Chemie war bei mir sehr viel speziell für Lehramt. Aber auch da 2 Vorlesungen die Stoff haben, welcher für die Schule nicht relevant ist. Dafür hat man andere Modelle, die eher nötig sind nicht behandelt.
Eigentlich wollte ich mich inhaltlich zu der Diskussion gar nicht mehr äußern, weil ich das schon so oft getan habe. Aber diese Aussage betrifft genau mein Kernargument in dieser Sache:
Ich habe in meinem Studium (Germanistik/Anglistik) kaum Dinge gemacht, die ich inhaltlich in den Lehrplänen wiederfinde. Da geht es in Englisch um Grammatikregeln, um Multiculturalism, um Apartheid etc. In Deutsch geht es um Aufsatzarten wie Inhaltsangaben, Erlebniserzählungen, Gedichtanalysen oder um Schulgrammatik oder um klassische Schullektüren, angefangen bei Krabat bis hin zu Faust oder Homo Faber. Nicht eines dieser Themen habe ich im (Haupt-)Studium in irgendeinem Seminar behandelt. Da hatte ich Seminare zu Thomas Mann, zur sog. Kasusgrammatik (die mit Subjekt/Prädikat/Objekt) nichts zu tun hat oder zu frühneuhochdeutschen Bibelübersetzungen. In Englisch hatte ich Seminare zu Morphologie ("Bausteine" von Wörtern), zur Kultur von Irland und zu "English as a World Language!
Mein Dauerargument ist jetzt aber, dass ich durch diese sehr speziellen Seminare gelernt habe, wie meine Fächer "funktionieren": Ich weiß, wie Sprache aufgebaut ist und habe linguistische Denk- und Herangehensweisen entwickelt. Ich kenne die Strukturelemente von Literatur und literaturwissenschaftliche Methoden zur Analyse und Interpretation. Ich habe verstanden, was der Begriff "Kultur" bedeutet und kann mich jeder Kultur mit interkulturellen und zum Teil sogar anthrologischen Fragestellungen nähern.
Und das brauche ich jeden Tag für meine Unterrichtsvorbereitung. Denn dieses Wissen hilft mir, mich eben damit zu beschäftigen, wie so eine banale Erlebniserzählung oder auch eine Gedichtanalyse aussehen müssen, um wesentliche Dinge abzuprüfen. Ich kann mir nahezu jeden Text selbständig und schnell erschließen, egal ob es Krabat ist oder die "Iphigenie auf Tauris". Ich weiß, worauf ich achten muss, wenn im Lehrplan plötzlich Kanada auftaucht, obwohl ich mich mit diesem Land noch nie Beschäftigt habe.
Und weil ich eben immer fachwissenschaftlich das große Ganze im Blick haben kann, weiß ich, wie ich meine Sequenzen aufbauben muss, wo mögliche Fallstricke für Schüler entstehen, wo ich "Abkürzungen" (aka didaktische Reduktion) nehmen kann und wo ich es den Schülern nicht ersparen kann, sich durch schwierige, abstrakte Inhalte durchzubeißen. Dafür brauche ich das Wissen aud dem Thomas Mann Hauptseminar und sogar die ätzend langweiligen Bibelübersetzungen sind Teil dieses Fachwissens.
Und letztlich hilft mir dieses umfangreiche Fachwissen dabei, Schülerantworten richtig einzuordnen und darauf zu reagieren. Auch bei Korrektur und Bewertung. Sonst könnte ich nur "Kochrezpte" unterrichten und bewerten: "Als ersten Schritt müsst ihr das Metrum bestimmen. Alles andere ist falsch...". Das wäre furchtbar und würde meinen Fächern nicht im Geringsten gerecht werden.
Das hat übrigens mit ausgefallenen Schülerfragen oder (insg. auch eher trivialen) LK-Ansprüchen überhaupt nichts zu tun. Das ist meine berufliche Realität, egal ob ich in der fünften Klasse unterrichte oder Abitur korrigiere.
Und jetzt frage ich mich, ob das in den MINT-Fächern wirklich so viel anders ist. Brauche ich da denn kein vertieftes Verständnis für die Systematik des Fachs - auf einer abstrakten Ebene, die ich niemals im Unterricht verbalisieren werde - um meinen Unterricht angemessen planen und durchführen zu können? Irgendwie will ich das nicht glauben.
So, jetzt habe ich mich doch wieder hinreißen lassen. Liegt aber auch daran, dass ich eigentlich korrigieren wollte.