch irgendwas reinruft, spreche ich ihn mit Namen an und frage sofort, was los ist. Vielleicht lege ich einem Kind die Hand auf die Schulter oder gehe hin, wenn es mich nicht zu hören scheint, vielleicht rufe ich von weitem "Stop!" um sofort ein Verhalten zu unterbinden. Das ist aber auch Erfahrungs- und Typsache...

  • Da habt ihr offensichtlich viel Arbeit und Herzblut in eure Wissensgewinnung gesteckt, finde ich richtig gut und vorbildlich! ich denke, dass u.a. diese Einstellung Unterrichtsqualität sichern kann. :)


    -Stehen Fortbildungen, eurer Meinung nach, denn Informationen aus Foren / Literaturrecherche nach oder ist es langwierig und aufwendig daran teilzuhaben, bzw. weniger schnell und zielführend? Und wie erfährt man überhaupt von (speziellen) Fortbildungen? Sind sie in der Regel kostenfrei?



    -Was ist eure Einschätzung dazu, wie man es mit der Beschulung von Flüchtlingskindern allgemein handhaben sollte? Im Internet findet man sehr verschiedene Meinungsaussagen dazu. Wie viele SuS mit Fluchterfahrungen maximal in eine Klasse? Alle Flüchtlingskinder in eine Klasse bis Deutschkenntnisse vorhanden sind? Oder Einschulung in normale Klasse und parallel andere Maßnahmen (z.B. Sprachförderung)? Rein von Integration ausgehend, sollten ja vermutlich alle geflüchteten Kinder von Beginn an in Regelklassen aufgenommen werden, oder? Was haltet ihr zwecks Lernens der Kinder für am förderlichsten?


    Wird das in der Umsetzung an Schulen einheitlich gehandhabt oder ist das jeder Schule frei überlassen? Gibt es Unterschiede, was die einzelnen Bundesländer betrifft?


    - Gibt es wohl Ballungszentren für Schulen, die Flüchtlingskinder aufnehmen, nämlich vorwiegend Brennpunktorte /-schulen oder täuscht der Eindruck?

  • Zitat von Caroli

    Stehen Fortbildungen, eurer Meinung nach, denn Informationen aus Foren / Literaturrecherche nach oder ist es langwierig und aufwendig daran teilzuhaben, bzw. weniger schnell und zielführend? Und wie erfährt man überhaupt von (speziellen) Fortbildungen? Sind sie in der Regel kostenfrei?

    Kommt auf die Fortbildung, das Fortbildungsziel, die Organisation etc. an. Manchmal kann es besser sein als erhofft, je nach Vorkenntnissen kann es aber zu unterschiedlich nervtötenden Redundanzen kommen, die eine eigenständige Weiterbildung zielführender gemacht hätten. Ich weiß nicht, ob es das in allen BL gibt, aber zumindest in BW gibt es massenhaft offizielle Fortbildungenden zu allen Arten von Themen, die Informationen dazu gibt es online, in kleinen Katalogen in der Schule und zusätzlich werden wir sehr regelmäßig per Mail noch auf aktuelle Fortbildungen mit freien Plätzen die dem KuMi/RP/Schulamt besonders am Herzen liegen aufmerksam gemacht. Die offiziellen Fortbildungen sind meist komplett kostenfrei, zusätzlich gibt es kostenpflichtige Angebote privater Anbieter. Da ist dann von sehr teuren Angeboten (die zwar gut klingen, aber auch mehrere hundert Euro kosten) bis zu sehr kostengünstigen Angeboten alles dabei. Gerade die Gewerkschaften bieten einige gute Fortbildungen an, die zumindest für die Mitglieder meist kostenfrei oder gegen einen reduzierten TN-Beitrag buchbar sind.
    Mach erstmal dein Studium zuende und das Ref und schau dir dann an, an welcher Schule du landest, welche Bedürfnisse zur Weiterbildung sich daraus für dich ergeben und wähle dann aus dem an allen Schulen mit Sicherheit sehr umfassend vorhandenen Angebot an Fortbildungen aus. Die deutlich interessantere Frage ist dann später nicht, ob es eine Fortbildung gibt, sondern ob du freigestellt wirst, um an dieser teilnehmen zu können, ob es ein kostenfreies Angebot oder eine Kostenübernahme gibt oder ob du abwägen musst Ferien und Privatvermögen zu investieren um eine berufliche Hersausforderung besser bewältigen zu können.



    Zitat von Caroli

    Was ist eure Einschätzung dazu, wie man es mit der Beschulung von Flüchtlingskindern allgemein handhaben sollte? Im Internet findet man sehr verschiedene Meinungsaussagen dazu. Wie viele SuS mit Fluchterfahrungen maximal in eine Klasse? Alle Flüchtlingskinder in eine Klasse bis Deutschkenntnisse vorhanden sind? Oder Einschulung in normale Klasse und parallel andere Maßnahmen (z.B. Sprachförderung)? Rein von Integration ausgehend, sollten ja vermutlich alle geflüchteten Kinder von Beginn an in Regelklassen aufgenommen werden, oder? Was haltet ihr zwecks Lernens der Kinder für am förderlichsten?

    Ich glaube, da gibt es nicht die eine allgemein gültige Antwort, die alle Bedürfnisse jedes SuS erfüllen und abbilden könnte. Grundständig sehe ich die Separierung in Eingangsklassen kritisch, weil das ein echtes Integrationshemmnis ist und halte mehr von Konzepten der gemeinsamen Beschulung, die ergänzt werden um intensiven DaZ-/DaF-Unterricht in einer entsprechenden Teilgruppe. Um das aber tatsächlich innerschulisch so gut umsetzen zu können, wie es für SuS und Lehrkräfte nötig wäre, müsste man deutlich mehr Personal bei deutlich kleineren Klassen einsetzen. Wie bei der Inklusion auch ist es am Ende auch bei der Beschulung von DaF-SuS am Ende so, dass es größte Unterschiede zwischen den Schulen gibt. Ich weiß von Mitanwärtern an deren Schulen in jeder Klasse 2-3 Leute sitzen ohne jedwede Deutschkenntnisse. Bei 30 Schülern in der Klasse und ohne irgendeine Art von Weiterbildung oder Kenntnisse wie mit diesen SuS sinnvoll zu arbeiten wäre, gehen diese oft völlig unter, stören entsprechend häufig, werden vor allem als lästig empfunden (auch von Mitschülern) und nicht integriert. Die Ansage an die Referendare war diesbezüglich diese SuS komplett zu ignorieren, also Standard-AB an diese austeilen in dem Wissen, dass sie dieses nicht bewältigen können und normal weiterarbeiten, weil die Lehrkräfte auch keine Ahnung hatten, was sie machen sollten und völlig überfordert waren von diesen Rahmenbedingungen. DaZ-/DaF-Unterricht hatten diese Schüler dann oft erst nach Wochen und Monaten in der Regelklasse.
    An anderen Schulen ist es dagegen wie ich weiß völlig selbstverständlich, dass DaF-Leute zunächst einmal einige Wochen zum Spracherwerb in Spracheingangsklassen beschult werden, ehe sie - möglichst schnell- Regelklassen zugeordnet werden. Der DaF-Unterricht in einer speziellen Teilgruppe läuft dabei zusätzlich zum regulären D-Unterricht weiter. An diesen Schulen gibt es dann nicht nur entsprechde Lehrkräfte und Konzepte, sondern auch einen Plan, wie SuS in die Regelklasse sprachlich integriert werden können sowie Ansprechpartner bei akuten Problemen, was die Arbeit für alle Beteiligten erheblich erleichtert.
    Und schließlich gibt es aber auch SuS für die es hilfreich und gut ist auch längerfristig in ihrer Gruppe weiterzulernen aus der Spracheingangsklasse und mit diesen Mitstreitern, mit denen sie bestimmte Erfahrungen teilen, die andere nunmal weder kennen, noch oftmals verstehen können z.B. einen Hauptschulabschluss vorzubereiten, weil sie in diesen Extraklassen oft auch in Programmen sind, die ihnen mehr Zeit für die Vorbereitung der Schulabschlüsse lässt, die vom einen für die Spracharbeit genutzt wird, vom anderen für notwendige seelische Arbeit bei bestehenden Traumata (denn auch diese Art von Arbeit kann ja ein Lernhemmnis darstellen, selbst wenn Sprache schon längst kein Problem mehr darstellt).


    Der Idealfall wäre es, wenn nicht aus Kostengründen von Schulträgern, Schulämtern und Kultusministerien nur eine bestimmte Vorgehensweise vorgeschrieben würde, sondern man tatsächlich personell und fachlich so gut ausgestattet wäre, dass man aufs Kind schauen könnte. Der Regelfall sieht anders aus.



    Zitat von Caroli

    - Gibt es wohl Ballungszentren für Schulen, die Flüchtlingskinder aufnehmen, nämlich vorwiegend Brennpunktorte /-schulen oder täuscht der Eindruck?

    Ja gibt es, also Ballungszentren. Schlichtweg deshalb, weil einerseits die Flüchtlingsunterbringung staatlich organisiert wird und keine freie Wohnortwahl vorsieht, so dass es eben Landeszentren oder auch kommunale Flüchtlingeinrichtungen in bestimmten Stadtvierteln gibt oder auch der soziale Wohnungsbau oft einhergeht mit Wohngebieten mit einem besonders hohen Anteil an Bewohnern ausländischer Herkunft, die ebenfalls im Regelfall wohnortnahe Schulen besuchen (woraus sich dann eben teilweise die Brennpunktschulen ergeben). Zusätzlich gibt es Schulen die spezielle Vorbereitungsklassen etc. anbieten, im Idealfall sogar dafür entsprechndes Personal bekommen haben (oder auch nicht..) und an denen entsprechend natürlich deutlich mehr Jugendliche mit wenig Deutschkenntnissen oder auch ganz ohne diese landen.


    Diese "Ghettoisierung" ist kein spezifisches Phänomen der Flüchtlingsunterbringung und - beschulung, sondern bedingt durch die gesamtgesellschaftliche Segregation (ökonomisch und/oder kulturell, vgl. auch dazu Habitus-Theorie von Bourdieu), die sich gerade bei der Beschulung überdeutlich zeigt.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    2 Mal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: fehlende Buchstaben..

  • Obwohl du weit weg bist, @CDL, trifft das, was du schreibst, auf die Schulen in Nds. ebenso zu.
    Hinzu kommt noch, dass der Lehrermangel zuschlägt und ein tolles DaZ-Konzept nicht umgesetzt werden kann, wenn die arbeitsintensiv beantragten und sogar zugesprochenen DaZ-Std. für die Vertretung eingesetzt werden müssen.


    Stehen Fortbildungen, eurer Meinung nach, denn Informationen aus Foren / Literaturrecherche nach oder ist es langwierig und aufwendig daran teilzuhaben, bzw. weniger schnell und zielführend?

    Dazu ergänzend: Wenn ich morgen früh in die Schule gehe, steht vielleicht am Vormittag im Flur ein Kind mit seinen Eltern und soll angemeldet werden, weil diese Familie seit kurzem in unserem Einzugsbereich wohnt. Dieses Kind kann aus irgendeinem anderen Land kommen mit oder ohne schulischer Vorbildung, es kann aus einem anderen BL zugezogen sein oder aus der Nachbarschule stammen, es kann Förderbedarf im Lernen, in Geistiger Entwicklung, im Hören, Sehen, in körperlich-motorischen Belangen oder im emotional-sozialen Bereich haben ... oder dort Beeinträchtigt sein, ohne dass bisher ein Förderbedarf ausgewiesen wurde, es kann LRS, Dyskalkulie, AD(H)S, AVWS oder irgendetwas sonst mitbringen ... oder einfach auch mal nur umgezogen sein.
    Egal was es ist: Man kann sich in allen Bereichen informieren und sollte sich ein wenig auskennen, wenn das Kind dann aber in der Klasse sitzt, muss man dann reagieren und kann nicht warten, bis irgendwann irgendwer irgendwas als FoBi anbietet. Das reicht einfach nicht.


    Als viele Flüchtlinge kamen, haben auf 4teachers mehrere Leute gemeinsam Standard-Briefe erstellt und in sehr viele Sprachen übersetzen lassen und zur Verfügung gestellt. DAS können weder Fortbildungen noch Verlage in der Geschwindigkeit abbilden, auch wenn es von Verlagen jetzt genau solche Materialien zu kaufen gibt. Manches ist aber eher eine Nische, sodass es dazu bei Verlagen so gut wie nichts gibt, man über das Forum aber dennoch Hilfe bekommen kann.
    Wenn Nutzer von Foren es als Geben und Nehmen verstehen, sind diese ausgesprochen hilfreich, über Schul- und auch Bundesland-Grenzen hinweg ... und man erfindet das Rad nur einmal neu und stellt es dann anderen zur Verfügung, die ggf. noch wieder etwas daran verändern oder aufgreifen und neue Ideen daraus finden.
    Zudem finde ich es sinnvoll, den Austausch zu haben. Das ist ja häufig auch bei Fortbildungen das, was einem hilft und weiterbringt, manchmal mehr, als die Vorträge selbst.


    Neben dem nicht immer vorhandenen Angebot ist es für mich auch eine Frage des Aufwandes, ja. Je nachdem, wo in meinem Flächen-BL die FoBi angeboten wird, bin ich allein für die Fahrstrecke schon mehrere Stunden unterwegs. Zusätzlich muss ich für den Unterricht, den ich an dem Tag nicht erteile, Vertretungsunterricht ausgearbeitet für pädagogische Mitarbeiterinnen (keine Lehrkräfte) auf den Tisch legen. Das ist alles Zeitaufwand, den keiner sieht. Wenn dann die FoBi nichts bringt, habe ich viel Zeit für nichts investiert.
    Mir würde es gefallen, wenn es in dieser Hinsicht mehr Möglichkeiten gäbe, Online-Kurse zu nutzen.


    Vor allem fände ich es aber gut, wenn für jedes BL für genau diese Inhalte (und anderes auch) auf einem Bildungsserver mit Zugangsberechtigung die notwendigen Informationen bereitgestellt würde und ich unbürokratisch mit ein paar Klicks die wichtigsten Sachen erfahren würde.
    Beispiel:
    - das Wichtigste in Kürze für alle Förderschwerpunkte
    - das Wichtigeste in Kürze für DaZ
    - das Wichtigste in Kürze für die Bereiche, die zum Lernen wichtig sind oder bei denen es zu Schwierigkeiten kommen könnte
    - Standard-Briefe, die häufig verteilt werden, in vielen Sprachen
    - kontrastive Sprachanalysen für viele Sprachen
    - Schulsysteme anderer Länder
    Zudem eine Anlaufstelle, bei der Lehrkräfte sich darüber hinaus beraten lassen können, schnell, unbürokratisch, kostenfrei, gerade WEIL dem Land an der Professionalität der Lehrkräfte gelegen ist.
    Dazu gehört auch eine Rechtsberatung.

  • Eure zahlreichen Beiträge haben mir viele meiner Fragen beantworten, neue Sichtweisen und Ansätze eröffnen können und weiterführende vertiefende Fragen aufkommen lassen. Sie zeigen auch, dass trotz partiell verschiedener Einstellungen grundsätzlich ein Konsens besteht. Danke dafür!


    Trotzdem muss ich jetzt doch an dieser Stelle nochmal nachhaken:
    Ihr habt zwar Hürden / zu treffende Abstriche erwähnt aber es hört sich für mich dennoch im Tenor so an, als wäre es für LuL überwiegend selbstverständlich und gut machbar, sich der Situation mit traumatisierten Flüchtlingskindern anzunehmen (was es ja im Prinzip auch sein sollte). Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass das nicht jeder so gut schaffen kann, wie ihr es größtenteils schildert, und das man durch die Situation doch ganz schön an seine Grenzen stoßen kann, auch wenn man sein Bestes gibt.
    Habt ihr denn gar keine Ängste / Zweifel / Unsicherheiten (mehr)? Seid ihr nicht manchmal auch ratlos und wisst nicht, wie ihr eine Situation lösen könnt oder auf entsprechende SuS reagieren sollt?

  • ... , als wäre es für LuL überwiegend selbstverständlich und gut machbar, sich der Situation mit traumatisierten Flüchtlingskindern anzunehmen (was es ja im Prinzip auch sein sollte).

    Wo steht das? Zumindest habe ich dieses Aufgabenfeld auf keiner Seite gefunden, die das Berufsfeld des Lehrers beschreibt.

  • Es gab etliche Schilderungen dazu, wie mit traumatisierten Flüchtlingskindern in der Schule umgegangen werden kann. Sie waren sehr präzise, was schon den Eindruck macht, als hätten ihre Autoren Erfahrung damit und wüssten was sie tun. Zudem wird Integration überwiegend als selbstverständlich dargestellt, was ich durchaus lobenswert finde. Das Kind ist da und wird beschult und dazu gehören sowohl Bildungs-, als auch Erziehungsauftrag, es werden folglich also auch Maßnahmen ergriffen / eingeleitet, die die ganzheitliche Entwicklung des traumatisierten Flüchtlingskinder betreffen.
    Abgesehen von organisatorischem Aufwand und professioneller Wahrung der Grenzen als Lehrkraft wurden hier aber keine Probleme thematisiert, jedenfalls habe ich es so wahrgenommen. Es waren viele pragmatische und für mich hilfreiche Tipps dabei, die aber außen vor lassen, wie (dabei) empfunden wird. Ich habe mich in meiner Praktikumsklasse sehr bemüht und war bestrebt professionell vorzugehen, muss aber zugeben, dass ich trotzdem ziemlich unsicher war und die ganze Situation als äußerst schwierig erlebt habe. Dass sich das mit der Berufserfahrung tatsächlich komplett ändert, kann ich schwer einschätzen. In der Schule habe ich jedenfalls Hilflosigkeit aller Beteiligten empfunden, Kommilitonen in anderen Schulen ging es ähnlich.

  • ...aber es hört sich für mich dennoch im Tenor so an, als wäre es für LuL überwiegend selbstverständlich und gut machbar, sich der Situation mit traumatisierten Flüchtlingskindern anzunehmen

    Nochmal:
    Nicht jeder Mensch mit Fluchterfahrung hat eine Posttraumatische Belastungsstörung und nicht jeder Traumatisierte hat Fluchterfahrung. Nicht jede Verhaltensauffälligkeit ist eine psychische Erkrankung und nicht jede psychische Erkrankung entsteht durch ein Trauma.


    Du hast als Lehrer viele Kinder, die sich normal verhalten und einige, die das nicht tun. Wie du damit umgehen kannst, lernst du in Studium und Ref. Wenn das nichts hilft, suchst du dir Unterstützung. Es ist für dich zunächst mal schlicht irrelevant, was die Ursachen dieser Verhaltensstörungen sind. Es sei denn du willst Therapeutin werden, dann ist das das falsche Forum bzw. du müsstest einen anderen Studiengang wählen.

  • Abgesehen von organisatorischem Aufwand und professioneller Wahrung der Grenzen als Lehrkraft wurden hier aber keine Probleme thematisiert, jedenfalls habe ich es so wahrgenommen. Es waren viele pragmatische und für mich hilfreiche Tipps dabei, die aber außen vor lassen, wie (dabei) empfunden wird.

    Das liegt vielleicht daran, dass man, wenn man einen Beitrag zu einem geschilderten Problem schreibt, lösungsorientiert denkt und eher von Gelungenem berichtet.
    Da mag der Eindruck entstehen, allen anderen gelänge immer alles.
    Zu deiner Beruhigung: Es gibt Gegenbeispiele.
    Im letzten Jahr noch hatte ich einen Schüler im Unterricht sitzen, da war ich auch ratlos, die hinzugeholte Hilfe nutzlos und irgendwann habe ich zugesehen, die Kollateralschäden auf allen Seiten gering zu halten. Auf Seiten der Klasse, die trotzdem lernen sollte, auf Seiten des Kindes, das nicht am Frust ersticken sollte und auch auf meiner Seite.
    Im Laufe der Zeit gab es da weitere Beispiele. Das ist natürlich manchmal ernüchternd bis frustrierend.

  • Kann doch gar nicht sein, hier im Forum liest sich das doch alles völlig problemlos, wie du selbst sagst.

    Was ist "das alles"?



    Hilflosigkeit wessen gegenüber wem? Klassenlehrer gegenüber Verhaltensstörungen? Praktikanten gegenüber Geflüchteten?

  • Ihr habt zwar Hürden / zu treffende Abstriche erwähnt aber es hört sich für mich dennoch im Tenor so an, als wäre es für LuL überwiegend selbstverständlich und gut machbar,


    Zudem wird Integration überwiegend als selbstverständlich dargestellt, was ich durchaus lobenswert finde.

    Ich sehe es wie @roteAmeise: man schreibt davon, wie man damit umgeht, und das sind Lösungen, die bei diesen Kindern gelungen sind.
    Dass Integration als selbstverständlich dargestellt wird, hat damit zu tun, das man die Kinder, die einem vor die Nase gesetzt WERDEN, als solche annimmt ... und die Aufgabe der Beschulung übernimmt.


    Es waren viele pragmatische und für mich hilfreiche Tipps dabei, die aber außen vor lassen, wie (dabei) empfunden wird.

    Dabei geht es nicht um meine Gefühle einem Kind gegenüber.
    Meiner Meinung nach ist es professionell, das Kind anzunehmen, die Situation manchmal hinzunehmen (Jugendamt in der Familie, Verwahrlosung, Krankheit), und dann mit Kind und Eltern gemeinsam einen Weg zu finden, für den ich in der Schule meinen Teil übernehmen kann.


    Dass man nicht immer nur überglücklich über alle Situationen ist oder die Päckchen, die die Kinder tragen (müssen), ist so, aber darum muss dieses Gefühl nicht meine Arbeit bestimmen.



    Habt ihr denn gar keine Ängste / Zweifel / Unsicherheiten (mehr)? Seid ihr nicht manchmal auch ratlos und wisst nicht, wie ihr eine Situation lösen könnt oder auf entsprechende SuS reagieren sollt?

    Doch. Wir sind alle auch mal unsicher, haben noch keine Erfahrungen mit dem, was da plötzlich im Klassenzimmer sitzt, kommen in neue Situationen.
    Dann muss man manchmal auch schnell handeln.
    Aber dazu gehört auch,
    - dass man es später reflektiert und Schlüsse daraus zieht,
    - dass man im besten Fall ein tolles Kollegium hat ...
    - und eine SL, die hinter einem steht und einen bestärkt, bestätigt oder sich zumindest hinter einen stellt oder zur Not vor einen, was die Landesschulbehörde viel zu selten tut!,
    - dass man ein Netzwerk hat, bei dem man Beratung bekommt, oder die Möglichkeit zur "kollegialen Beratung" kennt und nutzen kann (sollten wir häufiger tun)


    Schön wäre, wenn man dafür im Alltag mehr Zeit hätte, wenn genau dieser pädagogische Arbeit Zeit und Raum gegeben würde - mit Stunden und Räumen.


    Und es gehört dazu, dass man im Kollegium oder an anderer Stelle mal "abladen" kann, wenn es einem zu viel ist oder man gerade ratlos ist. Wir haben zum Glück ein solches Kollegium. Danke, Kolleginnen und Kollege!

  • Was ist "das alles"?


    Hilflosigkeit wessen gegenüber wem? Klassenlehrer gegenüber Verhaltensstörungen? Praktikanten gegenüber Geflüchteten?

    ...vielleicht auch reaktionärer Phrasendrescher gegenüber erfolgsverkündenden realen Lehrkräften...
    :teufel:


    @Freakoid
    ...ich würde es als sehr angenehm empfinden, wenn du bei Themen, wo du weder etwas informatives noch thematisch passendes beizusteuern hast, einfach mal die Klappe hieltest.
    Und ich wette meine Jeans drauf, dass ich mit dieser Empfindung nicht alleine bin...


    Ansonsten steht in den Beiträgen oben schon sehr viel sehr richtiges.
    Ich habe von der Schulform eher weniger "Flüchtlingskinder", aber auch hier gibt es welche (zugegebenermaßen solche, die schon weiter sind). Habe in den letzten drei Halbjahren zwei Mädchen aus Lateinamerika in DaF unterrichtet, es hat funktioniert und mir sogar Spaß gemacht. Mit einem der "Sprachkurse" die für Flüchtlingskinder hier eingerichtet worden sind hätten die nichts anfangen können, dazu mehr im entsprechhenden Thread... so konnten wir ihnen helfen, und ich bin mir sicher, dass die beiden hier ein vernünftiges Abi machen werden.


    Und bzgl. Traumata - da gibt es nichts, was es nicht gibt. ich hatte vor einiger Zeit eine Schülerin aus Herzegowina, die den Krieg dort quasi "live" mitbekommen hatte. Ja, natürlich gab es da bestimmte Trigger. Sie ist da langsam aber sicher rausgekommen, hat unter anderem in der AG die Meditationsübungen sehr zu schätzen gelernt, und wir haben sie zu einem guten Abitur bekommen. Ob sie komplett traumafrei ist? Keine Ahnung, aber es ging ihr deutlich besser...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • <Mod-Modus >


    Freakoid, zügele dich bitte. Ansonsten darfst du mal ne zeitlang von außen zuschauen.


    Danke.


    Kl.gr.Frosch, Moderator


    Nachtrag: off-Topic - Beiträge von Freakoid wurden entfernt. Weiter im Thema bitte.

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