Wie ist das Referendariat wirklich?

  • Hallo Ihr alle,
    ich ueberlege, ob ich mich dieses Jahr als Seiteneinsteiger im Referendariat bewerben soll. Ich habe aber - in anderen Foren - so viel Schlimmes ueber diese 2 Jahre gelesen, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich das denn auch schaffe.


    Im Moment habe ich einen zwar gut bezahlten Job, aber ich bin nicht gluecklich dort - so dass ich fuer mich entschieden habe, als Lehrer waere ich wahrscheinlich gluecklicher. Ich moechte aber - wenn das denn moeglich ist - noch vorher mal in einen Unterricht reinschnuppern, um die heutige Schulsituation kennenzulernen. Da muss ich mal bei einer Schule anfragen, ob die das machen wurden.


    Ich habe hier auch schon viele Beitraege gelesen und habe den Eindruck, dass es doch nicht soo schlimm ist, wie ich das befuerchtet habe - oder?


    Naja und ich habe auch so meine Bedenken, ob ich denn den ganzen Didaktik-Kram schaffe, ohne es vorher im Studium bereits gelernt zu haben -
    obwohl ich auch wider bei vielen gelesen habe, dass das Ref. ganz andere Anforderungen stellt als man im Studium gelernt hat...


    Ihr seht, ich bin noch unschluessig, obwohl ich unheimlichen Spass habe, mit Jugendlichen zu arbeiten und umzugehen. Es waere lieb, wenn Ihr mir irgendwie bei der Entscheidung helfen koenntet...


    Vielen Dank schon mal und viele Gruesse,
    Wasserfloh

  • Ganz grundsätzllich denke ich -nach 11/2 Ref, dass es eben so ist, wie man es sich einrichtet.
    Es ist anstrengend, keine Frage. Man ist unter dauernder Beobachtung, ständigen Prüfungen und immer das letzte Rad in der Kette. Dazu kommt die Angst - durch zu fallen bzw. nach den 2. Jahren keinen Job zu bekommen!
    die Staatsarbe9it, die Fachleiter mit sehr unterschiedlichen Haltungen - es ist ein akt, der nicht zu unterschätzen ist!
    Aber wenn man sich dessen bewußt ist - kann es eine schöne Zeit sein!
    Ich bin mit meinem Ref völlig zu Frieden, ich liebe meine schule, meine Schüler -bin begeistert von meinen Kollegen und auch meine Seminaranleiter finde ich sehr gut!


    Aber ich weiß bis heute nicht, was ich von diesem "Seiteneinsteigermodel" halten soll! Ich denke - nimm es mir bitte nicht böse - dass zu Lehrerberuf mehr gehört als eine die Idee, das man sich im Lehrerberuf besser fühlen würde, als in seinem gelernten Job. Denn ich wehre mich gegen die Auffassung der Menschen, die glauben, Lehrersein, das ginge ohne Ausbildung!
    ein fundiertes Studium der Fächer und vor allem der Pädagogik gehöer zwingend dazu! ( auch wenn in der Uni ausbildung einiges verbessert werden könnte.)
    Ich beobachte Seiteneinsteiger (aller Art - es gibt in meinem Seminar mehrere Bezeichnungen ( OVP-B, Qualifikant)
    und denke immer wieder, dass es auf der einen Seite nicht fair gegenüber den LAAs auf der anderen Seite auch nicht gut für das Bildungssystem ist "Lehrer" ohne Theorieausbildung in die schule zu setzen. Viele brechen ab, weil sie der pädagogischen Anforderung nicht gerecht werden!


    Ausnahmen bestätgen die Regel -dass ist immer so!


    Ich kann dir nur raten, zunächst ein Praktikum an einer schule zu machen ( viele haben Auslandsschulerfahrungen oder VHS kurse gemacht und glauben, dass seri schulwirklich keit!)
    Nein, mach ein Praktikum, am besten in einer Brennpunktschule - denn alle unsere Seiteneinsteiger sind an solchen schulen, weil im Auswahlverfahren natürlich bodenständige Refs bevorzugt werden.
    Schau dir schule an und frage dich dass, ob Du da glücklich wirst, oder ob Du nicht lieber in deinem gelernten Beruf arbeiten möchtest und dir zum ausgleich ein schönes hobby anschaffst! ;)


    Ich wollte dir nicht zu Nahe treten - Du hast gefragt!!!!


    liebe Grüße
    isa -
    die schon den ganzen Tag an der U-Vorbereitung sitzt! und auch morgen noch ein mal ran muss- ein ganz normales WE eben!
    ;)

  • sisterA: du schreibst, dass einen das Lehramtsstudium auf die Schule vorbereite. Ich denke eigentlich oft, dass das, was ich an der Uni gemacht habe, mir so gut wie nichts bringt. Das, was man im pädagogischen Begleitstudium gemacht hat, war doch irgendwie ganz anders, als das, was einem nun begegent (oder?) Und die fachdidaktischen Veranstaltungen waren ja ein Tropfen auf den heißen Stein; ich kenne auch niemanden, der so 'klug' war und mehr Veranstaltungen als nötig gemacht hat, weil er erkannt hat, dass es etwas bringen könnte.. Ich habe das gesamte Lehramtsstudium gemacht samt allen Scheinen, habe dann aber - heute sage ich leider - den Magister vorgezogen, ich muss also nun mich nachqualifizieren ... vielleicht kommt einem da ja die pädagogische Erleuchtung!

  • Also ich weiß nicht... wenn ich mir genau überlege, was mir bei meinen Fächern und an meiner Schule aus dem Studium hilft...


    - die England-Tour auf Arthur's Spuren, weil sie mich die Faszination des Selbst-Organisierens und Selbst-Anfassens gelehrt hat
    - die gedankliche Ordnung der Linguistik
    - die Erinnerung, auch lieber auf den Uniwiesen gesessen und geraucht zu haben, als ins Seminar zu gehn
    - die Freunde, die mich mit Magic und anderen Subkulturen in Kontakt gebracht haben
    - das Wissen, dass jede Hausarbeit irgendwann mal fertig wird
    - die Liebe zu meinen Fächern !!!


    ... und vielleicht noch das ein oder andere Bröckchen nebenher aufgesammeltes Allgemeinwissen, aber sonst... Pädagogik - gar nichts. Die drei Fachdidaktik-Seminare - reines Theoriegepaddel, nix von hängengeblieben. Fachliche Inhalte? Ich weiß nicht, ob ich im LK Mögliche-Welten-Semantik behandeln kann, bislang war's jedenfalls noch nicht akut. Das meiste, was ich brauche, hol ich mir vor der Reihe zusammen, weil ich es entweder nie gewusst oder schon wieder vergessen habe. SisterA, schon richtig, dass wir einen Beruf mit einer akademischen Qualifikation haben und dass ein Lehrer eine Profiausbildung braucht - leider bekommen wir die Profiausbildung nicht, und unsere akademische Qualifikation hat uns vielleicht das rechte Denken, aber häufig nicht das benötigte Wissen vermittelt. Deshalb meine ich:


    Wer Lehrer werden will, braucht neben den oben beschriebenen persönlichen Fähigkeiten auhc die Fähigkeit,
    a) zu begreifen, welches Wissen er in welcher Klasse braucht
    b) zusammenzusuchen und zuz verarbeiten, was er dafür neu lernen muss
    c) dieses neu Gelernte dann für die SuS angemessen klein zu denken


    Diese Fähigkeit vermittelt kein Seminar und keine Uni - Learning by doing ist angesagt.


    Viel Glück und Spass allen, die dabei sind,
    wolkenstein

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Nun gut, ich dachte, dass Euch dieses Posting sehr provokant erscheint.


    Ich habe mich in meinem Studium im Übrigen viel mit Pädagogik beschäftigt und habe dort meine schwerpunkte gesucht und gefunden!
    Heute hilft mir das - bei der Erledigung gewisser schulischer Aufgaben:


    Natürlich könnte das Studium besser organisiert und strukturiert sein!
    Dennoch - sehe ich diese Seiteneinstiegskampagne sehr kritisch.


    liebe Grüße
    Isa

  • Hallo,


    ich bin jetzt seit August dabei und kann Folgendes berichten:


    Das Studium bereitet nur sehr schlecht auf das Ref. vor. Im Studium wird verlangt, auf höchstem Niveau zu arbeiten. In der Schule musst du reduzieren, reduzieren, reduzieren.


    Es hängt sehr stark von Schule und Seminar ab, wie schlimm oder angenehm das Referendariat ist. Ich persönlich habe es mit meiner Schule und mit meinem Seminar hervorragend getroffen.


    Trotzdem empfinde ich häufig einen starken Leistungsdruck. Die ständigen Überprüfungen zerren an den Nerven und ohne einen perfekt organisierten Zeitplan gerätst du schnell ins Schwimmen.


    Ich gehe in meinem Beruf voll auf und bin sicher, dass das mein Job ist. Das Referendariat ist stressig, hart und kostet mich oft meine Wochenenden und Ferien. Aber trotzdem empfinde ich die Zeit als gewinnbringend und erträglich. Außerdem gibt es auch oft sehr schöne Momente. Bei meiner letzten Lehrprobe haben meine SuS mich zum Beispiel total lieb unterstützt. Und als die Lp dann trotz aller Bemühungen nicht besonders gut benotet wurde, lud meine Mentorin mich zum Trost zum Essen ein.


    Liebe Grüße,
    Carla-Emilia

  • sisterA: ich habe mich gar nicht angegriffen gefühlt. Ich kann diesen Ärger verstehen, dass jemand, der sich durch das Staatsexamen gequält hat, es nicht gut findet, dass andere Leute leichter ins Referendariat kommen. Ich für mich freue mich natürlich über diese Möglichkeit, zumal ich mich heute drüber ärgere, dass ich damals, mit allen Scheinen in der Hand, nicht den Weg zuende gegangen bin und das Examen gemacht habe. Naja, damals dachte ich, ich wolle sowieso an der Uni bleiben.

  • Hallo SisterA,


    auch mein Beitrag war nicht als Angriff gemeint. Ich glaube, es gäbe eine Möglichkeit, dass das Pädagogikstudium wirklich was bringen könnte und den Schülern und Lehrern viel weiterhelfen würde - und dann wäre es albern zu behaupten, dass man darüber nichts lernen müsse. Leider kriegen die meisten Lehramtskandidaten (einschließlich meinereiner) wenig oder nichts davon mit, weil sie noch gar nicht so recht wissen, worum sie sich alles kümmern müssen. Und dann ist's nicht fair, den Seiteneinsteigern zu sagen, wir hätten so viel mehr gelernt als sie... drum.


    w.

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  • Hallo Ihr alle!
    Danke fuer die ehrlichen und zahlreichen Antworten.
    Ich hatte mir ja auch ueberlegt, als 'nur' Seiteneinsteiger z.B. in eine Berufsschule zu gehen, bzw. mich erstmal zu bewerben, denke aber, dass ich auf alle Faelle den Einsteig ueber das Referendariat besser finde - womit ich dann eben auch ein bisschen von der Ausbildung erhalte, bevor ich auf die Schueler losgelassen werde :) Ich denke allerdings schon auch - eben bis auf die Pädagogik - dass ich fachlich mit meinem Diplom einiges geleistet habe und sehe es nicht als 'Einschleichen' an. Manchmal weiss man eben erst spaeter, was man wirklich machen moechte...


    Ich arbeite zur Zeit als Softwareentwicklerin und mache nicht mehr viel mit der Physik/Mathematik an der ich viel Spass habe. Naja und eben fuer die Faecher wuerde ich mich dann auch bewerben, weil ich es auch spannend finde, meine Begeisterung fuer die Physik z.B. an junge Leute zu vermitteln.


    Ich denke auch, dass ich keinem 'echten' Lehrer irgendwie einen Platz wegnehme, denn ich denke schon, dass jeder Schuldirektor genug Menschenkenntis hat, um mich einzuschaetzen, ob ich der Stelle gerecht werde oder nicht. Wenn nicht, bin ich dann um 2 Jahre Erfahrung reicher und muss mich dann wieder nach einer anderen Loesung umschauen.


    Es ist auch nicht so einfach, wie ich das vielleicht geschrieben habe, dass ich jetzt zufaellig meine, Spass am Unterrichten gefunden zu haben weil ich
    keinen Spass mehr an meiner jetzigen Arbeit habe - ich kann das schlecht beschreiben...


    Naja, auf alle Faelle finde ich das toll, was ich fuer Antworten von Euch bekommen habe!! Ganz vielen Dank. Es hat mir schon Mut gemacht, denn die Mehrheit hat mich ja auch in meinen Ueberlegungen gestaerkt.
    Auch kritische Auseinandersetzungen finde ich gut, da ich auch spaeter mit skeptischen Kollegen rechne.


    Gut - vielleicht kann mir noch einer von Euch sagen, wie denn Krefeld als Seminarort so ist? (Ich weiss gar nicht, ob man da Physik und Mathe belegen kann?)


    Ansonsten Euch noch ein schoenes Restwochenende und einen guten Start in die neue (Schul-)woche
    :P
    Euer Wasserfloh

  • Hallo,


    zum Thema "wie ist das Referendariat wirklich?" könnte ich sicher auch einiges beitragen, aber ich möchte mich beschränken auf die Seiteneinsteiger-"Problematik". (Ich bin Fachleiter für BWL und Wirtschaftsinformatik an einem Seminar BBS. Im letzten Prüfungsdurchlauf (März 2004) waren unsere ersten Seiteneinsteiger beteiligt, so dass ich ganz konkrete Angaben machen kann.)


    Die Einstellung (als Seiten- oder Quereinsteiger) erfolgt nach einem Kolloqium, in dem ganz grundsätzlich etwas an Fachwissen und vor allem einige Vorstellungen über Schule an sich besprochen werden. Es kommt unter anderem darauf an, zu verdeutlichen, warum man von einem unter Umständen gut bezahlten Job weggehen und Lehrer werden möchte - die meisten Kandidaten haben auf solche Fragen durchaus überzeugende Antworten. Ganz besonders gut kommt es, wenn man sich schon aktiv in Schulen umgesehen hat (Praktikum oder so). Eine große Hürde ist das Kolloquium aber sicher nicht.


    Nach der Einstellung haben Seiteneinsteiger bei uns vom ersten Tag an 18 Stunden eigenen Unterricht, dazu kommen Seminarveranstaltungen in einer begrenzten Anzahl, die die wichtigsten pädagogischen Themen abdecken (aber auch wirklich nur das). Für Leute, die kein pädagogisches Vorwissen mitbringen, muss das schon schwierig sein, aber zeitlich ist mehr kaum drin.


    Die meisten Referendare haben mit ihren 7 Stunden Unterricht genug zu tun, 18 Stunden sind dagegen so richtig stressig, zumal auch Hospitationen und Ausbildungsunterricht nur sehr begrenzt möglich sind. "Meine" Seiteneinsteiger wirk(t)en aber nicht mehr belastet als die Referendare, ich erhalte immer wieder die gleiche Aussage: Im Vergleich zur "freien Wirtschaft" ist der Vorbereitungsdienst schon in Ordnung (was auch immer das heißen mag).


    Vorteile des Seiteneinstiegs gibt es im Gegenzug natürlich auch: recht gutes Gehalt, die Möglichkeit, Lehrproben usw. hauptsächlich in eigenen Klassen zu halten, verminderte Anforderungen in der Hausarbeit, im Allgemeinen gute Resonanz bei den Schülern (von Anfang an "echter Lehrer").


    Kann ich den Seiteneinstieg nun empfehlen?


    In Grenzen schon. Wer solides fachliches Wissen mitbringt und Freude am Umgang mit Jugendlichen hat sowie Arbeit nicht scheut (und ich meine damit keineswegs hauptsächlich das Seminar), sollte eigentlich schon klarkommen.


    Probleme sehe ich vor allem bei ehemaligen Dozenten, die Schulunterricht mit Lehrgängen verwechseln und selbst in Programmierung fast Vorlesungen halten. Wer sich da nicht umstellen kann, wird sicher Probleme bekommen. Ansonsten habe ich gute Erfahrungen mit Seiteneinsteigern gemacht, ich empfinde diese Lehrer (meistens im Alter zwischen 35 und 45) als Bereicherung für unsere Schulen. Die meisten Kollegien sehen das nach meiner Beobachtung auch so.


    Insgesamt gesehen halte ich den Seiteneinstieg für den anspruchsvollsten Weg zum Lehrerberuf; ich verhehle nicht, dass ich diesen Weg nicht hätte gehen wollen.


    Das "normale" Referendariat ist ohne Zweifel sehr stressig, der Seiteneinstieg ist noch eine Stufe mehr Arbeit und Stress, aber auch hier gilt: Mut zur (richtigen) Lücke erleichtert die Arbeit ungemein. Die fehlende pädagogische Uni-Ausbildung jedenfalls können die meisten Kandidaten durch Lebenserfahrung gut kompensieren.


    Gruß Andreas

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