Dringende Frage über Unterricht während Praktikum

  • Hey,


    ich habe seit gestern ein dummes Problem und hoffe, dass ich hier eventuell ein paar Ratschläge von Lehrern bekommen kann.
    Ich bin 18 Jahre alt und mache momentan mein erstes Praktikum an einer Schule (bin Studentin). Bis jetzt macht mir alles wahnsinnig viel Spaß und alles verläuft soweit gut. Gestern musste der Lehrer die Klasse kurz verlassen und ich habe spontan den Unterricht übernommen. Wir haben das Thema Vergewaltigung und Moral besprochen. Jetzt ist es so, dass ich momentan eine Traumatherapie mache, weil ich selber sexuell missbraucht wurde. Mir ist währenddessen so derMaßen schlecht geworden und ich hätte am liebsten geweint. Meine Stimme hat auch leicht gezittert aber ich habe natürlich alles weiter durchgezogen, bis der Lehrer wieder in der Klasse war. Es war wirklich schwer. Wir werden uns noch 5 Stunden mit dem Thema befassen und ich werde sicherlich nochmal Unterricht halten müssen. Könnt ihr mir Tipps geben, wie ich mich da vielleicht noch stärker präsentieren kann?
    Es ist mein erstes Praktikum und da soll alles gut klappen.
    Aufgrund meines Alters ist es mir nochmal besonders wichtig, möglichst professionell und selbstsicher auftreten zu können. Ich will nicht, dass "mein" Lehrer oder Kollege denkt, ich sei nicht geeignet für diesen Beruf.
    Ich bin für jeden Ratschlag dankbar.
    Liebe Grüße

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • Erstmal danke für deine Antwort.
    Ich weiß es nicht. Geplant war, dass ich ihn weiterhin begleite. Ich bin leider zu unerfahren, um einschätzen zu können, wie viel Verständnis mir da entgegengebracht wird. Bei so einem Praktikum habe ich ja auch gewisse Pflichten und so einen Wechsel müsste ich natürlich auch begründen können. Welchen Grund sollte ich da nennen?

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • Das ist nur ein Praktikum, nicht das Ref. Auch wenn es Mut kostet: Wenn es dir möglich ist, zieh den Kollegen den du begleitest ins Vertrauen, leg offen, dass das Thema dich persönlich betrifft und du deshalb aktuell noch in Behandlung bist, damit ihm bewusst ist, dass das vielleicht zumindest momentan nicht das passende Thema ist bei dem er dich alleine in der Klasse lassen kann. In jedem Fall: Besprich die Situation in der Traumatherapie, klär Trigger und einen möglichen Umgang im schulischen Rahmen gut ab und auch, ob das wirklich ein Thema ist, dass du aktuell leisten kannst oder es für dich selbst, wie auch den Lernprozess der SuS möglicherweise besser wäre eine andere Klasse zu begleiten. Weder dir selbst noch den Schülern ist am Ende damit geholfen, wenn du vor lauter eigener Betroffenheit nicht mehr als (angehende) Lehrkraft vorne stehst, sondern nur noch als Betroffene die selbst hilfsbedürftig wird, weil das Thema so viel auslöst, antriggert, hochholt. Eigene Grenzen zu beachten und zu respektieren ist etwas ganz zentrales als Gewaltopfer und unerlässlich, um auch unter diesen Voraussetzungen dem Beruf gerecht werden zu können.
    Fairerweise muss man sagen, dass ein Trauma durchaus Fragen der Berufseignung aufwirft, da sichergestellt sein muss, dass der schulische Kontext kein so starkes Triggermoment darstellt, dass du Flash Backs etc.bekommst und die Veranwortug für deine SuS zuverlässig tragen kannst. Dafür machst du jetzt aber die Traumatherapie und hast dir hoffentlich weitere Unterstützung gesichert, sei es in Form eines OEG-Antrags oder auch durch Beantragung eines GdBs etc.. Wenn du zu den letzten Aspekten Fragen haben solltest melde dich gerne per PN bei mir.


    Ich bin selbst Gewaltopfer und im Schuldienst, das schließt sich also keinesfalls per se aus, ist aber mit einiger zusätzlicher seelischer Arbeit verbunden und erfordert eine gewisse Grundstabilität als Ausgangsbasis. Was ich gerade zu Beginn des Refs gemacht habe um mich selbst zu unterstützen ist eine Übung aus der Traumatherapie, die sich "sicherer Ort" nennt. Vielleicht kennst du die Übung ja. Diese Übung habe ich immer auf dem Weg zur Schule gemacht, um ganz bewusst mein inneres Kind und meine verletzten Anteile an diesen sicheren Ort zu bringen und ebenso bewusst als Erwachsene die ich bin in meinen Beruf zu gehen, statt verletzte Anteile vorzulassen oder gar vorzuschicken, die dem nicht gewachsen sind. Wenn ich mit meinen SuS Themen bearbeite die potentiell an meine trauamtischen Erfahrungen rühren könnten, dann mache ich diese Übung ebenfalls noch einmal bewusst, um eben in der richtigen Rolle und Haltung in die Klasse zu gehen und nicht meine Gefühle und Erfahrungen zu vermengen mit dem, was meine SuS lernen sollen und dürfen. Zusätzlich habe ich gute Erfahrung gemacht mit bewusster Ressourcenarbeit (Was stärkt mich?) gerade in besonders belasteten Zeiten und dem Zugeständnis, dass ich eben auch mehr Pausen benötige, um die Erfahrungen des Schultags gesund verarbeiten zu können. Letzteres fällt mir sehr schwer, weil ich nicht als krank wahrgenommen werden möchte. Da ich meine gesundheitlichen Probleme aber nunmal nicht negieren kann, ist es der einzige gesunde Weg, um meinen Beruf wahrnehmen zu können.
    Sprich mit deiner Therapeutin/deinem Therapeuten über das Thema, mach die Übungen die du in der Therapie lernst konsequent im Alltag und ganz bewusst auch ehe du in die Schule gehst, hör auf deine Grenzen (so schwer das auch sein mag) und zieh wenn möglich den Kollegen ins Vertrauen. Wenn er weiß, warum das Thema dich besonders berührt (dass es dich besonders berührt wird er sowieso schnell wahrnehmen) kann er dein Verhalten einordnen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ja, aber dann müsste ich ihm die Wahrheit sagen und das ist mir peinlich.
    Würde er denn dafür überhaupt Verständnis haben?

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • "Peinlich" sollte es höchstens dem sein, der dir das angetan hat.
    Ist sicher einer der schwersten Schritte, das endlich so zu sehen.
    Trau dich.
    Ist vielleicht der wichtigste Schritt, den du sowieso irgendwann gehen musst.
    Ansonsten - siehe den Beitrag von CDL.
    ...würde es dir leichter Fallen, wenn es eine KollegIN wäre?
    Wenn ja - projizierst du...?


    Wenn du lieber PN schreiben magst, nur zu.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ja, aber dann müsste ich ihm die Wahrheit sagen und das ist mir peinlich.
    Würde er denn dafür überhaupt Verständnis haben?

    Die Wahrheit muss dir an dieser Stelle nicht peinlich sein, auch wenn ich das Gefühl kenne und verstehe. Du hast nichts falsch gemacht, du sorgst für dich durch die Therapie, aber auch indem du dir deiner Grenze bei diesem Thema bewusst bist wie auch der Verantwortung den SuS gegenüber und nimmst beides wahr, indem du mit dem Kollegen darüber sprichst. Das kostet dich großen Mut verständlicherweise, was ihm auch klar sein sollte.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ja, mein Post ist ernst gemeint. Was genau findest du daran unwahrscheinlich? Das Thema?
    Ist aus dem Philosophieunterricht in der Mittelstufe

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • Die Tatsache, dass er ein Mann ist, stört mich nicht.
    Ich plane jetzt, ihn morgen früh um ein kurzes persönliches Gespräch zu bitten und ihm zu sagen, dass ich den Unterricht bei diesem Thema aus persönlichen Gründen nicht gerne halten möchte, ich dafür aber andere Unterrichtseinheiten übernehmen kann.
    Ich hoffe, dass er das richtig versteht.
    Aber da muss ich dann halt durch.

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • Wenn ja - projizierst du...?


    Wenn du lieber PN schreiben magst, nur zu.

    und ja, leider projiziere ich noch manchmal, aber daran arbeite ich auch schon länger in der Therapie. Ich persönlich halte mich auch für stabil genug, für den Lehrberuf. Ich habe nur Bedenken, dass die Kollegen das nach so einer Geschichte vielleicht anzweifeln.

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • Ja, mein Post ist ernst gemeint. Was genau findest du daran unwahrscheinlich? Das Thema?

    In meinem Bundesland dürfen Studenten im Praktikum nicht alleine mit Klassen bleiben (Frage der Aufsichtspflicht). Das ist einfach komisch an der Geschichte.


    Ansonsten glaube ich dir und kann mich den Vorschreibern nur anschließen bzgl. Offenheit.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • In NRW ist das eigentlich auch nicht erlaubt. Er war auch nur für ungefähr 10 Minuten weg, weil er Arbeitsmaterial kopieren musste.

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • In NRW gibt es so viele verschiedene Praktika, dass da ein ständiges Kommen und Gehen ist.
    Soll heißen: Für den Lehrer hat es keine große Bedeutung, ob du anwesend bist oder den Utnerricht machst.
    Das wird er sehr schnell abhaken, ohne dass du ins Detail gehen musst.

  • Ja, das stimmt.
    Aber ich muss ja mit dem Lehrer sprechen, ich kann ja nicht einfach so nicht mehr auftauchen.
    Aber ich werde ihn morgen um ein Gespräch bitten und hoffen, dass er das nachvollziehen kann.

    Sei der Mensch, den du selbst gerne treffen würdest. :engel:

  • Ja, mein Post ist ernst gemeint. Was genau findest du daran unwahrscheinlich? Das Thema?
    Ist aus dem Philosophieunterricht in der Mittelstufe

    Dass dich ein Kollege spontan seinen Unterricht übernehmen lässt und dann auch noch in Ethik. Wenn du 18 bist, könntest du außerdem hlchstens im ersten Semester sein, welcher Art ist denn das Praktikum?

  • okay, krass, dann hast du mit 17 das Studium begonnen und machst das Praktikum in den Semesterferien? Ich frag nur, wegen der Orga bei euch und welche rechtliche Regelung sich für dich daraus ergibt.

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