Einspruch.
Nicht das Deputatsmodell ist von Übel, sondern die Wahrnehmung der Außenstehenden - und oft auch die Selbstdarstellung mancher Kollegen.
Wer von sich behauptet, er müsse 26 Stunden arbeiten ist selbst schuld, wenn ihm ein normaler Arbeiter entgegenhält, dass er dagegen 40 Stunden arbeiten müsse.
Den Schluss Unterrichtsstunden=Wochenarbeitszeit publizieren wir doch meist selbst.
Wenn mich jemand fragt, wie viel ich arbeite, sage ich ihm: "Ich muss 26 Unterrichtsstunden halten und vorbereiten. Dazu 26 Aufsätze von Hauptschülern entziffern und korrigieren, 26 Mal denselben Fehler in der Englischarbeit anstreichen, 26 Mal im Bio-Test herausfinden, ob die Antwort etwas mit meiner Frage zu tun hat, 26 Mal bei der Korrektur der Mathearbeit daran zweifeln, ob ich richtig rechne oder die Schüler (hat die Masse nicht doch Recht?), 22 Mal Hefte durchsehen (4 geben in der Regel nicht ab) ... im Technikraum das Material für das nächste Werkstück zurechtsägen, die Arbeiten aus dem Kunstuntericht beurteilen und nebenbei das Computernetzwerk mit 60 Rechnern am Laufen halten... dazwischen Streit schlichten, richten, anklagen, trösten, aufrichten, zurechtstutzen, Eltern anrufen und zwischendurch Luft holen...." Korrekturfachlehrer? Was ist das?
Das Deputatsmodell ist die einzig mögliche Festlegung von Lehrerarbeitszeit - alles andere ist von Übel.
Sollen wir in Zukunft verpflichtet werden persönliche, nach Minuten aufgeschlüsselte Tagebücher über unsere Tätigkeiten zu führen? Da kommt zur normalen Tätigkeit noch eine Stunde Buchführung pro Tag für den Arbeitszeitnachweis hinzu.
Ich stelle mir das mal vor:
14.45-14.52: Idee zur Gestaltung der Biologiestunde am Mittwoch gehabt. Im Internet nach Material dafür gesucht.
14.53: Idee wegen nicht ausreichendem Material wieder verworfen.....
14.54-14.58 Kaffepause
14.59-15.12 Kaffepause unterbrochen - neue Idee! Material gesucht und gefunden
15.12-15.24 Mischtätigkeit (hälftige Anrechnung) mit meiner Frau Kaffee getrunken und gleichzeitig über die Biologiestunde geredet...
Oh heiliger St.Bürokratius!
Oder werden den Lehrern Transponder um den Hals gelegt, die genau registrieren, wann gearbeitet wird? Das wär's doch - die vollautomatische Arbeitszeiterfassung. Vielleicht lässt sich sowas ja über die Messung des Adrenalinspiegels verwirklichen.... der vollüberwachte Lehrer....
Verpflichtende Präsenzzeiten in der Schule mit Stechuhr - hebt das den Unterrichtserfolg oder verbessert das irgendwas? Dann aber bitte auch einen Raum in jeder Schule mit Hängematten, damit die Kollegen, die nach dem Unterricht zunächst ausgepowert sind, sich kurz erholen können. Die kollektive Entspannung - das neue Wir-Gefühl..... das Kollegium schnarcht gemeinsam. Sowas verbindet.
Wir brauchen kein neues Arbeitszeitmodell, sondern Anrechnungen für bestimmte, durch Korrekturen und Zusatzaufgaben stärker belastete Kollegen. Was wir ebenfalls brauchen ist die Abschaffung des überkommenen Beamtenmodells, das ein Streikverbot beinhaltet. Hier besteht Hoffnung, das der europäische Gerichtshof ein Machtwort spricht und diese Beschneidung der Arbeitnehmerrechte abschafft. Dies bedeutet nicht die Abschaffung des Beamtenstatus. Sobald Beamte - wie in anderen Ländern Europas - für die Durchsetzung ihrer Rechte streiken dürfen, werden Leute wie Wulff mit ihren Gedankenspielen vorsichtiger - und der Lehrerberuf vielleicht attraktiver.