Englischer Ausdruck für die "Erlebte Rede"

  • Ich sitze gerade an meiner Examensarbeit über "Irish Identity", die u.a. auch James Joyce behandelt.
    Der Gute hat ja in den früheren Romanen (es geht um "A Potrait..." und "Dubliners") viel Gebrauch von der "Erlebten Rede" gemacht (nicht zu verwechseln mit dem inneren Monolog/interior monologue), und gerade bin ich an einer Textstelle, an der das erwähnt werden sollte. Leider fehlt mir dazu der literarische Fachbegriff im Englischen.
    Wer weiß, wie man das auf Englisch nennt?
    Und weiß zufällig auch jemand, wie man die "Erlebte Rede" von Bewusstseinsstrom/stream of consciousness abgrenzt?


    Danke schonmal!

  • ICh glaube in "Einladung zur Literaturwissenschaft" (Jochen Vogt) gibt es einen sehr guten Abschnitt über diese Begriffe.
    Leider hab ich den Aufsatz irgendwo unter meinen Prüfungsunterlagen verbuddelt und müsste schwer das Suchen anfangen. Aber vielleicht hilft dir mein Suchhinweis.


    Ich glaube auch, mich erinnern zu können, dass die erlebte Rede auch als narrated speech bezeichnet wird. Als Unterschied zum stream of consciousness würde ich sagen, dass zwar Gedankeneinschübe stattfinden, der Konjunktiv und eben eine indirekte Rede stattfinden, die Rede an sich aber doch relativ "sprecherorientiert" stattfindet, was beim stream of consciousness nicht so der Fall ist.
    Typisches Beispiel für erlebte Rede sind glaube ich die Buddenbrooks.


    Aber bitte, das ist alles ohne Gewähr!! Denn mir ist gerade aufgefallen, dass "narrated" ja eher erzählte Rede bedeuten würde...


    Also geb nichts auf mein Gequatsche, sondern hoffe darauf, dass dir jemand antwortet, der kompetenter ist als ich oder verfolge den Tipp mit Jochen Vogt.

  • "Erlebte Rede" heißt auf Englisch "free indirect discourse", bzw. "free indirect style".


    Die erlebte Rede wird wie die indirekte Rede in der 3. Person Singular und im Präteritum erzählt. Deiktische Ausdrücke, d.h. Hinweise, die von der Erzählerperspektive abhängen, werden adaptiert. ("this" statt "that", "now" statt "then", "here" statt "there"...) Formeln wie "she said", "he answered" etc. werden ausgelassen. Duktus und Register richten sich nach der Sprache der erzählenden Figur.


    Die erlebte Rede ist narratologisch mit dem inneren Monolog (interiour monologue) und dem Stream-of-Consciousness eng verwandt - letzterer Begriff gehört aber in eine etwas andere Kategorie. In einem psychoanalytischen Sinne soll betont werden, dass der Erzählfluss vom Unbewussten der Figur beeinflusst wird. Das wird z.B. durch vorsätzliche Verletzungen der Grammatik, durch freie Onomatopoeia, schwer nachvollziehbare Assoziationen etc. unterstrichen. Das experimentelle assoziative Schreiben produziert einen Stream-of-Consciousness.


    Der Begriff "erlebte Rede" beschreibt also in erster Linie die technischen Regularien dieser Erzählperspektive, "Stream-of-Consciousness" beschreibt dagegen die experimentelle Erzähltechnik der literarischen Moderne, die auf der erlebten Rede oder dem inneren Monolog aufbaut.


    Hoffe, das hilft.


    Ein nützliches Handbuch für den Vergleich von englischen und deutshen literaturwissenschaftlichen Begriffen ist übrigens: Forum Sprache. Terminologie der Literaturwissenschaft. Ein Handbuch für das Anglistikstudium, Ismaning, Hueber, 1998. Auch für Lehrer kaufenswert.


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Liebsten Dank euch, das hat mich ehrlich weitergebracht! :)
    Dankeschön auch für den Buchtipp. Das wäre eventuell schon was für die Mündliche.

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