lieber Buntflieger, ich glaube dir, dass du derzeit eine blöde Zeit durchmachst. Ich stimme dir sogar in einigen Punkten zu. Z.B. bei den anonymen Evaluationen.
Bei uns gab es sogar anonyme Evaluationen und wir haben alle unsere Kritikpunkte vorgebraucht, natürlich möglichst konstruktiv formuliert. Unsere Gruppensprecher haben eine online-Umfrage gestartet und die Ergebnisse dann zusammengefasst an die Seminarleiter weitergegeben. Ich würde sogar sagen, dass einige unserer Kritikpunkte umgesetzt wurden, allerdings hatten wir nichts davon, aber hoffentlich die Gruppen nach uns. Manche unserer durchaus konstruktiven Vorschläge sind aber auch völlig abgeprallt.
Mein Referendariat war durchwachsen. Ich hatte ein halbes Jahr, in dem ich durchaus einiges gelernt hatte, mit einer Betreuungslehrerin, die ein gutes Vorbild war und fachlich auch echt viel drauf hatte. Manche der "Methoden" fand ich auch etwas komisch, aber es machte schon Sinn es wenigstens mal auszuprobieren. Ein Beispiel gefällig? Wir sollten immer möglichst wenig reden und viel mit stummen Impulsen arbeiten. Kommentar meiner Schüler: "Frau Mars, wir sehen schon, dass Sie immer so komisch gucken, aber wir wissen dann nicht was sie wollen. Können Sie nicht einfach eine Frage stellen, wenn Sie was von uns wollen?" => stumme Impulse sind einfach nichts für mich
Im zweiten Halbjahr hatte ich die Referendarshölle. Miese Planung, eine inkompetente Betreuungslehrerin, kein Plan, kein sinnvolles Feedback, dafür aber 2 Lehrproben, die ich ohne irgendeine Hilfestellung und mit nicht korrekten Angaben von der Betreuungslehrerin nur so lala hinter mich gebracht habe. Ja, ich fühle mich durch diese Lehrerin um meine guten Noten betrogen, denn andere im Jahrgang mussten nicht mit diesen miesen Voraussetzungen in die Lehrproben. In diesem Halbjahr habe ich nichts gelernt, außer Verbitterung und dem Gefühl einem System ausgeliefert zu sein. (Hier hat unsere Kritik dann auch gewirkt, an diese Schule kommen derzeit keine Referendare mehr)
Im gesamten zweiten Jahr war es dann wieder OK. Es war stressig, manchmal hat man sich auch allein gelassen gefühlt, aber ich hatte das Gefühl, dass alle daran interessiert sind mit zu helfen und mich zu unterstützen. Dafür hatten wir jede Wochen Seminare, bei denen ich mich oft gefragt hatte, was das soll. Viele Inhalte wurden aufgebläht, die wären auch in der Hälfte der Zeit zu vermitteln gewesen, aber die Dozenten haben sich scheinbar einen Spaß daraus gemacht, immer ihre Lieblingsmethode bei uns vorzustellen. Allerdings haben die sich nicht abgesprochen, also haben wir jeden Methodenschnickschnack mindestens 3x am eigenen Leib erfahren. Und natürlich macht man als Referendar jeden Sch... brav mit, egal wie doof die Methode mal wieder ist. Und eigentlich lernt man doch, dass die Methode passend zum Thema ausgewählt werden sollte, aber die Dozenten haben die Methoden doch immer nur um der Methode willen gemacht.
Dann kam die dritte Lehrprobe und "das System" hat voll zugeschlagen. Jemand mit schlechten Vornoten kann ja gar keine super Leistung abliefern, also wurden alberne Kritikpunkte an meiner Stunde angeführt, die ich echt nicht nachvollziehen konnte. Auch meine Betreuungslehrerind meinte zu mir, die Stunde wäre mindestens eine Note besser gewesen... Und sowas finde ich einfach
Warum müssen die Prüfer die Noten der anderen Lehrproben überhaupt erfahren? Es würde doch reichen, wenn sie die aktuelle Leistung völlig unvoreingenommen bewerten würden... Das wäre mal ein einfach umzusetzender Punkt, um die Benotung fairer zu gestalten!
Dann kamen die Prüfungen und auch hier wieder einige komischer Seiten des Systems: Warum gibt es keine standardisierten Fragen, die die Leistungen im Jahrgang vergleichbar machen? Zumindest irgendwie teilweise. Vielleicht könnte man 2/3 der Prüfung mit standardisierten Fragen abprüfen, gerne auch schriftlich für die Vergleichbarkeit, und dann eben 1/3 der Prüfung als Gespräch, bei dem individuellere Dinge abgefragt werden.
Ich hatte sogar Glück bei den meisten der mündlichen Prüfungen, aber trotzdem fand ich sie extrem subjektiv in der Bewertung.
Also ja, ich bin für durchgängige Standards der Bewertung, mehr anonymität bei der Bewertung, damit keiner der Prüfer sich von irrelevanten Kriterien ablenken lässt.
Trotzdem finde ich Kritik nach dem Motto "DAS Referendariat ist mist" falsch, jeder kann immer nur sein von ihm erlebtes Referendariat kritisieren. Und wir hören hier ja auch von einigen Usern, dass sie ihr Referendariat druchaus als fair empfunden haben.