Frage 1: Wenn man Englischlehrer ist, und hat als Zweitfach ein zweites Korrekturfach, also Deutsch oder Französisch, ist man dann während seines Berufslebens immer neidisch auf Lehrer die keine Korrekturfächer oder nur eins haben, auch wenn man die beiden Fächer genommen hat, die man am meisten mag, oder ist das nur Gerede und im Endeffekt ist der Unterschied nicht sooo groß?
Es geht ja nicht um Neid. Okay, manchmal schon - wenn man in Stressphasen stark am rotieren ist, dann schielt man vielleicht schon mal auf Kollegen mit Nebenfächern und ertappt sich bei einem Moment des Neids. Aber eigentlich geht es eher um die eigene Belastung. Was mir von Anfang an an deinen Posts aufgefallen ist, war dass du immer wiederholst, wie gerne du Aufsätze korrigieren möchtest. Lass dir gesagt sein: Die überwiegende Mehrheit der Korrekturfachlehrer, vor allem der Deutschlehrer, würde das Korrigieren als den schlimmsten Teil des Berufes ansehen. Nicht wenige, die prinzipiell an ihrem Beruf und an ihren Fächern Freude haben, würden das Korrigieren als den einzigen Nachteil des Jobs bezeichnen. Ich habe in 15 Jahren Berufspraxis noch nicht einen Kollegen gehabt, der gerne korrigiert. Nun kann es schon sein, dass du die große Ausnahme bist - das meine ich ganz ironisch. Aber das kannst du jetzt noch nicht wissen, weil du einfach noch nicht die Erfahrung gemacht hast, wie es ist, 25-30 schlecht formulierte, schlecht strukturierte Texte über banale Erkenntnisse lesen, dekodieren, verbessern und differenziert bewerten zu müssen. Das meine ich nicht mal abwertend gegenüber den Schülern - ihnen fehlt eben die Erfahrung beim Verfassen tiefgründiger, rhetorisch ausgefeilter Texte. Dieses Verständnis für die SuS macht es aber für mich bei der Korrektur nicht angenehmer. Und als Korrekturfachlehrer hast du nicht alle paar Wochen mal so einen Klassensatz, sondern du hast zwischen Ende September und Mitte Juni IMMER mindestens zwei bis drei solcher Stapel auf dem Schreibtisch liegen, so dass du gleichzeitig immer den Zeitdruck hast. (Es gibt eine kurze Pause von ca. 2-3 Wochen um das Halbjahreszeugnis herum). Da dürfte auch vielen Idealisten die Lust am Korrigieren von Aufsätzen vergehen. Ob das bei der Fall sein wird, weiß keiner. Die Wahrscheinlichkeit ist meiner Erfahrung nach aber recht hoch.
Dazu kommt, dass - bei mir zumindest - die Belastung durch Korrekturen so viel Energie frisst, dass alle anderen "Baustellen" (Unterrichtsvorbereitung; Elternarbeit; päd. Arbeit; außerunterrichtliches Engagement; Extraaufgaben an der Schule) eklatant darunter leiden, was zu weiterer Unzufriedenheit führt, den in der Regel sind wir ja alle mit einem gewissen Idealismus angetreten und wollen unseren Job gut machen. Das birgt hohes Frustrationspotential.
Jetzt die gute Nachricht: Man kann lernen, damit umzugehen. Man findet besseres Zeitmanagement, man entwickelt Korrekturstrategien, man baut sich einen Fundus an Unterrichtsmaterialien auf etc. etc. Allerdings bleibt die "große Einsamkeit", wenn man bei der stupiden Korrekturarbeit am Schreibtisch sitzt und das Gefühl, dass man seine Zeit so viel besser damit verbringen könnte, sich anderen Aufgaben zu widmen.
Wie gesagt, wie sehr dich das alles betreffen wird, weiß keiner. Allerdings muss dir bewusst sein, dass du wirklich, wirklich die große Ausnahme wärst, wenn du dir mittelfristig weiterhin die Lust am Korrigieren erhalten könntest.
Frage 2: Merkt man als Hauptfach-Lehrer oft, wie sich Nebenfach-Lehrer darüber freuen, dass sie viel weniger zu tun haben als man selber?
Wenn man ein halbwegs normales Kollegium hat, dann wird sich der Nebenfachlehrer nicht gerade spottend ins Lehrerzimmer stellen und darüber schwadronieren, dass er ja nichts arbeitet. Aber ernsthaft: Es ist ja nicht so, dass nur die Korrekturfachlehrer etwas arbeiten. Andere Fächer haben ihre eigenen Belastungen. Mit 30 präpubertären Kindern in einer hallenden Sporthalle halbwegs geordneten Sportunterricht abzuhalten, ist sicherlich auch nicht gerade ein Ponyhof. Als Musiklehrer zum Ende des Schuljahres hin mit ausgelaugten Schülern neben dem Unterricht Auftritte auf Sommerfest, bei Theateraufführugnen etc. einzüben, während sich dann die Korrekturfachlehrer endlich den eingewachsenen Rotschrift amputieren haben lassen und an die konkrete Urlaubsplanung gehen, dürfte auch ziemlich kräftezehrend sein. Und Wenn man Geschi/Geo unterrichtet, dann hat man zwar in der Sek I keine Klausuren, dafür aber bis zu 12 Lerngruppen (im Gegensatz zu den 4-6 Lerngruppen, die die Hauptfachlehrer in der Regel haben). Das bedeutet Mehraufwand bei der Verwaltung, mehr Notenkonferenzen etc. Natürlich hat man immer das Gefühl, dass man selbst besonders benachteiligt ist - bei mir liegt es daran, dass ich alles, alles lieber machen würde als zu korrigieren - aber auch wenn manche Kombinationen (möglicherweise) schon besonders belastet sind, ist es ja nicht so, dass manche Kollegen 10% und andere 140% geben. Okay, das ist schon so, aber das hängt eher an den Persönlichkeiten als an den Fächern.
Frage 3: Ist man als Lehrer an nicht-Gymnasien oft neidisch auf Gymnasiallehrer weil die eigentlich einen einfacheren Job haben?
Ich bin Gymnasiallehrer, deshalb antworte ich mal allgemeiner: Es gibt immer wieder Diskussionen, an welcher Schulart man nun mehr und an welcher man wengier arbeiten muss bzw. wo der Job einfacher ist. Du wirst viele Gymnasiallehrer finden, auch hier im Forum, die es genau andersherum sehen: [/Übertreibung on/]Der Gymnasiallehrer ist viel mehr belastet, da er auf fachlich viel anspruchsvollerem Niveau unterrichten muss, stundenlange anspruchsvolle Korrekturen stemmt, die Ausbildung der zukünftigen Akademiker verantwortet und das längere, fachlich anspruchsvollere Studium absolviert hat. Die Grundschulkollegen studieren nur kurz, indem sie ein paar billige Seminare belegen, müssen niemals irgendwas korrigieren und ihre Unterrichtsvorbereitung besteht aus basteln und laminieren. Außerdem können sie spätestens um 13 Uhr nach Hause gehen. [/Übertreibung off/]
Das ist natürlich totaler Schwachsinn und wer solche Argumente bringt, zeigt, dass er keinen Zentimeter über den eigenen Tellerrand hinausschauen kann. Auf jeder Schulart sind die Kollegen stark belastet, überall allerdings in verschiedenen Bereichen: pauschal gesagt entweder eher fachlich oder eher pädagogisch (- das ist stark generalisiert und müsste für die einzelnen Schularten ausdifferenziert werden). Diese Belastungen zu quantifizieren ist schwer bis unmöglich. In meiner Wahrnehmung ist das aber so in etwa ausgeglichen, bzw. hängen die konkreten Belastungen eher von den Rahmenbedingungen (Lage der Schule; Schülerklientel; Elternschaft; Kollegium; Schulleitung) ab als von der Schulart. Der eigentliche Skandal ist und bleibt die ungleiche Bezahlung zwischen den Schularten (A13/A14 für Gym; A12 für GS). Hier kann ich mir einen gewissen Neid der GS-Kollegen vorstellen und hier ist er auch gerechtfertigt.