Unterrichtsgestaltung in einer schwierigen Hauptschulklasse

  • Hallo liebe Kollegen,


    seit Ende der Sommerferien bin ich an einer neuen Schule und habe eine 9. Hauptschulklasse abbekommen, die mehr als schwierig ist. Man hat mich schon vorgewarnt, dass bereits gestandene Kollegen das Handtuch geworfen haben und mir wurden so Ratschläge erteilt wie "alle 5 Min. Methodenwechsel", "nicht wundern, wenn die einfach den Raum verlassen" und "dreh denen nicht den Rücken zu". 8| Huhu dachte ich und entsprechend verkrampft bin ich in die Klasse rein.
    Mündliche Unterrichtsphasen dürfen nicht mehr als 3 Minuten dauern und die drei Minuten ist es eher ein Reinrufen, statt einem anständigen Unterrichtsgespräch. Aufgaben erkläre ich zwar, aber keiner hört zu und alle fragen dann einzeln im Minutentakt nach, was sie jetzt machen sollen. Aufgaben lesen will aber auch keiner und wenn es um Aufgaben geht, wo sie überlegen sollen, dann haben sie keine Lust, geben gleich auf und fangen an mit dem Nachbarn zu quatschen. Der Unterricht in dieser Klasse macht mich wahnsinnig, weil ich einfach nicht weiß, wie ich den Unterricht überhaupt gestalten soll. Die letzten Wochen habe ich viel im Arbeitsheft und mit Arbeitsblättern machen lassen. So konnte ich rund gehen und den Schülern einzeln unter die Arme greifen. Die Planung des Unterrichts ist für mich aber unbefriedigend, weil ich nicht weiß was ich mit denen überhaupt machen soll. Wenn ich das Buch aufschlage, dann kann ich von 5 Nummern 4 schon gar nicht erst machen. Ausgebildet im Hauptschulbereich bin ich auch nicht und ehrlich gesagt überfordert mich diese Klasse. ;(
    Wie gestaltet man Unterricht in Klassen in denen weder Partner- noch Gruppenarbeit geschweige denn mündliche Sequenzen möglich sind :?:

    LG Orasa :D

    8) Heitere Lehrer verändern die Welt.

  • Verhaltensreglen einfordern und bei Nichteinhaltung sanktionieren!
    Z.B. Wer stört muss in das Nachbarzimmer und dort schreiben.


    Vor Unterrichtsbeginn ankündigen, dass es heute eine Mitarbeitsnote gibt.
    Zur Not die Info an die Tafel schreiben, damit es alle mitbekommen.
    Sag, dass sicher einige eine gute Note bekommen wollen und sag,dass Du ihnen das zutraust.
    Aufgaben verteilen, die wirklich einfach sind. Kleinschrittig, selbsterklärend, wenig Text, einfache Wörter. Lass sie 20 Minuten arbeiten , sammle dei Blätter ein und benote sie bis zur nächsten Stunde. Kommen auch nur ein paar gute Noten raus, freuen sie sich (auch wenn sie es evt. nicht zeigen). Das sind oft totale Schulversager, denen ein Erfolgserlebnis fehlt. Und die gute Note motiviert natürlich weiter zu machen.
    Evtl. ist das ja eine Abschlussklasse. Der Abschluss ist den meisten zumindest schon wichtig. Weise darauf hin. Bleib möglichst ruhig, aber sehr deutlich und konsequent. Manchmal hilft das und überträggt sich etwas.


    Viel Erfolg und nicht die Geduld verlieren, das dauert, bis es funktioniert.
    Gruß
    Anna

    • Offizieller Beitrag

    Ich kenne solche Klassen aus Realschulen in Brennpunkten. In welchem Fach unterrichtest du die Klasse denn?
    Spontan fällt mir v.a. ein, dass solche Klassen auf keinen Fall überfordert werden dürfen, weil sie dann total blockieren (das passiert z.B. in Englisch ganz leicht). Deshalb würde ich versuchen, erst mal mit relativ einfachen und geschlossenen oder halboffenen Aufgaben zu arbeiten, damit du weiß, was die Schüler schon können und sie Erfolgserlebnisse haben. Die Regeln im Unterricht sollten sehr klar sein und du solltest sehr kleinschrittig vorgehen. Seltsamerweise mögen sehr schwache und schwierige Klassen oftmals recht stupide Aufgaben wie Texte vorlesen, Einsetzaufgaben, kleine Abschreibtexte... Und wenn du die Schüler dann ein bisschen kennst und ihr euch aneinander gewöhnt habt und das Arbeiten halbwegs funktioniert, dann kann man sich vielleicht langsam an offenere Aufgaben und freiere Arbeitsformen wagen.


    In Englisch (ich weiß, das ist nicht dein Fach, außer du unterrichtest es dort fachfremd, aber mir fällt so spontan Englisch ein, weil ich solche Klassen meist in Englisch hatte) würde mir für eine Stunde zum Beispiel ein Blatt mit einem einfachen Lückentext vornehmen, dann einen Text lesen lassen, dann vorlesen lassen, dann ganz einfache Fragen dazu beantworten lassen o.ä. - also wirklich einfache Aufgabenstellungen und schnelle Methodenwechsel.


    In solchen Klassen ist die persönliche Beziehung auch sehr wichtig: Versuche, wenn du rumgehst und einzelnen Schülern hilfst, auch mal ein paar Worte mit ihnen zu wechseln.


    Normalerweise sind solche Klassen dann etwas einfacher, wenn sie ein paar Erfolgserlebnisse hatten und wenn sie akzeptieren, dass du der Chef im Raum bist und wenn sie eine persönliche Beziehung zu dir haben.


    Was dein Auftreten betrifft: Versuche, einerseits möglichst freundlich und gut gelaunt, aber andererseits sehr konsequent und klar in deinen Anweisungen zu sein.

    • Offizieller Beitrag


    Hihi, wir haben zeitgleich geschrieben, aber inhaltlich fast das Gleiche. Ich kann Annasun nur absolut zustimmen.

  • Ich unterrichte dort leider Deutsch. Bei denen wohl das unbeliebteste Fach, was ich auch nachvolllziehen kann mit der Arbeitshaltung kann ich nämlich nur ziemlich primitive Sachen machen. Lückentexte, was rausschreiben usw. habe ich bisher auch gemacht. Gut zu wissen, dass das schon mal der richtige Weg ist.
    Die Noten sind denen zwar wichtig, aber keiner will was dafür tun. Selbst wenn bekannt ist, was ich abfrage, guckt sich das keiner vorher an. Leider.
    Vielleicht mach ich wirklich mal tägliche Mitarbeitsnoten. Sehe die Schüler ja jeden Tag, weil es ein Hauptfach ist und dann könnte ich am Ende der Stunde ja immer Noten verteilen.
    Das mit dem Störer in einen anderen Raum schicken ist so ne Sache. Wir haben einen Trainingsraum, aber da kann ich keine zwei Leute gleichzeitig hinschicken, weil die den Trainigsraum aufmischen und wenn ich den der stört vor die Türe schicke, dann sitze ich alleine im Raum. Da ist dann die Frage wo die Störung anfängt. Ich weiß oft nicht, ob ich reagieren soll oder nicht. Wenn die sich gegenseitig beschimpfen sag ich schon nix mehr, weil ich dann nur noch ermahnen würde. Provokationen mir gegenüber sind an der Tagesordnung, wenn ich Verben abfrage, dann kommt so was wie fi**, bu*** usw., da geh ich gar nicht drauf ein "stimmt, das ist ein Verb. Nächster".
    Aber ich merke schon, durchhalten ist hier wohl das Motto. Wenn ich nur nicht so unzufrieden mit dem Unterricht wäre...

    LG Orasa :D

    8) Heitere Lehrer verändern die Welt.

  • Ach, ich verstehe dich so gut :P . Ich habe auch einige solche Klassen und ich bin bestimmt noch kein Profi, aber es geht mir schon viel besser damit.


    Zuerst mal: Zieh dir den Schuh nicht an, wenn was nicht klappt. Anscheinend hatten es ja andere vorher auch schon schwer und man kann eben nicht alles bewirken - schon gar nicht, wenn die andere Seite nicht will. In solchen Klassen helfen auch Tipps wie "konsequent Regeln durchsetzen" nicht viel, denn wie du schon sagst, man kann ja schlecht zwei Drittel der Klasse des Unterrichts verweisen. Da passiert einfach so viel gleichzeitig, das können sich glaube ich Kollegen, die nicht an der HS in schwierigen Klassen sind gar nicht vorstellen. :S


    Ich habe für mich einen Weg gefunden, der recht gut funktioniert, aber ich werde sicher auch noch dazulernen und einiges ändern: Ich versuche praktisch kein Plenumsgespräch, nicht mal eine Ergebnissicherung (dazu sammle ich immer ab oder es gibt Lösungen). Jeder bearbeitet Aufgaben in seinem Tempo - viele kleine Aufgaben (das wurde ja schon als Tipp genannt) denn eine große würden sie meist gar nicht anfangen. Ich habe mir ein Repertoir an Methoden zugelegt (muss noch erweitert werden) die die Schüler gut machen können ohne extrem viel zu schreiben oder zu lesen (würden sie nicht machen). Z.B. in verschiedenen farben unterstreichen, Abmalen, Lückenbild, Lückentext, Texte in Tabellen umformen, aus tabellen grafiken zeichnen, verbinden, Rätsel zum Thema lösen oder erstellen, Wortbild,... (ist sicher sehr Fachabhängig). Am Ende zeigt jeder, wie weit er gekommen ist und daraus ergibt sich die mündliche Note für die Stunde. Als es anfangs so richtig sch... gelaufen ist bin ich vorne gesessen und habe "überwacht" - wäre ich aufgestanden, hätte sofort einer hinter meinem Rücken was geworfen - und wer etwas besseres als 6 haben wollte, musste kurz vor Ende der Stunde zu mir kommen und "vorweisen" was er geschafft hat. Das fand ich übrigens auch aus Respektsgründen sehr nett. Ich laufe dann nicht hinter der leistung her sondern der Schüler muss kommen, wenn er keine 6 will.


    Auch die persönliche Beziehung, die eine Vorschreiberein schon erwähnt hat, halte ich für wichtig. Ich bin ja nicht böse während ich da vorne sitze und "überwache ;) ". Ich rede auch mal mit den Schülern und helfe auch gerne viel individuell (wenn es gerade geht ohne dass wer anderer Chaos macht). AUch die Pausenaufsichten lassen sich gut für Beziehungsaufbau nutzen.


    Mit der zeit wird es besser, aber das dauert. ich kann sogar schon hin und wieder Versuche machen 8) und auch mal einen EInstieg :P , ist aber immer von der Tagesverfassung der Schüler abhängig. Immer ruhig bleiben und nicht aufregen dann wird das Theater auch langweiliger (Schlüsselmoment, als einer der Schüler zu mir gesagt hat:"Warum rasten sie denn jetzt nicht aus? Also ich würde mir das ja nicht gefallen lassen" :D :D :D Den Gefallen wollte ich ihnen dann also nicht mehr machen).


    Sei nicht unzufrieden. DU tust doch dein bestes und kannst eben keinen besseren Unterricht machen, wenn die Schüler ihn nicht zulassen! Ich finde das Thema super spannend und freu mich schon auf weitere Tipps und Anregungen!

  • Danke für eure guten Tipps. Ich sehe, dass es solche Klassen tatsächlich öfter gibt. Eigentlich dachte ich immer, dass der Praxisschock nach dem Ref an mir vorbeigehen wird, da ich doch schon realistisch bin was Schule angeht und meine Ref-Klassen waren auch nicht einfach, aber was ich jetzt an meiner neuen Schule erlebe, das hat mich zutiefst geschockt. Und gleichzeitig ärgere ich mich wieder mal über das Ref. Da lernt man Methoden wie Kugellager, Kooperatives Lernen, offene Unterrichtsformen, Gruppenpuzzle und Co. und was bringt mir das, wenn ich ne Klasse habe, in der ich keine einzige dieser Methoden anwenden kann?! Wenn nicht mal ein Vortrag oder ein Gespräch möglich ist?! So was erzählen die einem nicht in der Ausbildung, aber hauptsache mal ne schöne Show-Stunde vorbereitet *würg*
    Naja, jetzt sind die Schüler im Praktikum und dann sind Ferien, bis ich sie wiedersehe haben sie wahrscheinlich vergessen, wer ich bin und die Arbeit geht von vorne los. Aber ich werde eure Tipps in jedem Fall mal anwenden!

    LG Orasa :D

    8) Heitere Lehrer verändern die Welt.

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