Precht Wissen vs. Bildung

  • Gerald Hüther ist Neurobiologe, also so ganz unbeleckt, was Verhalten und Lernen angeht auch wieder nicht ;)


    @Philio, wie kommt ihr denn jetzt auf basteln? Bitte mal an einer Montessorischule hospitieren und gucken, was es mit dem selbstorganisierten Lernen auf sich hat. Waldorf ist übrigens wieder was ganz anderes...


    Ich sag's mal so, unsere freien Schulen sind alle völlig ausgebucht. Es gibt 3-stellige Wartelisten für die neuen Schulanfänger*innen, mit Geschwister- und Mitarbeiterkindern ist das Haus i.d.R. voll.


    Wollsocken hat in der Schweiz ja ein recht cooles Konzept, sie hat diese (ihre?) Schule auch mal verlinkt. Nordeuropa ist ebenfalls bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Dinge auszuprobieren. Deutschland ist einfach weitestgehend hängengeblieben in seiner Pädagogik.


    ...daran ändert auch die Tasache nichts, dass jetzt nach und nach überall interaktive Tafeln für 7000 € das Stück aufgehängt werden samt nicht dazu kompatiblen iPads im halben Klassensatz :flieh:

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  • Basteln = nach meinem Verständnis praktische Beschäftigung mit einem Thema, bei der die Hände benutzt werden um im weiteren Sinne etwas herzustellen. Ich hatte @Wollsocken80 so verstanden, dass sie das in Schülerprojekten macht bzw. machen lässt und einige ihre Schüler basteln eben nicht mögen. Daraufhin hatte ich festgestellt, dass ich auch in letztere Kategorie gehören würde - eben zu einer Gruppe von Schülern, die man mit einem solchen Angebot nicht „abholen“ könnte. Weiterer Tiefsinn war damit nicht beabsichtigt.

  • Ach... Wird hier mal unser guter Roger von Wartburg zitiert. Seine Beiträge in der LVB Zeitung sind eigentlich immer sehr treffend und unterhaltsam. :)


    @Krabappel Selbstorganisiertes Lernen gehört bei uns zum Schulkonzept. Das ist auch nicht der Motivations-Heilsbringer und Precht bleibt trotzdem ein Klugscheisser.

  • Gerald Hüther ist Neurobiologe, also so ganz unbeleckt, was Verhalten und Lernen angeht auch wieder nicht ;)

    Nunja, in erster Linie betreffen seine wissenschaftliche Interessen den Hirnstoffwechsel...


    Nach der Lektüre von Buntfliegers Link:

    Zitat von Zeit Bildung

    Einmal sorgte er für Aufsehen mit seiner Forschung oder besser: mit seiner eigenwilligen Deutung derselben. Nach einem Rattenversuch legte er im Jahr 2001 nahe, dass Kinder, die das ADHS-Medikament Ritalin bekommen, ein höheres Risiko für eine spätere Parkinsonkrankheit trügen. Forscherkollegen im Projekt bezeichneten diese Interpretation empört als "Mischung von blumiger Rhetorik und mageren Spekulationen". Bald danach versiegte Hüthers Publikationstätigkeit in seriösen Fachzeitschriften. Heute bezieht Gerald Hüther zwar das Gehalt eines wissenschaftlichen Mitarbeiters. Wissenschaftlich tätig im herkömmlichen Sinn ist er aber seit Langem nicht mehr. Sein ehemaliger Chef Peter Falkai, bis 2012 Direktor der Psychiatrie in Göttingen, ließ ihn gewähren und "sich seinem literarischen Werk widmen", wie er sagt. Bei Festangestellten an der Universität habe man als Vorgesetzter kaum Disziplinierungsmöglichkeiten.

    Oha. Das finde ich bemerkenswert! :O

  • @goeba, okay, interessant, Infos zu Hüthers Arbeitsleben kannte ich nicht.


    Ich zitiere jetzt mal 3 Abschnitte:


    "Sie erklären unsere Schulen für irreparabel krank und beleidigen damit unzählige Lehrer, die sich anstrengen, den Schulalltag zu verbessern."
    -> darum geht's? Dass Lehrer sich angegriffen fühlen, weil sie vermeintlich verantwortlich gemacht werden?


    "Aber das hindert nicht einmal die vielen Lehrer unter den Zuschauern am Applaus. Die Sehnsucht, endlich von den Mühen des Alltags zwischen erster Stunde und abendlicher Klassenarbeitskorrektur befreit zu werden, scheint groß zu sein."
    -> oder geht's darum? Ganz schön frech, zu behaupten, Kollegen mit Interesse an Veränderung seien bloß zu faul, den Fachunterricht in vielen, großen Klassen im Klingeltakt zu ertragen. Korrekturtätigkeit wird natürlich nicht weniger in reformpädagogischen Schulen.



    "Keine dieser pädagogischen Ideen ist neu. Auch verwundert es nicht, dass sie anscheinend an einer Privatschule gelingen, in der Akademikereltern nicht nur Geld zahlen, sondern auch noch die Lehrer im Alltag unterstützen." ->
    richtig, uralt sogar. Und wieder: an Privatschulen gelingt eben durchaus, was in unterbezahlten großen Schulen nicht gelingen kann.


    Also weder sind die Ideen doof, weil sie schonmal (von Reformpädagogen) gedacht wurden, noch sind sie doof, weil sie an unseren Schulen so nicht umsetzbar sind. Auch sind sie nicht doof, weil sich Lehrer und Eltern davon Verbesserungen erhoffen.


    Der Artikel sagt aus: 1. Hüther forscht nicht mehr. Und er sagt 2. aus: lasst bloß alles beim Alten, gute Pädagogik ist was für die Elite. Und ansonsten weiß der Journalist sowieso alles am besten, wenn's um Schule geht, besser noch als Precht und Hüther zusammen.

  • Der Artikel sagt aus: 1. Hüther forscht nicht mehr. Und er sagt 2. aus: lasst bloß alles beim Alten, gute Pädagogik ist was für die Elite. Und ansonsten weiß der Journalist sowieso alles am besten, wenn's um Schule geht, besser noch als Precht und Hüther zusammen.

    Hallo Krabappel,


    um Hüther war es nach einem mehrjährigen regelrechten Hype einige Zeit lang sehr still geworden und das hatte einen guten Grund: https://www.spiegel.de/panoram…nn-stiftung-a-890741.html


    Inzwischen hat er sich offensichtlich ins Rampenlicht zurück bugsiert und verbreitet auch wieder regelmäßig in renommierten Shows seine esoterischen Weisheiten. Mit Wissenschaft hat das schon lange nichts mehr zu tun. Und seine völlig verqueren Interpretationen zu ADHS (Stichwort: "Ratten-Experiment") wurden ja schon weiter oben erwähnt.


    Precht empfinde ich verglichen mit Hüther noch als relativ harmlos, aber Schwätzer vor dem Herrn sind beide.


    der Buntflieger

  • ...daran ändert auch die Tasache nichts, dass jetzt nach und nach überall interaktive Tafeln für 7000 € das Stück aufgehängt werden samt nicht dazu kompatiblen iPads im halben Klassensatz

    Ich hatte es kürzlich beim vieljährigen Abiturtreffen mit einer Schulfreundin über das Thema "Sprachlabor". Ein solches gab es bei uns am Gymnasium. Wir haben da immer Klausuren geschrieben, weil der Raum so groß und übersichtlich war. Die Geräte darin? Haben wir (Gymnasium 84 bis 93) nie benutzt. Vor uns wohl auch niemand, so wie die Dinger aussahen. Und ich bin mir sicher: So wie es heute ungefähr zwei Firmen gibt, die landauf, landab für teuer Geld die Schulen mit dem Digidingsbumskrams ausstatten, gab es damals ungefähr zwei Firmen, die die Schulen landauf, landab mit dem Wundermittel "Sprachlabor" ausgestattet haben. Mit einem Unterschied: Der Digidingsbumskrams wird wahrscheinlich noch öfter benutzt, weil es keine Kreidetafeln mehr gibt. Und die Sprachlabore waren wohl im Vergleich noch teurer.

    Ist leider kostenpflichtig. Steht aber wohl drin, was leider in gewöhnlich gut informierte Kreise teilweise noch nicht vorgedrungen ist, nämlich, dass dieser Hüther ein ganz windiger Zeitgenosse und - pointiert ausgedrückt - eher ein Scharlatan als ein seriöser Wissenschaftler ist, der Leuten nach dem Mund redet, die das ganze Digidingsbumszeugs ganz böse und kinderverderbend finden.


    - Hm, darf man "Scharlatan" sagen? Falls nicht (und nur dann!), nehme ich das zurück und ersetze "Scharlatan" durch nicht strafbewehrte Meinungsäußerungen wie "geisteskrank" oder "Stück Scheixxe".

  • Zunächst einmal gibt der Artikel ziemlich gute Hinweise, warum man Hüther bei weitem nicht so ernst nehmen darf, wie er es selbst gerne hätte.

    Ja. Und? Wen interessiert Hüther? Oh man, ich geb's auf. Wenn ihr zufrieden seid, mit dem was wir haben, ist doch schön.


    Edit: bitte dann aber auch konsequenterweise keine Klagen mehr im Forum über Lautstärke, Disziplinkonflikte, Langeweile im Job, Desinteresse der Mittelgroßen, Kurzzeitgedächtnis der Kids, Bulimielernen, große Klassen, Elternkonflikte, Brennpunktschulen, Inklusion, Gesamtschulen, Vertretungsstunden... wer keine Veränderung mag und wagt, sollte auch freudig annehmen, was da ist :geschenk:

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  • Ich lasse mir weder von Neurobiologen noch von Philosophen erklären, wie Unterricht zu funktionieren hat. Ich stehe jeden Tag vor der Klasse und sitze nicht in irgendwelchen Talkshows herum oder schreibe Bücher im Elfenbeinturm. Wer mir etwas darüber erzählen will, wie "gute Schule" zu funktionieren hat, der soll erst einmal ein paar Jahre "an der schulischen Front" durchhalten, und zwar ohne dauerkrank zur werden oder einen Burn-Out zu bekommen. Wer das schafft, dem höre ich dann auch zu.


    Gruß !

  • ... "an der schulischen Front" durchhalten, und zwar ohne dauerkrank zur werden oder einen Burn-Out zu bekommen. Wer das schafft, dem höre ich dann auch zu.

    bitte, hier sitzt eine. Und ich halte Burnout und Dauerkrankheit für eine Folge des Systems. Vielleicht sollten die Bühnenwirksamen mal darauf eingehen, nicht nur auf die Interessen der Kinder. Aber mit Elterngeld lassen sich halt mehr Bücher verkaufen.

  • Das Problem ist, dass die meisten der so hoch gelobten "Reformen" noch mehr Dauerkranke und Burn-Out-Kandidaten produzieren. Sieht man doch sehr schön an der Inklusion. Ich vermute, Precht und Co. würden keinen Monat an einer durchschnittlichen Schule durchhalten...


    Ich selber könnte mich aber problemlos einen Monat lang durch Talkshows quasseln, behaupte ich einmal...


    Gruß !

  • Also mal ehrlich...
    ich hab auch keinen Burnout.


    Aber... all das Gelaber bringt nix, wenn so gewisse Parteien nicht bereit sind, endlich mal Geld nicht nur in die Hand zu nehmen, sondern auch sinnvoll im Bildungssektor zu investieren.


    Ohne das ist jede weitere Diskussion ziemlicher Käse, weil die tollste Idee hilft nix, wenn keiner die Musik bezahlt.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ich vermute, Precht und Co. würden keinen Monat an einer durchschnittlichen Schule durchhalten...

    Über Co. kann ich nichts sagen, aber Precht hat ja wenigstens die Haare schön. Heutzutage mehr wert als vieles andere!

  • Ich selber könnte mich aber problemlos einen Monat lang durch Talkshows quasseln, behaupte ich einmal...

    Das wäre vielleicht DIE Alternative! Gib ein Buch raus und rede. Allerdings- sitzt deine Frisur?

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