Beiträge von endine

    Zitat :’unter uns’: „Noch einmal: Den Thread lesen.“


    Eine gute Idee – ich bedanke mich. So fand ich u. a.:


    Zitat ’unter uns’: „Für mich stellt sich die Situation so dar, dass ich jetzt erst einmal monatelanges Rechtschreibtraining machen werde. Es wird sehr frontal werden, sehr langweilig und mit sehr viel Druck funktionieren. Sehr "undidaktisch" also. Was man den Kindern vielleicht in der Grundschule erspart hat, kommt also jetzt. Einige werden an der Rechtschreibung scheitern - nicht nur, aber wesentlich auch.“


    Stellt sich die Frage: Werden „einige“ „wesentlich“ an der Rechtschreibung oder „wesentlich“ nun wegen Deines Unterrichts scheitern?


    Aktuelle Entwicklungen in der Pädagogischen Psychologie wie z. B. die des sog. 'neuen Konstruktivismus' verbieten Unterrichtskonzepte wie das von Dir hier vorgestellte und verlangen eine Neuorientierung. Die unterschiedlichsten konstruktivistischen Ansätze stimmen heute darin überein, dass Lernprozesse "mit der Bearbeitung bedeutungshaltiger, authentischer Probleme verbunden werden sollten, damit Wissen von Anfang an unter 'Anwendungsgesichtspunkten' erworben wird." (A. Krapp/B. Weidenmann (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. München 2006)


    Eine in diesem Sinne fortentwickelte Didaktik/Methodik vermag bei Kindern ein hohes Maß an intrinsischer Motivation auszulösen. 'Anwendungsgesichtspunkte' finden sich schon im guten Anfangsunterricht 'Sprache' von Anfang an: Die dem 'Anwendungsgesichtspunkt' zuwiderlaufende Gliederung des Faches 'Sprache' in voneinander isolierte Teilbereiche, - das ist Vergangenheit seit mehr als 60 Jahren: Lesestunden - Aufsatzstunden - Abschreiben von Texten (fernab von jeglicher unterrichtlicher Einbettung) - isolierter Rechtschreibunterricht - isolierter Grammatikunterricht.


    Dies noch zur Textgestaltung:


    Schon Grundschulkinder, erst recht natürlich Gymnasiasten, sollten in Sprachlernsituationen erleben und erfahren können, dass sie als Schreiber/Sprecher und Leser/Zuhörer ernst zu nehmende Kommunikationspartner in wechselnden Rollen sind, dass sie sich als Kommunikationspartner an bestimmte Kommunikationsregeln zu halten haben, damit Kommunikation funktionieren kann, dass sich das im Rahmen des integrativen Deutschunterrichts erworbene anwendungsorientierte Wissen und Können (in Rechtschreiben, Grammatik, Ausdruck, Rezeptionstechniken, ...) für eine reibungslos funktionierende Kommunikation als plausibel, notwendig und in der Anwendung als brauchbar erweist, dass ihre zunehmende Sprachkompetenz - in allen Bereichen des Schreibens und Lesens - der Schlüssel zur Sprachhandlungs-/ Kommunikationskompetenz ist - und sie zu sozialer Handlungskompetenz führt.

    Zwar verstehe ich Deine Frage nicht so recht, aber dennoch:


    Auf Deine Frage „Was würdet ihr Eltern in Kürze erzählen, damit sie einen guten Überblick erhalten, inwiefern sich der heutige Matheunterricht in der Grundschule von dem aus ihrer Kindheit verändert und weiterentwickelt hat?“ würde ich mit einem Satz aus dem Spiegel (Nr. 46 /09.11.09) antworten. Dort meinte der Mathematikprofessor Hans M. Dietz (Institut für Mathematik, Universität Paderborn) über seine Studenten: "Vor zehn Jahren fehlte es noch eher an höherer Mathematik, jetzt haben viele schon Probleme mit quadratischen Gleichungen oder dem Bruchrechnen. [...], schon die Rolle der Klammern ist nicht allen klar, obwohl das eigentlich in der vierten oder fünften Klasse gelernt worden sein sollte."


    Sicherlich sind quadratische Gleichunngen und Klammerrechnen nicht unbedingt Themen der Grundschule, aber ich denke, es wird verständlich, was Dietz gemeint hat.

    Hallo, Melosine,


    lieben Dank für Deine Rückmeldung. Ich verstehe sie auch als ein Plazet dazu, noch einmal etwas aus dem „Grundschulservice“ zitieren zu dürfen – wenn es denn nicht polemisch ist: Es geht um die vermuteten Hauptursachen für die Entwicklung der Rechtschreibkatastrophe und versteht sich als Fortsetzung des bereits oben Gesagten.


    Bei Claudia Zerahn-Hartung et al. finden wir: "Über mögliche Ursachen für den Rückgang der Rechtschreibleistung im Diktat 'Moselfahrt' können ebenfalls nur Vermutungen geäußert werden. [.....] Weitere Ursachen könnten neben Lese- und Fernsehgewohnheiten auch in schulischen Faktoren liegen – wie Didaktik, Rückgang der tatsächlich zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit für Orthographie aufgrund von veränderten Lehrplänen, erhöhter Unruhe in den Klassen oder Stundenausfall. Auch führt die im Vergleich zu 1968 insgesamt deutlich höhere Zahl an Abiturienten im Jahr 1995 nicht zu einer Verbesserung der Rechtschreibleistung im R-T Diktat 'Moselfahrt'. Auf motivationaler Seite ist denkbar, dass 'üben, üben, üben' der korrekten Schreibweise von Schülern, Lehrern und Eltern als langweilig oder unkreativ geringgeschätzt wird. Dies könnte einhergehen mit der Überzeugung, daß der Inhalt eines Textes wichtiger sei als die Form und die Rechtschreibkontrolle eines Textverarbeitungsprogramms ohnehin das Korrigieren übernimmt."


    Prof. Dr. Wolfgang Schneider [Hrsg.] "Über die möglichen Ursachen für den Leistungsrückgang während der letzten vier Jahrzehnte lässt sich nur spekulieren. [.....] Es dürfte allerdings sicherlich eine Rolle spielen, dass es den früher häufiger erlebten 'Drill' und den Fokus auf konzentriertes Üben beim Rechtschreiberwerb heute so nicht mehr gibt. [.....] Diese und andere Umstände haben insgesamt dazu beigetragen, dass sich das durchschnittliche Niveau der Rechtschreibkompetenz im Vergleich mit den späten sechziger Jahren deutlich verschlechterte. Gerade im unteren Leistungsbereich hat dies inzwischen zu problematischen und von beruflichen Ausbildungsinstitutionen wohl zu Recht beklagten Verhältnissen geführt."


    Alexander Geist nannte als Hauptursache für die Entwicklung in die Rechtschreibkatastrophe: die didaktischen und methodischen Fehlentwicklungen, u. a. fehlende Systematik, unreflektierter Einsatz der Spielmethodik, der übermäßige Einsatz von Arbeitsblättern, kurzum: der Unterricht.


    Auch Prof. Dr. Wolfgang Steinig et al.stellen in ihrer "Studie zur Diachronie schulischen Schreibens" Vermutungen zu den Ursachen für den Niedergang des Rechtschreibunterrichts in der Schule an:


    1. Die Leistungsanforderungen sind seit den 70er Jahren erheblich abgesenkt worden (Beispiel Lehrpläne Grundschule NRW): Das Fazit Prof. Dr. Wolfgang Steinigs: "Die Anzahl richtig zu schreibender Wörter wurde für Viertklässler um 60 bis 67 Prozent gesenkt und im Gegenzug nahmen die Fehlerzahlen um 77 Prozent zu."


    2."Als wesentlichen Grund für diesen außergewöhnlich hohen (Fehler-)Anstieg sehen wir den Rückgang von Instruktions-, Lern- und Übungszeit, die im Deutschunterricht auf die Rechtschreibung verwandt wird."


    3. "In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen, die vor diesem konstruktivistischen Wunderland des Schreibens warnen. In empirischen Untersuchungen wird zunehmend deutlicher, dass 'Risikokinder' des Schriftspracherwerbs mit offenen, schülerorientierten, an Selbststeuerung, Eigenaktivität und Erfahrung mit Schriftlichkeit orientierten Konzepten zu wenig gefördert werden können, so dass sich der Abstand zwischen guten und schlechten Schreibern vergrößert." [.....] Der Unterricht in den 1970er Jahren war noch durch intensive Instruktion und systematisches Üben gekennzeichnet, so dass es bei 'Risikokindern' nicht zu den Defiziten kam, wie wir sie 30 Jahre später in den Texten von Kindern aus der Unterschicht beobachten konnten. Die Öffnung des Unterrichts, Selbststeuerung und kreative Schreibphasen kommen dagegen vor allem Kindern aus der Mittelschicht zugute. Sie sind die Gewinner der konstruktivistischen Didaktik."


    4. "In den 1990er Jahren kam die Konzeption prozesshaften Schreibens mit integrierten Phasen der Überarbeitung hinzu. Der Schreibprozess mit seinen unfertigen und fehlerhaften Zwischenstadien wurde aufgewertet. Formale Aspekte wie Rechtschreibung oder eine 'schöne' Schrift traten gegenüber Schreibzielen und -inhalten zurück. Insbesondere für das kreative Schreiben wurde gefordert, dass die Entwicklung von Gedanken und Formulierungen nicht durch Probleme bei der Suche nach der korrekten Schreibung von Wörtern gestört werden sollte."

    Hallo, Melosine,


    in den Forenregeln lese ich:

    „Schreibberechtigt sind Lehrer, die Aufgrund ihrer Ausbildung hauptberuflich den Unterricht für Schüler auf staatlich anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden (Hoch)Schulen leiten dürfen (bzw. durften - (bei Pensionären). Ebenso schreibberechtigt sind Personen, die sich zur Zeit in einer Ausbildung befinden, welche oben genanntes Ausbildungsziel anstrebt.“


    Ich versichere, dass ich, "endine", diesem oben genannten Personenkreis angehöre.


    Daher bitte ich um eine solide Begründung, weshalb Du mir ganz offensichtlich die Schreibberechtigung entziehen möchtest. Ich sehe auch nicht, dass meine ohne jegliche Polemik vorgetragenen Zitate aus dem „Grundschulservice“ - in diesem Thread wurde übrigens auf diese Seite verwiesen! - gegen Recht und gute Sitte verstoßen.


    Ich bitte daher um einen sachlichen Umgang mit meinen Zitaten, wohlwissend, dass ich als einfacher Foren-Teilnehmer demokratische Spielregeln nicht einfordern kann.



    endine

    Schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrzehnts überprüften zwei junge Wissenschaftlerinnen der Universität Heidelberg, Claudia Zerahn-Hartung und Ute Pfüller,den Wahrheitsgehalt der Klagen über die sinkenden Leistungen in Rechtschreiben. In 1995 ließen sie 592 junge Erwachsene (16-30-jährig) aus verschiedenen Berufsgruppen einen Rechtschreibtest absolvieren, wie er unter denselben Bedingungen schon 1968 mit einer Testgruppe durchgeführt worden war, bekannt geworden ist das Testdiktat unter dem Namen " 'Moselfahrt'-Diktat". Ergebnis: Die Probanden schrieben doppelt so viele Wörter falsch wie damals. Während seinerzeit 5 % der Arbeiten mit „ungenügend“ bewertet werden mussten, waren es jetzt 39,1 %. Zählt man die 9,1 % der mit „mangelhaft“ zu bewertenden Arbeiten hinzu, ergeben sich, an dem damaligen Berechnungsmodus gemessen, 48,2 % nicht ausreichender Rechtschreibleistungen: Nahezu die Hälfte aller Probanden erzielte also nicht einmal ausreichende Ergebnisse.


    Zu ähnlichen Ergebnissen, beschrieben von Prof. Dr. Wolfgang Schneider, kam die LOGIK-Studie, eine Longitudinalstudie zur Genese individueller Kompetenzen, die im Jahre 1984 begonnen und 2004 abgeschlossen wurde. In seinem Aufsatz heißt es u. a. : "..... . Dies impliziert, dass mehr als 60% der LOGIK-Probanden mit ihrer heutigen Testleistung vor 35 Jahren als relativ rechtschreibschwach eingestuft worden wären. Die Befunde entsprechen denen von Zerahn-Hartung et al. (2002), die für ihre Stichproben einen mittleren Fehlerwert von 19.8 Fehlern berichtet hatten."


    In 2001 führte der Schulpsychologe Alexander Geist eine ähnliche Untersuchung durch. Diesmal waren die Probanden ausschließlich Gymnasiasten der 5. Klasse. Sein Befund: Während die Ergebnisse in den 60er Jahren der Normalverteilung (nach Gauß) entsprachen, müssten heute, etwa 40 Jahre später, etwa 40 % der Gymnasiasten aus der 5. Klasse als rechtschreibschwache Schüler oder Legastheniker eingestuft werden. Hinzurechnen müsste man eigentlich noch die Zahl der rechtschreibschwachen Realschüler und Hauptschüler. Real- und Hauptschullehrer hatten Alexander Geist von einer Untersuchung dieser Schülergruppen abgeraten, um eine Katastrophe zu vermeiden: Schüler dieser Schulformen wären unsagbar überfordert gewesen. Sind unsere Kinder also dümmer geworden? Das Gegenteil ist der Fall! Die oben genannten Forscherinnen Claudia Zerahn-Hartung und Ute Pfüller betonten in diesem Zusammenhang, dass die sprachfreie Intelligenz seit 1977 von 100 auf 111 IQ-Punkte angewachsen ist.


    Unmittelbar nach dem Fall der Mauer wurden vergleichende Studien zur Rechtschreibung in Ost und West (im Stadtstaat Hamburg) durchgeführt. Ergebnis: Die Rechtschreibung im Osten war deutlich besser als im Westen (im Stadtstaat Hamburg). Peter May bilanzierte:"Bezüglich der Rechtschreibsicherheit bei vorgegebenen Wörtern und Sätzen zeigen die ostdeutschen Kinder in allen Klassen deutliche Vorteile, wobei die Unterschiede zu den Hamburger Kindern im Laufe der Grundschulzeit wachsen. Die Unterschiede bleiben auch dann enorm, wenn die - in Hamburg wesentlich häufigeren - Ausländerkinder aus dem Vergleich ausgeklammert werden. Der Anteil von Schülern mit Rechtschreibleistungen, die nach Hamburger Kriterien als überdurchschnittlich einzustufen sind, ist schon gegen Ende der ersten Klasse höher und steigt bis gegen Ende der Grundschulzeit auf etwa 60 Prozent. Gleichzeitig ist die Gruppe der schwachen Rechtschreiber in der DDR zahlenmäßig gering, und extrem schwache Rechtschreiber finden sich dort äußerst selten." "Bezüglich der Rechtschreibung in Aufsätzen zeigen sich die DDR-Kinder am Ende der vierten Klasse den Hamburger Kindern im Mittel deutlich überlegen: 95,4 % aller Wörter der DDR-Kinder enthalten keine Rechtschreibfehler (in Hamburg: 86,3 %). Noch deutlicher werden die Unterschiede, wenn man nur die verschiedenen Wörter (ohne Eigennamen) betrachtet: 92,4 % (DDR) vs. 77,8 % (im Westen) der verschiedenen Wörter enthalten weder Rechtschreib- noch Grammatikfehler." Eine Studie 15 Jahre später ergab: Mittlerweile war die Rechtschreibung im Osten genau so schlecht wie im Westen.


    In 2009 veröffentlichten Prof. Dr. Wolfgang Steinig et al. eine "Studie zur Diachronie schulischen Schreibens". Dabei ging es um einen Vergleich von Texten, die 1972 und 2002 in vierten Grundschulklassen geschrieben wurden: nach den gleichen Verfahren, sogar auf dem gleichen Schreibpapier, an den gleichen Schulen in Dortmund und Recklinghausen - nur lagen eben dreißig Jahre dazwischen. Die Ergebnisse aus dieser Studie sprechen eine eindeutige Sprache (Zitat W. Steinig et al., ebd.): "Die Fehlerzahl ist im Untersuchungszeitraum um 77% gestiegen: 1972 kamen auf 100 Wortformen 6,94 orthographische Fehler, 2002 waren es 12,26 Fehler. Mithin ist der Anstieg wesentlich höher ausgefallen als wir vermutet hatten. Auch dann, wenn man 2002 nur einsprachige Schüler berücksichtigt, fällt der Anstieg nicht wesentlich geringer aus. Mit der erwartungsgemäß höheren Fehleranzahl bei zweisprachigen Kindern lässt sich demnach der Fehleranstieg für die gesamte Gruppe nur zu einem geringen Teil erklären." Auch ihre Vermutung, dass die Fehlerzahlen damals in 1972 weniger stark streuten als 2002, fanden W. Steinig et al. bestätigt.


    In FOCUS-SCHULE-online ließ kürzlich die FOCUS-SCHULE-Redakteurin Simone Scheufler den Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Günther Thomé von der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, der die Rechtschreibmisere an unseren Schulen gründlich untersucht hat, zu Wort kommen. Nach seinen Befunden ist die Rechtschreibung von Kindern und Jugendlichen schlecht wie nie. "Die Hälfte der Schüler ist heute rechtschreibschwach, wenn sie aus der Schule kommen", sagte Günther Thomé. "Sie haben so große Probleme, dass man ihre Orthografie mit der Note 5 bewerten müsste."


    Nach den Hauptursachen für diese Entwicklung in die Rechtschreibkatastrophe wird gesucht: Es gibt zahlreiche Vermutungen, die zu nennen könnte weitere Diskussionen auslösen .














Werbung