Martina Schloßmacher, Iskender Gider: „Das schwarze Huhn“ Auf einem Bauernhof lebte einmal, mitten unter vielen weißen Hühnern, ein schwarzes Huhn. Eigentlich war es ein ganz normales Huhn. Aber die Eier die es legte, waren nicht eins wie das andere, sondern jedes hatte eine besondere Form. Nie war ein ganz normales Ei dabei. Darüber machten sich die weißen Hennen gerne lustig. Solch komische Eier passen nicht einmal in einen Eierbecher!, gackerten sie. Die strenge Oberhenne nahm sich das schwarze Huhn beiseite und pustete sich auf. „So etwas Ungeschicktes hat es auf meinem Hof noch nie gegeben. Eine Schande bist du für den ganzen Hühnerstall! Am besten, du lässt dich hier nicht mehr blicken?“ Und so war es dann auch. Als eines Tages der Osterhase kam um die Eier von den Hühnern einzusammeln, zeigten sich stolz alle Hühner. Dabei betonte die Oberhenne, dass große und gleichmäßig schön geformte Eier nur bei ihr zu haben sind. Das schwarze Huhn aber blieb im Stall und war traurig, dass ihre Eier nicht erwünscht waren. Der Osterhase hatte seinen Korb gefüllt. Da hörte er ein Schluchzen. Vorsichtig öffnete er die Stalltür. Das schwarze Huhn stand weinend neben seinem Nest. Und darin entdeckte er die ungewöhnlichsten Eier, die er je in seiner Osterhasenlauf bahn gesehen hatte. Da hatte der Osterhase eine Idee. „Weißt du was“, sagte er zum schwarzen Huhn, „deine Eier werde ich dieses Jahr dem König schenken. Solche Eier hat er bestimmt noch nie gesehen. Sie sind etwas ganz Besonderes und werden unseren König sicher überraschen. Lass mich nur machen!‘ Das schwarze Huhn freute sich über diesen Vorschlag, aber besorgt war es trotzdem. Was würde geschehen, wenn nun auch dem König die Eier nicht gefielen? Doch es fasste Mut und legte die schönsten Eier in den Korb. Selbst für den geübten Osterhasen war es schwierig, die eigenwillig geformten Eier zu bemalen. Aber er schaffte es, in den allerschönsten Farben, ganz modern, auch wenn er manchmal nicht mehr wusste, wie ihm die Löffel (Hasenohren) standen. Er musste ja noch mehr Eier anmalen – morgen schon war Ostern - und alle wollten bunte Eier, nicht nur der König. Schon früh am Ostermorgen versteckte der Osterhase die Eier. Überall im Land legte er bunte Ostereier in die Nester. Niemand hat ihn dabei gesehen. Auch nicht der König. Eigentlich hatte der König an diesem Ostermorgen keine Lust zum Eiersuchen. Viel lieber wäre er im Bett geblieben. Aber auch ein König hat Pflichten, und noch schläfrig machte er sich auf die Suche. „Jedes Jahr das gleiche?“ meinte er. Weil er ein guter König war, erfüllte er auch diese Aufgabe sorgfältig und mit Würde. Keinen Winkel im Schloss ließ er beim Eiersuchen aus. Hinter dem Vorhang, unter dem Tisch, über dem Tisch, suchte er; er kroch sogar unter den Stuhl, was ganz und gar nicht königlich aussah - leider alles erfolglos! In den Jahren zuvor hatte es ihm der Osterhase leicht gemacht. Hatte er ihn diesmal vergessen? Müde kehrte er zu seinem Thron zurück. Aber da war doch etwas ... . Was für eine Überraschung, was für ein Glück! Solche Eier hat der König noch nie gefunden! Jetzt strahlte er übers ganze Gesicht. Endlich einmal etwas anderes! „Diesen Osterhasen muss ich kennenlernen, dem so etwas einfällt!“ Gleich ließ der König anspannen und fuhr zum Osterhasen. Beide waren erstaunt, als sie sich leibhaftig gegenüberstanden. Der Osterhase erzählte, wer die Eier gelegt hatte. Sofort macht man sich auf den Weg zum Hühnerhof. War das eine Aufregung unter dem Hühnervolk! Welch ein Gegacker und Durcheinander, als der König im Hühnerstall erschien! Was will er nur hier? Ein Huhn nach dem anderen schaute sich der König an und fragte dann: „Wer von euch kann so schöne Eier legen?“ Dabei zeigte er auf die lustig geformten Eier im Korb. Wie üblich drängte sich die Oberhenne vor und gackerte: So etwas kann nur ich! Ich bin hier die Chefin‘‘ Im hintersten Winkel des Stalles hielt sich das schwarze Huhn versteckt. Ganz verstört war es, als der König plötzlich eintrat. Vor Schreck legte es schnell ein Ei. Der Osterhase entdeckte das Huhn sofort: „Hier ist das Huhn, das solche Eier legen kann.“ Glücklich hielt der König das allerschönste Ei hoch, damit es jeder sehen konnte. Dabei streichelte er das schwarze Huhn und hatte nur einen Wunsch: „Komm mit mir auf mein Schloss!“ Und so war es dann auch. Jeden Morgen legte es für den König ein besonders schönes Ei. Das schwarze Huhn hatte den richtigen Platz gefunden. Welches Ei es auch legte - der König hatte seine wahre Freude daran. NEUGEBAUER VERLAG , ISBN 3851952154