Nun - ich sehe das ebenfalls nicht schwarz-weiß. Es gibt jedoch um Dyskalkuie auch auif FB einen ziemlichen Hype - und manchen Eltern wäre wohl eine Pille wie bei ADHS lieb. Ich habe einige Jahre an einer Schule für Erziehungshilfe gearbeitet, die einen E- und einen L-Zug hat. Dort habe ich Kinder erlebt, die als lernschwach/lernbehindert "angeliefert" wurden - im wahrsten Sinn. In Berlin wurde den Eltern das Sorgerecht entzogen und die Kinder kamen nach Süddeutschland ins Heim. Mit Psychotherapie, geregeltem Tagesablauf und Betreuung kamen mehrere Kinder vom L-Zug in den Hauptschul-E-Zug.
Einer meiner Abschlussschüler, der vom L-Zug kam, schaffte durch den Perspektivwechsel von "rückwärts zum versoffenen, prügelnden Vater" zum "vorwärts - es ist mein Leben" den Abschluss mit einskomma. Ohne Ritalin etcpp.
Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen hirnorganische Ursachen vorliegen und Ritalin ein Segen ist. Vermutlich gibt es jedoch viel mehr Fälle, bei denen Vernachlässigung und Verwahrlosung als Ursache gelten.
Meyerhöfer muss man sicher kritisch sehen - auch wegen der überspitzten Pharmakritik. Wobei ich auch erlebt habe, dass "Feld-Wald-und Wiesen-Hausärzte" Kindern Ritalin verordnet haben - ohne dass bei diesen in diesem Bereich eine besondere diagnostische Expertise bekannt ist. An der Werkrealschule habe ich Kinder getroffen, die unter Ritalin standen und die Eltern mit dem Leben an sich (und den Kindern im speziellen) überfordert waren. Da habe ich oft über die Henne und das Ei gegrübelt.
Dyskalkulie hat scheinbar seit Corona stark zugenommen. Nun - die Gründe liegen sicher in weiten Teilen in dem, was Meyerhöfer kritisiert. Vielen Kindern fehlt die Basis im mathematischen Verständnis, die eigentlich in der ersten Klasse gelegt werden muss. Ist diese Basis nicht vorhanden, kann man als Lehrer im 3.Stock die wundervollste mathematische Stuckdecke einziehen - das Gebäude stürzt dennoch zusammen.
Daher: Ein Hoch auf qualifizierten, fundierten und differenzierten Mathematikunterricht in Klasse 1!