Beamtentum

  • Was die Funktion des Beamtentums ist, wurde ausführlich erläutert.

    eigentlich nicht



    Über was denn Bescheid wissen?

    die genaue Bedeutung, die Nachteile



    weil sie das Beamtentum ablehnen und deshalb selbst keine sein wollen.

    Genau, das interessiert mich. Klar hab ich gefragt, die Antworten waren aber eher diffus (Abhängigkeit- gefühlt oder real im Vergleich zum ÖD?)




    Dass Soldaten keine Beamten sind, ergibt Sinn, denn sonst könnten sie generell im Rahmen der Amtshilfe im Inneren eingesetzt werden.

    danke, ja das ist einleuchtend.

  • Dass Soldaten keine Beamten sind, ergibt Sinn, denn sonst könnten sie generell im Rahmen der Amtshilfe im Inneren eingesetzt werden. Man könnte also bspw. auf die Idee kommen, dass die Bundeswehr die Polizei in ihrer Arbeit, auch unter Waffeneinsatz unterstützen könne.

    Das eine hat doch gar nix mit dem anderen zu tun. Der Einsatz der Bundeswehr wird, unabhängig davon ob der Status (wie jetzt) Soldat lautet oder Beamter, durch das GG und entsprechende Gesetze geregelt.

  • Letztendlich zeigt das Berufsbeamtentum die Wertschätzung, die Bildung einmal besaß.


    Bei der Gründung der BRD wurde eine für alle frei zugängliche einheitliche Bildung noch für so wichtig erachtet, dass sie den hoheitlichen Aufgaben zugeordnet wurde. Ein Faktor war da vielleicht, dass es erst wenige Jahrzehnte her war, dass Bildung in der Praxis nicht allen zugänglich war und es damals deshalb noch offensichtlicher war, dass sie die Basis für die moderne Wirtschaft und moderne Staatsformen ist.
    Daher schien es eine gute Idee, Lehrer stärker an den Staat zu binden als nur durch Geld, um diese hoheitliche Aufgabe zu sichern. Deshalb wurde die Tradition Beamtentum also Tausch von Loyalität, Treue, Pflichterfüllung gegen Alimentierung wiedereingeführt/weitergeführt.


    In der heutigen individualisierten Ich-Gesellschaft sind Werte wie Loyalität, Treue, Pflicht natürlich für die Mehrheit völlig fremdartige Konzepte dem Staat gegenüber. Alle Werte werden vor dem individuellen persönlichen Nutzen beurteilt. Persönlichen Nutzen kauft man heute am leichtesten mit Geld. Entsprechend ist der Tausch Geld gegen "eine Leistung" für die meisten der Normalzustand.


    Dazu kommt, dass Bildung massiv an Wertschätzung verloren hat. Es gibt niemanden mehr in Deutschland, an dem man die Folgen von mangelndem Zugang zu Bildung erkennen kann. Bildung wird in unserer individualisierten Ich-Gesellschaft als individuelles Merkmal wahrgenommen. Der Bildungsversager ist selber schuld, die Erfolgreichen glauben, alles aus eigener Kraft ohne Hilfe erreicht zu haben oder hätten erreichen zu können (Stichwort: Vom Baby als Autodidakt zum Arzt ohne Schule/Uni). Entsprechend schwindet der Gesellschaftliche Konsenz, dass Bildung eine hoheitliche Aufgabe ist. Das sieht man auch an der Übertragung neoliberaler Konzepte auf den Bildungsbereich und der Zunahme an Privatschulen.


    Letztendlich bleiben dadurch in der Realität leider nur drei Aspekte, die das Beamtentum aufrechterhalten:

    • Trägheit der Gesellschaft/Politik Änderungen vorzunehmen
    • Vorteil des Streikverbot für den Staat
    • Vorteil für die Politik die Pensionsrückstellungen für andere Dinge zu mißbrauchen, da die Folgen erst weit nach der eigenen Amtszeit sichtbar werden.


    Ob man Bildung heute noch als hoheitliche Aufgabe betrachten will oder nicht und ob man Lehrer durch ein Beamtenverhältnis an den Staat binden muß, ist wie bei allen hoheitlichen Aufgaben eine Frage des gesellschaftlichen Konsenz.

    3 Mal editiert, zuletzt von kodi () aus folgendem Grund: Edit: Rechtschreibfehler

  • Ich sag Dir warum ich froh bin nicht verbeamtet zu sein: Ich kann mir meinen Arbeitgeber selbst aussuchen genauso wie sich mein Arbeitgeber seine Mitarbeiter selbst aussuchen kann. Ich kann jederzeit mit 3 Monaten Frist kündigen, wenn's mir nicht mehr passt. Ich müsste nicht mal das laufende Schuljahr zu Ende machen.


    Wir dürften streiken aber dafür bräuchten wir eine Entschlussbeteiligung von 80 % aller Gewerkschaftsmitglieder und von allen die abgestimmt haben, müssten wiederum 80 % für den Streik sein. Zuletzt sind wir am Quorum gescheitert also wurde nicht gestreikt.


    Das Staatspersonal hat bei uns an einigen Stellen gesetzlichen Sonderstatus, warum wir aber faktisch unkündbare Beamte sein müssten, das sehe ich absolut nicht. Wir sind übrigens das einzige Land im OECD-Bildungsraum, in dem das staatliche Schulwesen dem privaten deutlich überlegen ist. Auch dafür braucht es kein Beamtentum.

  • Hoheitliche Aufgaben nehmen wir Lehrkräfte in dem Moment wahr, in dem wir Prüfungen abnehmen.
    Zusatz: Verwaltungsakte sind hoheitliche Aufgaben.


    Und hier liegt die Krux bei einem Streik - natürlich ist es unangenehm, wenn die Kinder nicht mehr in der Schule betreut werden.
    Noch unangenhmer wird es aber, wenn die Prüfungen und Abschlüsse ausfallen.
    An meiner beruflichen Schule sind 20 Schularten vertreten. Pro Halbjahr legen bei uns etwa 700 junge Menschen ihre Abschlussprüfungen der Berufsschulen ab, danach gibt es ein Schulzeugnis und den Gesellenbrief, den die Kammern auf Basis der schulischen Prüfungen plus einer mündlichen Kammerprüfung erstellen.
    Bei einem Streik gäbe es keine Gesellenbriefe in dem Halbjahr, keine Abturzeugnisse, keine Meisterbriefe, kein Fachabi. Alle müssten noch mal ein Jahr Schule dranhängen... Wie? In welchen Klassen? Mit welchen Ressourcen?


    Das wäre eine erhebliche Störung der Abläufe und streiktechnisch gar nicht schwer, da die Prüfungen alle zeitlich eng getaktet abgenommen werden.

  • Ja klar, wozu soll man denn sonst streiken, wenn man nicht empfindlich stören will? Unsere Maturanden hätten die Möglichkeit die Eidgenössische Matura abzulegen. Die Abschlussprüfungen an den Berufsschulen können ja die Ausbilder in den Betrieben selbst abnehmen und ihre Azubis dann ganz normal anstellen.

  • natürlich ist es unangenehm, wenn die Kinder nicht mehr in der Schule betreut werden.
    Noch unangenhmer wird es aber, wenn die Prüfungen und Abschlüsse ausfallen.

    Naja, wenn mein Arbeitgeber nicht mehr produzieren kann, weil ich das Fließband bestreike, setze ich ihn direkt unter Druck.


    Wenn ich keine Prüfungen abnehme, hat ein ganzer Jahrgang ein Jahr verbockt und kann nicht weiter im Lebenslauf, während die, die mich bezahlen oder Arbeitsbedingungen schaffen ganz andere Leute sind. Wäre schon ganz schön assi und deswegen macht das auch niemand.

  • Wer hat überhaupt geschrieben, dass zwingend während einer Phase mit Abschlussprüfungen gestreikt werden muss? Bei der Gewerkschaft hocken schon noch ganz normale Leute, die selber Kinder haben.

  • Naja, wenn mein Arbeitgeber nicht mehr produzieren kann, weil ich das Fließband bestreike, setze ich ihn direkt unter Druck.


    Wenn ich keine Prüfungen abnehme, hat ein ganzer Jahrgang ein Jahr verbockt und kann nicht weiter im Lebenslauf, während die, die mich bezahlen oder Arbeitsbedingungen schaffen ganz andere Leute sind. Wäre schon ganz schön assi und deswegen macht das auch niemand.

    Der Vergleich greift zu kurz. Es ist ja nun nicht so, dass Streiks in der freien Wirtschaft immer nur den Arbeitgeber treffen, während ein Lehrerstreik ganz alleine die unschuldigen Schüler benachteiligen würde.


    Wenn ich als Lufthansapilot streike, dann verweigere ich Kunden den Urlaub, auf den sie möglicherweise ein oder mehrere Jahre hingespart haben, obwohl die, die mich bezahlen oder meine Arbeitsbedingungen schaffen, ganz andere Leute sind.
    Wenn ich als Müllabfuhr streike, dann versinken alle möglichen Bewohner im Müll, obwohl die, die mich bezahlen oder meine Arbeitsbedingungen schaffen, ganz andere Leute sind.
    Wenn ich als Mitarbeiter bei Amazon streike, dann warten alle Kunden auf ihre Bestellungen, obwohl die, die mich bezahlen oder meine Arbeitsbedingungen schaffen, ganz andere Leute sind.


    etc. etc. etc.



    Beim Streik werden fast immer "Unschuldige" geschädigt, die den wirklichen Entscheidungsträgern aber aus verschiedensten Gründen (wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich) so wichtig sind, dass der Druck an die Entscheidungsträger weitergegeben wird. Nicht anders wäre es bei einem Lehrerstreik. Und ja, Prüfungen zu bestreiken wäre sicherlich eine Option, aber ich nehme an, dass das eher eine Eskalationsstufe wäre.

  • Es ging hier darum, warum Lehrer noch immer mehrheitlich Beamte sind und um eine Begründung, warum das auch besser ist.


    Ob man einem ganzen Jahrgang an jungen Leuten die Zukunft verweigert ist eine theoretische Frage. Es ist möglich, wenn alle Lehrer nicht mehr verbeamtet wären.
    Hinzu kommt natürlich noch die Attraktivität des Berufsbeamtentums - Bundesländer, die nicht mehr verbeamtet haben/verbeamten, bekommen/bekamen kaum noch Lehrerinnen und Lehrer.
    Wenn man das umstellen wollte, müsste das eine bundesweite Entscheidung sein (problematisch: es geht ja um Landesbeamte, die Länder müssten sich also einigen).


    Und dann - dann wird es teuer für den Staat. Beamte sind derzeit nämlich billiger im Unterhalt als Angestellte. Der Staat/die Länder müssten jeden Monat den AG-Anteil an den Sozialverischerungen berappen. Bisher zahlt der Staat keine RV und nur im Krankheitsfall (daher auch die gesundheitliche Überprüfung, Beamte sind zumindest in den ersten Arbeitsjahren deutlich gesünder als der Rest der AN, weil sie danach ausgesucht werden.)


    Hinzukäme eine deutliche Steigerung des Bruttolohns der Beamten, um beim Netto zumindest auf das Gleiche zu kommen - was man tun müsste (gesetzlich). Das wird teuer.


    Teuer würde es auch, eine betriebliche Altersvorsorge zu unterstützen (Pflicht).


    Hinzu käme noch die Forderung nach weniger Arbeitszeit - in Bawü wie in den meisten Bulä haben die Beamten eine höhere wöchentliche Arbeitszeit als die Angestellten. 2 Stunden pro Woche tun da richtig weh. Das betrifft zwar nicht die Lehrer in dne schulen, aber die in der Verwaltung. Und das sind nicht wenige.


    hinzu kämen auch trafliche Forderungen für Mehrarbeit, Fahreten etc - für Angestellte sind die Kosten deutlich höher als für Beamte.


    Summa summarum: trotz noch hoher Pensionen sind Beamte billiger für den Staat.


    Dass sich im Gegensatz zur gestzlichen RV eine Ungleichb4ehandlung ergibt, ist richtig und unschön. Diese ergibt sich aber nicht aus dem Berufsbeamtentum an sich, sondern daraus, dass der Rentensatz von ursprünglich auch über 70% (identisch wie bei den Beamten) auf gerade mal 43% im Jahr 2030 absinkt. Die AN haben sich das von den verschiedenen Regierungen servieren lassen, ohne aktiv zu werden.

  • Wenn ich als Müllabfuhr streike, dann versinken alle möglichen Bewohner im Müll

    Das hatten wir doch vor etlichen Jahren mal zumindest in Baden-Württemberg. Ich mag mich erinnern, dass das ausgesprochen unangenehm war. Ein Lehrerstreik während einer nicht-Prüfungs-Phase würde bei weitem nicht alle Teile der Bevölkerung derart hart treffen. Kinder ab 12 - 13 Jahren können sich problemlos alleine zu Hause vergnügen. Ätzend wäre es für alle Eltern mit jüngeren Kindern, die in der Zeit nirgendwo mehr geparkt werden könnten.



    Ob man einem ganzen Jahrgang an jungen Leuten die Zukunft verweigert ist eine theoretische Frage.

    Sie ist ausgesprochen theoretisch, denn wie ich bereit schrieb haben diejenigen, die über das Wann und Wie eines Streiks entscheiden oft selbst Kinder und wären gleichermassen Betroffene wie Streikende.

  • Ob man einem ganzen Jahrgang an jungen Leuten die Zukunft verweigert [...]

    Ich halte das für dramatisiert. Wenn die Abschlussprüfungen nicht im normalen Rahmen stattfinden könnten, würde man eine Lösung finden.
    Und selbst wenn es darauf hinauslaufen würde, dass ein ganzer Jahrgang in einem Jahr keinen Abschluss machen könnte, was ich für sehr unwahrscheinlich halte, dann hätte man ihnen nicht gleich "die Zukunft verweigert". Sie hätten halt ein Jahr verloren. Der eigentliche Schaden wäre dabei kaum für die Kids, sondern vielmehr volkswirtschaftlich.

  • Es ging hier darum, warum Lehrer noch immer mehrheitlich Beamte sind und um eine Begründung, warum das auch besser ist.

    Also nach dem ich mir mal den Wiki-Eintrag übers Beamtentum in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgelesen habe, scheint es mir hier gar nicht um ein "besser" und auch nicht um wirkliche Vorteile für den Beamten an sich zu gehen. Schlussendlich handelt es sich um ein Relikt alter Hierachiesysteme die es in der Schweiz z. B. so nie gab. Hier sind ja nicht mal Politiker Beamte.

  • Ich rechne noch in meiner Dienstzeit, die aktuell noch 22 Jahre beträhgt, mit einer Erhöhung des Pensionierungsalters auf 70 Jahre sowie mit einer Absenkung des Pensionslevels von aktuell knapp über 70% auf maximal 60% sowie zusätzlicher Abzüge für alle, die früher gehen wollen oder müssen, so dass die effektive Pension dann annähernd dem gegenwärtigen Rentenniveau gleichen wird.

    60% der letzten Bezüge sind aber immer noch erheblich mehr als 44% von den durchschnittlichen Gehältern des gesamten Berufslebens.


    Grüße vom Angestellten!

  • 60% der letzten Bezüge sind aber immer noch erheblich mehr als 44% von den durchschnittlichen Gehältern des gesamten Berufslebens.

    Wo hast denn dieses Märchen her? Die Pension bezieht sich nicht auf die "letzten Bezüge", sondern auch auf den "Durchschnitt des gesamten Berufslebens". Wer sein ganzes Leben lang Teilzeit arbeitet, bekommt auch praktisch eine Teilzeit-Pension, auch wenn er die letzten paar Jahre voll arbeitet. Vorteilhaft ist aber, dass sich die Pension am letzten, ausgeübten Amt bemisst, das folgt aus dem Alimentationsprinzip.


    Und was viele Angestellte im öffentlichen Dienst gerne unterschlagen, ist die "Zusatzversorgung", die praktisch eine Betriebsrente darstellt, und den Abstand zu den Beamten deutlich verringert. Wer fordert, dass Beamte genauso behandelt werden sollen wie alle anderen Angestellten bei der Rente, der muss konsequenterweise auch diese "Zusatzversorgung" für die Angstellten im öffentlichen Dienst abschaffen.


    "Gerecht" ist, wenn alle gleich wenig haben... oder so ähnlich. Das heißt dann "Einkommensgerechtigkeit". Demnächst in dieser Republik zu bewundern...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    3 Mal editiert, zuletzt von Mikael ()

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