Kann der Arbeitgeber mich zur Heirat zwingen?

  • Dass die Kirche will dass man kirchlich heiratet, wenn man heiratet, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber doch nicht, dass man erstmal nicht heiratet. Ist die Kirche heute tatsächlich noch so sehr gegen "wilde Ehe"?

  • Ist die Kirche heute tatsächlich noch so sehr gegen "wilde Ehe"?

    Scheinbar schon. Vor allen Dingen die stark evangelikal ausgerichteten Freikirchen sind da oft päpstlicher als der Papst.
    Der springende Punkt ist es ja, dass die Frau meinte, einige Mitglieder der Schule würden es inakzeptabel finden, dass ich mit meinem Freund zusammenlebe und wir unverheiratet sind.
    Welcome back to the 1960s!

  • Die Frage war rhetorisch, es steht weder in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UN) aufgrund des Widerstands vieler muslimischer Staaten, noch im Grundgesetz (in Artikel 3 Absatz 3 wo es explizit hingehört). Artikel 1 bezieht sich auf Gleichheit vor dem Gesetz, nicht auf Gleichheit vor dem Arbeitgeber. Es steht allerdings in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, nur hatte er halt Menschenrechte und Grundgesetz genannt und da steht es eben genau nicht.


    @SchmidtsKatze: Mal ganz ehrlich. Wenn dich das so sehr stört, möchtest du an dieser Schule weiterhin arbeiten? Sie können dir rechtlich nichts, den Punkt hatte ich schon ausgeführt. Du könntest bei Beförderungen übergangen werden (falls du das anstrebst) und wenn die Schulleitung nicht völlig bescheuert ist, kriegt sie das auch juristisch sauber begründet., aber du wirst deswegen definitiv nicht entlassen.


    @Anja82: Hängt stark vom individuellen Bistum, bzw. der Landeskirche ab. Manche sind sehr frei (insbesondere in der Auslegung eigentlich recht klarer päpstlicher Lehrmeinung auf katholischer Seite), andere sehr restriktiv.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • An einer Schule in meiner Umgebung ist das auch so.
    Hintergrund sind evangelikale Christen, die sich klar positionieren, die dies auch von ihren Mitmenschen fordern,
    die bis zu einem bestimmten Punkt freundlich und offen sind,
    aber auch sehr klare Grenzen ziehen, wenn man sich nicht voll und ganz zu ihren Ansichten und ihrer Lebensweise bekennt.


    Sind diese Schulen auf Schüler angewiesen, mag die Toleranz größer sein,
    sind sie auf Lehrkräfte angewiesen womöglich auch,
    aber es kann auch anders laufen.


    Zurzeit werden überall Lehrkräfte gesucht,
    da muss man sich nicht auf ein derartiges Arbeitsverhältnis einlassen, wenn man das nicht möchte.


    Ich weiß, dass es hier in den Einstellungsgesprächen deutlich zum Ausdruck gebracht wird.
    Die Schule ist herausragend ausgestattet.
    Sie kann sich auch ihre Schüler aussuchen.
    Und dennoch ist das nicht für jeden das Paradies.

  • Wenn dich das so sehr stört, möchtest du an dieser Schule weiterhin arbeiten?

    Wie ich bereits schrieb, hat mich diese Situation, die ich heute erlebt habe, ganz stark ins Grübeln gebracht.


    Ich arbeite unwahrscheinlich gerne an der Schule, aber diese Rückständigkeit geht mir maßlos auf die Nerven. Glaube muss nicht so alt sein wie der Herrgott persönlich.



    PS:

    Die Frage war rhetorisch

    Rhetorische Fragen kapiere ich nicht, wenn ich mich gerade maßlos aufrege, weil ich mich in meiner Freiheit eingeschränkt fühle.

  • Der Vergleich mit Menschenrechten etc. ist doch weit hergeholt. An den meisten Schulen kannst du ohne Einschränkungen. Es gibt nur ein paar wenige Schulen, die andere Vorstellungen haben. Dann pochst du auf deine persönliche Freiheit. Aber was ist mit den anderen? Es mag Menschen geben, die es nicht gut findet. Was ist mit Eltern, die es schlecht finden, wenn die Lehrerin an einer christlichen Schule nicht ihre Werte teilen? Deine persönliche Freiheit steht doch hier eventuell im Widerspruch zu den Wünschen der Schule. Das ist dir da toll gefällt, ist doch kein Argument. Wenn das alles so stimmt, hat die Schule (eventuell) bestimmte moralische Vorstellungen, die sie von ihren Mitarbeiten wünscht. Entweder ich bin der gleichen Meinung und arbeite dort oder ich gehe halt an eine andere Schule. Das ist doch das gleiche als wenn ich bei McDoof arbeite und vor der Arbeit erstmal bei BurgerKing nebenan esse. Verbieten kann mir mein Chef das auch nicht. Pluspunkte werde ich weder bei Chef noch Kollegen sammeln.

  • Es gibt nur ein paar wenige Schulen, die andere Vorstellungen haben. Dann pochst du auf deine persönliche Freiheit. Aber was ist mit den anderen? Es mag Menschen geben, die es nicht gut findet. Was ist mit Eltern, die es schlecht finden, wenn die Lehrerin an einer christlichen Schule nicht ihre Werte teilen?

    Welcher christliche Wert fehlt in meinem Leben? Dass mein Freund kein Christ ist und wir noch nicht geheiratet haben, weil wir bisher keine Zeit/Geld/Lust/[insert reason here] hatten. Du weißt rein gar nichts über mich und meine christliche Ausrichtung. Ich habe selbst eine christliche Schule besucht (katholisch in staatlicher Trägerschaft).


    Ein deutlicher Anteil der Eltern in meiner Klasse sind selbst geschieden/alleinerziehend/unverheiratet/getrennt lebend. Dann können sie das gerne nicht gut finden, das wäre dann aber wohl Bigotterie.

  • Kriegt die Schule denn mit, mit wem du zusammenlebst?
    Was wäre denn passiert, wenn du deinen Freund gar nicht erwähnt hättest?
    Ich würde wahrscheinlich nichts mehr aus meinem Privatleben erzählen und abwarten.
    Notfalls ausweichend antworten. Und ansonsten meinen Job so machen, dass man mich ungern rauswerfen würde, weil man mich braucht.


    Ich finde es auch unfassbar, dass man sich 2019 mit so etwas auseinander setzen muss, aber ich bin halt auch nicht christlich - der Austritt aus der Kirche war eben durchaus begründet. Mit "so etwas" zum Beispiel.

  • Hi,


    ich war auch mal bei einem Vorstellungsgespräch an einer christlichen Schule in freier Trägerschaft. Meine Eignung als Lehrer stand nicht einen Moment im Mittelpunkt (passiert wohl erst beim 2. Gespräch), vielmehr ging es um mein Leben und die Beziehung zu meinem Mann. Obwohl ich zum Zeitpunkt des Gesprächs bereits verheiratet war, wurde es negativ angesehen, dass ich zuvor 1,5 Jahre unverheiratet mit ihm zusammengelebt hatte. Letztendlich wurde ich noch nicht einmal zum 2. Gespräch eingeladen (trotz Lehrermangels!), weil ich sie nicht davon überzeugen konnte, dass meine persönliche Einstellung absolut konform zu ihrer ist. Ich denke, im Nachhinein war es tatsächlich besser so. Manche Schulen haben ihre speziellen Ausrichtungen- wirklich glücklich kann man vermutlich nur werden, wenn man diese teilt. An deiner Stelle würde ich entweder abwarten , bis von offizieller Seite jemand auf mich zukommt oder offensiv mit den Kollegen sprechen , die damit ein Problem zu haben scheinen.


    LG und alles Gute

  • Ich erzwinge gar nichts. Ich hinterfrage dieses Gedankenkonstrukt in seiner Sinnhaftigkeit.
    Ich lebe eben in einer glaubensverschiedenen Beziehung. Das ist eben so. Muss ich mich von meinem Freund trennen? Soll ich mir einen Katholiken suchen, damit wir auch das heilige Sakrament der Ehe empfangen dürfen?

    Nur kurz zur Klarstellung, ich meinte mit dem Erzwingen nicht dich, sondern die Rechtslage. Es liegt ja am Gesetzgeber festzulegen, wie weit man kirchlichen Trägern Sonderrechte im Arbeitsrecht zugestehen möchte.


    Zum Rest: vermutlich nicht, wenn das nicht explizit so in deinem Arbeitsvertrag steht.


    Mir persönlich wäre das Geschwätz der Kollegin erstmal egal, solange niemand an mich herantritt und direkte Forderungen stellt. Passiert das, muss man eben eine Entscheidung treffen, wie man damit umgehen möchte. Alternativ könnte man natürlich in die Offensive gehen und den Schulleiter direkt darauf ansprechen - dann sind zumindest alle Karten auf dem Tisch und man weiß, ob die Kollegin stellvertretend für die Leitungsebene spricht oder nur ein persönliches Problem mit deiner Lebensform hat.

  • @Nadine1609: Nenne mich naiv, aber wieso wurde es dir negativ ausgelegt, dass du mit deinem Mann 1,5 Jahre vor der Hochzeit zusammenlebtest? Ist es nicht in Gesellschaften, in denen es keine arrangierten Ehen gibt, üblich, dass man sich erst näher kennenlernt ehe man sich entscheidet, den Bund der Ehe einzugehen?

  • Kennenlernen: ja, aber nicht unter einem Dach zusammenwohnen!


    Kurz nebenbei: es gibt viele Ersatzschulen in kirchlicher Trägerschaft, bei denen es wesentlich problemloser zugeht.

  • @Lehramtsstudent : Die Schule war eher evangelikal ausgerichtet, dementsprechend wurde ein außereheliches Zusammenleben nicht gerne gesehen. Eine Schule in kirchlicher Trägerschaft (zumindest evangelisch) hätte sehr wahrscheinlich kein Problem damit gehabt.

  • Ich habe auch eine Zeit lang an einer Schule in Trägerschaft der Caritas gearbeitet. In der Zeit wurde eine Kollegin entlassen, weil sie unverheiratet schwanger wurde...
    Ich gestehe, ich bin froh, nicht mehr dort tätig zu sein!

  • Alle diejenigen, die hier auch nur kleinstes Verständnis für diese rechtliche Sonderstellung der Kirchen sehen, möchte ich mal folgendes Gedankenexperiment ans Herz legen:


    Ich gründe eine Ersatzschule nach meinen moralischen Vorstellungen. In dieser Schule sollen nur Jungen zwischen 15 und 18 unterrichtet werden. Auf Grund meiner moralischen Überzeugung möchte ich nur Frauen als Lehrerinnen anstellen, die zwischen 23 und 30 sind, weder verheiratet noch einen Partner haben, maximal einen BMI von 23 besitzen und grundsätzlich sexuell offen sind. Jede Verfehlung gegen diese Grundsätze führt zur Kündigung. Regelmäßige Kontrolle des Beziehungsstatus gehört natürlich dazu. Natürlich wird die Schule zu 90% vom Staat finanziert, immerhin habe ich doch eine moralische Vorstellung, die ich der Gesellschaft nahe bringen will.


    Auch der Hinweis, doch einfach kirchlich zu heiraten, ist eigentlich eine Zumutung. Gerade durch solch passive Zustimmung haben die Kirchen doch noch so eine gefühlte Zustimmung. ("Macht doch nix, heirate doch einfach da"... "Macht doch nix, lass das Kind doch einfach taufen"..."Macht doch nix, lass das Kind doch im Reliunterricht mitmachen")

  • Kurzes Update:


    Habe heute sofort mit der SL über den "Vorfall" gesprochen und ganz offen kommuniziert, wie ich zu der Sache stehe: dass ich es unangemessen fand, dass man mich so detailliert über meine Beziehung fragt und dann noch äußert, dass das so für "strapazierte Nerven an der Schule sorgt".
    Ich habe auch gesagt, wie ich zu der Ehe stehe und wie mein Freund dazu steht und was ich zu erwarten hätte, würden wir nicht heiraten und trotzdem eine Familie gründen.
    Ich habe ihr auch gesagt, dass meine Vorstellung von Moral und Anstand sich mit denen der Schule decken und ich keinen Grund sehe, dass ein fehlender Ehering meine Moralität infrage stellt. Auch dass es mich hat reflektieren lassen, ob die Schule das Richtige für mich ist.


    Meine SL hat sich ganz klar geäußert, dass es KEIN Einstellungs- oder Kündigungsgrund ist, ob ich verheiratet bin oder nicht. Selbst wenn ich Kinder bekäme und niemals heirate, wäre das noch lange kein Grund mich rauszuwerfen.
    Es war ein sehr positives und klares Gespräch.


    -> Es zeigt sich das, was einige hier schon schrieben: Das war die Meinung von einer Person, die so dargestellt wurde, als wäre es die Ansicht vieler.
    Erschreckend, wie Menschen einander mit ihren Äußerungen eine negative Selbstwahrnehmung vermitteln können.



    Welche Diskussion ich mit diesem Thread in Gang gesetzt habe, ist allerdings noch viel erschreckender. Wie viele der Mitdiskutierenden haben sich hier für ein Weltbild eingesetzt, hinter dem sie selbst nicht stehen und ein diskreditierendes, veraltetes und distanzloses Verhalten gerechtfertigt, das es an meiner Schule zum Glück nicht gibt, das aber an anderen Gang und Gäbe ist.



    Diskriminierung, egal in welcher Form, ist inakzeptabel und wenn sie unter dem Deckmäntelchen der Moral daherkommt, ist sie noch schlimmer.


    Auch der Hinweis, doch einfach kirchlich zu heiraten, ist eigentlich eine Zumutung.

    Ich habe da mal eine Streichung vorgenommen. Es ist auf jeden Fall eine Zumutung. Ich mache doch nicht so einen gravierenden Schritt, nur damit ich Ärger vermeide. All meine Bedürfnisse und meine Lebensführung sind nichts wert, das "strapazierte Nervenkostüm" anderer jedoch schon?


    NEIN, DANKE!

  • Ich habe den Thread nur lesenderweise verfolgt. Dein Vorgehen finde ich super. Oft kann man Probleme durch ein ehrliches, offenes Ansprechen aus der Welt schaffen.
    Ein schönes Wochenende dir!

    Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

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