Informatik Pflichtfach Niedersachsen

  • Hallo,


    mit einiger Überraschung las ich in den letzten GEW Nachrichten, dass Kultusminister Tonne (Niedersachsen) gesagt habe, Informatik solle ab 2023 Pflichtfach in Niedersachsen werden (zunächst ab Klasse 10, dann "herunterwachsend").


    Eine direkte Pressemitteilung des Kultusministeriums dazu finde ich nicht, nur den folgenden Artikel:


    Link zur NWZ


    Meine Frage an Euch: Weiß jemand (speziell der KuK aus Niedersachsen) genaueres? (Genaueres heißt: Alles, was über das, was im Artikel steht, hinausgeht, ich selbst habe keinerlei Ahnung).


    Edit: Für die Nicht-Niedersachsen: An allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen können aktuell Schüler, die Informatik nicht aktiv als Wahlpflichtunterricht oder als Kurs wählen, ohne eine einzige Stunde Informatik durch ihre Schulzeit gehen. Nur als Hintergrundinfo.

  • Bisher ist das nicht mehr als eine fixe Idee des Ministers und der NDV, wie das Fach Informatik weiter gestärkt werden könnte. Einen Überblick über bisherige Maßnahmen dazu gibt es hier: https://www.mk.niedersachsen.d…s-pflichtfach-174604.html


    Ich fände es spannend zu sehen, wie sie sich das bei der im Moment schon knappen Versorgungslage mit Informatiklehrkräften und ohne Kürzung anderer Fächer vorstellen, obwohl doch im Zug der Umstellung von G8 auf G9 so oft betont wurde, nur noch maximal 30 Wochenstunden in der Sek I zu erteilen.

  • ... bei der im Moment schon knappen Versorgungslage mit Informatiklehrkräften ...

    Wobei man sich auch fragt, warum ein Informatiker ausgerechnet als Lehrkraft arbeiten sollte, wenn es anderswo auch die Beamtenstelle bei geregelter Arbeitszeit, Büroarbeitsplatz nach DIN, Gleitzeit und Homeoffice gibt, und dazu noch:


    Zitat

    ... "Gewinnungs- und Bindungsprämie" für Fachpersonal. Sie beläuft sich auf 30 Prozent des jeweiligen monatlichen Grundgehalts beim Einstieg und ist in der Regel auf bis zu 48 Monate bemessen. In "Mangelbereichen" kann der Bonus sogar bis zu 12 Jahre lang gewährt werden.Die auf einen Schlag oder in Teilbeträgen gezahlte Prämie fängt bei IT-Fachkräften bei rund 44.000 Euro brutto an und kann bis zu 80.000 Euro reichen. Grundlage für diese Zahlen sind die Besoldungsstufen, die in den meisten Fällen für Informatiker zutreffen.
    ...
    Im Sicherheitsbereich werden Stellenzulagen für die Geheimdienste und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) deutlich erhöht.


    ...


    Die pauschalen monatlichen Zulagen liegen hier meist bei bis zu 240 Euro monatlich, in anderen Sektoren noch deutlich darüber.

    https://www.heise.de/newsticke…-IT-Experten-4569784.html



    Garantierte Beförderung auf A14 gibt es i.d.R. auch noch, und wenn man sich nicht allzu blöd anstellt, ist man irgendwann auch bei A15.


    Also: Warum sollte man als Informatiker Lehrer werden? Mir fällt nur ein Grund ein: Man hat es nicht drauf.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Das sehe ich mal genauso wie du. Hey, vielleicht bekommen über diesen Umweg dann doch mal alle Lehrkräfte eine deutliche Besoldungsanpassung ;) #TräumenDarfManDoch

  • Also: Warum sollte man als Informatiker Lehrer werden?

    • weil man gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeitet
    • weil man nicht den ganzen Tag vorm Computer sitzen möchte
    • weil man einen sehr abwechslungsreichen Beruf möchte (man hat ja mindestens noch ein anderes Fach)

    Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Für einen detaillierteren Vergleich käme es dann schon darauf an, mit welchem Berufsfeld des Informatikers genau man das vergleicht.

  • In der von Seph verlinkten Quelle heißt es: "„Wir arbeiten daran, das Fach Informatik nachhaltig zu stärken. Die Pläne, Informatik schrittweise als Pflichtfach einzuführen, befinden sich in der Prüfung." Das heißt nichts Konkretes, so weit war die vorige Kultusministerin auch schon. Bis 2023 ist es noch lang hin und dazwischen liegt noch eine Landtagswahl. Außerdem können bis dahin auch die anderen Fachverbände aufschreien, weil ihnen eine Stunde genommen wird (wie sonst will man bei fest verteilten 30 Wochenstunden ein zusätzliches Fach einführen?) - beim letzten Pflichtfach-Vorstoß betraf es WIMRE Geschichte und Kunst/Musik/DsP.


    Also abwarten und mit einem norddeutschen Juchu einen Friesentee trinken!


    À+

  • Bis 2023 ist es noch lang hin und dazwischen liegt noch eine Landtagswahl.

    Ich finde nicht, dass das lange hin ist. Jetzt wäre gerade noch so Zeit, das anständig vorzubereiten. Ein Beispiel: Ich hatte vor 1,5 Jahren einen sehr guten Informatik-Referendar. Hätte ich gewusst, dass (mal angenommen, es ist wirklich so) 2023 Informatik Pflichtfach wird, hätte ich meine Chefin dringend gebeten, diesen Referendar irgendwie zu halten. Nach dem damaligen Stand war es aber so, dass wir absolut keinen Bedarf hatten. Im Gegenteil: Die KuK, die die (recht aufwändige) Zusatzqualifikation Info gemacht haben, möchten das ja auch ab und zu mal unterrichten. Es gibt zahlreiche weitere Implikationen. Wenn es kommt, wüsste ich es gerne im Laufe dieses Schuljahres, allerspätestens im Laufe des nächsten Schuljahres!

  • In NRW gab/ gibt es ja einen ähnlichen Vorstoß bei der Rückkehr zu G9 an Gymnasien, der ja wieder „abgemildert“ wurde, nachdem die Damen und Herren feststellen mussten, dass es gar nicht genügend Lehrkräfte für eine direkte Einführung des Pflichtfachs Informatik gibt. Das ganze läuft jetzt unter „informatische Bildung“ und kann in anderen Fächern „irgendwie verwurstet“ werden, bis es eine Môglichkeit der Abdeckung gibt - ganz großer Wurf bislang 8)

  • Das mit den Lehrern wird sich schon regeln. Eine Schule, die zu wenige Lehrer in dem Fach hat, lässt es eben erst mal ausfallen - so ist das in anderen Mangelfächern (Musik zum Beispiel) ja auch.


    Dann ist aber ein Bedarf da, und es können Stellen ausgeschrieben werden. Momentan wandern die Informatik-Studenten und Referendare, die ich (als Praktikanten und Referendare) kenne, in andere Bundesländer ab.

  • Das ganze läuft jetzt unter „informatische Bildung“ und kann in anderen Fächern „irgendwie verwurstet“ werden, bis es eine Môglichkeit der Abdeckung gibt - ganz großer Wurf bislang 8)

    Ein weiterer Baustein in der Deprofessionalisierung des Lehrerberufs. Wahrscheinlich unterrichten demnächst quereingestiegene Diplom-Sportlehrer Informatik...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Informatik Lehrer sind keine Informatiker und schon gar keine Informatik Fachkräfte. Wie kommst du darauf? Das hat nichts mit "etwas drauf haben" zu tun sondern mit persönlichem Interesse. Wer Informatik Lehrer werden will, kümmert sich im Studium in der Regel nicht um wirtschaftlich verwertbare Skills und sammelt auch nicht mach dem Studium jahrelang Berufserfahrung um zur Fachkraft zu werden.

  • Das begrüße ich sehr:aufgepasst:. Die Digitalisierung schreitet voran und in vielen Jobs der freien Wirtschaft werden IT Kenntnisse unabdingbar. Nicht mehr lange und dann werden auch Ämter in Sachen Datenverkehr digitalisiert (statt Papier). E-Mobilität, Digitale Start Ups, erneuerbare Energien, Produktionsprozesse etc.. alles erfordert Programmierung! Von daher ist eine frühe Annäherung an die Materie sehr wichtig!

  • Informatik Lehrer sind keine Informatiker und schon gar keine Informatik Fachkräfte. Wie kommst du darauf? Das hat nichts mit "etwas drauf haben" zu tun sondern mit persönlichem Interesse. Wer Informatik Lehrer werden will, kümmert sich im Studium in der Regel nicht um wirtschaftlich verwertbare Skills und sammelt auch nicht mach dem Studium jahrelang Berufserfahrung um zur Fachkraft zu werden.

    Ich bezweilfe aber, dass sich unter den Bedingungen im Lehrerberuf so viele für das Lehramtsstudium Informatik entscheiden. Ich glaube Mikael hat schon recht, dass die Schule einfach zu unattraktiv ist.

    Und wenn man bedenkt, wie oft Informatiklehrer von Schulleitungen missbraucht werden quasi unentgeldlich die Computer zu warten. Bei uns machen die entsprechenden, computeraffinen Kollegen zig unbezahlte Überstunden jede Woche um die Rechner am laufen zu halten.

  • Aber das ist doch selber Schuld der Kollegen, die das so mit sich machen lassen.


    Gleiches gilt aber für alle Fachlehrer.

    Ich kümmer mich auch um Laptops, habe da aber bei der Einrichtung, was extrem viel Zeit brauchte auch eine Entlastungsstunde bekommen.

  • Diese Qualifizierungskurse, die jetzt verstärkt angeboten werden (sollen):

    Ich werd da nicht ganz schlau draus, gibt es dafür Anrechnungsstunden oder nur keine Pausenaufsichten etc?


    Aus dem PDF:

    Die Weiterbildung erstreckt sich in ihrem Gesamtumfang über zwei Jahre. Sie umfasst insgesamt 25 Präsenztage mit jeweils acht Unterrichtseinheiten, die während der Unterrichtszeit stattfinden, sowie 40 Unterrichtseinheiten in Form von Onlineseminaren die an Schultagen während der unterrichtsfreien Zeit stattfinden. Die Präsenztage werden in acht Modulblöcken mit jeweils drei bzw. vier Kurstagen gebündelt (vgl. Anlage 2).


    Präsenzphasen:

    -25 Präsenztage mit jeweils acht Unterrichtseinheiten (UE) 200 h

    -Vor-und Nachbereitung der Präsenzphasen 100h

    Onlinephasen:

    -40 Unterrichtseinheiten (UE) Präsenzzeit in den Webinaren 40h

    -Vor-und Nachbereitung der Webinare 40h

    Selbststudium:

    -Recherche und Studium vertiefender Literatur 100h

    -Erarbeitung von fachpraktischenAufgaben 355h

    -regelmäßige fachpraktische Aufgaben (unterrichtliche Tätigkeit) 355h

    Leistungsnachweis:

    - fachpraktische Vertiefungsaufgaben mit schriftlicher Bearbeitung zwischen den Modulen (vgl. Anlage 2) 320 h

    -Portfolioarbeit (vgl. Anlage 4) 120h

    -Anfertigung eines Unterrichtsentwurfs mit Durchführung einer Lehrprobe, Reflexion, Dokumentation 100 h

    -Kolloquium zu fachwissenschaftlichen Fragestellungen 70 h


    Gesamtaufwand:1800h


    vs


    Die Schulleitungen sollen im Rahmen der innerschulischen Möglichkeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weiterbildungsmaßnahme von außerunterrichtlichen Aufgaben entlasten, z. B. durch Verzicht auf Aufsichten, Vertretungsstunden oder vergleichbare Maßnahmen.

  • Mir ist auch nicht ganz klar, was die Fortbildungsmaßnahme soll. Warum sollte man das machen?


    Ich habe seinerzeit über eine Fortbildungsmaßnahme mit zusätzlicher Prüfung an der Universität die volle Facultas in Informatik erworben. Das ist natürlich auch was für den Lebenslauf, mögliche Karriereoptionen, und (da Uni-Prüfung) auch in anderen Bundesländern gültig (falls man mal hätte umziehen wollen).


    Die Fortbildungsmaßnahmen für Informatik Mittelstufe bieten das lange nicht, sind aber trotzdem sehr aufwändig. Man bekommt am Ende nicht mehr Geld, also warum? Macht höchstens Sinn für Leute, die aktuell keine Stelle haben, die haben dann bessere Einstellungschancen.

  • Naja, du sprichst es ja selbst an: ich sehe da vor allem mögliche Karriereoptionen. Zwar werden die meisten Stellen für das 1. Beförderungsamt intern vorgesehen und vergeben, werden bei passenden Bewerbern aber auch gerne extern besetzt, um sonst nicht erhältliche Mangelfächer abzudecken oder um intern passende Leute zu halten. Vor dem Hintergrund der Einführung von Informatik als Pflichtfach dürften sich nicht wenige Schulen in den nächsten Jahren Gedanken darüber machen, wie sie das abdecken wollen, wenn kaum Informatiklehrkräfte zur Neueinstellung zur Verfügung stehen.


    Ich persönlich habe es aber für mich auch abgelehnt, da Aufwand und Nutzen in keinem sinnvollen Verhältnis zueinander standen und habe mich auf andere Wege konzentriert.

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