Habe ganz gute Erfahrung mit eher ferkeligen Barock-Gedichten gemacht (das Klett-Themenheft Barock ist eine sehr gute Sammlung), und die ganzen halb Jungfrau-halb Totenkopf - Darstellungen sind schon recht fetzig. Sinnvoll auch: Lebensumstände im 30jährigen Krieg recherchieren lassen. An Liedern fällt mir ein:
So ziemlich alles von "Dead can Dance" - geht nix über Grufti-Mucke
Wenn's auch mal ein Liedermacher sein darf: "Ich will Gesang, will Spiel und Tanz, will, dass man sich wie toll vergnügt" usw. von Klaus Hoffmann
Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Allegorisches Sonett
Amanda, liebstes Kind, du Brustlatz kalter Herzen,
Der Liebe Feuerzeug, Goldschachtel edler Zier,
Der Seufzer Blasebalg, des Trauerns Löschpapier,
Sandbüchse meiner Pein und Baumöl meiner Schmerzen,
Du Speise meiner Lust, du Flamme meiner Kerzen,
Nachtstühlchen meiner Ruh, der Poesie Klistier,
Des Mundes Alekant, der Augen Lustbrevier,
Der Komplimenten Sitz, du Meisterin der Scherzen.
Der Tugend Quodlibet, Kalender meiner Zeit,
Du Andachtsfackelchen, du Quell der Fröhlichkeit,
Du tiefer Abgrund du voll tausend guter Morgen,
Der Zungen Honigseim, des Herzens Marzipan,
Und wie man sonsten dich mein Kind beschreiben kann.
Lichtputze meiner Not und Flederwisch der Sorgen.
Paul Fleming: Wie er wollte geküsset sein
Nirgends hin als auf den Mund:
Da sinkt’s in des Herzens Grund;
Nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
Nicht mit gar zu fauler Zungen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel:
Beides wird sonst Kinderspiel;
Nicht zu laut und nicht zu leise:
Bei dem Maß ist rechte Weise.
Nicht zu nahe, nicht zu weit:
Dies macht Kummer, jenes Leid;
Nicht zu trocken, nicht zu feuchte,
Wie Adonis Venus reichte.
Nicht zu harte, nicht zu weich,
Bald zugleich, bald nicht zugleich,
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
Nicht ohn Unterschied der Stelle.
Halb gebissen, halb gehaucht,
Halb die Lippen eingetaucht,
Nicht ohn unterschied der Zeiten,
Mehr alleine denn bei Leuten.
Küsse nun ein jedermann,
Wie er weiß, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,
Wie wir uns recht sollen küssen.
Paul Fleming (1609-1640), Conrady S. 84
Zur Form des Sonetts auch immer wieder der Renner:
Robert Gernhard
Materialien zu einer Kritik
der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs
Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut
hat, heute noch so’n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut
darüber, daß so’n abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichserein blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.
Schau dir wirklich mal das Klett-Heft ("Zwischen Sinnenfreude und Jenseitssucht") an - Kochrezepte, höchst Interessantes zum Widerstand der Moralisten gegen die Einführung der Drogen Kaffee und Schokolade, Spruch- und Bilderrätsel...sollte klappen.
Viel Spaß,
w.