Hm, ich habe den Eindruck, deine Erwartungen an ein Zeugnis sind recht hoch. Ein Zeugnis, egal ob in Berichtform oder als Ziffernzeugnis ist nicht mehr als eine grobe Zusammenfassung über den Leistungsstand eines Schülers. Eine Versetzung wurde doch ausgesprochen, von daher hat dein Kind die Bescheinigung in der nächsten Klassenstufe mitarbeiten zu können. Das ist erstmal gar nicht alarmierend, sondern darüber könnt ihr euch beide doch sehr freuen! Es war doch offenbar nicht zu erwarten, sonst wäre dein Kind nicht zur Überprüfung gemeldet worden.
Allerdings wird dennoch deutlich, dass weiterhin große Defizite vorhanden sind. Das dürfte aber doch eigentlich auch keine Überraschung sein. Die Arbeit, die du leistest, ist offenbar sehr wirkungsvoll und wird sogar anerkannt, indem dir ausdrücklich geraten wird, sie fortzuführen. Das finde ich sehr positiv.
Wenn ein Kind solche intensive Förderung benötigt, kann allerdings kaum ein Lehrer genau vorhersagen, ob das ausreicht oder ob nicht doch im Laufe des Schuljahres zusätzliche Förderung notwendig wird oder nicht. Entwicklung ist einfach nichts, was man exakt voraussagen kann.
Für Genaueres, gerade im Rahmen dieser intensiven Förderung, die du deinem Kind zukommen lässt, würde ich sowieso dazu raten, Rücksprache mit dem Lehrer zu halten.
Ich glaube dir übrigens durchaus, dass du nach der 1. Klasse noch nicht auf ein Überprüfungsverfahren hingewiesen wurdest. Ich finde das auch immer wieder eine zweischneidige Sache. Viele Eltern geraten regelrecht in Panik, wenn man so etwas frühzeitig andeutet und reagieren sehr ablehnend, was die weitere Förderung des Kindes u.U. sehr erschwert. Gerade in den ersten beiden Schuljahres ist zudem sehr sehr schwer einzuschätzen, wie sich das Kind weiter entwickelt. Erfahrungsgemäß sind Grundschullehrer daher einfach sehr vorsichtig mit dem Hinweis auf ein mögliches Überprüfungsverfahren.
Nicht zu verschweigen ist allerdings auch, dass manchmal eine Überlastung der Lehrer hinzu kommt. So eine Meldung bedeutet für den meldenden Lehrer einen Batzen Arbeit und Termindruck und ich kann mir gut vorstellen, dass den Eltern dann nicht rechtzeitig Bescheid gegeben wird. Ziemlich ungünstig und verdammt blöd für die Eltern, aber ich habe das Gefühl, das kommt leider oft vor.
Ich habe erst neulich eine Lehrerin einer 5. Klasse beraten, die selbst wahnsinnig unsicher war, was die Meldung betrifft. Wir haben uns nach einer Hospitation und nach einem Gespräch für eine Meldung entschieden und bei der Vorarbeit für die Meldebögen kam raus, dass sie den Eltern noch gar nichts gesagt hatte. Klar, Gespräche über Konflikte, aber Hinweise auf das weitere Vorgehen hatte sie einfach vergessen. War auch bei ihr überhaupt nicht böse gemeint und sie kam mir auch nicht inkompetent vor, aber mit ihren knapp 30 Stunden in der Woche und 28 nicht gerade einfachen Schülern schien sie leicht überfordert. Finde ich aus der Warte einer Kollegin völlig nachvollziehbar. Die Qualität unserer Arbeit leidet einfach unter der ständigen Mehrarbeit, die wir aufgedrückt bekommen.
Da es allerdings auch nur einen Meldetermin im Jahr gibt, wird zudem oft sehr kurzfristig entschieden, ein Kind doch zu melden. Man schwankt, ist sich nicht sicher und bevor man ein Jahr ohne Förderung vergehen lässt, entscheiden sich viele Grundschullehrer dann doch manchmal recht schnell zu einer Meldung. Ich persönlich sehe da natürlich kein größeres Problem darin, denn so eine Überprüfung schadet keinem Kind, aber ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass es für die betroffenen Eltern erst einmal ein Schock ist.
Was allerdings wirklich verwunderlich ist, sind die Widersprüche, die plötzlich im Antrag zum Überprüfungsverfahren auftauchen. Sowas dürfte eigentlich nicht passieren und müsste während der Überprüfung eigentlich auch aufgefallen sein, da ich als überprüfende Sonderschullehrerin auch einen Blick auf's letzte Zeugnis werfe.
Das, was du in Mathe beschreibst, deutet für mich zunächst mal nicht auf L-Schule hin. Allerdings reicht das u.U. auch nicht für eine eindeutige Empfehlung aus. Du und die Lehrerin, ihr habt ein umfangreiches Bild von eurem Kind und seine Schwierigkeiten. Ich weiß weder welche Lösungswege dein Kind benutzt, noch habe ich Vergleichsmöglichkeiten mit den anderen Kindern der Klasse. Ein Ergebnis kann ganz unterschiedlich interpretiert werden, wenn man alle Rahmenbedingungen und alles weitere Wissen einbezieht.
Daher auch hier wieder meine Empfehlung: Frag am besten die Lehrerin deines Sohnes. Wir können hier leider nicht mehr als spekulieren.
Ich hoffe, das kommt jetzt nicht zu abweisend rüber. Mir ist völlig klar, dass du dir als offensichtlich sehr engagierte Mutter viele Gedanken machst und wahrscheinlich würde ich an deiner Stelle auch erstmal soviel rauszukriegen versuchen, wie nur möglich. Ich habe nur im Moment das Gefühl, dass wir dir hier abschließend nichts Sicheres sagen können.
LG
Mia (die heute offenbar ihren Schwafeltag hat
)